OLG Köln, Beschluss vom 29.01.2020 – 8 AR 10/20

Oktober 8, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 29.01.2020 – 8 AR 10/20

Tenor
Das Landgericht Köln wird als sachlich und örtlich zuständiges Gericht für den Rechtsstreit gegen alle drei Beklagte bestimmt. Dies gilt nicht für den mit Schriftsatz vom 06.01.2020 eingereichten Klageantrag zu 12), der sich gegen den Beklagten zu 1) richtet.

Gründe
I.

Der im Bezirk des Landgerichts Bonn wohnhafte Kläger nimmt die Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Anwaltshaftung in Anspruch. Der Beklagten zu 1) ist mit Beschluss des Amtsgerichts Bonn zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der vormaligen Rechtsanwalts-GbR ernannt worden, welche von ihrem Kanzleisitz im Bezirk des Landgerichts Köln die behauptete anwaltliche Schlechtleistung erbracht haben soll. Der Beklagte zu 2), der seinen Wohnsitz in A hat, wird als (behaupteter) Außen-Sozius der Kanzlei in Anspruch genommen. Die in B (GA 212) geschäftsansässige Beklagte zu 3) wird als Haftpflichtversicherung der insolventen Rechtsanwalts-GbR in Anspruch genommen.

Die Kläger hat die Beklagten zunächst auf gesamtschuldnerische Zahlung eines Betrages von weniger als 5.000 Euro beim Amtsgericht Brühl in Anspruch genommen. Mit Schriftsatz vom 11.02.2018 (GA 216) hat er den Klageantrag dahingehend umgestellt, dass gegen den Beklagten zu 1) nur die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle – in gesamtschuldnerischen Haftung mit den anderen Beklagten – begehrt werde. Mit Schriftsatz vom 04.06.2018 (GA 692f.) hat der Beklagte zu 1) auf den ausschließlichen Gerichtsstand des § 180 InsO hingewiesen, den Insolvenzeröffnungsbeschluss des Amtsgerichts Bonn vorgelegt (GA 697) und die Zuständigkeit des Amtsgerichts Brühl gerügt. Mit Schriftsatz vom 18.06.2018 (GA 705) hat die Beklagte zu 3) ebenfalls die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Brühl gerügt und ihr Sitzgericht in Düsseldorf für zuständig gehalten.

Nach einer objektiven Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 24.05.2019 (GA 1126) hat sich das Amtsgericht Brühl auf Antrag des Klägers mit Beschluss vom 01.08.2019 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Köln verwiesen (GA 1944). Mit Hinweis vom 02.09.2019 (GA 1973) hat das Landgericht Köln mitgeteilt, dass für die gegen den Beklagten zu 1) erhobene Klage das Landgericht Bonn ausschließlich zuständig sei, weshalb eine Verweisung der gegen den Beklagten zu 1) erhobenen Klage dorthin beabsichtigt sei. Die Ansprüche gegen die Beklagte zu 3) aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag müssten an deren Sitz in Düsseldorf verfolgt werden, weshalb die gegen die Beklagte zu 3) gerichtete Klage dorthin verwiesen werden solle.

Mit Schriftsatz vom 03.12.2019 (GA 2044) hat der Kläger – hilfsweise – die Gerichtsstandsbestimung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, vorzugsweise beim Landgericht Köln, hilfsweise beim Landgericht Bonn (GA 2082) beantragt.

Das Landgericht Köln hat am 03.12.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die Parteien die Sachanträge gestellt haben.

Mit klageerweiterndem Schriftsatz vom 6.1.2020 (GA 2087) hat der Kläger allein gegen den Beklagten zu 1) einen Auskunftsanspruch nach DS-GVO erhoben. Hierfür hält er das Landgericht Bonn für zuständig und beantragt Verweisung an dieses Gericht.

