OLG Köln, Beschluss vom 28.08.2020 – 16 W 19/20

Oktober 6, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 28.08.2020 – 16 W 19/20

Ein Kaufvertrag über einen Pkw und ein zugleich geschlossener Vertrag über die Rückanmietung des Pkw durch den Verkäufer von dem Käufer, der dem Verkäufer die faktische Möglichkeit gewährt, das Fahrzeug nach Ende des Mietverhältnisses zurückzuerwerben, kann wegen Verstoßes gegen § 34 Abs. 4 GewO unwirksam sind, wenn die von dem Mieter vertraglich zu erbringenden Leistungen über einen Nutzungsersatz für das Fahrzeug hinausgehen.

In der Verwendung der zugrundeliegenden unwirksamen Vertragsklauseln liegt eine Verletzung der vorvertraglichen Pflichten, die einen auf Rückabwicklung der beiden Verträge – Kauf- und Mietvertrag – gerichteten Anspruch aus culpa in contrahendo (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 1, 280 BGB) begründet. Dieser Anspruch fällt unter den Gerichtsstand des vertraglichen Erfüllungsorts nach § 29 Abs. 1 ZPO. Dabei bestimmt sich der Erfüllungsort der vorvertraglichen Nebenpflicht nach dem Erfüllungsort der Hauptverpflichtung.

Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 27.7.2020 wird der Beschluss des Landgerichts Köln vom 6.7.2020 – 7 O 122/20 – abgeändert und das Landgericht angewiesen, dem Antragsteller Prozesskostenhilfe nicht wegen fehlender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage zu verweigern.

Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Die beabsichtige Klage bietet die nach § 114 ZPO erforderliche hinreichende Ausicht auf Erfolg.

Die Prüfung der Rechtslage hat auch bei rechtlich schwierigen Fragen im Verfahren der Prozesskostenhilfe zu erfolgen, wenn diese aufgrund einer feststehenden Rechtsprechung eindeutig zu beantworten sind. Ebenso ist das Gericht nicht gehindert, einen Rechtsstandpunkt in einer höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfrage einzunehmen, wenn sich diese durch Auslegung des Gesetzes ohne Schwierigkeiten eindeutig beantworten lässt. Anders ist dies aber bei zugleich schwierigen und bisher ungeklärten Rechtsfragen. Art 3 Abs. 1 GG und das Rechtsstaatsprinzip gebieten es, dem Rechtssuchenden dann den Zugang zum Hauptsacheverfahren zu eröffnen, in dem eine vertiefte Erörterung der Rechtsfragen stattfinden kann. Insbesondere darf Prozesskostenhilfe nicht verweigert werden, wenn wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zugelassen werden müsste (Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 114 Rn. 24; ferner Wache in: Münchener Kommentar, ZPO, 6. Aufl, § 114 Rn. 60; Fischer in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. § 114 Rn. 20 jew. m.w.N.)

Nach diesen Maßstäben hat die beabsichtigte Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg. So hat der 2. Zivilsenat des OLG Frankfurt mit Urteil vom 5.6.2020 – auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH (NJW 2009, 3368) und des 6. Zivilsenats des OLG Frankfurt (GRUR-RR 2018, 422) – für die vorliegende Vertragskonstellation entschieden, dass ein Kaufvertrag über einen Pkw und ein zugleich geschlossener Vertrag über die Rückanmietung des Pkw durch den Verkäufer von dem Käufer, der dem Verkäufer die faktische Möglichkeit gewährt, das Fahrzeug nach Ende des Mietverhältnisses zurückzuerwerben, wegen Verstoßes gegen § 34 Abs. 4 GewO unwirksam sind, wenn die von dem Mieter vertraglich zu erbringenden Leistungen über einen Nutzungsersatz für das Fahrzeug hinausgehen (OLG Frankfurt – Urt. v. 5.6.2020 – 2 U 90/19, BeckRS 2020, 13059; ebenso zuletzt LG Hamburg Urt. v. 24.6.2020 – 329 O 223/19, BeckRS 2020, 15228). Das OLG Frankfurt hat die Revision zugelassen. Dieser überzeugend begründeten Rechtsprechung, deren Standpunkt auch andere – vom Antragsteller zur Akte gereichte – landgerichtliche Entscheidungen vertreten, dürfte zu folgen sein. Abgesehen davon ist nach den angeführten Kriterien schon wegen der breiten Rechtsprechung, die einen Verstoß der Vertragskonstruktion gegen § 34 Abs 4 GeWO annnimmt, eine hinreichende Erfolgsaussicht zu bejahen.

