OLG Köln, Beschluss vom 16.11.2017 – 4 U 44/17

Oktober 25, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 16.11.2017 – 4 U 44/17

Tenor
In teilweiser Abänderung des von dem Senat im vorliegenden Verfahren am 04.09.2017 erlassenen Beschlusses wird der Streitwert des Berufungsverfahrens auf 59.136,58 € festgesetzt.

Gründe
I.

Der Kläger hat die Beklagte nach Widerruf von vier Darlehensverträgen zuletzt auf Zahlung von 80.000,00 € in Anspruch genommen.

Mit Urteil vom 24.05.2017 hat das Landgericht Köln – 15 O 362/15 – die Beklagte verurteilt, an die Klägerin die Beträge von 7.182,75 €, 10.678,16 € und 3.002,51 € jeweils Zug um Zug gegen Zahlung jeweils höherer Beträge an die Beklagte zu zahlen, die Klage im Übrigen abgewiesen und den Streitwert auf 80.000,00 € festgesetzt.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz vom 30.06.2017 form- und fristgerecht Berufung eingelegt. In der Berufungsschrift ist der Beschwerdewert mit 80.000,00 € angegeben worden; Anträge und Begründung sind einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten worden. In seiner innerhalb der auf seinen Antrag hin verlängerten Frist eingereichten Berufungsbegründungsschrift vom 29.08.2017 hat der Kläger angekündigt, den Antrag zu stellen,

die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 24.05.2017 – 15 O 362/15 – zu verurteilen, an ihn 350,00 € zu zahlen.

Zur Begründung hat er eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Landgericht gerügt, soweit dieses seine Klage über einen Teilbetrag von 350,00 € zurückgewiesen hat, und hat unter Verweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung die Auffassung vertreten, im Rahmen der vorzeitigen Beendigung des Darlehens mit der Endnummer -02 seien zu Unrecht Bankgebühren in der nämlichen Höhe berechnet worden.

Mit weiterem Schriftsatz vom 31.08.2017 hat der Kläger die Berufung zurückgenommen, nachdem er zuvor vom Senatsvorsitzenden telefonisch auf die Unzulässigkeit der Berufung hingewiesen worden war.

In seinem daraufhin unter dem 04.09.2017 erlassenen Kosten- und Verlustigkeitsbeschluss hat der Senat den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 350,00 € festgesetzt.

Auf diesen Beschluss hin hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 12.09.2017 seine gegenteilige Vorstellung zum maßgeblichen Streitwert von 80.000,00 € mit der Begründung mitgeteilt, einen entsprechend hohen Beschwerdewert habe der Kläger selbst noch in seiner Berufungsschrift angegeben und die Einschränkung des Rechtsmittelantrages auf eine die Berufungssumme nicht erreichende Forderung sei rechtsmissbräuchlich lediglich zur Reduzierung der Kostenpflicht erfolgt.

Der Kläger meint, die Festsetzung des Streitwerts des Berufungsverfahrens auf 350,00 € sei richtig. Hierzu trägt er vor, die Angabe des Beschwerdewerts in der Berufungsschrift beruhe offenbar auf einem Kanzleiversehen. Von einer rechtsmissbräuchlichen Antragseinschränkung könne nicht ausgegangen werden, weil sich sein Rechtsmittel auf einen eindeutig abgrenzbaren Anspruch beziehe, hinsichtlich dessen er in der Berufungsbegründung auch dargelegt habe, warum die angefochtene Entscheidung insoweit unrichtig sei.

II.

Die Entscheidung beruht auf § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beläuft sich entgegen der Annahme des Senats in seinem Beschluss vom 04.09.2017 nicht auf 350,00 €, sondern auf 59.136,58 €, ermittelt mit der Differenz zwischen dem Betrag von 80.000,00 €, dessen Zahlung der Kläger erstinstanzlich zuletzt noch verlangt hat, und den ihm von dem Landgericht mit dem angefochtenen Urteil zuerkannten Beträgen von 7.182,75 €, 10.678,16 € und 3002,51 €). In der Höhe dieser Differenz ist der Kläger durch das angefochtene Urteil des Landgerichts beschwert. Der Angabe des Wertes des Beschwerdegegenstandes von 80.000,00 € in der Berufungsschrift, die nach der Sollvorschrift des § 520 Abs. 4 Nr. 1 ZPO selbst bei einem nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Wert nicht zwingend ist, kommt keine bindende Bedeutung zu.

Zwar bestimmt sich der Streitwert gemäß § 47 Abs. 1 S. 1 GKG in erster Linie nach den Anträgen des Rechtsmittelführers und nach dessen Beschwer gemäß § 47 Abs. 1 S. 2 GKG lediglich dann, wenn das Verfahren endet, ohne dass solche Anträge innerhalb der Frist für die Rechtsmittelbegründung eingereicht werden. Indessen findet die Vorschrift des § 47 Abs. 1 S. 1 GKG nach seinem Sinn und Zweck keine Anwendung, wenn die Beschränkung des Rechtsmittelantrags offensichtlich nicht auf die Durchführung des Rechtsmittels gerichtet ist, sondern der Verringerung der Kostenlast dient, die über die im Gesetz für die Rechtsmittelrücknahme vorgesehene Kostenermäßigung (KV-Nr. 1213) hinausgeht (BGH, Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen vom 14.02.1978 – GSZ 1/77 – juris Rn. 10 ff.; BGH, Beschluss vom 30.09.1997 – VI ZB 29/97 – juris Rn. 6 f.). Ob ein Rechtsmittel „offensichtlich“ nicht durchgeführt werden soll, kann dabei in der Regel nur aufgrund eindeutiger objektiver Umstände angenommen werden. Für diese Annahme reicht schon ein krasses Missverhältnis zwischen der Beschwer des Rechtsmittelführers (im Beispielsfall von 20.000.000,00 DM) und der mit dem Rechtsmittelantrag nur noch verfolgten Urteilsabänderung (im Beispielsfall von 250,00 DM). Eine dementsprechende Bewertung kann auch in anderen Fällen jedenfalls zusammen mit der späteren Rücknahme des krass eingeschränkten Rechtsmittelantrages veranlasst sein (BGH, GZS, a. a. O., Rn. 22).

