OLG Köln, Beschluss vom 08.01.2019 – 15 U 110/18

Oktober 17, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 08.01.2019 – 15 U 110/18

Tenor
Die „Gegenvorstellung“ der Verfügungsbeklagten vom 29.10.2018 wird zurückgewiesen.

Gründe
I.

Die Verfügungsbeklagte wendet sich mit ihrer am 29.10.2018 bei Gericht eingegangenen „Gegenvorstellung“ gegen einen ihre Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückweisenden Beschluss des Senats vom 08.10.2018, der Verfügungsbeklagten zugestellt am 15.10.2018, auf den wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zunächst Bezug genommen wird (Bl. 274 ff. d.A.). Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, dass die Behandlung der auch angesichts der neueren Rspr. des BVerfG fehlerhaften prozessualen Vorgehensweise des Landgerichts bei Erlass der einstweiligen Verfügung durch den Senat dem Anspruch der Verfügungsbeklagten auf rechtliches Gehör und auf elementare prozessuale Waffengleichheit nicht ausreichend Rechnung trage. Der Senat müsse bei – wie hier – verfahrensfehlerhaftem Erlass einer einstweiligen Verfügung aufgrund des Verstoßes gegen Verfahrensgrundrechte die kausal darauf basierende Entscheidung kassieren, um Verfassungsrecht effektiv durchzusetzen. Jedenfalls habe nicht auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werden können, da es um grundsätzliche Fragen gehe, die auch allein bei einstweiligen Verfügungen eine Rolle spielen. Eine nur vereinzelt im Schrifttum vertretene teleologische Reduktion des § 522 Abs. 2 ZPO sei nicht angezeigt, zumal durch den Senat auch ein anderer Begründungsansatz gewählt worden sei. Der Senat verkenne insbesondere auch, dass sich ein Verfahrensverstoß weiter konkret auswirke, weil der verfahrensfehlerhaft erzeugte „Vorsprung“ der Antragstellerseite nicht mehr „aufzuholen“ sei. In der Sache sei zudem die fehlende Dringlichkeit nicht gewürdigt worden; der Senat habe die bewusste Vermarktung des Weinguts der Verfügungsklägerin mit der Familientradition in ihrer Bedeutung nicht gewürdigt und ferner verkannt, dass die Verfügungsklägerin sich auf die vom Senat hervorgehobene vermeintliche Beeinträchtigung so nicht berufen habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gegenvorstellung Bezug genommen (Bl. 309 ff. d.A.).

Die Verfügungsbeklagte beantragt sinngemäß,

das Verfahren fortzuführen und unter Abänderung des Beschlusses des Senats vom 08.10.2018 – 15 U 110/18 – sowie des Urteils des Landgerichts Köln vom 16.05.2018 (28 O 377/17) die einstweilige Verfügung vom 22.12.2017 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die Gegenvorstellung zurückzuweisen.

Der Senat habe zutreffend erkannt, dass die geltend gemachten (angeblichen) Grundrechtsverletzungen vor den Fachgerichten auch selbst nach der Rspr. des BVerfG nicht wirksam angegriffen werden können. Konkret seien ohnehin hier keine derartigen Verfahrensrechte verletzt worden, da es unstreitig eine außergerichtliche Abmahnung gegeben habe und die weiteren Ergänzungen des Sachvortrages im (einseitigen) Verfahren vor dem Landgericht keine wesentlichen Aspekte hinzugefügt hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 21.12.2018 (Bl. 335 ff. d.A.) Bezug genommen.

II.

1. Die auch auf eine angebliche Verletzung rechtlichen Gehörs gestützte – „Gegenvorstellung“ versteht der Senat als Antrag gemäß § 321a ZPO und im Übrigen – soweit die Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte als dem Grundsatz rechtlichen Gehörs gerügt wird – als Gegenvorstellung (im eigentlichen Sinne).

a) Die so erhobene Rüge gemäß § 321a ZPO ist zulässig, soweit eine Verletzung rechtlichen Gehörs insbesondere durch Übergehen wesentlichen Sachvortrages behauptet wird. Die Verfügungsbeklagte wird durch den nicht anfechtbaren Beschluss des Senats auch beschwert und es sind alle Form-, Frist und Begründungsanforderungen gewahrt.

