OLG Köln, Urteil vom 11.07.2019 – 15 U 24/19

Oktober 10, 2021

OLG Köln, Urteil vom 11.07.2019 – 15 U 24/19

Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 16.01.2019 (28 O 369/18) abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die einstweilige Verfügung vom 04.10.2018 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsklägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe
I.

Die Verfügungsklägerin, eine Fraktion des thüringischen Landtages, begehrt von den Verfügungsbeklagten Unterlassung der Äußerung „Schon 2015 habe eine Abgeordnete der hiesigen AfD-Fraktion eine Kleine Anfrage eingereicht, in der sie eine Zählung aller Homo-, Bi- und Transsexuellen in Thüringen verlangte“, die die Verfügungsbeklagte zu 2) in einem auf der Homepage der Verfügungsbeklagten zu 1) – ebenfalls Fraktion des thüringischen Landtages – im September 2018 veröffentlichten und nachstehend eingeblendeten Beitrag mit dem Titel „Verfassungsfeindlichkeit der AfD ist schon länger offenkundig“ getätigt hat:

Dieser Beitrag der Verfügungsbeklagten zu 2), der innenpolitischen Sprecherin der Verfügungsbeklagten zu 1), stand im Zusammenhang mit der damals aktuellen Debatte um eine Beobachtung der AfD durch Verfassungsschutzbehörden. Hintergrund der hier konkret angegriffenen Passage war wiederum eine Kleine Anfrage der AfD-Abgeordneten A. vom 01.09.2015 (Nr. 492, Anlage A 4, AH), die nachstehenden Inhalt hatte:

„Lesbische, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle und Intersexuelle (LSBTI) in Thüringen

Laut Koalitionsvertrag (Seite 27) fühlt sich die Koalition verpflichtet, Akzeptanz und Gleichstellung aller Lebensweisen zu befördern. Homosexuelle, Bi- und Transsexuelle, Transgender und intergeschlechtliche Menschen sollen in Thüringen laut Koalitionsvertrag diskriminierungsfrei und gleichberechtigt leben können und weder im Alltag noch durch Verwaltungshandeln benachteiligt werden.

Das Maßnahmenbündel, welches die Landesregierung vorsieht, beinhaltet vor allem die Entwicklung eines Landesprogramms für Akzeptanz und Vielfalt, das in einem gleichberechtigten Dialog von Vereinen und Initiativen aus dem LSBTI-Bereich einerseits und dem Land sowie den Kommunen andererseits Maßnahmen zur Überwindung diskriminierender Regelungen und Verfahren beschreiben sowie die Weiterbildung für Beschäftigte im öffentlichen Dienst sowie den Bildungseinrichtungen des Landes zu diesem Thema befördern soll.

Ich frage die Landesregierung:

1.

Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, wie viele Homosexuelle, Bi- und Transsexuelle, Transgender und intergeschlechtliche Menschen in Thüringen leben?

2.

Wenn Frage 1 mit Ja beantwortet wird: Woher stammen die Erkenntnisse der Landesregierung?

3.

Wie viele Homosexuelle, Bi- und Transsexuelle, Transgender und intergeschlechtliche Menschen leben in Thüringen (bitte nach einzelnen Gruppen aufschlüsseln) und wie viel Prozent der Bevölkerung Thüringens entspricht dies jeweils?

4.

Falls Frage 1 mit Nein beantwortet wird: Woraus ergibt sich die Erkenntnis der Landesregierung, dass die Homosexuellen, Bi- und Transsexuellen, Transgender und intergeschlechtliche Menschen eine Gruppe bilden, die in Thüringen besonders schutzbedürftig ist?

5.

Wie viele Fälle von Diskriminierung von Homosexuellen, Bi- und Transsexuellen, Transgender und intergeschlechtlichen Menschen sind seit dem Jahr 1991 bekannt (bitte aufschlüsseln nach Jahressescheiben)? Was wird dabei jeweils unter Diskriminierung verstanden?

6.

Wie viele Übergriffe auf Homosexuelle, Bi- und Transsexuelle, Transgender und intergeschlechtliche Menschen sind seit dem Jahr 1991 polizeibekannt (bitte aufschlüsseln nach Jahressescheiben und Tatbestand)?

7.

Welche diskriminierenden Regelungen und Verfahren sind in Thüringen konkret existent? Wie plant die Landesregierung gegen diese vorzugehen?

8.

Welche Weiterbildungsangebote aus dem LSBTI-Bereich für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und an den Bildungseinrichtungen des Landes sind der Landesregierung bekannt? Welche Weiterbildungsangebote zu diesem Themenbereich sollen neu geschaffen werden?

9.

In welcher Höhe werden Mittel für die Entwicklung eines Landesprogramms für Akzeptanz und Vielfalt benötigt (bitte geplante Höhe aufschlüsseln nach Haushaltsjahr)?

10.

