OLG Köln, Beschluss vom 15.05.2019 – 5 W 3/19

Oktober 10, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 15.05.2019 – 5 W 3/19

Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 4.7.2018 gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 11.5.2018 – 25 O 2/17 – wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

Dem Antragsteller wurde im Haus der Antragsgegnerin im Januar 2017 eine Hüft-Teil-Endoprothese eingebracht. Es kam zu einer Infektion im operierten Bereich, der zu einem verlängerten Heilverlauf und zur Notwendigkeit eines Prothesenwechsels führte. Laboranalytisch wurde der Keim staphyloccoccus epidermis festgestellt, allerdings hält der Antragsteller auch eine Infektion mit staphyloccoccus aureus für möglich, weil dies der Einschätzung von Ärzten nach dem klinischen Eindruck entsprach. Der Antragsteller macht allgemein Hygienemängel im Krankenhaus für die Infektion verantwortlich, am ehesten im Rahmen der Operation selbst. Eine nähere Konkretisierung sei ihm weder möglich noch zumutbar.

Das Landgericht hat antragsgemäß die Beweisanordnungen (im Kern dahin, ob es infolge der Hüftoperation zu einer Infektionserkrankung kam, wie sich der weitere Beschwerdeverlauf darstellte, worauf die Infektion zurückzuführen sei, und insbesondere, ob es zu einer Unterschreitung von Hygienestandards gekommen sei) erlassen, allerdings mit folgendem Zusatz:

„Der Sachverständige wird nur beauftragt, wenn die antragstellende Partei die Behandlungsunterlagen der den Patienten vor- und nachbehandelnden Ärzte (vgl. Auflistung in der Schweigepflichtsentbindungserklärung) sowie die Behandlungsunterlagen der Antragsgegnerin zu den Akten reicht, damit der Sachverständige eine Grundlage für seine gutachterlichen Feststellungen hat…“

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nicht zulässig, im Übrigen ist sie aber auch unbegründet.

1.

a)

Die Unzulässigkeit der Beschwerde folgt dabei allerdings nicht – worauf der Antragsteller gegen die Auffassung der Kammer zu Recht hinweist – unmittelbar aus der Entscheidung des BGH vom 29.11.2016, VI ZB 23/16. Der BGH hat erkannt, dass die Ablehnung einer im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens begehrten Anordnung der Urkundenvorlage nach § 142 ZPO nicht mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sei. Er hat dies damit begründet, dass ein Fall des § 567 I Nr. 2 ZPO schon formal nicht vorliege, weil § 567 I Nr. 2 ZPO ein „das Verfahren betreffendes Gesuch“, mithin einen Antrag erfordere, § 142 ZPO indes keines förmlichen Antrags bedürfe, sondern eine im Ermessen des Gerichts stehende, grundsätzlich amtswegige Entscheidung sei (dazu grundlegend BGHZ 173, 23). Dies sei auch sachgerecht, weil die Möglichkeiten im selbständigen Beweisverfahren grundsätzlich nicht weiterreichten als im Hauptsacheverfahren, wo eine Ablehnung der Urkundenvorlegung ebenfalls nicht anfechtbar, sondern nur im Rahmen des Rechtsmittels gegen die Entscheidung in der Hauptsache möglich sei. Folglich sei auch im selbständigen Beweisverfahren der Antragsteller darauf zu verweisen, seine Gründe für die begehrte Vorlage im Hauptsacheverfahren geltend zu machen. Ferner erfordere die Prüfung von § 142 ZPO eine Schlüssigkeits- oder Erheblichkeitsprüfung, die dem Gericht im selbständigen Beweisverfahren grundsätzlich verwehrt sei. Festzuhalten ist danach, dass eine Beschwerde unzulässig ist (insofern folgt der Senat selbstverständlich dem BGH), wenn sie sich gegen die Ablehnung der vom Antragsteller begehrten Urkundenvorlegung durch den Antragsgegner oder durch Dritte wendet.

Nicht unmittelbar erfasst ist damit zwar die Konstellation, dass das Gericht – wie hier – im Rahmen des beantragten Beweisbeschlusses dem Antragsteller aufgibt, die Unterlagen selbst vorzulegen, und davon die Beauftragung des Sachverständigen abhängig macht. Auch hierbei handelt es sich aber nach Auffassung des Senates um eine nicht beschwerdefähige Entscheidung. Die vom BGH in den o.a. Entscheidungen entwickelten Grundsätze gelten hier ebenso.

Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung und auch ansonsten allgemeiner Auffassung, dass ein erlassener Beweisbeschluss nicht selbständig anfechtbar ist, sondern nur im Rahmen eines Rechtsmittels gegen die Hauptsacheentscheidung überprüft werden kann (vgl. insoweit nur Zöller-Greger, § 358 ZPO, Rn. 4; § 358a ZPO Rn. 4). Dies betrifft etwa die Frage, wem die Beweisaufnahme übertragen wird (§ 355 II ZPO, Zöller-Greger, § 358 ZPO, Rn. 4), Beibringungsfristen (§ 356 ZPO, vgl. BGH NJW 1974, 188), den Inhalt des Beweisbeschlusses (§ 359 ZPO), die Abänderung des Beweisbeschlusses (§ 360 ZPO, beispielhaft OLG Brandenburg FamRZ 2001, 294), die Abgabe an einen beauftragten oder ersuchten Richter (§ 365 ZPO; Zöller-Greger, § 365 ZPO, Rn. 1), die Durchführung des Beweises u.v.a.m. Im selbständigen Beweisverfahren ist der die Beweisaufnahme anordnende Beschluss selbst nicht anfechtbar (§ 490 II 2 ZPO) und sind im Übrigen die für den jeweiligen Beweis allgemeinen wie speziellen Vorschriften entsprechend anwendbar (§ 492 I ZPO). Anerkannt ist dabei insbesondere, dass die Anordnung eines vom Antragsteller beizubringenden Auslagenvorschusses grundsätzlich unanfechtbar ist (BGH NJW-RR 2009, 1433 f., OLG Frankfurt MDR 2004, 1255; Musielak/Huber, ZPO, 6. Aufl., § 379 Rdnr. 8; Ausnahme: er wird einer Partei auferlegt, der PKH bewilligt wurde, vgl. Zöller-Greger Rn. 6), insbesondere auch im selbständigen Beweisverfahren (BGH aaO). Gerade der letztgenannte Fall ist der hier vorliegenden Konstellation, wo dem Antrgsteller aufgegeben wurde, neben dem Auslagenvorschuss vor der Beauftragung des Sachverstgändigen auch Unterlagen vorzulegen, nach Auffassung des Senates uneingeschränkt vergleichbar.

b)

Eine Beschwerdefähigkeit wird demgegenüber ausnahmsweise bejaht, wenn durch die getroffene Anordnung faktisch das Verfahren zum Stillstand gebracht wird (dann nach § 252 ZPO direkt oder analog) oder die Grundrechte des Antragstellers (etwa das rechtliche Gehör, das Persönlichkeitsrecht usw.) verletzt werden, soweit dies durch Anfechtung der Hauptentscheidung nicht mehr behoben werden könnte (BVerfG NVwZ 2005, 681; Zöller-Greger, § 358 Rn. 4.), worauf der Antragsteller grundsätzlich zu Recht hinweist. Allerdings kann von einem faktischen Stillstand des Verfahrens durch eine dem Antragsteller erteilte Auflage erst gesprochen werden, wenn die Anordnung auf ein Handeln, Dulden oder Unterlassen gerichtet ist, das dem Antragsteller unmöglich oder unzumutbar ist, nicht hingegen schon dann, wenn es nur vom Willen des Antragstellers abhängt, der Anordnung Folge zu leisten. Eine in der Sache abweichende Auffassung des Antragstellers zur rechtlichen Zulässigkeit oder zur sachlichen Zweckmäßigkeit der Anordnung und das dahinter stehende Interesse, diese unterschiedliche Auffassung einer Klärung zuzuführen, begründen hingegen weder die Unmöglichkeit noch die Unzumutbarkeit der Erfüllung der Anordnung.

aa)

Die Beibringung der Behandlungsunterlagen der Antragsgegnerin wie diejenigen der von ihm selbst benannten Vor- und Nachbehandler ist dem Antragsteller sowohl möglich als auch zumutbar. Er hat nach § 630 g I BGB ein Recht, die ihn betreffenden Original-Behandlungsunterlagen einzusehen, und nach § 630 g II BGB ein Recht, (gegen Kostenerstattung) Kopien hiervon zu erhalten. Der Behandler ist verpflichtet, dem unverzüglich Folge zu leisten (vgl. nur Palandt-Weidenkaff, § 630 g Rn. 4). Der hier vom Antragsteller abverlangte Aufwand ist gering und ihm ohne weiteres zumutbar, sofern der Behandler seiner rechtlichen Verpflichtung freiwillig nachkommt, was nach der Erfahrung des Senates absolut die Regel ist.

