OLG Köln, Beschluss vom 15.05.2017 – 17 W 201/16

Oktober 29, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 15.05.2017 – 17 W 201/16

Tenor
Die weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 08.07.2016 – 3 T 163/16 – wird zurückgewiesen.

Gründe
I.

Auf den Antrag des Berechtigten wurde diesem am 13.08.2015 von dem Amtsgereicht Schleiden ein Berechtigungsschein für Beratungshilfe durch eine Beratungsperson gemäß § 3 BerHG in der Angelegenheit „Widerspruch gegen SGB II Bescheid vom 16.07.2015“ erteilt. Der Berechtigte wandte sich daraufhin an den Antragsteller, einen Rechtsanwalt. Mit Schriftsatz vom 17.08.2015 legte dieser namens und im Auftrag des Berechtigten Widerspruch gegen den vorbezeichneten, von dem Jobcenter erlassenen Bescheid ein und beantragte zugleich Akteneinsicht. Nach stattgefundener Akteneinsicht nahm der Antragsteller den Widerspruch alsdann namens und im Auftrag des Berechtigten mit Schriftsatz vom 14.09.2015 zurück.

Unter dem Datum des 21.09.2015 beantragte der Antragsteller die Festsetzung seiner Vergütung durch die Landeskasse in einer Gesamthöhe von 121,38 € brutto, darunter eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2503 VV RVG in Höhe von 85,00 €. Mit Beschluss vom 17.11.2015 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Antragsteller zustehende Vergütung auf 49,98 € unter Zurückweisung seines weitergehenden Antrags fest. Zur Begründung führte die Urkundsbeamtin im Wesentlichen aus, dass es dem Berechtigten zumutbar gewesen sei, den Widerspruch sowohl selbst einzulegen als auch nach erfolgter anwaltlicher Beratung selbst zurückzunehmen. Ein die Anwaltskosten aus eigenen Mitteln aufbringender Bürger hätte den Widerspruch nicht kostenverursachend durch einen Anwalt einlegen lassen. Die durch den Antragsteller bei dem Jobcenter für den Berechtigten beantragte Aktenanforderung stelle für sich genommen keine die Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2503 VV RVG auslösende Vertretung dar. Dem Antragsteller könne daher für seine Tätigkeit nur die Beratungsgebühr gemäß Nr. „2502“ (scl: gemeint ist erkennbar Nr. 2501) VV RVG nebst Auslagenpauschale angewiesen werden.

Der Antragsteller legte gegen diesen ihm am 20.11.2015 zugestellten Beschluss am 25.11.2015 Erinnerung ein, der das Amtsgericht – nach Anhörung des Bezirksrevisors als Vertreter der Landeskasse – mit Beschluss vom 11.01.2016 abhalf und die dem Antragsteller aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung gemäß dessen Antrag auf 121,38 € festsetzte. Es treffe zwar zu, so führte das Amtsgericht zur Begründung seiner Entscheidung aus, dass der Antragsteller den Widerspruch ebenso wie dessen Rücknahme unmittelbar selbst hätte erklären können und dass insoweit eine anwaltliche Vertretung nicht erforderlich gewesen sei. Indessen vermöge der angefochtene Beschluss nicht zu überzeugen, soweit darin die Aktenanforderung nicht als eine die Geschäftsgebühr gemäß Nr.2503 VV RVG auslösende Vertretung eingeordnet worden sei. Mit der Beantragung der Akteneinsicht, welche der Bewertung des weiteren Vorgehens im Widerspruchsverfahren gedient habe, sei das Geschäft betrieben worden. Das Tätigwerden des Rechtsanwalts habe sich nicht auf die Beratung beschränkt. Der von dem Bezirksrevisor gleichlaufend mit der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle verfochtene Standpunkt, dass die Akteneinsicht allein zur Vorbereitung des Beratungsgesprächs erforderlich gewesen sei, bleibe unbelegt. Eine nach Nr. 2501 VV RVG zu vergütende Beratung könne auch ohne vorherige Akteneinsicht erfolgen, etwa indem der Mandant auf die allgemeine Rechtslage hingewiesen und – vorerst – eine einzelfallbezogene Beurteilung anhand der von dem Mandanten mitgeteilten Tatsachen vorgenommen werde.

Gegen den vorgebezeichneten Beschluss legte wiederum die Landeskasse – die in der angefochtenen amtsgerichtlichen Entscheidung zugelassene – Beschwerde ein, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ausführte, dass die Akteneinsicht bei Anwendung des für die Abgrenzung maßgeblichen Merkmals einer nach außen gerichteten anwaltlichen Tätigkeit eine Geschäftsgebühr nicht habe entstehen lassen. Nach den eigenen Ausführungen des Antragstellers stehe fest, dass er von dem Berechtigten nur aufgesucht worden sei, um den Bescheid des Jobcenters anwaltlich überprüfen zu lassen. Die Akteneinsicht habe allein der Beschaffung von Informationen zum Zwecke der Beratung des Berechtigten gedient und könne daher die Geschäftsgebühr nicht auslösen.