Welche Laufzeit soll das Landesprogramm für Akzeptanz und Vielfalt haben?“

Wegen der Antwort der Landesregierung auf diese Anfrage wird auf die Landtagsdrucksache 6/1191 (Anlage 1, AH II) Bezug genommen. Zu den Fragen 1 – 4 hieß es dort u.a. „Nein, und das ist gut so. Die Zeiten des Erfassens solcher Angaben sind vorbei…“ Die Kleine Anfrage führte seinerzeit zu Presseveröffentlichungen, in denen die Anfrage u.a. so gedeutet worden war, als wolle man die benannten Bevölkerungsgruppen zählen lassen (vgl. etwa Tagesspiegel vom 12.10.2015 – Anlage 2, AH II). Auch die Fraktion der Grünen im Thüringer Landtag fasste als Reaktion die kleine Anfrage mit den Worten zusammen, dass die Verfügungsklägerin „eine Liste von LSBTI wolle.“ Der MDR kommentierte seinerzeit, dass die Kleine Anfrage Assotiationen hinsichtlich diskriminierender Maßnahmen während der Zeit des Nationalsozialismus wecke.

Im Wahlprogramm der AfD Thüringen zur Landtagswahl 2014 war folgender Passus enthalten:

Das Landgericht hat nach Klarstellung des zunächst weiter gefassten ursprünglichen Antrages im Schriftsatz vom 01.10.2018 (Bl. 12 d.A.) mit Beschluss vom 04.10.2018 (Bl. 13 ff. d.A.) im Wege der einstweiligen Verfügung den Verfügungsbeklagten bei Meidung von Ordnungsmitteln untersagt, zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder behaupten und/oder verbreiten zu lassen: „Schon 2015 habe eine Abgeordnete der hiesigen AfD-Fraktion eine Kleine Anfrage eingereicht, in der sie eine Zählung aller Homo-, Bi- und Transsexuellen in Thüringen verlangte“, wenn dies geschieht, wie am 03.09.2018 auf der Internetseite https://www.xy**/.

Auf Widerspruch der Verfügungsbeklagten hat das Landgericht mit Urteil vom 16.01.2019, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen der erstinstanzlichen Sachanträge Bezug genommen wird (Bl. 69 ff. d.A.), die einstweilige Verfügung vom 04.10.2018 bestätigt. Es hat sich dabei im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Verfügungsklägerin als Fraktion in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht nur mittelbar betroffen sei, weil aus Sicht des unbefangenen Lesers das hier kritisierte Verhalten mit ihr in enger Verbindung stehe, zumal die Fraktion nur aus acht Mitgliedern bestehe und die Fraktion selbst damit identifiziert und in der Öffentlichkeit herabgewürdigt werde. Zudem seien gerade Schlussfolgerungen aus den beschriebenen einzelnen Handlungen von Mitgliedern der Verfügungsklägerin zu deren Lasten gezogen worden. In der Sache werde hier dann nicht nur das Geschehen vereinfacht bzw. vergröbernd dargestellt, sondern bei voller Berücksichtigung politischer Redeweisen dennoch schon im Kern der Sachaussage falsch dargestellt. Denn die Abgeordnete A. habe weder direkt noch aus dem Zusammenhang eine „Zählung“ der Gruppenmitglieder begehrt, sondern mit der ersten Frage nur vorhandenes Zahlenmaterial erbeten, um mit den zwei folgenden Fragen für den Fall des Vorliegens solcher Zahlenwerke zugleich zu erfahren, woher diese Erkenntnisse stammen. In Anbetracht des Inhalts der Fragen und ihres Zusammenspiels, sei für den Leser der Anfrage ersichtlich, dass es der Abgeordneten nicht um eine Zählung, sondern nur eine Mitteilung von ggfls. bereits vorliegenden Zahlen gegangen sei. Die seitens der Verfügungsbeklagten vorgenommene und durch die streitgegenständliche Äußerung zum Ausdruck gekommene Interpretation der Anfrage werde vor diesem Hintergrund auch selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Äußerung im politischen Meinungskampf getätigt worden sei, nicht getragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (Bl. 69 ff. d.A.) Bezug genommen.

