OLG Köln, Urteil vom 04.05.2017 – 15 U 153/16

Oktober 29, 2021

OLG Köln, Urteil vom 04.05.2017 – 15 U 153/16

Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 24.8.2016 (28 O 490/15) abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

Der Kläger, ehemaliger dritter Vorsitzender der dem A nahestehenden E-Gruppierung „B“, nimmt die Beklagten auf Unterlassung einer Bildberichterstattung sowie auf Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten in Anspruch. Das Bildnis des Klägers wurde von der Beklagten zu 2) in der von ihr herausgegebenen C-Zeitung am 16.9.2015 in einem Beitrag unter der Überschrift „Sperrt diese Hooligans weg!“ veröffentlicht. Die Beklagte zu 1) veröffentlichte das betreffende Bildnis des Klägers am 15.9.2015 auf der von ihr betriebenen Internetseite www.C.de in einem Beitrag mit derselben Überschrift. In beiden Artikeln wird über die am 15.9.2015 beim Landgericht Köln beginnende Hauptverhandlung gegen den Kläger und zwei andere Angeklagte wegen eines Angriffs der „B“ auf einen Bus mit Fans des Vereins D im März 2012 berichtet. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 211 ff. d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 24.8.2016 – nach teilweiser Klagerücknahme hinsichtlich einer zunächst zusätzlich beantragten Geldentschädigung – überwiegend stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stünde der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Bildberichterstattung zu, weil nach Abwägung der widerstreitenden Interessen sein Anonymitätsinteresse das Berichterstattungsinteresse der Beklagten überwiegen würde. Freistellung von den außergerichtlichen Anwaltskosten für das einstweilige Verfügungs- und das Klageverfahren könne der Kläger allerdings nur in geringerer Höhe als beantragt verlangen, weil es sich bei den gegen die Beklagten gerichteten Abmahn- bzw. Abschlussschreiben nur um eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit gehandelt habe, für deren Vergütung die Beklagten jeweils zur Hälfte hafteten.

Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt und verfolgen ihren erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung weiter. Sie machen geltend, das Landgericht habe zunächst im Sinne von § 520 Abs. 3 Nr. 4 ZPO fehlerhaft festgestellt, dass der Kläger nicht an dem Vorfall hinsichtlich des angegriffenen Fan-Busses beteiligt gewesen sei. Er habe jedoch mit dem von ihm gesteuerten Pkw den Fan-Bus auf der Autobahn abgedrängt und sei dadurch zum Täter geworden. Auch sei er während des tätlichen Angriffs anderer Personen auf den Bus an seinem Fahrzeug stehen geblieben und habe das Geschehen beobachtet, woraus eine zumindest psychische Unterstützungswirkung abzuleiten sei. Schließlich habe er die körperliche Auseinandersetzung nach den Feststellungen im Strafurteil zumindest billigend in Kauf genommen, was für die Berichterstattung ebenfalls relevant sei, da die Gefährlichkeit der Hooligan-Szene gerade aus dem gegenseitigen Ansticheln und Aufheizen der Stimmung im Vorfeld resultiere. Ferner sei die Annahme des Landgerichts unvollständig, dass der Kläger durch das Versetzen seines Pkw die Flucht des Busses ermöglicht habe. Tatsächliches Motiv des Klägers sei insofern gewesen, dass er erkannt habe, dass sich in dem Bus keine „Es“ des Vereins D befunden hätten. Andernfalls hätte er – so behaupten die Beklagten – seinen Pkw nicht entfernt, sondern den Angriff auf die „Es“ von D weiter ermöglicht. Insofern werde durch die unvollständigen Feststellungen dem Kläger ein „ehrenhaftes Verhalten“ zugesprochen, das er tatsächlich nicht an den Tag gelegt habe. Schließlich habe das Landgericht es versäumt, die besondere Bedeutung von Hooligan-Gewalt festzustellen und zur Grundlage seiner Entscheidung zu machen, obwohl sie – die Beklagten – dazu umfassend vorgetragen hätten. Gerade bei der Begehung von Gewalttaten durch Hooligans bestehe auch an der Beschreibung des sozialen Hintergrunds der Täter ein gesteigertes öffentliches Interesse.