So liegt der Fall auch hier. Aufgrund objektiver Umstände steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger sein Rechtsmittel mit dem in der Berufungsbegründung formulierten eingeschränkten Antrag offensichtlich nicht durchführen wollte. Zunächst einmal besteht schon eine auffällige Diskrepanz zwischen dem Beschwer des Klägers durch das erstinstanzliche Urteil (59.196,58 €) und dem in der Berufung noch geltend gemachten Begehren (350,00 €), das sich auf lediglich 0,6 % der Beschwer beläuft. Darüber hinaus spricht auch die Berufungsbegründung für die Annahme, dass der Kläger sein Rechtsmittel nicht ernsthaft weiter verfolgen wollte. Zwar liegt der Fall nicht genau so, wie er der oben angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 30.09.1997, a. a. O, Rn. 6) zugrunde lag, wenn mit der Berufungsbegründung ein nicht im Zusammenhang mit der Klagebegründung stehender eingeschränkter Antrag weiter verfolgt wird. Der Anspruch auf Zahlung dieser 350 € ist ursprünglich schon neben einem Anspruch auf Rückerstattung einer Vorfälligkeitsentschädigung i. H. v. 30.488,64 € geltend gemacht worden, indessen mit der einheitlichen Begründung, die Beklagte habe beide Beträge im Hinblick auf den von ihm erklärten Widerruf seiner Darlehenserklärung nicht beanspruchen dürfen. Während der Kläger aber die Abweisung des Antrags in Bezug auf die Vorfälligkeitsentschädigung, die mit der Begründung erfolgt ist, dass der Widerruf nicht wirksam gewesen sei, hinnimmt, verfolgt er den Zahlungsanspruch in Höhe der Gebühren mit einer neuen, allerdings lediglich formelhaften Begründung weiter. Diese besteht im Wesentlichen aus der Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die allerdings ersichtlich nicht einschlägig ist, weil sie AGB-Klauseln über Bearbeitungsentgelte bei Darlehensgewährung betrifft, während es hier um individuell vereinbarte Bearbeitungsentgelte bei einer vorzeitigen Vertragsaufhebung geht. Es kommt schließlich entscheidend hinzu, dass der Kläger seine Berufung auf einen unter der Berufungssumme (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) liegenden Zahlungsantrag beschränkt hat. Damit schied eine Entscheidung des Senats in der Sache ohnehin aus. Das Unterschreiten der Berufungssumme und damit die Unzulässigkeit der Berufung ist in diesem Fall auch so offensichtlich, dass dies dem Kläger, der sich als Rechtsanwalt in dieser Sache selbst vertritt, schwerlich entgangen sein kann. Dementsprechend hat er sich in seiner Stellungnahme zur Gegenvorstellung auch nicht auf ein „Versehen“ berufen. Jedenfalls die Summierung all dieser Umstände führt dazu, dass der Senat es nach erneuter Überprüfung für „offensichtlich“ im Sinne der o. a. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hält, dass der Kläger mit seinen Berufungsantrag tatsächlich gar kein Rechtsschutzbegehren mehr verfolgt hat, sondern diese Antragstellung allein noch den Zweck hatte, eine Reduzierung der ihn auf jeden Fall treffenden Kosten zu erreichen.

Auf dieser Grundlage kommt dem grundsätzlich ebenfalls die Offenkundigkeit des mit der Berufung einzig verfolgten Ziels der Minimierung der Kostenlast bestätigenden Umstand, dass der Kläger die Berufung zeitnah, nämlich mit dem zwei Tage später am 31.08.2017 gefertigten Schriftsatz zurückgenommen hat (BGH, GZS, a. a. O., Rn. 22; OLG Köln, Beschluss vom 16.04.2012 – 16 W 28/11 – juris Rn. 2), vorliegend keine Bedeutung zu. Deshalb bedarf auch die Frage, ob die grundsätzliche Indizwirkung der Rücknahme des Rechtsmittels durch einen – wie hier – vorausgegangenen Hinweis des Vorsitzenden auf die Unzulässigkeit entfallen kann, keiner Entscheidung.

Soweit der Kläger in seiner schriftlichen Stellungnahme zu der Gegenvorstellung der Beklagten die Auffassung vertritt, die Einschränkung der Anwendung des § 47 Abs. 1 S. 1 GKG sei hochgradig umstritten, und er zum Beleg seines gegenteiligen Rechtsstandpunktes obergerichtliche Rechtsprechung aus den Jahren 1978 bis 1988 anführt, sei er auf die oben angeführte höchstrichterliche Rechtsprechung hingewiesen, der sich der erkennende Senat anschließt und von der abzuweichen auch im konkreten Fall keine Veranlassung besteht.

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