Dagegen wenden sich die Verfügungsbeklagten mit ihrer Berufung. Das Landgericht sei bei der gebotenen Wertung fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die Verfügungsklägerin von der streitgegenständlichen Äußerung betroffen sei. Die geringe Anzahl der Fraktionsmitglieder könne nicht Kriterium für die Feststellung einer Betroffenheit sein, weil sonst kleinere Personenvereinigungen im Äußerungsrecht gegenüber großen Personenvereinigungen besser geschützt würden. Es bedürfe zumindest weiterer Anhaltspunkte für eine Betroffenheit, an denen es hier aber fehle. Zu berücksichtigen sei, dass es sich bei derjenigen Abgeordneten, die die Kleine Anfrage gestellt habe, nicht um eine Führungsperson der Verfügungsklägerin gehandelt habe, so dass ihre Aktionen nicht als prägend für diese als Fraktion angesehen werden könnten. Soweit in der Stellungnahme an anderer Stelle auf führende AfD-Mitglieder aus Thüringen Bezug genommen werde, könne auch daraus nicht die Betroffenheit der Verfügungsklägerin hergeleitet werden, denn insoweit sei sie als Fraktion mit keinem Wort erwähnt worden. Vielmehr gehe es in der Stellungnahme um die AfD als Partei, die von der Verfügungsklägerin zu unterscheiden sei. Dies sei in Zusammenhang damit zu sehen, dass die Debatte um die Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz gerade durch Vorfälle in Chemnitz angestoßen worden sei, in denen die AfD-Landesvorsitzenden von Sachsen, Thüringen und Brandenburg Seite an Seite mit ultrarechten Gruppierungen an Pegida-Demonstrationen teilgenommen hätten. Zudem habe das Landgericht verkannt, dass es sich bei einer Kleinen Anfrage nur um ein spezielles Instrument zu Gunsten einzelner Abgeordneter handele, so dass auch insofern eine Fraktion nicht betroffen sei. Auf diesen Unterschied habe die Verfügungsklägerin in einem Parallelverfahren, in der ihr die kleine Anfrage aus ihrer Sicht zu Unrecht direkt zugeschrieben worden sei, selbst ausdrücklich Wert gelegt. Darüber hinaus vertiefen die Verfügungsbeklagten ihre Auffassung, dass es sich bei der streitgegenständlichen Äußerung nicht um eine unwahre Tatsachenbehauptung handele bzw. diese von der Verfügungsklägerin hinzunehmen sei. Schon aus dem Wortlaut der Anfrage ergebe sich eine immanente Aufforderung zu einer Zählung. Diese Interpretation dränge sich nach dem Empfängerhorizont geradezu auf. Sie werde durch verschiedene Presseberichte und Stellungnahmen anderer Fraktionen gestützt, die die Anfrage seinerzeit auch in ähnlichem Sinne verstanden hätten. Zumindest sei eine vereinfachte Darstellung angesichts der hitzigen Debatte um die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz im Gesamtkontext der Pressemitteilung zulässig, da es dem politischen Gegner möglich sein müsse, seinen Vorwurf in vergröbernder Vereinfachung der Zusammenhänge für seine Leser plastisch zu formulieren. Neben der streitgegenständlichen Passage aus der Kleinen Anfrage seien zudem auch weitere Vorfälle mitgeteilt worden, die allesamt Assoziationen bezüglich der Zeit des Nationalsozialismus weckten. In diesem Kontext sei die streitgegenständliche Äußerung eine noch hinzunehmende Interpretation der kontrovers beurteilten Anfrage. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 125 ff. d.A.) und den Schriftsatz vom 06.06.2019 (Bl. 177 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Verfügungsbeklagten beantragen sinngemäß,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 16.01.2019 – 28 O 369/18 – die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 05.10.2018 – 28 O 369/18 – aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages. Sie rügt die Zulässigkeit der Berufung mit Blick auf die Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Im Übrigen sei das Landgericht zu Recht von einer Betroffenheit der Verfügungsklägerin ausgegangen, zumal sie namentlich genannt und der Name der einzelnen Abgeordneten gerade nicht angeführt worden sei und man hier ersichtlich nach dem Gesamtkontext insgesamt auch für die Kleine Anfrage in Haftung genommen werden solle. Die Kleine Anfrage diene geradezu als Beleg für die behauptete Verfassungsfeindlichkeit. Aufgrund des arbeitsteiligen Zusammenwirkens innerhalb einer Fraktion müsse das Tätigwerden eines Fraktionsmitglieds im Zweifel der Fraktion zugerechnet werden, zumal die Kritik die Fraktion selbst treffen solle. Dies gelte vorliegend umso mehr, als die Abgeordnete die Kleine Anfrage im Rahmen ihrer Position als Sprecherin der Fraktion für Soziales, Arbeit, Gesundheit, Religion, Kultur und Petitionen und somit innerhalb ihres Schwerpunktes der Arbeit für die Fraktion gestellt habe. In der Sache sei das Landgericht zu Recht von einer unwahren Tatsachenbehauptung ausgegangen. Schon dem Wortlaut der Kleinen Anfrage sei zu entnehmen, dass es sich nicht um eine Forderung zur „Zählung“, sondern allein um eine Frage betreffend bereits existenter und der Landesregierung vorliegender Erkenntnisse gehandelt habe. Ohnehin sei das Instrument der Kleinen Anfrage nach § 90 der GO des Thüringer Landtages auf Fragen begrenzt, weshalb angebliche Forderungen darin ohnehin nicht aufgestellt werden könnten, was der Verfügungsbeklagten als Vizepräsidentin des Landtags bekannt sei. Letztlich sei zu berücksichtigen, dass in vergleichbaren Fällen die Gegner letztlich die Unzulässigkeit entsprechender Äußerungen immer hätten anerkennen müssen. Zudem handele es sich unter Beachtung des Gesamtkontexts jedenfalls um eine unzulässige Schmähkritik, da die Verfügungsbeklagten aus der vermeintlichen Forderung einer einzelnen Abgeordneten abzuleiten suchten, dass die ganze Partei „neofaschistisch“ sei. Der Vorwurf einer offensichtlichen Verfassungswidrigkeit einer Partei sei aber eine Unterstellung, die sich vor dem Hintergrund des Urteils des VG Köln vom 26.02.2019 im einstweiligen Rechtsschutz, in welchem dem Bundesamt für Verfassungsschutz die Bezeichnung der AfD als „Prüffall“ untersagt worden war, so nicht halten lasse. Aktuelle Evaluierungsbemühungen der Landesregierung im Rahmen eines Diversity-Konzepts hätten im Übrigen die sachliche Berechtigung des Inhalts der Kleinen Anfrage und das Bedürfnis nach der Ermittlung der Größe der betroffenen Gruppe belegt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Verfügungsklägerin wird auf die Berufungserwiderung (Bl. 153 ff. d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Verfügungsbeklagten hat Erfolg.