In der Sache stehe dem Kläger kein Unterlassungsanspruch gegen die Bildberichterstattung zu, weil es sich nach Abwägung der jeweiligen Grundrechtspositionen um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handele. Die Berichterstattung über Straftaten gehöre zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien sei. Dabei sei die Namensnennung zwar nicht immer – insbesondere nicht in Fällen der Kleinkriminalität und bei jugendlichen Straftätern – zulässig, jedoch könne ein an sich geringeres Interesse an leichten Verfehlungen im Einzelfall durch Besonderheiten etwa in der Person des Täters oder den Umständen der Tatbegehung in einem Maße gesteigert sein, dass das Anonymitätsinteresse des Täters zurücktreten müsse. Eine identifizierende Berichterstattung sei insofern nicht nur in Fällen der Schwerstkriminalität, sondern auch dann zulässig, wenn die Tat oder die Person des Täter – wie hier – ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit auf sich zögen. Zugunsten des Klägers könne dabei nicht berücksichtigt werden, dass die Tat im Zeitpunkt der Berichterstattung schon drei Jahre zurückgelegen habe. Denn Gegenstand der Berichterstattung sei das aktuell stattfindende Strafverfahren gewesen; die langwierigen Ermittlungen der Behörde bzw. die verspätete Eröffnung des Verfahrens könne nicht ihnen – den Beklagten – zur Last gelegt werden. Der Umstand, dass der Kläger nicht vorbestraft und geständig gewesen sei und dass er sich bei den Opfern entschuldigt habe, habe auf das Berichterstattungsinteresse keinen Einfluss, weil die persönliche Schuld des Täters nicht maßgeblich sei. Auch der Presserat habe in seinem Beschluss vom 8.3.2016 (0875/15/1-BA-V) die Berichterstattung nicht beanstandet.

Die Beklagten sind der Ansicht, dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlichen Anwaltskosten zu. Dem Grunde nach scheitere dieser Anspruch bereits am fehlenden Unterlassungsanspruch; der Höhe nach habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass die Vertretung des Klägers mit dem Vorgehen des Mitangeklagten F dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit bilde. Schließlich sei auch die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils fehlerhaft, weil die vom Kläger vorgenommene Beschränkung des Antrags zu 1) als teilweise Klagerücknahme zu werten sei.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des am 24.8.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln (28 O 490/15) die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertieft seine erstinstanzlichen Ausführungen. Seine Beteiligung an dem Tatgeschehen habe sich darauf beschränkt, den Bus zum Abfahren von der Autobahn zu zwingen. Es habe kein öffentliches Interesse daran bestanden, ihn durch Abbildung eines Fotos deutschlandweit an den Pranger zu stellen. Alle anderen Medien hätten ohne seine Identifizierung über das Strafverfahren berichtet. Bei E-Gruppierungen im Allgemeinen, der „B“ im Speziellen und insbesondere ihm persönlich handele es sich nicht um sog. Hooligans. Insofern könne die Beklagte sich auch nicht darauf berufen, dass durch die Veröffentlichung seines Fotos der Hooligan-Gewalt „ein Gesicht gegeben“ werden müsse. Darüber hinaus habe er nach dem Vorfall die E-Szene verlassen, sich bei allen Geschädigten entschuldigt und ein Lehramtsstudium aufgenommen; das Zerrbild, welches die Beklagte mit der Berichterstattung von ihm zeichne, habe daher mit der Realität nichts zu tun. Der Kläger ist der Ansicht, dass ein Unterschied bestehe, ob gegen ihn im Zuge des Strafverfahrens unmittelbar nach der Tat oder erst im Abstand von drei Jahren berichtet werde, weil er sich in der Zwischenzeit ein „rechtschaffenes Leben“ aufgebaut habe. Sowohl im Fall des Anschlags auf die G Oberbürgermeisterin H als auch im Prozess gegen den sog. „Tot-Raser“ auf der I Straße habe die Beklagte ohne Identifizierung über das jeweilige Strafverfahren berichtet, obwohl in diesen Fällen (versuchte) Tötungsdelikte vorgelegen hätten.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist begründet.

Die landgerichtliche Entscheidung war abzuändern, weil dem Kläger kein Anspruch auf Unterlassung einer Veröffentlichung des streitgegenständlichen Bildnisses aus §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zusteht. Zwar handelt es sich bei dem von den Beklagten veröffentlichten Foto um ein Bildnis des Klägers im Sinne von § 22 KUG, für dessen Veröffentlichung dieser keine Einwilligung erteilt hat. Jedoch liegt eine Berichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vor und es werden durch die Veröffentlichung auch unter Berücksichtigung der damit möglichen Identifizierung des Klägers keine berechtigten Interessen gemäß § 23 Abs. 2 KUG verletzt.

1. Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach dem sog. abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG (vgl. BGH NJW 2009, 3032) unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfG NJW 2008, 1793) und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Schutzgehalt des Art. 8 Abs. 1 EMRK zu messen (EGMR NJW 2004, 2647). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 S. 1 KUG). Ohne eine solche Einwilligung, die hier unstreitig nicht gegeben ist, dürfen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) veröffentlicht werden, es sei denn, durch die Bildveröffentlichung werden berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt (§ 23 Abs. 2 KUG). Dabei erfordert bereits die Frage, ob Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorliegen, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK anderseits (vgl. BGH NJW 2010, 3025). Bei dieser Abwägung ist ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, welcher die Pressefreiheit und zugleich den Schutz der Persönlichkeit und der Privatsphäre ausreichend berücksichtigt (vgl. BGH NJW 2009, 757; BGH VersR 2010, 673). Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Der Begriff des Zeitgeschehens ist zugunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinn zu verstehen. Er umfasst nicht nur Vorgänge von historischpolitischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse.

Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (BGH NJW 2009, 757; BGH NJW 2010, 2432). Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zum kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie – ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis – lediglich die Neugier der Leser befriedigen (BGH NJW 2009, 1499; BVerfGE 101, 361; BVerfG NJW 2008, 1793). Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist dabei in dem Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, und unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung zu ermitteln. Daneben sind für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes der Anlass der Bildberichterstattung und die Umstände in die Beurteilung mit einzubeziehen, unter denen die Aufnahme entstanden ist.

Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt weiter dem Gegenstand der Berichterstattung entscheidende Bedeutung zu. Geht es – wie vorliegend – um die Berichterstattung über eine Straftat, ist zu berücksichtigen, dass eine solche Tat zum Zeitgeschehen gehört, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen. Bei der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung mit der damit zwangsläufig verbundenen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Täters verdient für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang. Denn wer den Rechtsfrieden bricht und durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen angreift oder verletzt, muss sich nicht nur den hierfür verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen, sondern er muss auch dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird (vgl. BGH, Urt. v. 7.6.2011 – VI ZR 108/10, juris Rn. 19 m.w.N.).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze handelt es sich vorliegend nach Abwägung der widerstreitenden Interessen bei dem gegen den Kläger gerichteten Strafverfahren um ein zeitgeschichtliches Ereignis, über das die Beklagten mittels eines den Kläger identifizierenden Fotos auch in der geschehenen Weise berichten durfte.

a. Zugunsten des Persönlichkeitsschutzes des Klägers ist zu berücksichtigen, dass die ihn identifizierende Bildberichterstattung über eine Straftat einen erheblichen Eingriff in seine Persönlichkeitssphäre darstellt, weil sie sein Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen des Publikums negativ qualifiziert wird. In Gerichtsverfahren gewinnt der Persönlichkeitsschutz der Verfahrensbeteiligten eine über den allgemein in der Rechtsordnung anerkannten Schutzbedarf hinausgehende Bedeutung. Dies gilt vor allem für den Schutz der Angeklagten im Strafverfahren, die sich in der Regel unfreiwillig der Verhandlung und damit der Öffentlichkeit stellen müssen.

b. Auf Seiten der Beklagten besteht jedoch ein erhebliches Berichterstattungsinteresse, welches sich nicht nur auf das Strafverfahren als solches, sondern auch auf die Person der Täter und damit auch auf die des Klägers bezieht. Zwar ist eine Veröffentlichung des Bildnisses nicht allein damit zu rechtfertigen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Tat zum Vorstand der Gruppierung „B“ gehörte, weil er in dieser Position jedenfalls nicht für die breite Öffentlichkeit wahrnehmbar auftrat. Jedoch ergibt sich ein erhebliches Berichterstattungsinteresse aus den hinzutretenden einzelnen Umständen der Tatbegehung.

aa. Auch wenn die vom Kläger begangene Nötigung (§ 240 StGB) nicht dem Bereich der Schwerkriminalität zuzurechnen ist, sondern nur ein Vergehen i.S.v. § 12 Abs. 2 StGB darstellt, ergibt sich das gesteigertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Person des Täters aus der Art und Weise der hier vorliegenden Tatbegehung. Der Kläger hat – soweit zunächst nur auf den von ihm aktiv verübten Tatbeitrag abgestellt wird – mit seinem Pkw spektakulär einen vollbesetzten Bus auf der Autobahn abgedrängt und diesen gezwungen, auf einen Parkplatz abzufahren. Angesichts der Geschwindigkeit der beteiligen Fahrzeuge von bis zu 100 km/h und dem unwägbaren Verlauf eines solchen Manövers ist dies ein Geschehen, welches objektiv eine Vielzahl von Menschen – ausweislich des Strafurteils war der Bus mit mindestens 40 Personen und das Fahrzeug des Klägers mit 9 Personen besetzt – der Gefahr schwerer Verletzungen bzw. sogar Lebensgefahr ausgesetzt hat und damit in der Bandbreite desjenigen Verhaltens, das als Nötigung im Sinne von § 240 StGB einzustufen ist, deutlich im oberen Bereich liegt. Schon aus diesem Grunde besteht ein hohes öffentliches Interesse, nicht nur über die Einzelheiten der Tat, sondern auch über die Person des Klägers informiert zu werden.

