OLG Köln, Beschluss vom 13.07.2017 – 12 U 183/16

Oktober 28, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 13.07.2017 – 12 U 183/16

Tenor
1.

Die Berufung der Kläger gegen das am 07.10.2016 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Bonn – Az. 17 O 204/15 – wird zurückgewiesen.

2.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger je zur Hälfte.

3.

Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 14.524,87 € festgesetzt.

Gründe
I.

Von einer Sachverhaltsschilderung wird gemäß §§ 313a Abs. 1, 522 Abs. 3, 540 Abs. 3, 544 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung unterliegt gemäß § 522 Abs. 2 ZPO der Zurückweisung im Beschlusswege, weil sie nach einstimmiger Überzeugung des Senats aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, offensichtlich unbegründet ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

1.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch nicht aus anderen Gründen geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

Die für die Behandlung des Verwirkungseinwandes bei widerrufenen Verbraucherdarlehensverträgen maßgeblichen Grundsätze sind durch gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt (so insbesondere BGH, Urteil vom 12.07.2016, XI ZR 501/15, MDR 2016, 1194, zitiert nach juris, Rn. 41; Urteil vom 12.07.2016, XI ZR 564/15 , NJW 2016, 3512, zitiert nach juris, Rn. 37; Urteil vom 11.10.2016, XI ZR 482/15, MDR 2017, 222, zitiert nach juris, Rn. 30 f.). Inwieweit der Einwand bei Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall tatsächlich durchgreift, richtet sich demgegenüber nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalls (BGH a.a.O., sowie Beschluss vom 17.01.2017, XI ZR 82/16, zitiert nach juris; zur Nichtzulassung der Revision in einem solchen Fall OLG Bremen, NJW-RR 2016, 875 ff., juris Rn. 35), weshalb es auf Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte, in anderen, nicht gleich gelagerten Fällen, nicht maßgeblich ankommen kann.

Soweit die Kläger mit Schriftsatz vom 10.07.2017 unter Verweis auf etwas ältere Entscheidungen des BGH (BGH, Urteil vom 02.07.2001, II ZR 304/00, zitiert nach juris, Rn. 13; Urteil vom 18.10.2004, II ZR 352/02, zitiert nach juris, Rn. 22) sowie des OLG Celle (Hinweisbeschluss vom 02.02.2015, 3 U 108/15, zitiert nach juris) die Ansicht vertreten, es bestehe grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die vom Senat bejahte Frage, ob auch bei Zeiträumen von weniger als 10 Jahren eine Verwirkung des Rechts zum Widerruf von Verbraucherdarlehensverträgen in Betracht komme, greift dies nicht durch.

So ist zunächst klarzustellen, dass die Entscheidung vom 02.07.2001 (II ZR 304/00, zitiert nach juris, Rn. 7) zwar ausführt, dass auch nach Ablauf von 10 Jahren ein Widerruf noch möglich sein kann – was auch der erkennende Senat nicht in Abrede gestellt hat. Zur Frage der Verwirkung enthält die genannte Entscheidung indes keine Ausführungen. Auch die Entscheidung vom 18.10.2004 (II ZR 352/02, zitiert nach juris, Rn. 24) benennt keinen Mindestzeitraum für die Erfüllung des Zeitmoments, zumal lediglich klargestellt wird, dass es auch nach Ablauf von 10 Jahren zusätzlich der Erfüllung des Umstandsmoments bedarf. Schließlich hat auch das OLG Celle entgegen der Ansicht der Kläger in dem zitierten Hinweisbeschluss keine Aussage zur Nichterfüllung des Zeitmoments vor Ablauf von 10 Jahren getroffen, sondern lediglich festgestellt, dass nach Ablauf von 4 Jahren das Zeitmoment noch nicht erfüllt sei, wobei es sodann aber entscheidend auf die Nichterfüllung des Umstandsmoments abgestellt hat (OLG Celle, Hinweisbeschluss vom 02.02.2015, 3 U 108/15, zitiert nach juris, Rn. 50-52).