1. Die Berufung ist zulässig. Die Verfügungsklägerin und die Verfügungsbeklagte zu 1) sind als Fraktionen parteifähig gemäß § 45 Abs. 2 ThürAbgG. Ein Rechtsstreit zwischen Landtagsfraktionen betreffend Äußerungen in der außerparlamentarischen Öffentlichkeitsarbeit fällt zudem auch dem Zivilrechtsweg zu (OLG Dresden v. 09.05.2017 – 4 U 102/17, NJW-RR 2017, 1254 Rn. 11-15), was mangels Rüge vom Senat wegen § 17a Abs. 5 GVG aber ohnehin nicht mehr zu prüfen wäre. Die Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO sind – entgegen der Verfügungsklägerin – hier ebenfalls noch gewahrt. Gemäß § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Da die Berufungsbegründung erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, hat dieser diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend ansieht und dazu die Gründe anzugeben, aus denen er die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet. Besondere formale Anforderungen werden insoweit nicht gestellt. Insbesondere erfordert die Berufungsbegründung weder die ausdrückliche Benennung einer bestimmten Norm noch die Schlüssigkeit oder jedenfalls Vertretbarkeit der erhobenen Rügen (st. Rspr., vgl. BGH v. 04.11.2015 – XII ZB 12/14, juris Rn. 6 m.w.N.). Hier haben die Verfügungsbeklagten ausreichend deutlich gemacht, aus welchen rechtlichen Gründen sie die erstinstanzliche Entscheidung für unzutreffend halten. Sie widersprechen insbesondere der rechtlichen Bewertung der ersten Instanz zur Frage der Betroffenheit der Verfügungsklägerin und vertreten eine andere Ansicht bezüglich der Frage, wie die Abwägung zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin und der Meinungsfreiheit der Verfügungsbeklagten auszufallen hat. Dies genügt den prozessualen Anforderungen.

2. Die Berufung ist auch begründet.

a) Das Landgericht hat allerdings zu Recht und mit zutreffender Begründung eine unmittelbare Betroffenheit der Verfügungsklägerin bejaht. Die dagegen gerichteten Berufungsangriffe der Verfügungsbeklagten greifen nicht durch.

aa) Richtigerweise geht das Landgericht davon aus, dass die Verfügungsklägerin trotz ihrer Stellung als Fraktion des Thüringischen Landtages in Anwendung von Art. 19 Abs. 3 GG im Grundsatz den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beanspruchen kann. Sie begehrt Rechtsschutz gegen eine Äußerung, die außerhalb des Parlaments gefallen ist. Sie handelt somit nicht nur in Wahrnehmung ihrer dem Verfassungsrecht entspringenden Rechte, sondern vielmehr als Teilnehmerin am allgemeinen zivilrechtlichen Verkehr. In diesem Bereich weist eine Fraktion als freie Vereinigung von Abgeordneten aber strukturelle Ähnlichkeiten zu einem nichtrechtsfähigen bürgerlichrechtlichen Verein auf (vgl. auch OLG Dresden v. 09.05.2017 – 4 U 102/17, NJW-RR 2017, 1254, 1256; OLG Stuttgart v. 29.05.2013 – 4 U 163/12, NJW-RR 2014, 487, 489; v. 22.07.2003 – 4 W 32/03, NJW-RR 2004, 619, 620; OLG Schleswig v. 03.05.1995 – 15 U 16/94, NVwZ-RR 1996, 103, 104). Derartige privatrechtliche Vereinigungen werden zu den juristischen Personen im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG gezählt (Remmert, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 85. EL November 2018, Art. 19 Abs. 3 Rn. 39 m.w.N.). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist insofern auch wesensmäßig iSd Art. 19 Abs. 3 GG einschlägig: Zwar bereitet die Erstreckung von Grundrechten mit persönlichkeitsrechtlichen Einschlägen auf inländische private Organisationen aufgrund des Bezugs zur Menschenwürde (Art 1 Abs. 1 GG), auf die sich eine private Organisation nicht stützen kann, im Einzelnen bisweilen Schwierigkeiten (vgl. auch Remmert, a.a.O., Rn.103). Es ist jedoch zu Recht anerkannt, dass auch nichtrechtsfähigen Vereinen und sonstigen Personengemeinschaften Schutz über das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährt werden kann, wenn die Gemeinschaft eine anerkannte gesellschaftliche oder sonstige wirtschaftliche Aufgabe bzw. soziale Funktion erfüllt und einen einheitlichen Willen bilden kann (statt aller etwa Burkhard/Pfeiffer, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl.2018, Kap. 5 Rn. 127; Kröner, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar – Gesamtes Medienrecht, 3. Aufl. 2016, Kap. 31 Rn. 13). Auch die Verfügungsklägerin wird davon erfasst: Sie erfüllt gesellschaftliche Aufgaben, die in § 47 ThürAbgG niedergelegt sind. Sie kann einen einheitlichen Willen bilden, da ihre Binnenordnung durch Geschäftsordnung zu regeln ist (vgl. § 46 ThürAbgG; § 8 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags).

bb) Die Verfügungsklägerin ist zudem auch in ihrem Geltungsanspruch und damit hier auch ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen, obwohl nicht sie selbst, sondern nur eines ihrer Mitglieder als Initiatorin der Kleinen Anfrage bezeichnet wird.