Sollte ausnahmsweise der Behandler nicht bereit sein, seinen Pflichten aus § 630 g BGB freiwillig nachzukommen, so dass der Antragsteller auf die gerichtliche Geltendmachung der Herausgabe der Unterlagen angewiesen wäre, würde das etwaige Beharren des Gerichtes im Beweisverfahren auf der Vorlage allerdings im Zweifel tatsächlich einer Verweigerung von Rechtsschutz im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens gleichkommen. Für diesen hier derzeit nicht zu entscheidenden Fall neigt der Senat dazu, eine Beschwerde gegen die Anordnung analog § 252 ZPO für statthaft zu halten, denn es wäre dem Antragsteller nicht zuzumuten, zunächst einen – womöglich über mehrere Instanzen laufenden – Rechtsstreit um die Herausgabe der Unterlagen zu führen. Dies würde auch dem Zweck des Beweisverfahrens widersprechen, für eine möglichst rasche Klärung der Beweisfrage zu sorgen. Eine derartige Konstellation liegt hier indes nicht vor. Dass die Antragsgegnerin vor dem Hintergrund des von ihr für unzulässig und unzweckmäßig gehaltenen Beweisverfahrens, an dem mitzuwirken sie nicht verpflichtet ist, sich nicht veranlasst gesehen hat, die Unterlagen von sich aus vorzulegen, bedeutet nicht, dass sie sich generell weigern würde, den Anspruch des Antragstellers aus § 630 g BGB zu erfüllen. Der Antragsteller hat es vor dem Hintergrund seiner Rechtsauffassung ja nicht einmal versucht.

bb)

Der Antragsteller kann nicht mit Erfolg einwenden, dass der Beschluss der Kammer von ihm tatsächlich nicht die Vorlage von Kopien, sondern die Vorlage der Original-Behandlungsunterlagen abverlangen würde, auf deren Aushändigung er indes keinen Anspruch habe, so dass im Ergebnis ihm doch etwas Unmögliches auferlegt werde. Der Beschluss des Landgerichts spricht nur von „Behandlungsunterlagen“, nicht von „Original-Behandlungsunterlagen“. Eine vernünftige, lebensnahe Auslegung dieses Begriffes ergibt, dass die Kammer sich im Zweifel mit Kopien begnügen wird. Dem entspricht, dass die Kammer – wie dem Senat seit vielen Jahren bekannt ist – grundsätzlich von den seitens des klagenden Patienten benannten Vor- und Nachbehandlern nur Kopien der Unterlagen anfordert und sich lediglich vom beklagten Behandler bzw. Krankenhaus die Originale vorlegen lässt. Auch von Letzterem allerdings gibt es zahllose Ausnahmen, etwa wenn, wie häufig, der Kläger bereits von sich aus gut lesbare und vollständige Kopien der von ihm im Vorfeld des Rechtsstreits besorgten Behandlungsunterlagen eingereicht hat. Da der erfahrenen Kammer im Zweifel bekannt und bewusst ist, dass der Antragsteller keinen Rechtsanspruch auf Aushändigung der Originalunterlagen hat, bestärkt dies die Auffassung, dass sich die Pflicht zur Vorlage von „Behandlungsunterlagen“ in der Vorlage von Kopien auch hinsichtlich des Antragsgegners erschöpft. Sollten hier tatsächlich Zweifel verbleiben, wären diese durch eine einfache und ebenfalls zumutbare Nachfrage bei der Kammer zu klären. Sollte die Kammer tatsächlich der verfehlten Auffassung unterliegen, der Antragsteller müsse Originale vorlegen, wofür im derzeitigen Verfahrensstadium nichts spricht, würde der Senat wiederum zu der Auffassung neigen, die Statthaftigkeit der Beschwerde analog § 252 ZPO zu bejahen.

cc)

Ohne Erfolg verweist der Antragsteller auch auf tatsächliche oder vermeintliche Vorzüge einer Beiziehung der Unterlagen durch das Gericht oder einer Anforderung der Originalunterlagen durch dieses. Dies gilt etwa für die Erwägung, dass Ärzte nach der Erfahrung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers auf gerichtliche Anforderungen rascher und bereitwilliger reagieren als auf anwaltliche, oder für die Erwägung, dass die gegenüber dem Original möglicherweise geringere Qualität der Abbildung die Führung des Beweises unnötig erschwere.