b) Soweit daneben eine perpetuierte Verletzung weiterer Verfahrensrechte gerügt wird, ist § 321a ZPO zwar richtigerweise darauf weder direkt noch analog anwendbar, weil der Gesetzgeber sich bewusst gegen eine Erstreckung des § 321?a ZPO auf die Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte entschieden hat (BT-Drs. 15/3706, 14) und dies von den Gerichten mit Blick auf den Gesetzesvorbehalt zu beachten ist (BGH v. 27.04.2017 – I ZB 34/15, GRUR-RR 2017, 416 Rn. 6; v. 14.04.2016 – IX ZR 197/15, NJW 2016, 3035 Rn. 22). Dies schließt es jedoch nicht aus, fachgerichtlich einen außerordentlichen (befristeten) Rechtsbehelf in Form einer Gegenvorstellung jedenfalls für solche Fälle auch weiterhin anzuerkennen (siehe nur Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 321a Rn. 3, 4; MüKo-FamFG/Ulrici, 3. Aufl. 2018, § 44 Rn. 19 ff. m.w.N.; vgl. zudem BGH v. 09.06.2016 – IX ZB 92/15, NJW-RR 2016, 955 Rn. 7 ff.; v. 12.12.2012 – IV ZB 26/12, NJW-RR 2013, 256 Rn. 6; v. 28.11.2012 – V ZB 286/11, BeckRS 2013, 00258 Rn. 7; sowie im Ergebnis auch BVerfG v. 25.11.2008 – 1 BvR 848/07, NJW 2009, 829; v. 30.06.2009 – 1 BvR 893/09, NJW 2009, 3710).

2. In der Sache hat die „Gegenvorstellung“ aber unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Erfolg.

a) Dass ein (unterstellter) Verfahrensverstoß des Landgerichts im einstweiligen Verfügungsverfahren fachgerichtlich nicht dazu führen kann, dass ein sachlich begründetes Verbot im Ergebnis nicht (mehr) dauerhaft auch entsprechend Bestand haben kann und der Antragsteller eines Verfügungsverfahrens somit den Möglichkeiten eines Verfügungsverfahrens (endgültig) verlustig gehen würde, hat der Senat in der angegriffenen Entscheidung bereits ausgeführt. Auch das BVerfG hat im Beschluss vom 30.09.2018 – 1 BvR 1783/17, NJW 2018, 3631 Rn. 10 die fehlende Möglichkeit geeigneter fachgerichtlicher Rechtsbehelfe unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Möglichkeiten einer entsprechenden Feststellungsklage in solchen Fällen (erneut) bedauert und deswegen weiter ausnahmsweise (nur) die Verfassungsbeschwerde für eröffnet gehalten (ebenso BVerfG v. 30.09.2018 – 1 BvR 2421/17, NJW 2018, 3634 Rn. 23). Der Senat hält mit Blick darauf an seinen bisherigen Ausführungen fest. Dass die gerügten Rechtsverletzungen in Sachen Waffengleichheit – ihr Vorliegen unterstellt – ohnehin nicht mehr gänzlich zu beseitigen bzw. zu „heilen“ sind, kann allein nicht dazu führen, dass eine Entscheidung, die auch bei Beachtung aller verfassungsrechtlichen Anforderungen im Ergebnis ersichtlich nicht anders ausgefallen wäre und heute auch materiellrechtlich richtig ist – anders ist hier bis zuletzt nicht ersichtlich und/oder vorgetragen – allein wegen eines gerichtlichen Fehlers im Verfügungsverfahren dauerhaft und endgültig zu kassieren ist. Ob – wie ausgeführt – ggf. ein fachgerichtlichen Beschwerdeverfahren zur Feststellung von gerichtlichen Verfahrensverstößen neben dem Widerspruch zu entwickeln ist und/oder die Niederschlagung von Kosten nach § 21 GKG in manchen Fällen Befriedigungsmöglichkeiten verschaffen mag, bedarf keiner Erörterung. Keinesfalls ist im Wege einer verfassungskonformen Auslegung, die die Gehörsrüge anmahnt, der Verfügungsklägerin wegen des (unterstellten) gerichtlichen Verfahrensfehlers die – materiellrechtlich zutreffende – Verbotsverfügung dauerhaft aus der Hand zu schlagen.