Mit Verfügung vom 16.01.2020 hat das Landgericht Köln den auf die mündliche Verhandlung anberaumten Verkündungstermin aufgehoben und die Sache gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO dem Senat zur Gerichtsstandbestimmung vorgelegt.

II.

1.

Das Oberlandesgericht Köln ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichtes berufen, weil das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof wäre und das im Bezirk des Oberlandesgerichts Köln gelegene Landgericht Köln als erstes – und bislang einziges – Gericht in dieser Sache angerufen worden ist.

2.

Nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wird das zuständige Gericht durch das im Rechtszug höhere Gericht bestimmt, wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

a) Die Beklagten haben mit Köln und Düsseldorf unterschiedliche allgemeine Gerichtsstände. Für die Klage gegen den Beklagten zu 1) besteht darüber hinaus ein ausschließlicher Gerichtsstand gem. 180 Abs. 1 S. 2 InsO. Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand ist nicht begründet oder jedenfalls nicht sicher feststellbar.

b) Die Beklagten sind auch als Streitgenossen im Sinne von §§ 36 Abs. 1 Nr. 3, 59, 60 ZPO anzusehen. Die Vorschriften der §§ 59, 60 ZPO, unter denen eine einheitliche Klage gegen mehrere Parteien zulässig ist, sind unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie weit auszulegen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Mai 1990 – I ARZ 186/90, NJW-RR 1991, 381; Beschluss vom 19. November 1991 – X ARZ 10/91, NJW 1992, 981). Streitgenossenschaft liegt nach § 60 ZPO vor, wenn gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden. Bei Ansprüchen aus einer Mehrheit von gleichartigen selbständigen Lebenssachverhalten muss auf Beklagtenseite ein innerer Zusammenhang bestehen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Mai 1990, aaO; BayObLG, Beschluss vom 21. August 2002 – 1Z AR 86/02, NJW-RR 2003, 134; OLG Köln, Beschluss vom 21. Februar 2012 – 8 AR 65/11, zitiert juris Rn. 2). Voraussetzung der genannten Vorschriften ist es, dass die „als Streitgenossen“ in Anspruch genommenen Personen zumindest einem gemeinschaftlichen Gegner gegenüberstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 1991, aaO; OLG Köln, Beschluss vom 21. Februar 2012, aaO Rn. 3). Im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren wird nicht die Zulässigkeit oder die Schlüssigkeit der Klage geprüft, sondern die Zulässigkeit des Gesuchs, im Falle des § 36 Abs. 1 Nr. 3 also vor allem, ob die §§ 59, 60 ZPO schlüssig vorgetragen sind. Dabei ist von der Darstellung des Antragstellers auszugehen (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. November 2012 – 1 AR 18/12 (Zust) -, Rn. 5, juris m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben ist hinsichtlich der Sachanträge mit Ausnahme des Antrags zu 12) von einer schlüssig vorgetragenen Streitgenossenschaft auf Beklagtenseite auszugehen. Die Klägerin verfolgt gegen die Beklagten aus demselben Lebenssachverhalt – behauptete anwaltliche Schlechtleistung – Zahlungsansprüche bzw. Anträge auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle. Dabei nimmt sie die Beklagten als Gesamtschuldner in Anspruch. Unabhängig von der Frage, wie eine Gesamtschuld hinsichtlich der Feststellung zur Insolvenztabelle mit den Beklagten zu 2) und 3) begründet werden soll, ergibt sich die Streitgenossenschaft doch durch den identischen Lebenssachverhalt der ohne die Insolvenz der Anwalts GbR zu einer Gesamtschuld mit dieser geführt hätte. Der Einwand der Unzulässigkeit der Klage gegen den Beklagten zu 2) hindert die Zuständigkeitsbestimmung nicht, da auch eine Unzulässigkeit von einem zuständigen Gericht festgestellt werden müsste.