bb. Im Übereinstimmung mit dem Berufungsvorbringen der Beklagten ist daneben auch der weitere Tatverlauf, an dem sich der Kläger nach den Feststellungen im Strafurteil nicht mehr aktiv beteiligt hat, bei der Bewertung des öffentliches Berichterstattungsinteresses zu berücksichtigen. Denn zum einen stellt das betreffende Geschehen einen Gesamtkomplex dar, der nicht willkürlich in Einzelakte und ihre jeweiligen Protagonisten aufgespalten werden kann. Gegenstand des Strafverfahrens, über das die Beklagten berichteten, war nicht nur das Abdrängen des Busses von der Autobahn, sondern auch die nachfolgende, von diesem Abdrängen überhaupt erst ermöglichte Bedrohung von Menschen sowie die dabei verursachte erhebliche Sachbeschädigung. Zum anderen kann der Kläger sich auch nicht darauf zurückziehen, dass er an dem Geschehen auf dem Parkplatz nicht beteiligt war. Er hat sich zwar nicht aktiv an der tätlichen und verbalen Bedrohung der Businsassen bzw. der Beschädigung des Busses beteiligt, jedoch durch das Querstellen seines Fahrzeugs eine notwendige Bedingung dafür gesetzt, dass der Bus mit dem J-Fans den Parkplatz nicht mehr verlassen konnte und diese damit den Angriffen der Mitglieder der „B“ hilflos ausgesetzt waren, was auch von Anfang an erklärtes Ziel seiner Handlungen war. An einem solchen Ausbruch massiver Gewalt von und gegen Fußball-Fans besteht aber unabhängig von der konkreten rechtlichen Einordnung und Bestrafung der jeweiligen Tatbeiträge ein hohes öffentliches Interesse.

cc. Weiter gründet das erhebliche Interesse an einer Berichterstattung über die Tat und die Person der Täter auch auf dem konkreten Motiv der Tatbegehung. Der Kläger und seine Mittäter haben ohne vorheriges Aufeinandertreffen mit den betroffenen J-Fans und ohne erkennbare Provokation aus deren Reihen den Entschluss gefasst, ein solches Manöver von erheblicher Gefährlichkeit durchzuführen, um die Gelegenheit zu einer aggressiven und in Teilen auch körperlichen Auseinandersetzung zu suchen. Anstoß für diese Tat war nach den Feststellungen des Strafurteils lediglich ein vages Gerücht über erfolgte Provokationen von J-Fans über das Internet, wobei diese Provokation weder durch ein unmittelbares Aufeinandertreffen noch eine sonstige Aktion aus den Reihen der im betroffenen Bus sitzenden Personen hervorgerufen wurde. Allein die Existenz eines solchen vagen Gerüchts reichte als Auslöser für den Plan des Klägers und seiner Mittäter – insoweit von den Beklagten in der Berichterstattung auch wiedergegeben – die „Macht in ihrem Revier“ zu demonstrieren und zu zeigen „dass wir uns nicht einschüchtern lassen“. Insofern kann letztlich auch die zwischen den Parteien umstrittene Frage dahinstehen, ob es sich bei den Angeklagten und den sonstigen Tatbeteiligten um Hooligans, E oder eine sonstige Kategorien von Fußball-Fans bzw. dem Fußball nahestehender Gewalttäter handelt, weil allein die Art und Weise der Tatbegehung und nicht eine dahinter stehende Gesinnung bzw. eine explizite Gruppenzugehörigkeit oder ein angeblich mafiöses System entscheidend ist. Das Verhalten, das der Kläger und seine Mittäter bei dem Überfall auf den Jer Bus konkret gezeigt haben, ist als eindeutige Gewaltanwendung der sog. Hooliganproblematik zuzuordnen. Auch soweit der Kläger im Verfahren wiederholt betont hat, dass er weder persönlich noch als Vorstandsmitglied der „B“ für Ausschreitungen mit derjenigen Intensität verantwortlich war, wie sie insbesondere während der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich stattgefunden haben, bleibt es vorliegend dabei, dass der Übergriff auf die J-Fans weder die vom Kläger genannten „riesigen Fan-Choreographien in den Stadien“ noch ein „lautstarkes Nach-Vorn-Singen der eigenen Mannschaft während der Spiele“ (vgl. Bl. 296 d.A.) darstellt.