Diese Bedenken sind für den Senat schon in tatsächlicher Hinsicht nur bedingt nachvollziehbar. Belastbare Erkenntnisse, dass die Anforderung der Unterlagen durch das Gericht tatsächlich schneller und zuverlässiger erfolgt, gibt es nicht. Die praktischen Probleme, die mit der Anforderung verbunden sind, insbesondere durch die nicht seltene Unvollständigkeit der übersandten Unterlagen und die Notwendigkeit des Nachfassens, dürften sich für einen Rechtsanwalt nicht wesentlich anders darstellen als für ein Gericht. Dass Ärzte dazu neigen, eindeutige und bestimmte anwaltliche Aufforderungen zu ignorieren oder zögerlicher zu behandeln als gerichtliche, kann der Senat aus eigener Kenntnis heraus in keiner Weise bestätigen. Konkretes dazu trägt auch der Antragsteller nicht vor. Ebensowenig bestätigen kann der Senat die Befürchtung um die Qualität und Verwertbarkeit der Kopien. In aller Regel kommt es schlicht auf deren Lesbarkeit an und kommen Sachverständige damit gut zurecht. Wo dies – in seltenen Ausnahmefällen – einmal anders ist und es tatsächlich unumgänglich ist, mit den Originalen zu arbeiten, werden diese (etwa auf Aufforderung durch den gerichtlich beauftragten Sachverständigen oder mit Hilfe des Gerichts oder auf Bitten des Patienten freiwillig) regelmäßig zur Verfügung gestellt, scheitert hieran jedenfalls die ordnungsgemäße Durchführung eines Beweisverfahrens nicht.

In rechtlicher Hinsicht kommt es allerdings nicht einmal darauf an, welche tatsächliche Berechtigung die Bedenken des Antragstellers haben. Es handelt sich um reine Zweckmäßigkeitsaspekte, die unterschiedlicher Bewertung unterliegen mögen, allerdings keineswegs ein solches Gewicht erlangen, dass von einer gänzlichen Unzumutbarkeit des Antragstellers auszugehen wäre, sich auf ein solches Vorgehen einzulassen. Nur dann aber könnte eine Beschwerde nach § 252 ZPO statthaft sein. Wenn der Grundsatz gilt, dass die Anordnung des Beweises und die Art und Weise seiner Durchführung nicht der Beschwerde unterliegt, eine Ausnahme nur im Falle faktischer Rechtsverweigerung anzunehmen ist und Fehler des Gerichts grundsätzlich im Rahmen des Hauptverfahrens (einschließlich dessen Rechtsmittel) zu korrigieren sind, dann gilt dies für die hier in Rede stehende Anordnung der Vorlage von Unterlagen vor Beauftragung des Sachverständigen ebenso, wenn nicht gar erst recht.

c)

Die Statthaftigkeit der Beschwerde kann schließlich auch nicht teilweise bejaht werden mit der Erwägung, die angeordnete Vorlage der Behandlungsunterlagen sei offensichtlich nicht notwendig, nämlich bei der Frage 1 d) (Fortbestehen der Beschwerden, mithin aktueller gesundheitlicher Zustand des Antragstellers) und 2 (Art der Behandlung des aktuellen Zustandes). Tatsächlich mögen diese Beweisfragen ohne weiteres auch ohne beizuziehende Unterlagen zu beantworten sein, insbesondere durch eine körperliche Untersuchung des Antragstellers. Aber zum einen würde auch eine überflüssige Anforderung von Unterlagen durch den Antragsteller nicht zum faktischen Stillstand des Verfahrens und damit zu den Voraussetzungen des § 252 ZPO führen, sondern nur zu einer gewissen, im Ergebnis indes kaum ins Gewicht fallenden Erschwernis. Hier gilt wiederum, dass dies der Überprüfung durch das Beschwerdegericht grundsätzlich entzogen ist. Zum anderen kommt den Beweisfragen 1 d) und 2 ein rechtlich bedeutsamer Sinn und Zweck nur in Verbindung mit den übrigen Beweisfragen zu. Der Antragsteller hat klargestellt, dass er das Verfahren unter den Voraussetzungen des § 485 Abs.2 ZPO betreiben möchte, weil er sich davon verspricht, dass ein Hauptsacheverfahren damit vermieden werden kann. Es geht nicht um reine Beweissicherung, schon gar nicht hinsichtlich des derzeitigen Zustandes. Die Klärung dieser Fragen ist für den zwischen den Parteien bestehenden Streit um die Haftung wegen ärztlicher Fehler absolut nachrangig und ohne jede selbstständige Bedeutung. Wollte der Antragsteller ernsthaft das Beweisverfahren auf diese beiden Fragen beschränken, fehlte ihm offensichtlich jegliches Rechtsschutzbedürfnis. Fehlt es aber schon an einem inhaltlich abtrennbaren Teil, kann es auch keine darauf bezogene (Teil-)Beschwerde geben.

2.