c) Anders liegt der Fall hingegen hinsichtlich des Klageantrags zu 12). Dieser nach Schluss der mündlichen Verhandlung nachgereichte Antrag auf Datenauskunft nach DS-GVO ist allein gegen den Beklagten zu 1) gerichtet. Es mag sein, dass er als Vorbereitung für die Verfolgung von Ansprüchen gegen alle Beklagte dienen soll. Eine Streitgenossenschaft mit den anderen Beklagten besteht diesbezüglich nicht. In diesem Fall ist nicht der insgesamt anhängige Rechtsstreit Gegenstand des Bestimmungsverfahrens, sondern nur derjenige, der sich nach – vom Hauptsachegericht noch vorzunehmender – Abtrennung ergibt. Das ist möglich, weil § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die Bestimmung für zukünftige Rechtsstreite zulässt (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 03. Dezember 2019 – 1 AR 112/19 -, Rn. 16 – 193, juris).

3.

In Ausübung des ihm eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens bestimmt der Senat das Landgericht Köln als zuständiges Gericht.

Der Senat hat bei der Ermessensausübung bedacht, dass für den gegen den Beklagten zu 1) gerichteten Anspruch eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bonn besteht. Eine ausschließliche Zuständigkeit nimmt dem übergeordneten Gericht im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO indes nicht die Möglichkeit, unter den verschiedenen als zuständig in Betracht kommenden Gerichten eine Auswahl zu treffen. Die Besonderheit einer ausschließlichen Zuständigkeit besteht darin, dass weder durch Parteivereinbarung noch durch rügelose Einlassung (§§ 38 – 40 ZPO) die Zuständigkeit eines anderen Gerichts begründet werden kann. Daraus folgt aber nicht, dass eine ausschließliche Zuständigkeit auch im Verfahren nach §§ 36, 37 ZPO unabänderlich festläge und dass es generell und grundsätzlich der Absicht des Gesetzes widerspräche, wenn in diesem Verfahren das nicht ausschließlich zuständige Gericht ausgewählt würde. Die Begründung einer ausschließlichen Zuständigkeit maßgebenden Gesichtspunkte können hinter die Erwägungen zurücktreten, die es zweckmäßig erscheinen lassen, einen Prozess gegen mehrere Streitgenossen nur einmal, vor ein und demselben Gericht, zu führen (BGH, Beschluss vom 16. Februar 1984 – I ARZ 395/83 -, BGHZ 90, 155-161, Rn. 9 m.w.N.).

So liegt der Fall hier. Für die Bestimmung des Landgerichts Köln spricht schon, dass der Beklagte zu 2) als einzige verklagte natürliche Person und damit im Zweifel schutzwürdigster Beklagter dort seinen Wohnsitz hat. Weiter fällt ins Gewicht, dass der Rechtsstreit beim Landgericht Köln bereits rechtshängig und in der Sache eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden ist. Außerdem ist entscheidend zu berücksichtigen, dass die behaupteten anwaltlichen Schlechtleistungen von der Anwalts-GbR mit Kanzleisitz im Bezirk des Landgerichts Köln erbracht worden sein sollen. Damit besteht auch die größte Sachnähe zum Bezirk des Landgerichts Köln.

Den Beklagten zu 1) und 3) ist eine Rechtsverteidigung vor dem Landgericht Köln zuzumuten. Der Beklagte zu 1) ist als Insolvenzverwalter in einer überörtlichen Kanzlei tätig. Die örtliche Flexibilität zeigt sich bereits darin, dass er in der Eigenschaft als Insolvenzverwalter vom Amtsgericht mit dem Standort in Bonn bestellt, vom Kläger unter dem Standort in Köln in Anspruch genommen wurde und mittlerweile mit dem Aachener Standort im Passivrubrum geführt wird. Die Beklagte zu 3) ist ein bundesweit tätiger Versicherungskonzern, dem eine Rechtsverteidigung vor einem auswärtigen Gericht ohnehin zumutbar ist.

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