(1) Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kann zwar gegen rechtsverletzende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht im Grundsatz nur der unmittelbar Verletzte vorgehen, nicht auch derjenige, der lediglich mittelbar belastet ist (statt aller Burkhard, in: Wenzel, a.a.O., Kap. 12 Rn. 44 m.w.N.). Geht es – wie hier – um einen Anspruch einer juristischen Person oder Personenvereinigung auf Unterlassung einer das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzenden Äußerung, ist stets zu beachten, dass der Schutz beschränkt ist auf deren Erscheinungs- und Wirkungsfeld. Eine Kritik muss daher – wenn sie auch in der Person eines kritisierten Gesellschafters, Betriebsangehörigen oder Mitglieds festgemacht wird – die juristische Person oder Personenvereinigung selbst (unmittelbar) treffen. Ob dies der Fall ist, lässt sich nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls bei wertender Gesamtwürdigung anhand der Verkehrsanschauung feststellen (st. Rspr., vgl. BGH v. 08.07.1980 – VI ZR 177/78 = NJW 1980, 2807, 2808 und zuletzt BGH v. 16.01.2018 – VI ZR 498/16, NZG 2018, 797 Rn. 30). Wenn – wie hier – eine Äußerung also nicht direkt auf die Fraktion, sondern zunächst vordergründig auf ein ihr angehöriges Mitglied abzielt, ist für die Betroffenheit entscheidend, ob das Mitglied einer juristischen Person i.S.d. Art. 19 Abs. 3 GG gerade in dieser Eigenschaft oder wegen Tätigkeiten angegriffen wird, mit denen die Verkehrsauffassung gerade auch die juristische Person identifiziert (BGH a.a.O.). Zudem kann darauf abzustellen sein, ob die angegriffene Äußerung eine Führungskraft betrifft, die die Verhältnisse der juristischen Person maßgeblich gestaltet und nach außen hin prägt (Burkhard, in: Wenzel, a.a.O., Kap. 12 Rn. 45 m.w.N.).

(2) Aufbauend auf diese Prämissen hat das Landgericht hier jedenfalls im Ergebnis zu Recht eine Betroffenheit der Verfügungsklägerin bejaht.

(a) Dabei rügt die Berufungsbegründung allerdings zu Recht, dass die Argumentation mit der geringen Gruppengröße wohl so nicht trägt und schnell zu Verwerfungen führen kann. Zwar ist ein Abstellen auf die Gruppengröße unter Umständen von Belang, wenn Fälle einer sog. Kollektivbeleidigung, also der Beleidigung von Einzelpersonen unter einer gemeinsamen Bezeichnung im Raum stehen und auf die Überschaubarkeit der Gruppengröße abzustellen ist (statt alle Sch/Sch/Eisele/Schittenhelm, StGB, 30. Aufl. 2019, Vorb. Zu den § 185 ff. Rn. 7b), doch geht es darum hier nicht, sondern um die Betroffenheit der Organisation selbst. Auch kann ersichtlich nicht mit einer besonders herausgehobenen und die Verfügungsklägerin „prägenden“ Position der Abgeordneten argumentiert werden; eine solche Rolle kommt dieser nämlich gerade nicht zu. Zudem ist in der Tat zu bedenken, dass es sich bei einer Kleinen Anfrage, deren Inhalt Auslöser der streitgegenständlichen Äußerung ist, tatsächlich um ein Instrument handelt, das nur Ausfluss der individuellen Rechte des einzelnen Abgeordneten ist (§ 90 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags). Eine in einer Kleinen Anfrage zum Ausdruck kommende individuelle Position eines Abgeordneten muss daher auch nicht zwingend eine solche sein, die auch die Fraktion vertritt.