Eine als statthaft (und auch im Übrigen als zulässig) unterstellte Beschwerde hätte aber auch in der Sache keinen Erfolg. Die Anordnung der Kammer ist auch nach Auffassung des Senates rechtlich nicht zu beanstanden. Da die Zulässigkeit der Beschwerde abschließend geklärt und nicht etwa offen gelassen wird, die Entscheidung nur darauf beruht, sind die folgenden Erwägungen zwar nicht tragend, erscheinen dem Senat aber im Hinblick auf die Aktualität der Thematik und die etwas auseinander driftenden Verfahrensweisen der Landgerichte gleichwohl als sinnvoll.

a)

Zu Recht und insoweit in Einklang mit der Kammer geht der Antragsteller davon aus, dass die begehrte Beweiserhebung nur dann sinnvoll durchgeführt werden kann, wenn dem Sachverständigen zur Begutachtung die Behandlungsunterlagen der Antragsgegnerin und tunlichst auch die der Vor- und Nachbehandler zur Verfügung stehen. Ohne diese Unterlagen ist der medizinische Sachverhalt nicht zu klären, zumal der Antragsteller – rechtlich zulässig – sich darauf beschränkt, nur rudimentär vorzutragen und es hinsichtlich der maßgeblichen Fragen nach Behandlungsfehlern und deren Kausalität bei vorsichtigen Vermutungen zu belassen. Es geht also nicht nur darum, sich selbst der Last zu entledigen, die Behandlungsunterlagen beizuschaffen, sondern darüber hinaus sicherzustellen, dass jemand anders die Unterlagen beschafft, nämlich entweder das Gericht unmittelbar über § 142 ZPO oder der Sachverständige als quasi erste Amtshandlung im Rahmen seiner Begutachtung. Der Antragsteller hat deutlich gemacht, dass er klar die Beiziehung durch das Gericht befürwortet. Den insoweit von ihm geltend gemachten „Anspruch“ darauf hat er indes nicht.

b)

Eine Verpflichtung des Gerichtes, die Behandlungsunterlagen von sich aus beizuziehen, gibt es weder im Hauptsacheverfahren noch im selbständigen Beweisverfahren, folglich gibt es auch kein prozessuales Recht des Antragstellers, dies einzufordern. Es gibt nur die Regelung des § 142 ZPO, die aber nach dem eindeutigen Wortlaut wie auch nach der Auslegung, die die Norm durch die höchstrichterliche Rechtsprechung erfahren hat (vgl. dazu BGHZ 173, 23), diese Frage ausdrücklich in das Ermessen des Gerichtes stellt. Allgemein gilt – quer durch alle Rechtsgebiete -, dass sich bei einer Ermessensentscheidung ein Anspruch auf ein bestimmtes Handeln erst ergeben kann, wenn das Ermessen auf Null reduziert ist, wenn eine andere als die vom Antragsteller gewollte Entscheidung also letztlich mit geltendem Recht nicht mehr vereinbar wäre. Andere Formen von fehlerhaftem Ermessensgebrauch würden im Falle ihrer – hier ja nicht einmal gegebenen – Überprüfung nicht zur gewünschten Anweisung an das Gericht führen können, sondern allenfalls zu einer Aufhebung verbunden mit der Aufforderung, unter Beachtung bestimmter Grundsätze neu zu entscheiden. Von einer Ermessensreduzierung auf Null kann im Regelfall bei einer Verweigerung der Beiziehung durch die Kammer nach § 142 ZPO und der Anordnung, der Antragsteller möge die Unterlagen selbst beibringen, von vornherein nicht die Rede sein. Eine Ermessensreduzierung auf Null mag (und wird dann regelmäßig) in Betracht kommen, wenn dem Antragsteller etwas Unmögliches oder Unzumutbares angesonnen würde, er also etwa zunächst, wie oben ausgeführt, auf einen Prozess mit Dritten verwiesen würde, um überhaupt Zugang zum Beweisverfahren zu erhalten. Eine Ermessensreduzierung mag ferner in Betracht kommen in Fällen höchster Eilbedürftigkeit, bildlich gesprochen in Fällen, wo es „auf jede Minute“ ankommt. Derlei Konstellationen sind allerdings im Bereich der Arzthaftung extrem selten, wenn nicht nahezu ausgeschlossen. Auf die in Literatur und Rechtsprechung umstrittene Frage, ob die Vorschrift des § 492 Abs.1 ZPO (wonach die Beweisaufnahme nach den „für die Aufnahme des betreffenden Beweismittels überhaupt geltenden Vorschriften“ erfolgt) nur auf die speziellen Beweis-Vorschriften der §§ 355 ff ZPO verweist, insbesondere hier betreffend den Sachverständigenbeweis (§§ 402 ff. ZPO), oder auch etwa auf allgemeine Vorschriften wie den § 142 ZPO, kommt es aus Sicht des Senates nicht an. Auch ein Verweis auf diese Norm würde nicht deren Charakter als Ermessensvorschrift berühren.

c)

Tatsächlich sprechen für den allgemeinen Arzthaftungsfall mindestens ebenso gute Gründe für die hier seitens der Kammer vertretene Vorgehensweisen wie für die Praxis anderer Gerichte, die von sich aus die Unterlagen beiziehen, mit dem Ergebnis, dass beide Verfahrensweisen regelmäßig einer sachgerechten Ermessensentscheidung entsprechen werden.

