OLG Köln, Beschluss vom 12.12.2017 – 20 U 185/17

Oktober 24, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 12.12.2017 – 20 U 185/17

Tenor
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 18. September 2017 – 26 O 12/17 – ohne mündliche Verhandlung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen 3 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Gründe
Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung des Klägers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf verzinsliche Erstattung der von ihm auf den Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Betrags. Der Kläger war nicht berechtigt, dem mit Versicherungsbeginn zum 1. August 1995 mit der Beklagten geschlossenen Vertrag noch im Jahr 2016 gemäß § 5a VVG a.F. zu widersprechen.

Zwar hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Kläger im Policenbegleitschreiben vom 26. Juli 1995 nur unzureichend über sein Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. belehrt, weil die Widerspruchsbelehrung nicht in drucktechnisch deutlicher Form erfolgt ist, denn sie hebt sich vom übrigen Text des Schreibens in keiner Weise ab. Gleichwohl war der Kläger gehindert, noch im Jahr 2016 den Widerspruch zu erklären.

Nach der vom Senat geteilten Auffassung des Bundesgerichtshofs kann sich die Ausübung des Widerspruchsrechts bei Vorliegen besonders gravierender Umstände als grob widersprüchliches und damit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßendes Verhalten des Versicherungsnehmers darstellen (vgl. BGH, Beschl. v. 11. November 2015 – IV ZR 117/15 – [juris] und Beschl. v. 27. Januar 2016 – IV ZR 130/15 – [RuS 2016, 230]). Allgemein gültige Maßstäbe können hierzu allerdings nicht aufgestellt werden; es ist vielmehr jeweils im Einzelfall festzustellen, ob die Ausübung des Widerspruchs trotz fehlerhafter Belehrung oder unvollständiger Verbraucherinformation mit Treu und Glauben nicht in Einklang zu bringen ist (BGH, Beschl. v. 11. November 2015, aaO, Rz. 16; Urt. v. 1. Juni 2016 – IV ZR 482/14 -, VersR 2017, 275, Rz. 24; Beschl. v. 27. September 2017 – IV ZR 506/15 -). Entscheidend ist, ob Umstände vorliegen, die der Versicherer dahin verstehen durfte, dass der Versicherungsnehmer unabhängig von einem etwaigen Lösungsrecht unbedingt den Vertrag fortsetzen wollte (so zuletzt BGH, Urt. v. 16. Dezember 2016 – IV ZR 399/15 -, RuS 2017, 128m Rz. 14). Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann es treuwidrig sein, wenn der Versicherungsnehmer dem Vertragsschluss widerspricht, nachdem der Versicherungsvertrag nach einer Vertragskündigung auf ausdrückliches Verlangen des Versicherungsnehmers fortgesetzt worden ist (BGH, Beschl. v. 11. November 2015, aaO). Ferner ist Treuwidrigkeit angenommen worden, wenn der Versicherungsnehmer den Lebensversicherungsvertrag alsbald nach Vertragsabschluss zur Sicherung eines Kredits unter Abtretung auch der Todesfallleistung verwendet worden ist (BGH, Beschl. v. 27. Januar 2016, aaO) oder die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag mehrfach abgetreten werden (BGH, Beschl. v. 27. Januar 2016, aaO; Urt. v. 1. Juni 2016, aaO). Maßgebender Gesichtspunkt ist insoweit, dass die Abtretung der Todesfallleistung zwingend das Bestehen eines wirksamen Vertrages voraussetzt, und beim Versicherer unter diesen Umständen erkennbar ein schutzwürdiges Vertrauen in den unbedingten Bestand des Vertrages begründet worden ist. Aus diesem Grund ist es für den Senat auch nicht erheblich, ob der Einsatz der Lebensversicherung als Kreditsicherungsmittel unmittelbar nach Vertragsschluss oder erst einige Zeit später – hier nach etwas mehr als einem Jahr – erfolgt. Auch und gerade dann, wenn der Versicherungsvertrag zunächst durch Zahlung der Prämien einige Zeit durchgeführt und erst dann als Sicherungsmittel eingesetzt wird, gibt der Versicherungsnehmer zu erkennen, dass er den Vertrag unbedingt durchführen will – zunächst durch die Prämienzahlungen, und alsdann zusätzlich durch die dem Versicherer bekannt gemachten Finanzierungsabreden, insbesondere die Abtretung der Todesfallleistung aus der Lebensversicherung (s. auch KG, Urt. v. 31. Januar 2017 – 6 U 30/16 -, juris [die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß der Angabe in juris vom BGH mit Beschl. v. 8. November 2017 – IV ZR 64/17 – zurückgewiesen worden]; OLG Karlsruhe, RuS 2017, 177).