Das Landgericht hat die Beschwerde der Landeskasse in dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 08.07.2016 zurückgewiesen und hiergegen die weitere Beschwerde zugelassen. Diese hat die Landeskasse eingelegt und unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisher bereits verfochtenen Standpunkts ausgeführt, dass die ausschließlich der Beratung dienliche, durch einen Rechtsanwalt beantragte Akteneinsicht die Geschäftsgebühr nach Maßgabe von Nr. 2503 VV RVG nicht auszulösen vermöge.

II.

Die gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 6 RVG statthafte und auch den weiteren Voraussetzungen nach zulässige weitere Beschwerde der Landeskasse hat in der Sache keinen Erfolg.

Soweit die vorgehenden Instanzen die dem Antragsteller nach gewährter Beratungshilfe aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf der Grundlage einer Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2503 VV RVG bemessen haben, hält das rechtlicher Überprüfung in jeder Hinsicht stand. Die Geschäftsgebühr ist entstanden, da der Antragsteller mit der im Rahmen des ihm erteilten Auftrags bei dem Jobcenter beantragten Akteneinsicht i. S. des vorbezeichneten Gebührentatbestands für den Berechtigten das Geschäft einschließlich der Information betrieben hat.

Die Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2503 VV RVG fällt an, sobald der Rechtsanwalt eine der in Anm. Absatz 1 des Gebührentatbestandes aufgeführten Tätigkeiten ausübt. Die hier in Rede stehende Frage, ob eine für den Berechtigten beantragte Akteneinsicht das die Gebühr im Sinne von Nr. 2503 VV RVG auslösende Betreiben eines Geschäfts darstellt, entzieht sich schematischer Betrachtung und kann nicht generell und einheitlich beantwortet werden: Maßgeblich ist eine die Umstände des jeweiligen Mandats und dessen Zielrichtung einbeziehende Würdigung. Entscheidend ist, ob der Anwalt auf Grund des ihm im Rahmen der Beratungshilfe erteilten Auftrags nach außen hin für den Berechtigten tätig werden oder ob sich das Mandat in der Beratung des Berechtigten erschöpfen soll. Abzugrenzen ist dabei anhand des Auftrags und nicht etwa anhand der tatsächlich entfalteten konkreten Tätigkeit, der allerdings indizielle Funktion für den Auftragsinhalt beigemessen werden kann (vgl. Fölsch, in N. Schneider/Wolf, AnwaltKommentar, 8. Aufl., VV 2503 RdNr. 6; Riedel/Sußbauer/H. Schneider, RVG, VV 2503 RdNr. 2 – jew. m. w. Nachw.). Dient die von dem Rechtsanwalt beantragte Akteneinsicht danach ausschließlich der Informationsbeschaffung zur Beratung des Berechtigten, so ist die Geschäftsgebühr – wenn es im Übrigen zu keiner weitergehenden Geschäftsführung für den Mandanten im Außenverhältnis kommt – nicht entstanden (vgl. OLG Bamberg, NJW-RR 2016, 640 – RdNr. 12 gem. Juris; OLG Oldenburg, Beschluss vom 13.10.2014 – 12 W 220/14 – RdNr. 2 gem. Juris – jew. m. w. Nachw.). Bezweckt die Akteneinsicht demgegenüber die Information zur Vorbereitung einer Vertretung des Berechtigten nach außen hin, so ist das Mandat von vornherein auf das Betreiben eines Geschäfts für den Berechtigten im Sinne des Gebührentatbestandes der Nr. 2503 VV RVG ausgerichtet und löst die in diesem Kontext durch den Rechtsanwalt beantragte Akteneinsicht die Geschäftsgebühr aus (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 14.12.2012 – 2 Wx 66/12 -, BeckRS 2016, 07012 – jew. m. w. Nachw.). Letzteres ist hier der Fall:

Eine die Umstände des gegebenen Sachverhalts einbeziehende Würdigung ergibt, dass der dem antragstellenden Rechtsanwalt erteilte Auftrag von vornherein auch die Vertretung des Berechtigten gegenüber dem Jobcenter als der den „SGB II Bescheid vom 16.07.15“ ausstellenden Behörde umfasste. Dem Berechtigungsschein lässt sich keine Beschränkung der Berechtigung entnehmen, für die Angelegenheit „…Widerspruch gegen SBG II Bescheid…“ Beratungshilfe bzw. die Hilfe einer Beratungsperson in Anspruch nehmen zu dürfen. Ob überhaupt bereits im Bewilligungsverfahren eine Beschränkung dahingehend vorgenommen werden kann, dass die Beratungshilfe (nur) durch Beratung stattfinden dürfe – etwa unter dem Aspekt der „Mutwilligkeit“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 BerHG), wenn von vornherein feststeht, dass sich eine Vertretung des Berechtigten durch eine Beratungsperson als nicht erforderlich darstellt – (vgl. Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 8. Auflage, RdNr. 1195; Groß, BerH/PKH/VKH,12. Aufl., BerHG § 2 RdNr. 12 – jew. m. w. Nachw.), bedarf im gegebenen Zusammenhang keiner Entscheidung. Hier ist allein von Bedeutung, ob und dass das dem Antragsteller auf der Grundlage des Berechtigungsscheins erteilte Mandat, in dessen Kontext die Akteneinsicht beantragt wurde, die Vertretung des Berechtigten umfasst und eine Beschränkung auf die Beratung nicht erkennen lässt. Auch soweit sich aus § 2 Abs. 1 BerHG hinsichtlich der Gewährung der Beratungshilfe in Form der Vertretung eine Beschränkung unter dem Aspekt der „Erforderlichkeit“ ergibt, folgt hieraus nichts anderes. Denn die Nichterforderlichkeit einer Vertretung des Berechtigten kann in der Regel erst nach erfolgter Beratung, mithin im Nachhinein beurteilt werden und berührt daher nicht die grundsätzliche Einordnung des auf der Grundlage des Berechtigungsscheins begründeten Auftrags als (auch) die Vertretung oder aber nur die Beratung des Berechtigten umfassendes Mandat. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass der Antragsteller über die beantragte Akteneinsicht hinaus namens und im Auftrag des Berechtigten Widerspruch eingelegt und diesen später zurückgenommen, daher im Außenverhältnis gegenüber dem Jobcenter ein Geschäft für den Berechtigten als seinem Auftraggeber betrieben hat. Selbst wenn – wie sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht dies in ihren der vorliegenden Entscheidung des Senats vorausgehenden Beschlüssen ausgeführt haben – diese von dem Antragsteller für den Berechtigten entfalteten Tätigkeiten nach den Maßstäben des § 2 Abs. 1 Satz 2 BerHG nicht als „erforderlich“ eingeordnet werden könnten, nimmt das den vorbezeichneten Tätigkeiten nicht die auf den Charakter des Mandats als „Vertretungsmandat“ hinweisende indizielle Aussagekraft. Nichts anderes folgt aus den Ausführungen des Antragstellers im Rahmen seines die Erinnerung begründenden Schriftsatzes, wonach „…die Aktenanforderung zum Zwecke der Beratung im Widerspruchsverfahren …erforderlich“ gewesen sei (Bl. 15 d. A.). Diese Äußerung steht im unmittelbaren Kontext mit den weiteren Ausführungen des Antragstellers, dass sich seine anwaltliche Aufgabe nicht ausschließlich in der Beratung erschöpft habe, und die mithin zur Begründung gerade eines Vertretungsmandats vorgebracht werden (Bl. 15 f d. A.). Eine Beschränkung des dem Antragsteller durch den Berechtigten erteilten Mandats auf die Beratung und dementsprechend des Zwecks der Akteneinsicht auf die Durchführung eben dieser Beratung lässt sich dem nicht entnehmen.

Spricht aus den aufgezeigten Gründen aber alles dafür, dass die von dem Antragsteller beantragte Einsicht in die Behördenakte nicht ausschließlich die Informationsbeschaffung zur Vorbereitung einer Beratung des Berechtigten bezweckte, liegt hierin ein die Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2503 VV RVG auslösendes Betreiben eines Geschäfts für den Antragsteller. Dass damit eine inhaltliche Befassung mit der Sache selbst noch nicht verbunden war, ist unschädlich. Der Entstehungstatbestand der Geschäftsgebühr setzt keine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Sache voraus. Erforderlich aber auch ausreichend ist das Betreiben des Geschäfts für den Berechtigten nach außen hin im Rahmen eines Vertretungsmandats. Auf den Umfang und/oder die Schwierigkeit der Tätigkeit kommt es für die Gebühr gemäß Nr. 2503 VV RVG nicht an.

III.

Angesichts der in § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG getroffenen gesetzlichen Regelung, die entsprechend im Verfahren der weiteren Beschwerde anwendbar ist (vgl. Schneider in AnwaltKommentar, RVG, 8. Auflage, § 56 RdNr. 92 m. w. Nachw.), bedarf es keines Ausspruchs über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde.

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