Für die hier angegriffene Vorgehensweise kann insbesondere der Charakter und der Zweck des selbständigen Beweisverfahrens angeführt werden. Das Verfahren soll seinem Charakter nach schnell sein. Für das Verfahren nach § 485 I ZPO gilt dies wegen des drohenden Beweisverlustes, für das Verfahren nach § 485 II ZPO wegen der Zielsetzung, ein Güteverfahren vorzubereiten und ein Hauptverfahren zu vermeiden. Letzteres ist wegen der zahlreichen Verflechtungen von tatsächlichen mit rechtlichen Fragen lange Zeit für den Arzthaftungsfall sehr umstritten gewesen, ist aber durch die jüngere BGH-Rechtsprechung (Beschluss vom 24.9.2013 – VI ZB 12/13 – BGHZ 198, 237 ff.), der sich der Senat ausdrücklich angeschlossen hat (Beschluss vom 27.12.2016, 5 W 41/16, juris), ebenfalls ausdrücklich anerkannt. Für das Verfahren nach § 485 II ZPO im Arzthaftungsfall bedeutet dies, dass es sich vor allem dann als sinnvolle Vorgehensweise darstellt, wenn beide Parteien sich über das Verfahren einig sind und sie gewillt sind, möglichst konstruktiv mitzuwirken, insbesondere keinen Nebenkriegsschauplatz hinsichtlich der Vorlage der Behandlungsunterlagen zu eröffnen. Ist das nicht gewährleistet, der Antragsteller gleichwohl hoffnungsvoll, an einem Hauptsacheverfahren vorbeizukommen, liegt es an ihm, die Sache zu beschleunigen und sich schon vor (!) Beantragung des Verfahrens um die Unterlagen zu kümmern. Der Aspekt der Eigenverantwortung hat hier eine größere Bedeutung als im Hauptsacheverfahren, wo sich der Kläger auf die umfassende Prozessleitung und notfalls auf hilfreiche Hinweise durch das Gericht verlassen kann und darf.

Nicht hingegen hat das selbständige Beweisverfahren den Charakter eines Hauptsacheverfahrens „light“, wie ihn offensichtlich der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers sieht. Weder die Schaffung des § 485 II ZPO durch den Gesetzgeber noch die sehr weitgehende Bejahung der Zulässigkeit – im Hinblick auf rechtliche Aspekte einschließende Fragen im Rahmen der Arzthaftungsfälle -, wie das Beweisverfahren sie durch die Rechtsprechung des BGH (aaO BGHZ 198, 237 ff.) erfahren hat, wollten den Charakter des Beweisverfahrens hin zu einem besonders einfachen und raschen, quasi „kleinen“ Hauptsacheverfahren verändern. Dies gilt schon vor dem Hintergrund, dass im Beweisverfahren der Antragsteller in deutlich weitergehender Weise „in der Hand“ hat, Inhalt, Gegenstand und Richtung des Verfahrens zu bestimmen, während der Antragsgegner sich umgekehrt in ganz anderer Weise dem Verfahren verweigern kann, im Übrigen aber auch bei weitem nicht die Möglichkeiten hat, sich zur Wehr zu setzen, als im Hauptsacheverfahren. Der Antragsteller bestimmt, worüber er Beweis erhoben wissen möchte, und dies regelmäßig schon in der Antragsschrift. Der Antragsgegner kann sich (wie regelmäßig zu beobachten) auf das Bestreiten der Zulässigkeit beschränken, kann im äußersten Fall seinerseits Gegenbeweis zu weiteren Umständen beantragen (vgl. Zöller-Herget, § 485 Rn. 3 m.w.N.), was in der Praxis des Arzthaftungsfalles so gut wie nie vorkommt. Der Streitgegenstand ist eingeengt, rechtlich schon wegen der Beschränkung auf das Beweismittel des schriftlichen Sachverständigengutachtens (§ 485 II ZPO), tatsächlich durch die Streitpunkte, die der Antragsteller für relevant und klärungsbedürftig hält, die aber erfahrungsgemäß bei weitem nicht das Spektrum des typischen Arzthaftungsfalls abbilden (etwa Angriffe gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit der Dokumentation, Aufklärungsrügen, Erfordernis der Klärung von Anknüpfungstatsachen durch Vernehmung von Zeugen usw., die allesamt nicht Gegenstand eines Beweisverfahrens sein können). Die Tätigkeit des mit dem selbständigen Beweisverfahren beauftragten Gerichts beschränkt sich auf die Entgegennahme und formelle Prüfung des Antrags (§§ 487, 490 ZPO), die Ladung des Gegners (§ 491 ZPO) und die Durchführung der Beweisaufnahme nach Maßgabe des § 492 ZPO (BGH Beschluss vom 29.11.2016 – VI ZB 23/16 -, VersR 2017, 908 f.). Dem Gericht ist es grundsätzlich verwehrt, bereits im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens eine Schlüssigkeits- oder Erheblichkeitsprüfung vorzunehmen (BGH, VI ZB 53/08, VersR 2010, 133 Rn. 6). Auch eine Beweiswürdigung findet nicht statt (BGH, VI ZB 59/09, VersR 2010, 1241 Rn. 8). Die naheliegende und typischerweise zu beobachtende Folge ist, dass der sich nur allzu häufig anschließende Hauptsacheprozess regelmäßig mit sehr viel weitreichenderen Fragen befasst ist, das Ergebnis des Beweisverfahrens sich als Makulatur entpuppt und von einer Verkürzung des Verfahrens, gar von einer Befriedung der Parteien ohne ordentlichen Prozess keine Rede sein kann.