Auch im vorliegenden Fall ist die Ausübung des Widerspruchsrechts im Jahr 2016 als grob widersprüchlich zu werten. Der Kläger hat ausweislich der vorgelegten Abtretungserklärung vom 27. Oktober 1996 die Ansprüche auf die Todesfallleistung zur Sicherung eines Kredits an die Debeka Bausparkasse AG abgetreten (GA 214). Unter diesen Umständen hat der Kläger bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Versicherungsvertrags begründet. Dass – anders als in der Konstellation, die dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 27. Januar 2016 (aaO) zugrunde lag – hier die Ansprüche aus der Lebensversicherung nur einmal (nicht, wie dort, noch ein zweites Mal) abgetreten worden sind, steht der Annahme eines grob widersprüchlichen Verhaltens nicht entgegen, denn schon der einmalige Einsatz der Lebensversicherung zur Kreditsicherung wird regelmäßig in dem Versicherer die berechtigte Erwartung wecken, dass der Versicherungsnehmer den Bestand des Vertrags nicht mehr in Frage stellen wird (vgl. auch KG VersR 2016, 1045). Etwas anderes ist auch den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 11. Mai 2015 (IV ZR 334/15, RuS 2016, 339) und vom 1. Juni 2016 (IV ZR 482/14, VersR 2017, 275) nicht zu entnehmen. Dort ist ausgeführt, dass ein schutzwürdiges Vertrauen des Versicherers auf den Bestand des Versicherungsvertrages bei einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Abschluss des Versicherungsvertrages und dessen Einsatz zur Kreditsicherung oder einer mehrfachen Abtretung angenommen werden kann. Vorliegend erfolgte die Abtretung zwar erst gut ein Jahr nach dem Abschluss der Lebensversicherung. Die Abtretung war aber zeitlich nicht begrenzt und hat immerhin über einen Zeitraum von etwa 9 Jahren bis zur Freigabeerklärung der Bausparkasse vom 1. Juli 2005 (GA 226) angedauert. Aufgelöst hat der Kläger den Lebensversicherungsvertrag erst, als er die Versicherung zur Kreditsicherung nicht mehr benötigte. Darüber hinaus hat der Kläger den Widerspruch erst mehr als 10 Jahre nach der Vertragskündigung erklärt. Unter Berücksichtigung der dargestellten Gesamtumstände stellt sich das Verhalten des Klägers als grob treuwidrig dar, so dass er im Jahr 2016 an der Ausübung des Widerspruchsrechts gehindert war.

Die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens in Fällen der vorliegenden Art steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. BGH, RuS 2016, 231).

Zu der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers erneut herangezogenen Entscheidung des OLG Celle vom 3. November 2016 (8 U 124/16) verweist der Senat auf die Ausführungen im Beschluss vom 14. November 2017 in der Sache 20 U 141/17:

Es ist – wie der Senat ebenfalls bereits im Beschluss vom 2. Juni 2017 ausgeführt hat – nicht von maßgebender Bedeutung und zwingt auch nicht zur Zulassung der Revision, wenn das OLG Celle in dem von der Klägerin auszugsweise wiedergegebenen, soweit ersichtlich nicht veröffentlichten Urteil vom 3. November 2016 (8 U 124/16) unter den dort festgestellten Umständen keine Treuwidrigkeit angenommen hat. Dass sich bei der notwendigen Einzelfallbewertung Wertungsunterschiede auch bei vermeintlich ähnlich gelagerten Fällen ergeben können, muss hingenommen werden. Im Übrigen waren die Ausführungen des OLG Celle augenscheinlich, wie im Schriftsatz der Klägerin vom 19. Oktober 2017 ausgeführt, nicht entscheidungserheblich, weil die Klageabweisung auf anderen Gründen beruhte.

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