b) Auch eine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung durch den Senat liegt nicht vor.

aa) Soweit der Senat mit Blick auf die zitierte Literaturstimme eine teleologische Reduktion des § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 ZPO mit Blick auf § 542 Abs. 2 ZPO für geboten erachtet hat, liegt darin schon im Ansatz jedenfalls keine Gehörsverletzung. Wegen des nach allgemeiner Ansicht (statt aller Zöller/Heßler, a.a.O., § 522 Rn. 38/39) vorhandenen Konnexes der Tatbestandsmerkmale zur Zulassung der Revision (§ 543 ZPO), erscheint dem Senat zudem die einschränkende Lesart des § 522 Abs. 2 ZPO – die im Schrifttum keine Kritik hervorgerufen hat – weiterhin richtig und allein das Aufwerfen grundsätzlicher Fragen ändert daran nichts, zumal selbst im Falle einer Entscheidung des Senats im Urteilswege eine höchstrichterliche Klärung durch den Bundesgerichtshof wegen § 542 Abs. 2 ZPO ausscheiden würde.

bb) Dass eine mündliche Verhandlung – deren Durchführung man als Ausprägung des rechtlichen Gehörs verstehen könnte – hier nicht i.S.d. § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO „geboten“ war, hat der Senat a.a.O. bereits ausgeführt. Entgegen der Auffassung der Gegenvorstellung hat der Senat die Entscheidung in der Sache insbesondere auch nicht auf eine gänzlich andere rechtliche Grundlage gestellt, was ggf. eine mündliche Erörterung hätte gebieten können. Ausgeführt worden ist in dem Zurückweisungsbeschluss nur, dass selbst – entgegen dem Landgericht – einen Verfahrensverstoß unterstellt, dies aus den ausgeführten Gründen allein nicht zum Erfolg der Berufung führen kann. Im Rahmen der §§ 22, 23 KUG hat der Senat die Ausführungen des Landgerichts ansonsten aber nur ergänzt, vertieft und bestätigt.

cc) Auch hat der Senat keinen entscheidungserheblichen Sachvortrag der Verfügungsbeklagten verfahrensfehlerhaft übergangen. Soweit die Gegenvorstellung auf S. 3 (Bl. 311 d.A.) rügt, dass der Senat keine Ausführungen zur Dringlichkeit gemacht habe, war dies wegen der erfolgten Bezugnahme auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zur (unstreitigen) Wahrung der Monatsfrist nicht erforderlich.

Die Ausführungen zu Ziff. 4 der Gegenvorstellung rechtfertigen keine andere Sichtweise; der Senat hat bereits ausgeführt, dass die Bezugnahme auf die „Familientradition“ des Weinguts – welche mit dem fraglichen Staatsanwalt letztlich nicht in Verbindung steht – hier nur vorgeschoben ist und einen Anlass zur Abbildung auch der Verfügungsklägerin bieten sollte.

Die Ausführungen zu Ziff. 5 der Gegenvorstellung zeigen – gerade angesichts der Ausführungen des Landgerichts zu § 23 Abs. 2 KUG – ebenfalls keine Gehörsverletzung auf. Zudem verkennt die Verfügungsbeklagte, dass die von Rechts wegen gebotene Abwägung im Rahmen des sog. abgestuften Schutzkonzepts bei §§ 22, 23 KUG die genaue Verortung der Abwägungskriterien in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG bzw. § 23 Abs. 2 KUG bisweilen nicht immer einfach macht. Bei – wie hier – unstreitigem Sachverhalt ist dies jedoch mit Blick auf die sonst unterschiedliche Darlegungs- und Beweislast letztlich ohne Ergebnisrelevanz.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da sich die Gerichtskosten unmittelbar aus dem Gesetz ergeben (KV GKG Nr. 1700) und keine weiteren außergerichtlichen Kosten angefallen sind (§ 19 Abs. 1 Nr. 5 RVG).

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