Demgegenüber ist es als durch jüngere Entscheidungen höchstrichterlich geklärt zu bewerten, dass für die Verwirkung des Rechts auf Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages durchaus auch vor Ablauf von 10 Jahren das erforderliche Zeitmoment erfüllt sein kann. So hat der BGH mit Urteil vom 11.10.2016 (XI ZR 482/15, zitiert nach juris, Rn. 2, 3,29-34) in einem Fall, in dem zwischen Abschluss der Darlehensverträge und Widerruf rund 9 Jahre verstrichen waren, aufgehoben und zurückverwiesen, weil das Berufungsgericht den für den Verwirkungseinwand maßgeblichen Zeitpunkt unzutreffend bewertet und der vorzeitigen einverständlichen Beendigung der Darlehensverträge fehlerhaft kein Gewicht beigemessen habe, wofür kein Anlass bestanden hätte, wenn bereits wegen Unterschreitens der nach Ansicht der Kläger bestehenden 10-Jahres-Grenze Verwirkung nicht in Betracht gekommen wäre. In dem der Entscheidung vom 17.03.2017 (BGH, XI ZR 442/16, zitiert nach juris) zugrundeliegenden Fall waren zwischen Vertragsschluss und Widerruf lediglich 7 Jahre verstrichen. Auch hier hat der BGH aufgehoben und zurückverwiesen, weil die einvernehmliche Vertragsbeendigung fehlerhaft als unmaßgeblich bewertet worden sei, wofür ebenfalls kein Anlass bestanden hätte, wenn mindestens 10 Jahre hätten verstreichen müssen. Mit Beschluss vom 14.03.2017 (XI ZR 160/16) hat der BGH eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen und damit die auf Verwirkung gestützte Entscheidung des OLG Schleswig vom 31.03.2016 (5 U188/15) gestützt. Hier handelte es sich indes um einen Fall, in dem zwischen Vertragsschluss und Widerruf lediglich 5 Jahre verstrichen waren (vgl. die zugrundeliegende erstinstanzliche Entscheidung des LG Itzehoe, Urteil vom 07.07.2015, 7 O 243/14, zitiert nach juris, Rn. 3, 13).

2.

Der Senat erachtet die Klage in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil als unbegründet, weil der Ausübung des Widerrufsrechts vorliegend der Einwand der Verwirkung entgegensteht. An dieser, bereits mit Hinweisbeschluss vom 08.05.2017 mitgeteilten Wertung hält der Senat auch unter Würdigung der Argumentation der Kläger im Schriftsatz vom 10.07.2017 fest.

a)

Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalls, ohne dass insofern auf Vermutungen zurückgegriffen werden kann. Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs nach diesen Maßgaben schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren. Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht (BGH, Urteil vom 11.10.2016 – XI ZR 482/15, WM 2016, 2295 ff., juris Rn. 30).

b)

Nach diesen Maßstäben sieht der Senat – im Einklang mit der angefochtenen Entscheidung – in Würdigung sämtlicher relevanter Umstände des vorliegenden Einzelfalls sowohl das Zeit- als auch das Umstandsmoment als erfüllt an.

Angesichts des zwischen Vertragsschluss und Widerrufserklärung liegenden Zeitraums – nur auf diesen kommt es insoweit an (vgl. BGH, aaO, Rn. 31) – von mehr als 8 1/2 Jahren liegt das erforderliche Zeitmoment ohne Weiteres vor; in der obergerichtlichen Rechtsprechung werden verbreitet bereits Zeiträume jedenfalls ab 6 Jahren für ausreichend gehalten (OLG Köln, Urteil vom 25.1.2012; 13 U 30/11; Beschluss vom 18.09.2015, 13 U 85/15, zitiert nach juris, Rn. 4; OLG Bremen, Urteil vom 26.02.2016, 2 U 92/15, NJW-RR 2016,875, zitiert nach juris, Rn. 34; Bejahung des Zeitmoments bei lediglich 5 Jahren zwischen Vertragsschluss und Widerruf durch LG Itzehoe, Urteil vom 07.07.2015, 7 O 243/14, zitiert nach juris, Rn. 3, 13, bestätigt durch OLG Schleswig, Urteil vom 31.03.2016, 5 U 188/15, wurde unbeanstandet gelassen durch Beschluss des BGH vom 14.03.2017, XI ZR 160/16, zitiert nach juris, durch den die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen wurde).