(b) Indes geht eine solche strenge und formaljuristische Trennung zwischen dem einzelnem Abgeordnetem und der Fraktion hier fehl; richtigerweise steht sie der Annahme einer unmittelbaren äußerungsrechtlichen Betroffenheit (auch) der Verfügungsklägerin im konkreten Fall nicht entgegen: Zum einen erscheinen die Fraktionen im gesellschaftlichen Bewusstsein ohnehin als letztlich entscheidende Akteure in einem Parlament, zumal – wie die häufige Diskussion um sog. „Abweichler“ zeigt – sich für die Öffentlichkeit parlamentarisches Handeln eines Fraktionsmitglieds gegen seine Fraktion trotz der Freiheit der Mandate doch eher als Ausnahmefall darstellt. Ob allein dies für ein „Durchschlagen“ der streitgegenständlichen Äußerung auch auf die Verfügungsklägerin genügen würde, kann dahinstehen. Denn jedenfalls ist bei gebotener Würdigung der Äußerung im Gesamtkontext zudem zu beachten, dass die im Beitrag plakativ beschriebenenen „Einzelaktionen“ von namentlich nicht genannten Mitgliedern hier gerade als angeblicher Beleg für den gezogenen Rückschluss auf die Verfassungsfeindlichkeit der Verfügungsklägerin und der Partei herangezogen worden sind. Die streitgegenständliche Aussage ist nämlich – worauf unten nochmals zurückzukommen sein wird – Teil eines längeren Textes, in dem die Verfügungsbeklagte zu 2) ihre Einschätzung zu den tagesaktuellen Diskussionen um eine mögliche Beobachtung der AfD durch die Verfassungsschutzbehörden erläutert. Ihre dabei aufgeworfene These, dass gar keine neuen Erkenntnisse des Verfassungsschutzes erforderlich seien, um der AfD verfassungsfeindliche Bestrebungen nachzuweisen, untermauert sie dabei durch die Verweise auf bestimmte als besonders skandalös empfundene Verhaltensweisen von (hier: namenlosen) AfD-Mitgliedern. Während im ersten inhaltlichen Absatz auf beanstandete Ereignisse außerhalb von Thüringen Bezug genommen wird, konzentriert sich der zweite Absatz auf Anlässe, die ersichtlich direkt mit der Verfügungsklägerin zusammenhängen. Als erstes Beispiel wird die streitgegenständliche Äußerung getätigt. Danach wird eine Äußerung des – ohnehin immer im Fokus der Öffentlichkeit stehenden – Fraktionsvorsitzenden im thüringischen Landtag angeführt, gefolgt von einer weiteren Äußerung des Fraktionsvorsitzenden außerhalb des Landtages. Abschließend wird auf die während einer Sitzung des thüringischen Landtages erfolgte Aussage eines weiteren, namentlich nicht benannten Fraktionsmitgliedes hingewiesen. Gerade dadurch, dass die Verfügungsbeklagte zu 2) im zweiten Absatz ihrer Stellungnahme Beispiele, die allesamt Folge der Ausübung der parlamentarischen Arbeit der Verfügungsklägerin sind, sowie ein weiteres Beispiel nennt, das den schon kraft Amtes exponierten Fraktionsvorsitzenden betrifft, rückt sie gerade (auch) die Verfügungsklägerin selbst in den Fokus. Es handelt sich unter den aufgezeigten Umständen gerade nicht nur um eine Äußerung, welche allein das Verhalten eines einzelnen Vereinsmitglieds oder eines „einfachen“ Mitarbeiters zum Gegenstand hat und deshalb die juristische Person i.S.d. Art 19 Abs. 3 GG nicht ohne Weiteres individuell betreffen kann (vgl. zu solchen Fällen etwa OLG Stuttgart v. 29.05.2013 – 4 U 163/12, NJW-RR 2014, 487, 489). Denn die Verhaltensweisen werden ja gerade als symptomatisch für die Verfügungsklägerin beschrieben. Ob daneben dann auch die Partei als solche betroffen wäre, kann dahinstehen.

b) Die Verfügungsklägerin unterliegt – wie eine politische Partei (dazu Burkhardt, in: Wenzel, a.a.O. Kap. 12 Rn. 49 a.E.) – als Fraktion trotz ihrer öffentlichrechtlichen Einbindung nicht den in der Rechtsprechung entwickelten Einschränkungen beim Ehrschutz für öffentlichrechtliche Körperschaften und Behörden, so dass nicht etwa deswegen zusätzliche Anforderungen (wie etwa die Gefährdung der Funktionstüchtigkeit der Arbeit der Fraktion) zur Annahme einer Rechtsverletzung zu verlangen wären (zu solchen Fällen zuletzt Senat v. 18.10.2018 – 15 U 21/18, n.v.).

c) Indes liegt – insofern entgegen dem Landgericht – in der Sache keine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Verfügungsklägerin vor.

aa) Das Landgericht hat die allgemeinen Grundsätze zur gebotenen Abwägung im Rahmen des Rahmenrechts, zur Abgrenzung von Tatsachenäußerung und Meinungsäußerung und zur Bedeutung dieser Frage bei der Abwägung sowie zur Behandlungen von vergröbernden Äußerungen im politischem Umfeld zutreffend dargestellt, worauf zur Meidung von unnötigen Wiederholungen hier zunächst Bezug genommen werden kann. Dabei ist im politischen Meinungskampf eine Äußerung insbesondere nur dann als unzulässige Falschaussage zu würdigen, wenn ein Sachverhalt nicht nur vereinfacht wird, sondern bei voller Berücksichtigung rednerischer Einkleidungen und Vergröberungen gerade im Kern der Sachaussage falsch dargestellt wird; dann kann der Kritiker sich nicht mehr darauf zurückziehen, er habe seine Äußerung nur polemisch überzogen (grundlegend BGH v. 15.11.1983 – VI ZR 251/82, GRUR 1984, 231, 232; siehe zudem OLG Dresden v. 09.05.2017 – 4 U 102/17, NJW-RR 2017, 1254 Rn. 28 f.; OLG Brandenburg v. 5.12.2016 – 1 U 5/16, BeckRS 2016, 110519 Rn. 37; LG Kleve v. 13.07.2005 – 2 O 224/05, NJW-RR 2005, 1632). Das Landgericht hat auch erkannt, dass die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts ist. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, ist bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, zu berücksichtigen. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH v. 16.01.2018 – VI ZR 498/16, NZG 2018, 797 Rn. 20 m.w.N.).