Der in § 7 des Mietvertrages vereinbarte monatliche Mietzins von 540,– € (Bl. 45 d.A.) liegt deutlich über einem berechtigten Nutzungsersatz. Der Gebrauchsvorteil errechnet sich nach der Formel: Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer ./. voraussichtliche Restlaufleistung (OLG Frankfurt a.a.O.; ferner BGH NJW 2020, 1962 Rn. 80; BGH Urt. v. 30.7.2020 – VI ZR 354/19 – BeckRS 2020, 19274 Rn. 12). Legt man den in § 4 des Kaufvertrages vereinbarten Kaufpreis von 6.000,– € (Bl. 40 d.A.) und eine Restlaufzeit von 179.287 km (200.000 km abzüglich Laufleistung bei Verkauf von 20.713 km, § 1 des Kaufvertrages) zugrunde, so ergibt sich ein Nutzungsersatz von 0,033 €/km. Legt man einen großzügig geschätzten Wert des relativ neuwertigen Fahrzeuges von 20.000,- € zugrunde, so errechnet sich ein Nutzungsersatz von 0,12 €/km. Vereinbart ist eine vertragliche Nutzung von 20.700 km (§ 10 des Mietvertrages), das sind bei der verabredeten Mietlaufzeit von 6 Monaten 3.450 km monatlich, so dass sich eine Nutzungsentschädigung von 114,– € bzw. 414,– € je Monat errechnet. Selbst unter Hinzurechnung von Schuldzinsen von monatlich 1 % auf den Kaufpreis von 6.000,– € (OLG Frankfurt a.a.O. Rn. 39) überschreitet der Mietzins den Nutzungsersatz erheblich. Geht man von einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges von 250.000 km (so Urt. v. 30.7.2020 – VI ZR 354/19 – BeckRS 2020, 19274 Rn. 15) oder von 300.000 km (BGH NJW 2020, 1962 Rn. 83) aus, so verringert sich die Nutzungsentschädigung sogar noch.

Das Landgericht Köln ist für die Klage auch örtlich zuständig. Es mag dahinstehen, ob der Gerichtsstand der Niederlassung nach § 21 ZPO eröffnet ist. Jedenfalls ist in Köln der Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach § 29 ZPO gegeben. In der Verwendung der unwirksamen Vertragsklauseln liegt eine Verletzung der vorvertraglichen Pflichten, die einen Anspruch aus culpa in contrahendo (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 1, 280 BGB) begründet (BGH NJW 2014, 854 Rn. 34; BeckOGK/Herrestahl, BGB, Stand 1.6.2019, § 311 Rn. 383 und 384; Münchener Kommentar/Emmerich, BGB, 8. Aufl., § 311 Rn. 76; Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 311 Rn. 38 jew. m.w.N). Dieser Anspruch ist nach § 249 Abs. 1 BGB auf Rückabwicklung der beiden Verträge – Kauf- und Mietvertrag – gerichtet, da die Verträge bei pflichtgemäßem Verhalten der Antragsgegnerin nicht geschlossen worden wären. Ansprüche aus culpa in contrahendo fallen unter den Gerichtsstand des § 29 Abs. 1 ZPO (BGH VersR 2010, 645; BayObLG NJW-RR 2002, 1502, 1503; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 29 Rn. 16, 18; Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, 17. Aufl., § 29 Rn. 4; Zöller/Schulzky, ZPO, 33. Aufl., § 29 Rn. 6 jew. m.w.N.). Dabei bestimmt sich der Erfüllungsort der vorvertraglichen Nebenpflicht nach dem Erfüllungsort der Hauptverpflichtung (BGH a.a.O.; Stein/Jonas/Roth § 29 Rn. 18 und 23). Vorliegend ist der Erfüllungsort für die kaufvertraglichen Pflichten nach § 269 Abs. 1 BGB am Wohnsitz des Antragstellers. Dasselbe gilt für die mietvertraglichen Pflichten der Antragsgegnerin auf Gewährung des Gebrauchs der Mietsache, aber auch die des Antragstellers zur Mietzahlung (BGH NJW 1988, 1914; OLG Düsseldorf MDR 2005, 165; Münchener Kommentar/Krüger, BGB, 8. Aufl., § 269 Rn. 48) wie die zur Rückgabe der Mietsache (BGH NJW 2017, 1301 Rn. 22; Münchener Kommentar/Krüger a.a.O.). Auch die letzteren Verpflichtungen sind mangels abweichender Vereinbarung am Wohnort des Schuldners, hier also des Antragstellers zu erfüllen. Sowohl der Kaufvertrag als auch der Mietvertrag enthalten keine abweichenden Regelungen, so dass nicht zu entscheiden ist, ob diese überhaupt maßgebend sein könnten.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO)

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