c. Bei Abwägung des damit bestehenden Berichterstattungsinteresses der Beklagten mit dem Anonymitätsinteresse des Klägers überwiegt ersteres.

aa. Auszugehen ist dabei von dem Grundsatz, dass im Rahmen einer aktuellen Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse der Öffentlichkeit im Allgemeinen den Vorrang verdient. Dieser Grundsatz wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Tat im Zeitpunkt der Berichterstattung bereits drei Jahre zurücklag. Denn Bezugspunkt für das Interesse der Öffentlichkeit ist nicht nur die Tat selbst, sondern ebenso auch das ihr folgende Strafverfahren mit seiner Präventions- und Genugtuungsfunktion, welches im Zeitpunkt der Berichterstattung gerade erst begonnen hatte. Die hier nicht unerhebliche Dauer zwischen Tat bzw. Anklageerhebung und Strafverfahren kann und muss zwar im Rahmen der individuellen Strafzumessung berücksichtigt werden. Sie führt jedoch schon aus dem Grunde nicht zur Unzulässigkeit einer Berichterstattung, weil die Beklagten auf die Verfahrensdauer keinerlei Einfluss hatten.

bb. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch die Identifizierung in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Fehlverhaltens und seiner sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit stehen muss. Dabei kann ein an sich geringeres Interesse der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung über leichte Verfehlungen im Einzelfall aufgrund von Besonderheiten – etwa in der Person des Täters oder den Umständen der Tatbegehung – in einem Maße gesteigert sein, dass das Interesse des Täters an einem Schutz seiner Persönlichkeit dahinter zurückzutreten hat (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.2012 – VI ZR 4/12, juris Rn. 13).

(1) In diesem Zusammenhang kann – entgegen der Wertung des Landgerichts – nicht auf die fehlenden Vorstrafen des Klägers, sein Geständnis im Strafverfahren sowie seine gegenüber den Opfern ausgesprochene Entschuldigung abgestellt und mit diesen Erwägungen ein Überwiegen des Berichterstattungsinteresses verneint werden. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Entschuldigungen des Klägers gegenüber den Opfern im Zeitpunkt der Berichterstattung überhaupt schon erfolgt waren. Das Strafurteil enthält insofern zwar die Angabe, dass der Kläger sich „ausführlich bei den vernommenen Geschädigten entschuldigt“ habe (vgl. Bl. 157 d.A.). Die Vernehmung der Zeugen hat jedoch ausweislich der Berichterstattung der Beklagten erst am 16.9.2015 und damit nach Drucklegung bzw. Veröffentlichung der Beiträge stattgefunden.

Auf diesen Punkt kommt es jedoch letztlich auch nicht an. Denn bei der Entschuldigung gegenüber den Opfern handelt es sich – ebenso wie bei dem vom Kläger abgelegten Geständnis und den fehlenden Vorstrafen – um Umstände, die zwar im Rahmen des Strafverfahrens insbesondere für die Strafzumessung von Bedeutung sind. Sie vermindern jedoch nicht das Interesse der Öffentlichkeit, über die Tat informiert zu werden, die Gegenstand des Strafverfahrens ist. Gleiches gilt auch für den – im Strafverfahren ebenfalls strafmildernd berücksichtigten – Umstand, dass der Kläger die weitere Eskalation beim Angriff auf den Bus dadurch verhindert hat, dass er diesem durch Wegsetzen seines Pkw schließlich die Flucht ermöglichte. Denn zum einen geschah dies unstreitig nur, weil der Kläger erkannt hatte, dass sich in dem Bus nicht die vermuteten E-Fans von D befanden. Zum anderen bleibt die Tat als solche, auch wenn sie im konkreten Fall durch ein Eingreifen des Klägers und nicht durch sonstige Ereignisse endete, ein für sich berichtenswertes Ereignis.

(2) Die Identifizierung des Klägers durch das veröffentlichte Bildnis hat zwar aufgrund des Verbreitungsgrades der Produkte der Beklagten sowie der plakativen Überschrift zu einer erheblichen Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts geführt. Dennoch ist das angemessene Verhältnis zur Schwere seines Fehlverhaltens und zur Bedeutung der Tat für die Öffentlichkeit noch gewahrt.

Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass der Kläger sich an einem Angriff auf unbescholtene Fußball-Fans beteiligt hat und diese in einem waghalsigen, in aller Öffentlichkeit durchgeführten Manöver einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt hat. Diese Gefährdungslage hat er aus objektiver Sicht völlig grundlos, nämlich allein wegen eines vagen Gerüchts über Äußerungen Dritter im Internet, herbeigeführt und sich im Rahmen der Tatbegehung nicht davon abhalten lassen, dass sein Verhalten in der Öffentlichkeit und damit für jeden Dritten wahrnehmbar stattfand. Gerade aus der von den Beklagten vorgenommenen Kontrastierung der unmotivierten Gewaltanwendung einerseits und der Person des Klägers andererseits, der als Sohn eines Rechtsanwalts und als Student mit Berufsziel Lehrer in der Wortberichterstattung beschrieben und in gediegener Kleidung mit „ordentlich frisiertem“ Haar abgebildet wird, ergibt sich das Interesse der Öffentlichkeit gerade auch an einer entsprechenden Bildberichterstattung. Selbst wenn der Kläger – wie er behauptet – nie ein (gewalttätiger) Hooligan, sondern lediglich ein sehr engagierter E-Fan gewesen sein sollte, wobei in einem solchen Fall das vom Kläger durchgeführte Abdrängmanöver bei hoher Geschwindigkeit auf einer Autobahn nicht mehr unter den Gewaltbegriff gefasst werden dürfte, besteht ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit daran, anlässlich des Strafverfahrens zu erfahren, wer konkret die Täter sind, die ihre bestehende Hinwendung zu und Unterstützung eines Fußballvereins zu derartigen Aktionen verleitet.

(3) Daneben ist zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass das Bildnis des Klägers nicht heimlich, sondern im Rahmen der öffentlichen Verhandlung vor dem Landgericht Köln zur Bebilderung einer tagesaktuellen Gerichtsberichterstattung aufgenommen wurde. Auch enthält das Bildnis selbst keine über die mit der Identifizierung als Straftäter hinausgehende Beeinträchtigung oder Stigmatisierung. Es handelt sich um ein kontextbezogenes Foto, das den Kläger in keiner ihn verächtlich machenden Weise zeigt und für sich keine weitere Persönlichkeitsbeeinträchtigung enthält.

Die begleitende Wortberichterstattung über den Verlauf des Verfahrens lässt zwar eine für Boulevardmedien typische plakative Diktion erkennen („Sperrt diese Hooligans weg“), ist jedoch inhaltlich (noch) nicht zu bestanden. Die Formulierungen „sperrt sie weg“ ist jedenfalls aufgrund des nachfolgenden Satzes „Wir brauchen ein Zeichen zur Abschreckung, damit der Wahnsinn endlich aufhört“ eine für den Rezipienten erkennbare Wertung der Straftaten und der Forderung nach einer aus Sicht der Beklagten erforderlichen strengen Ahndung dieser Taten durch die Justiz in der für die Beklagten typischen Diktion. Im weiteren Verlauf der Wortberichterstattung wird die Tatbeteiligung des Klägers zutreffend geschildert („Anwaltssohn K (28) … saß am Steuer eines L“, „Eines unserer Fahrzeug hat sich vor den Bus gesetzt, ein L dahinter“, „… damit der Bus auf die Raststätte gedrängt wurde“) und es wird auch – ebenso in sachlicher Form – dargestellt, welches Delikt der Kläger begangen haben soll und wie sich der maximale Strafrahmen darstellt („K und M wegen Nötigung bis zu drei Jahre“). Auch der Eingangssatz der Berichterstattung macht das Anliegen der Berichterstattung deutlich, auf den Widerspruch zwischen den „ordentlich frisierten“ Angeklagten und ihrer in der Tat zum Ausdruck kommenden Gewaltbereitschaft aus nichtigem Anlass („Eindrucksvoller konnte nicht unter Beweis gestellt werden, dass wir uns nicht einschüchtern lassen“, „Das war unser Revier. Es war eine Art Machtdemonstration“) deutlich.