bb) Ob es unter Berücksichtigung dieser Prämissen überzeugend gewesen wäre, bei einer dezidierten Auseinandersetzung mit der Kleinen Anfrage – wie es das Landgericht getan hat – die Verwendung des Begriffs des „Zählens“ als unwahre Tatsachenbehauptung zu werten, kann und soll letztlich dahinstehen. Zwar geht es aus Sicht des Durchschnittsrezipienten insofern nicht um eine Art Zitat (mit einer Wiedergabe des Inhalts der Kleinen Anfrage in indirekter Rede) – was im Grundsatz besonders strengen Maßstäben zu unterwerfen gewesen wäre , sofern ein Betroffener so mit den Zitaten als „Waffe gegen sich selbst“ ins Feld geführt wird (allg. etwa Burkhardt, in: Wenzel, a.a.O. Kap. 4 Rn. 80, 91 ff. m.w.N.). Ob man den Begriff des „Zählens“ im Kern als Tatsachenbehauptung verstehen muss bzw. jedenfalls – trotz des wertenden Charakters des Begriffs – eine Mehrdeutigkeit annehmen könnte, bei der für die weitere Prüfung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerfG v. 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, NJW 2006, 207 – Stolpe) bei dem in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch die dem Äußernden nachteilige Deutungsvariante zugrunde zu legen wäre, kann und soll hier ebenso offen bleiben wie die weitere Frage, ob nicht – gerade im politischen Bereich – das plakative Zusammenfassen der Kleinen Anfrage mit dem Begriff „Zählen“ nicht doch eher nur eine eigene Bewertung des vermeintlich erkannten „wahren“ Inhalts und Hintergrunds der Anfrage ist und damit letztlich doch eher eine Meinungsäußerung auf Basis der (unstreitigen) kleinen Anfrage. Der Begriff „Zählen“ wäre dann eher nur eine Art wertende Erfassung des (vermeintlich) „wahren“ Sinngehalts der Anfrage als Äußerung des Meines und Dafürhaltens.

cc) Darauf kommt es hier aber nicht an. Eine solche „isolierte“ Betrachtung würde – wie im Termin erörtert – dem Gesamtkontext der streitgegenständlichen Äußerung nicht gerecht. Gegenstand des Beitrages im September 2018 war nämlich, wie oben bereits ausgeführt, die Auseinandersetzung mit den tagesaktuellen Prüfvorgängen in den Verfassungsschutzbehörden zur Frage der behördlichen Überprüfung der AfD. Dies wurde begrüßt und dabei wurde – polemisch und pauschalierend zu Lasten des politischen Gegners – zum Ausdruck gebracht, dass und warum man die Partei ohnehin schon länger für auffällig halte und aus diesem Grunde keine Notwendigkeit für die Erlangung neuer Erkenntnisse sehe (frei nach dem Motto: „Haben wir immer schon so gesehen und gesagt!“). Zur Unterstützung dieser These wurde dann als erster Beleg zunächst eine Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion angeführt, die Menschen mit Migrationshintergrund eine erhöhte Neigung zu inzestuösen Beziehungen unterstellte. Danach wurden – wie oben bereits ausgeführt – vier weitere (vermeintliche) Skandale aus Thüringen angeführt und daraus dann der Schluss gezogen, dass es sich bei der AfD ohnehin schon immer u.a. um eine „neofaschistische Partei“ und „Verfassungsfeindin“ gehandelt habe. Eines der dazu gegebenen Beispiele betrifft die hier streitgegenständliche Äußerung zu der Kleinen Anfrage aus dem Jahre 2015, somit ein schon einige Zeit zurückliegender Vorfall nur „schlaglichtartig“ reaktualisiert wird. Diese Passage stellt aus Sicht des durchschnittlichen Lesers schon allein deswegen ersichtlich nur eine Vereinfachung und Vergröberung des damaligen Geschehens nach Ablauf und Inhalt dar. Bei der Würdigung darf darüber hinaus nicht unberücksichtigt bleiben, dass dem Rezipienten bei der Reaktualisierung des Geschehens auch sogleich der im Zusammenhang mit der Kleinen Anfrage in Jahr 2015 erzeugte „politische Aufschrei“ und das negative Presseecho in Erinnerung gerufen wurde. Insofern ging es ersichtlich nicht um eine isolierte dezidierte Würdigung der genauen Zielrichtung der Kleinen Anfrage im Detail, sondern eher nur um eine plakative Beschreibung des damaligen Vorgehens aus Sicht des politischen Gegners und auch der Landesregierung, die die Kleine Anfrage damals auch im Sinne der Verfügungsbeklagten verstanden hat oder verstehen wollte, wie die offizielle Antwort auf die Anfrage belegt. Der streitgegenständliche Passus stellt damit als stichwortartige Beschreibung dieses „Skandals“ nur eines von mehreren „Zahnrädern“ in der gedanklichen Argumentation der Gesamtäußerung das und soll so die plakativen Aussagen rechtfertigen. War aber schon im Jahr 2015 die Kleine Anfrage unstreitig sowohl von politischen Gegnern und Presse, als auch von der antwortenden Landesregierung in deren offizieller Antwort, nur als (verkappter) Wunsch nach einer „Zählung“ der Homo-, Bi- und Transsexuellen gedeutet und verstanden, möglicherweise auch bewusst missverstanden worden, hatte dies damals für erheblichen politischen Wirbel gesorgt und wird dieser Vorgang dann – wie hier – im Jahr 2018 mehr oder weniger schlagwortartig zur Stützung einer politischen These nochmals als Bestandteil einer Kette von Vorfällen ohne Einstieg in die Details in Erinnerung gerufen, liegt jedoch das Element der Vergröberung und Überspritzung noch deutlicher auf der Hand als bei einer direkten Befassung mit dem Thema. Dies hat zwar nicht zur Folge, dass ein Gesamtvorgang aus der Vergangenheit auf diesem Weg in der Zukunft ggf. immer wieder mit gänzlich falschen Attributen versehen und mit einer Verfälschung im Tatsachenkern immer wieder ungehindert wiederholt werden dürfte. Doch ist bei der rechtlich für Äußerungen im politischen Bereich gebotenen Würdigung, ob bei voller Berücksichtigung rednerischer Einkleidungen und Vergröberungen das Geschehen „im Kern der Sachaussage“ falsch dargestellt wird (vgl. allgemein auch noch etwa Burkhardt/Pfeifer, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 4 Rn. 64 – 71 m.w.N.), in einem solchen Fall nach Ansicht des Senats ein etwas großzügigerer Maßstab anzulegen als bei einer direkten Auseinandersetzung nur mit der Kleinen Anfrage selbst. Jedenfalls dann tritt auch der Tatsachenkern eher zurück. Es ist umso mehr ein Aspekt der Bewertung, des Meinens und des Dafürhaltens, ob man die (unstreitige) Frage nach Zahlenmaterial (ausgerechnet) über Homo-, Bi- und Transsexuelle (deren Förderung jedenfalls nicht dezidierter Gegenstand des Parteiprogramms der Partei der Verfügungsklägerin ist) als einen politischen Skandal verstehen und aufbauschen mag, gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Gerade dann mag man das politisch im Meinungskampf eher als „Verlangen“ einer „Zählung“ beschreiben, mag es – was der Senat zugunsten der Verfügungsklägerin sogar unterstellt – der Abgeordneten damals tatsächlich (jedenfalls zunächst) nur um die Frage nach vorhandenen Material gegangen sein mag, um ihre These zu belegen, dass öffentliche Mittel nach dem Gießkannenprinzip ohne Erfassung der tatsächlichen Grundlagen und des genauen Bedarfs aus politischen Gründen für eine Förderung verschwendet werden. Diese Anfrage negativ zu bewerten, steht aber in einer Demokratie den Verfügungsbeklagten schon deswegen frei, weil eben ausgerechnet die Förderung der benannten Gruppen mit der zugespitzten Kleinen Anfrage angegriffen worden ist und nicht etwa anderweitige Förderungen und politisch motivierte Entwicklungen, bei denen man bisweilen möglicherweise ganz ähnliche Fragen hätte stellen können. Vergessen werden darf zudem nicht, dass die Frage nach (vorhandenen) Zahlen immer auch impliziert, dass zuvor gezählt worden sein muss; dies als „Aufforderung“ zum Zählen zu verstehen und zu bewerten, ist nicht ganz fernliegend.