Vor diesem Hintergrund erscheint es nur als konsequent, die Verantwortung für die wichtigsten Anknüpfungstatsachen, nämlich die Behandlungsunterlagen, deren Auswahl, deren Kontrolle im Hinblick auf Relevanz und Vollständigkeit, insbesondere aber deren Herbeischaffung dem Antragsteller zu überlassen. Jedenfalls stellt es sich nicht als ermessensfehlerhaft dar, wenn das Gericht es so sieht.

d)

Für die Vorgehensweise der Kammer spricht insbesondere im hier gegebenen Fall des Arzthaftungsstreites weiter dessen Besonderheiten im Hinblick auf die Vortragslast des Antragstellers als potentiellem Kläger und die daraus resultierenden Konsequenzen im Hinblick auf die notwendige Sachaufklärung. An die Substanziierung des klägerischen Vortrags sind im Arzthaftungsprozess bekanntlich nur geringe Anforderungen zu stellen. Er darf sich darauf beschränken, in groben Zügen und nach medizinischlaienhaftem Verständnis den Gang der Behandlung zu schildern und Mutmaßungen zu äußern, warum er meint, dass der Misserfolg der Behandlung auf einem Kunstfehler beruhen könnte (grundlegend BGHZ 98, 368). Es obliegt dann dem Gericht auf der Basis der – von wem auch immer herbeigeschafften – Behandlungsunterlagen mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen den Sachverhalt aufzuklären. Gegenüber dem normalen Zivilprozess sind die Voraussetzungen an die Substanziierung geringer, der Beibringungsgrundsatz gelockert und die Unzulässigkeit der Ausforschung relativiert, ohne dass sie damit als aufgegeben zu gelten hätten. Darauf beruft sich auch der Antragsteller.