cc. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass für das Anonymitätsinteresse des Klägers im Zeitpunkt der Berichterstattung nicht die Unschuldsvermutung streitet. Die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK normierte Unschuldsvermutung ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, wenn identifizierend über ein noch laufendes Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen berichtet wird, weil diese Vermutung den Beschuldigten vor Nachteilen schützen soll, die einem Schuldspruch oder einer Strafe gleichkommen, denen kein rechtsstaatliches und prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung und Strafbemessung vorausgegangen ist. Das damit verbundene Argument, es müsse bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen auch die Gefahr in den Blick genommen werden, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und deshalb auch bei einem späteren Freispruch „etwas hängen bleibt“ (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.2012 – VI ZR 4/12, juris Rn. 14 m.w.N.) ist aber vorliegend nicht einschlägig. Zwar mag oftmals bis zu einer erstinstanzlichen Verurteilung das Recht auf Schutz der Persönlichkeit und Achtung des Privatlebens das Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung überwiegen (vgl. BVerfG, NJW 2009, 350; BVerfG NJW 2009, 3357). Hier lag jedoch bei Veröffentlichung des Bildnisses des Klägers bereits ein Geständnis vor, so dass seine Beteiligung an der Tat nicht mehr in Zweifel stand und auch nicht davon auszugehen war, dass sich dies im Laufe des Strafverfahrens noch ändern würde. Damit hatte sich der Verdachtsgrad gegen ihn so weit verdichtet, dass dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit der Vorrang gebührte. Dürfte die Presse über eine Verurteilung wegen einer nicht unerheblichen Straftat erst nach Rechtskraft des Strafurteils mit einer Abbildung des Straftäters berichten, könnte sie ihre durch Art. 5 Abs. 1 GG zugewiesene Informations- und Kontrollfunktion gegenüber der Öffentlichkeit nur eingeschränkt erfüllen (vgl. BGH, Urt. v. 7.12.1999 – VI ZR 51/99, juris Rn. 21; BVerfGE 97, 125; BVerfG, AfP 2009, 480).

dd. Auch das Resozialisierungsinteresse und das Recht des Täters, „allein gelassen“ zu werden, stehen einer aktuellen identifizierenden Bildberichterstattung wie der vorliegenden nicht entgegen, weil diese Abwägungselemente ihre das Informationsinteresse ggf. übersteigende Bedeutung erst mit zeitlicher Distanz zur Straftat und zum Strafverfahren gewinnen (vgl. BGH, Urt. v. 7.6.2011 – VI ZR 108/10, juris Rn. 25 m.w.N.). Auch wenn die Straftat des Klägers im Zeitpunkt der Berichterstattung bereits drei Jahre zurücklag, setzt die Resozialisierung erst mit der Verbüßung der Strafe, bei einer Freiheitsstrafe auf Bewährung allenfalls mit dem Abschluss des Strafverfahrens ein, weil der Täter zuvor gerade noch nicht dem staatlichen Strafanspruch und dem entsprechenden Verfahren ausgesetzt wurde. Die gleiche Bewertung gilt für das im angefochtenen Urteil angeführte Argument, die Interessen des Klägers würden das öffentliche Berichterstattungsinteresse überwiegen, weil er nicht vorbestraft sei. Dies würde nämlich letztlich dazu führen, dass die Beklagte nur über Strafverfahren bzw. Urteile gegen vorbestrafte Täter bebildert berichten dürfte, was wiederum mit der ihr durch Art. 5 Abs. 1 GG zugewiesenen Informations- und Kontrollfunktion gegenüber der Öffentlichkeit nicht vereinbar wäre.

ee. Soweit der Kläger schließlich geltend macht, die Berichterstattung gefährde seine künftige Berufsausübung als Lehrer, hält der Senat dies im Rahmen der Abwägung ebenfalls nicht für durchgreifend. Der Kläger nimmt für sich in Anspruch, künftig Kindern und Jugendlichen ein Vorbild zu sein und einen entsprechenden Erziehungsauftrag auszuüben. Unabhängig von der Frage, ob er nach Begehung einer solchen Tat dafür überhaupt (schon) geeignet ist, unterstreicht gerade dieser angestrebte Beruf die von der Berichterstattung zulässigerweise vorgenommene Kontrastierung zwischen einer angestrebten Vorbildfunktion für Schüler einerseits und einem kriminellen Verhalten andererseits, welches sich – schon aufgrund des Alters des Klägers im Tatzeitpunkt – auch nicht als „Jugendsünde“ bezeichnen lässt. Die vom Kläger behauptete Abkehr von der E-Szene nach dem fraglichen Zwischenfall und die sodann erfolgte Hinwendung zu einem Lehramtsstudium erscheint jedenfalls insofern zweifelhaft, als er ausweislich der Feststellungen des Strafurteils bereits seit dem Jahre 2010 Germanistik und Sozialwissenschaften in N studiert, womit der Übergriff auf den Bus im Jahre 2012 jedenfalls nicht ersichtlich zu einer Änderung seiner beruflichen Ausrichtung geführt hat.

