OLG Köln, Beschluss vom 14.06.2017 – 19 U 23/17

Oktober 29, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 14.06.2017 – 19 U 23/17

Tenor
Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 16.1.2017 (20 O 258/16) durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist offensichtlich unbegründet. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage verfahrensfehlerfrei und in der Sache zu Recht abgewiesen. Zur Begründung kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen werden. Das Berufungsvorbringen führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Das Landgericht hat zu Recht nicht festzustellen vermocht, dass die bedauerlichen Verletzungen, die der Kläger bei dem sog. Maskottchen-Rennen im Rahmen des Deutschen-Eishockey-Fußball-Pokals am 2.5.2015 erlitten hat, auf eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten zurückzuführen sind.

Nach den u.a. in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa Urteil vom 3.6.2008 – VI ZR 223/07, in: MDR 2008, 971 ff. m.w.N.), der sich der Senat anschließt, entwickelten Grundsätzen ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist deshalb genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind. Danach braucht der für eine Veranstaltung wie das Maskottchen-Rennen Verantwortliche zwar nicht allen denkbaren Gefahren vorzubeugen. Die Verkehrssicherungspflicht erfordert jedoch regelmäßig den Schutz vor Gefahren, die über das übliche Risiko einer solchen Veranstaltung hinausgehen, vom Teilnehmer nicht vorhersehbar und für ihn nicht ohne Weiteres erkennbar sind. Der Umfang der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen richtet sich dabei insbesondere danach, welcher Grad an Sicherheit von den Teilnehmern typischerweise erwartet werden kann.

Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Maßstäbe kann vorliegend schon nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt hat, indem sie das gegenüber dem Start-/Zielbereich des Maskottchen-Rennens befindliche Fußballtor nicht entfernt oder abgepolstert hat, um das Verletzungsrisiko im Fall eines Zusammenstoßes auszuschließen oder zumindest zu reduzieren, und/oder indem die Benutzung von Spikes, Sandpapier oder ähnlichen rutschhemmenden Vorrichtungen an den Schuhen untersagt und das Tragen von Schutzkleidung nur unter dem Maskottchen-Kostüm gestattet wurde. Unabhängig davon, ob und ggf. wann die von der Beklagten gestellten Teilnahmebedingungen dem Kläger zur Kenntnis gebracht wurden, hat er sich jedenfalls mit dem Antritt zum Maskottchen-Rennen – zumindest konkludent – damit einverstanden erklärt und ist freiwillig und auf eigenes Risiko die damit verbundenen, ohne Weiteres erkennbaren Verletzungsgefahren eingegangen. Der Kläger räumt auch selbst ein, dass er ein gewisses Verletzungsrisiko erkannt und gleichwohl an dem Maskottchen-Rennen teilgenommen hat. Selbst wenn damit keine Einwilligung im Rechtssinne verbunden war (vgl. etwa BGH, Urteil vom 29.4.1986 – VI ZR 227/85, in: NJW-RR 1986, 1029 f.), konnten der Kläger und die weiteren Teilnehmer des Maskottchen-Rennens von der Beklagten keine Sicherheitsvorkehrungen erwarten, wie er sie nunmehr für erforderlich erachtet. Denn ebenso wie bei einem Straßenradrennen, zu dem sich die genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs verhält, erstreckt sich die den Organisator einer solchen Veranstaltung gegenüber den Teilnehmern treffende Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich nicht darauf, die Teilnehmer vor solchen Gefahren zu schützen, die mit ihrer Beteiligung typischerweise verbunden sind. Mit einem durch die Eigenart der Veranstaltung erhöhten Gefahrenniveau muss der Teilnehmer vielmehr rechnen; dieses Mehr an Gefahr nimmt er durch seine Beteiligung in Kauf. Inhalt der Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters gegenüber den Teilnehmern ist es deshalb in erster Linie, den ihnen etwa drohenden verdeckten und atypischen Gefahren zu begegnen (vgl. BGH, a.a.O., m.w.N.). Von der Realisierung einer derartigen Gefahr kann vorliegend ebenso wenig wie in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall, in dem der Teilnehmer eines Straßenradrennens bei einem Sturz gegen eine am Straßenrand befindliche Leitplanke geprallt war und sich dadurch schwer verletzt hatte, ausgegangen werden. Dass es bei einem Wettlauf auf einer Eisfläche mit nicht rutschhemmend ausgestattetem Schuhwerk zu einer Kollision mit anderen Rennteilnehmern, zu Stürzen auf das Eis oder auch zur Berührung von auf oder um die Fläche platzierten Gegenständen kommen kann, ist den Teilnehmern bewusst und stellt keine atypische Gefahr dar. Insbesondere war auch Letzteres für den Kläger ohne Weiteres erkennbar, zumal sich im Startbereich des Rennens ebenfalls ein Tor befand, das dem entsprach, mit dem der Kläger nach seiner Darstellung im Rennverlauf kollidiert ist und wodurch er sich schwere Verletzungen zugezogen hat. Insofern stellte das damit verbundene Risiko für ihn keine verdeckte Gefahr dar, vor der ihn die Beklagte als Veranstalter des Maskottchen-Rennens hätte bewahren müssen, so dass auch keine diesbezügliche Verkehrssicherungspflicht der Beklagten bestand.

Auf die weiteren Einwände der Beklagten gegen die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche kommt es nach dem Vorstehenden ebenso wenig entscheidend an wie darauf, ob der Kläger eine Berührung des Tores gegenüber dem Start-/Zielbereich des Maskottchen-Rennens hinreichend dargelegt oder durch die eingereichte Videoaufzeichnung bewiesen hat und/oder sich zweitinstanzlich auf ein von den ausweislich des Verhandlungsprotokolls vom 5.12.2016 und in dem erstinstanzlichen Urteil getroffenen Feststellungen des Landgerichts abweichendes Geschehen berufen kann.

Ansonsten erhebt der Kläger keine Einwendungen gegen die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil, auf die deshalb zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verwiesen werden kann.

Auf die dem Rechtsmittelführer bei förmlicher Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO verloren gehende Möglichkeit einer Kosten sparenden Rücknahme (vgl. Nr. 1222 Kostenverzeichnis zum GKG) wird vorsorglich hingewiesen.

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