Die von ihm daraus gezogene Konsequenz, dass nämlich das Beweisverfahren ein taugliches Instrument sei, quasi von Amts wegen den Sachverhalt vor dem eigentlichen Prozess mit Hilfe eines vom Gericht bestellten Sachverständigen „aufzubereiten“, ist indes nach Auffassung des erkennenden Senates falsch. Das Beweisverfahren ist nicht dazu da, dem Kläger den von ihm nicht zu fordernden und zu erwartenden medizinischen Sachverstand vorab zu verschaffen (wie der Antragsteller es bezeichnend auf den Punkt bringt: „schneller als ein Gutachten der Schlichtungskommission und besser als ein MDK-Gutachten ist das Gutachten im Beweisverfahren allemal und billiger als ein Privatgutachten ist es erst recht“). Das Verbot des Ausforschungsbeweises gilt auch im Arzthaftungsprozess und muss erst recht im Beweisverfahren gelten. Auch die Substanziierungslast mit den daraus folgenden möglichst konkreten Beweisfragen (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 1.8.2016, 5 W 18/16) ist im Beweisverfahren nicht etwa weiter erleichtert, sondern ebenso streng, wenn nicht sogar eher strenger zu sehen. Je unsinniger, allgemeiner und unkonkreter die Beweisfragen an den Sachverständigen sind, je mehr ihm zugemutet wird, von sich aus nach etwaigen Behandlungsfehlern zu suchen, umso kritischer ist die Zulässigkeit des Beweisverfahrens unter dem Gesichtspunkt der zulässigen Fragen wie allgemein des Rechtsschutzbedürfnisses zu sehen (vgl. insoweit etwa Senat, aaO ). Auch hier gilt also, dass der Antragsteller gut daran tut, sich mit seinem Behandlungsfall, so gut es eben geht, vor Befassung der Gerichte selbst auseinanderzusetzen. Es bleibt dabei, dass er nicht verpflichtet ist, seinerseits medizinischen Rat einzuholen (vgl. dazu etwa BGHZ 159, 244) – er darf auch als medizinischer Laie mit den ihm eigenen begrenzten Verständnismöglichkeiten das Beweisverfahren einleiten. Aber wenn er vorher die relevanten Behandlungsunterlagen herbeischafft und durchliest, wird es ihm (ganz sicher aber seinem Rechtsanwalt) zwangsläufig leichter fallen, konkrete und fallbezogene (Beweis-)Fragen zu formulieren. Auch eine solche Überlegung – sollte die Kammer sie erwogen haben – wäre aus Sicht des Senates eine absolut sachgerechte Ermessenserwägung.

e)

In besonderer Weise problematisch stellt sich die hier streitige Frage der Beiziehung von Unterlagen dar, wenn der Antragsteller – wie hier – die Klärung von Hygieneversäumnissen und deren mögliche Ursächlichkeit für die behaupteten Gesundheitsschäden begehrt. Hier ist das selbständige Beweisverfahren aus Sicht des Senates in besonderer Weise ungeeignet und die Beiziehung von Unterlagen ist dem Gericht nur eingeschränkt möglich. Wird ein Hygieneverstoß als Ursache der Schädigung behauptet, löst dies nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung (grundlegend BGH Beschluss vom 16.8.2016, VI ZR 634/15, NJW-RR 2016, 1360) regelmäßig nicht die unmittelbare Befassung der Sache durch einen Sachverständigen aus, sondern eine erhöhte (sekundäre) Darlegungslast auf Seiten der Beklagten. Der klagende Patient muss nur soweit vortragen, dass die Vermutung eines Hygienefehlers gestattet ist, der Behandlungsseite obliegt es dann, den Sachverhalt näher aufzuklären, weil (und soweit) ihr dies möglich und zumutbar ist (zuletzt BGH, Urteil vom 19.2.2019, VI ZR 505/17). Ohne diesen näheren Sachvortrag der Behandlerseite ist ihr Bestreiten nicht erheblich (§ 139 II, III ZPO). Die Anforderungen an die Darlegungslast der Behandungsseite bestimmen sich dabei nach den Umständen des Einzelfalles, sie richten sich nach der Art des im Raum stehenden Vorwurfs und stehen auch sonst im Wechselspiel zu der Tiefe des primären Vortrags der Parteien (BGH Urteil vom 19.2.2019, aaO). Beweiserleichterungen resultieren aus der sekundären Darlegungslast für die Patientenseite allerdings nicht. Dieser Zusammenhang von spezifischen Vortragspflichten und erst dann folgender Beweiserhebung bei Hygieneverstößen bedingt die grundsätzliche Ungeeignetheit des Beweisverfahrens insoweit. Zum einen ist für die notwendige erweiterte Darlegung durch die Behandlerseite im selbständigen Beweisverfahren kein Raum (sie kann sich dem im Beweisverfahren verweigern, s.o.). Zum anderen erfordert die daraus resultierende Art der Beweiserhebung und insbesondere die Frage, welche Unterlagen ggf. beizuziehen sind, eine Wertung des Gerichts, die dieses im selbständigen Beweisverfahren gerade nicht vornehmen kann (BGH, Beschluss vom 29.11.2016, VI ZB 23/16, Rn. 18). Daraus folgt wiederum, dass ein Beweisverfahren im Zusammenhang mit Hygieneverstößen sinnvoll nur möglich ist, wenn es auf derart eng begrenzte Fragestellungen konzentriert ist, dass besonderer Sachvortrag der Behandlerseite nicht (oder nicht mehr, weil er vor Verfahrenseinleitung gebracht wurde) erforderlich ist und die darauf bezogenen notwendigen Unterlagen von Seiten des Antragstellers bereits vorgelegt werden können.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen (schon deshalb, weil die sofortige Beschwerde selbst bereits unstatthaft ist).

Streitwert: 26.000.- €.

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