OLG Köln, Beschluss vom 11.04.2018 – 16 W 17/18

Oktober 23, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 11.04.2018 – 16 W 17/18

Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 05.03.2018 wird der Beschluss des Landgerichts Aachen vom 19.2.2018 – 11 O 406/17 – abgeändert und das Landgericht angewiesen, das Verfahren fortzusetzen und über den Einspruch der Beklagten gegen das Versämnisurteil des Amtsgerichts Aachen vom 27.1.2017 zu entscheiden.

Gründe
I.

Die Beklagte wendet sich dagegen, dass das Landgericht das Versäumnisurteil des Amtsgerichts vom 27.1.2017 als rechtskräftig behandelt und ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Einspruchsfrist zurückgewiesen hat. Gegen beides ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 567 ZPO gegeben, in Bezug auf das Nichtbetreiben des Verfahrens folgt dies aus einer entsprechenden Anwendung des § 252 ZPO (Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 252 Rdn.1; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 38. Aufl., § 252 Rdn. 3).

Die danach statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

Die Entscheidung des Landgerichts ist verfahrenfehlerhaft und daher aufzuheben. Nach § 341 Abs. 1 ZPO hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen, ob der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden ist. Wenn es dies verneint, hat es den Einspruch durch Urteil als unzulässig zu verwerfen, anderenfalls nach § 341 a ZPO einen Einspruchstermin anzuberaumen. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 29.5.2017 die fehlende Rechtskraft des Versäumnisurteils gerügt und die Aufhebung des Versäumnisurteils beantragt. Jedenfalls darin liegt, wovon auch das Landgericht zutreffend ausgeht, der Einspruch gegen das Versäumnisurteil. Über dessen Rechtzeitigkeit hat das Landgericht durch den angefochtenen Beschluss inzidenter im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrages entschieden (unter II. 4 der Gründe). Das ist verfahrensfehlerhaft. Eine Verwerfung des Einspruchs hätte nur im Wege eines – nach Maßgabe der §§ 511 ff. ZPO mit der Berufung angreifbaren Urteils – erfolgen dürfen. Auch wenn – wie hier – die Entscheidung über die Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Einspruchsfrist – was regelmäßig unzweckmäßig ist – isoliert vorab und nicht zusammen mit der Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung sowie ohne mündliche Verhandlung getroffen wird, muss sie durch Urteil ergehen (BGH NJW-RR 2008, 218 = MDR 2008, 161; FamRZ 2011, 1792 = MDR 2011, 1251; BeckOK/Wendtland, ZPO, Stand 1.3.2018 § 238 Rdn 8; Münchener Kommentar/Stackmann, ZPO, 5. Aufl., § 238 Rdn. 10; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 238 Rdn. 6; Thomas/Putzo/Hüßtege § 238 Rdn. 9; Zöller/Greger § 238 Rdn. 2).

Das Landgericht hat daher entsprechend den dargelegten Grundsätzen über die Rechtzeitigkeit des Einspruchs und ggfs. über die Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist erneut zu entscheiden. Dabei wird es folgendes zu beachten haben:

Wie das Landgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, hätte das Versäumnisurteil den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zugestellt werden müssen, da die Zustellung erst nach der Bestellung der Prozessbevollmächtigten und dem Eingang der von diesen verfassten Klageerwiderung veranlasst worden ist. Der Zustellungsmangel konnte nach § 189 ZPO erst in dem Zeitpunkt als geheilt gelten, in dem das Versäumnisurteil den Prozessbevollmächtigten tatsächlich zugegangen ist (zu den Anforderungen OLG Hamburg MDR 2018, 424 m.w.N.). Dieser Zeitpunkt ist bislang nicht festgestellt und von Amts wegen im Freibeweisverfahren zu klären (etwa BGH NJW 1998, 461; OLG Braunschweig MDR 1998, 621; BeckOK/Touissant, ZPO, Stand 1.12.2017 § 341 Rdn. 3, 3 b; Münchener Kommentar/Prütting, ZPO, 5. Aufl., § 341 Rdn. 7). Allein der Umstand, dass die Beklagte nicht behauptet habe, das Urteil ihren Prozessbevollmächtigten überhaupt nicht ausgehändigt zu haben, genügt mangels vorherigen gerichtlichen Hinweises für eine abschlägige Feststellung nicht. Die Darlegungs- und Beweislast liegt allerdings bei der Beklagten als Rechtsmittelführerin (BGH NJW 1981, 1673; BeckOK/Touissant ZPO § 341 Rdn. 3 b. 1; Münchener Kommentar/Prütting § 341 Rdn. 7; Stein/Jonas/Bartels, ZPO, 23. Aufl., § 341 Rdn. 7; Zöller/Herget § 341 Rdn. 5). Eine Ausnahme von dieser Beweislastverteilung gilt nur für nicht aufklärbare Umstände aus dem Bereich des Gerichts. Diese Ausnahme greift vorliegend nicht ein, da die Übergabe des Versäumnisurteils an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten ein Vorgang ist, der sich in deren Bereich abgespielt hat.

Die Frage der Wiedereinsetzung ist grundsätzlich erst im Anschluss an die Frage der Rechtzeitigkeit des Einspruchs zu prüfen. Zwar kann zur Verfahrensvereinfachung von einer Beweiserhebung abgesehen und einem zugleich (vorsorglich) gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben werden, wenn davon auszugehen ist, dass selbst dann, wenn sich die Fristwahrung nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen lässt, jedenfalls Wiedereinsetzung zu gewähren wäre (BGH NJW-RR 2008, 218, 219). Soweit die Wiedereinsetzung im vorliegenden Fall davon abhängt, wann die Prozessbevollmächtigten der Beklagten Kenntnis vom Erlass des Versäumnisurteil erlangt haben, bedarf dies aber ebenfalls zumindest der Glaubhaftmachung. Im Übrigen kann es der Beklagten zur Last fallen, wenn sie ihre Prozessbevollmächtigten von dem Erlass des Versäumnisurteils nicht rechtzeitig in Kenntnis gesetzt hat.

II.

Eine Kostententscheidung ist nicht veranlasst, da die Kosten der sofortigen Beschwerde Teil der Prozesskosten sind, über die im Hauptsacheverfahren zu entscheiden ist (Zölller/Greger § 252 Rdn. 3 m.w.N.).

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.