Auch das Umstandsmoment ist im vorliegenden Fall erfüllt. Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt die Annahme von Verwirkung bei auf Wunsch des Darlehensnehmers vorzeitig beendeten Darlehensverträgen schon per se nahe. So liegt der Fall hier. Die Kläger haben die Beklagte im April 2012 um vorzeitige Vertragsaufhebung ersucht, woraufhin es zum Abschluss der sodann zeitnah abgewickelten Aufhebungsvereinbarung vom 13.11.2012 gekommen ist. Wenn dann noch – wie hier – zwischen Abschluss der Aufhebungsvereinbarung und Erklärung des Widerrufs durch Schreiben vom 13.11.2013 ein Zeitraum von einem Jahr liegt, kann es nach Auffassung des Senats keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass die Beklagte sich auf schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass ein Widerruf nicht mehr erfolgen werde, berufen kann (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.02.2017, 3 U 26/16, zitiert nach juris Rn. 49, OLG Köln, Beschluss vom 31.10.2016, 13 U 38/16; Urteil vom 16.02.2017, 12 U 48/16).

Auch das Unterbleiben einer Nachbelehrung und die fehlende Kenntnis des Darlehensnehmers von seinem Widerrufsrecht lassen den Verwirkungseinwand nicht entfallen. Dem Unterbleiben einer Nachbelehrung ist nach Abwicklung des Vertragsverhältnisses gerade keine Bedeutung für die Frage der Verwirkung beizumessen, da vom Unternehmer nach Beendigung eines Vertrages eine Nachbelehrung nicht mehr erwartet werden kann (BGH, Urteil vom 11.10.2016, XI ZR 482/15, zitiert nach juris Rn. 31; vgl. auch OLG Frankfurt, 19 U 13/16, Urteil vom 14.12.2016, zitiert nach juris, Rn. 33). Auch auf fehlende Kenntnis des Darlehnsnehmers von seinem Widerrufsrecht kommt es nicht an (vgl. OLG Köln, Urteil vom 08.06.2016, 13 U 23/16, zitiert nach juris, Rn. 24 m. w. N.).

c)

Die Annahme der Verwirkung scheitert schließlich auch nicht an der fehlenden Darlegung unzumutbarer Nachteile der Beklagten. Im Einklang mit der Rechtsprechung des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln (vgl. Urteil vom 11.01.2017 – 13 U 203/16, Seite 7 f.) hält auch der erkennende Senat es nach der Lebenserfahrung für offenkundig, dass eine Bank, deren Geschäftsgegenstand darin besteht, mit den Geldern ihrer Kunden in der Weise zu arbeiten, dass einerseits Gelder verwahrt, andererseits Darlehen gegeben werden, zurückgezahlte Gelder neu verwendet, um neue Darlehen auszureichen (so überzeugend OLG Schleswig, Beschluss vom 15.10.2015, 5 U 111/15, NZB gegen den Zurückweisungsbeschluss vom 18.1.2016 zurückgewiesen durch BGH, Beschluss vom 17.1.2017, XI ZR 82/16; vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 20.6.2016, 13 U 87/16, zitiert nach juris, Rn. 10). Auf dieser Grundlage ist vorliegend für die Beklagte die Rückabwicklung eines Darlehens Jahre nach dessen vollständiger Abwicklung als unzumutbarer Nachteil zu bewerten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO und die Festsetzung des Streitwertes auf den §§ 47, 48 GKG, 3 ZPO.

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