cc) Die so verstandene Äußerung ist dann aber hinzunehmen, weil die Bewertung auf einem unstreitig wahren Tatsachenkern aufsetzt. Sie ist auch nicht – was auch gar nicht explizit gerügt wird – unter dem Gesichtspunkt der bewusst unvollständigen Berichterstattung (dazu etwa BGH v. 22.11.2005 – VI ZR 204/04 , NJW 2006, 601) zu beanstanden, weil es erkennbar nur um eine schlagwortartige Darstellung der beispielhaften „Sündenfälle“ geht und eine dezidiertere Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Kleinen Anfrage und den möglichen Deutungsvarianten derselben dem genauen sozialen Geltungsanspruch der Verfügungsklägerin nicht weniger abträglich gewesen wäre.

dd) Schließlich liegt – entgegen der Verfügungsklägerin – auch ersichtlich keine Schmähkritik vor; insbesondere nicht in dem hier allein streitgegenständlichen Passus (§ 308 ZPO). Ein Vorwurf faschistischer Grundhaltungen kann zwar je nach den Gesamtumständen darunter zu fassen sein, wenn eine Person weder durch ihre Biografie noch durch Äußerungen zu einer solchen Einschätzung Anlass gegeben hat (Burkhardt/Pfeifer, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 10 Rn. 68 m.w.N.). Darum geht es bei der Verfügungsklägerin aber nicht. Bei Parteien und deren Einordnung im politischen Meinungskampf ist schon mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 GG hier ein ungleich größerer Freiraum zu gewähren (BVerfG v. 22.06.1982 – 1 BvR 1376/79, AfP 1982, 215 – CSU sei die „NPD von Europa“; siehe auch Burkhardt/Pfeifer, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 5 Rn. 100 m.w.N.). Dieser ist hier nicht überschritten.

3. Die Kostenentscheidung basiert auf § 91 Abs. 1 ZPO bzw. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO hinsichtlich der Teilrücknahme in erster Instanz. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 708 Nr. 6, 711, 713 ZPO. Eine Entscheidung über die Revisionszulassung war wegen § 542 Abs. 2 ZPO nicht geboten.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 10.000 EUR

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