3. Der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Bildnisses stehen schließlich auch keine berechtigten Interessen des Klägers im Sinne von § 23 Abs. 2 KUG entgegen.

a. Der Kläger kann sich im Rahmen von § 23 Abs. 2 KUG nicht darauf berufen, dass die Veröffentlichung seines unverpixelten Bildnisses in Verbindung mit der plakativen Überschrift der jeweiligen Beiträge („Sperrt diese Hooligans weg!“) eine Stigmatisierung oder Prangerwirkung auslöse, weil die Öffentlichkeit von den Beklagten zur Selbstjustiz aufgerufen werde. Denn unter Beachtung des maßgeblichen Gesamtkontextes ist der von den Beklagten verwendeten plakativen Überschrift kein Aufruf gegenüber der Öffentlichkeit zur Selbst- oder gar Lynchjustiz zu Lasten des Klägers zu entnehmen. Mit der nachfolgenden Formulierungen „Ihre Tat … war einer der schlimmsten Ausbrüche von Fan-Gewalt in der deutschen Fußballgeschichte. Deshalb fordert C: SPERRT SIE WEG! Wir brauchen ein Zeichen zur Abschreckung, damit der Wahnsinn endlich aufhört … Mit ihren Geständnissen hoffen sie auf milde Bewährungsstrafen“ machen die Beklagten aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten hinreichend deutlich, dass der in der Überschrift enthaltene Aufruf weder wörtlich gemeint noch in diesem Sinne an die Öffentlichkeit gerichtet ist. Vielmehr soll durch diese Formulierung – in durchaus scharfer Form – der Aufruf bzw. die Forderung primär gegenüber der Justiz erhoben werden, das an diesem Tage eröffnete Straferfahren nicht mit „milden Bewährungsstrafen“, sondern mit „einem Zeichen zur Abschreckung“ abzuschließen. Die Beklagten richten sich also nicht im Sinne eines Aufrufs zur Selbstjustiz an die Rezipienten ihrer Beiträge, sondern gerade an die für die Strafverfolgung zuständigen staatlichen Stellen und verfolgen damit – in ihrer Funktion als sog. Wachhund der Öffentlichkeit – mit Verwendung der plakativen Überschrift das Ziel, den Fokus auf die Person und die Tat des Klägers zu lenken. Nicht zuletzt durch die Forderung nach einem „Wegsperren“ wird betont, dass die Tat des Klägers – anders als dieser es im vorliegenden Verfahren vertritt – nicht deshalb als „harmlos“ eingestuft werden kann, weil er „nur“ am Abdrängen des Busses und nicht auch an den anschließenden gewalttätigen Übergriffen beteiligt war und weil den angegriffenen Personen „letztlich nichts Schlimmes passiert“ ist. Mit ihrer zugespitzten Titelzeile verfolgen die Beklagten das Ziel, den Grundtenor ihrer Berichterstattung in den Vordergrund zu rücken, wonach das Verhalten des Klägers Ausdruck einer wachsenden Gefahr im Fußballgeschehen darstellt, nämlich der Gewaltausübung aus nichtigem Anlass durch Personen aus „der Mitte der Gesellschaft“, von denen der durchschnittliche Rezipient weder im Hinblick auf ihr Erscheinungsbild noch auf ihren gesellschaftlichen Werdegang eine solche Tat erwartet.

b. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, die Beklagten hätten den von ihnen verfolgten Berichtsanlass auch dadurch erfüllen können, dass sie sein Foto mit gepixelter Gesichtspartie veröffentlichen, womit durch die Abbildung von Haarschnitt und Kleidung sowie die begleitende Berichterstattung trotzdem hinreichend deutlich geworden wäre, welcher gesellschaftlichen Schicht die Täter der unmotivierten Gewalttat angehören, begründet auch dieser Umstand keine Verletzung seiner Interessen im Sinne von § 23 Abs. 2 KUG im Hinblick auf eine unzulässige Anprangerung. Denn auch bei Berücksichtigung dieses – in der Abwägung heranzuziehenden Umstandes – ist der Senat der Ansicht, dass der Kläger die Veröffentlichung des ihn identifizierbar abbildenden Fotos in der geschehenen Art und Weise hinzunehmen hat.

Zwar wird er durch die Veröffentlichung des ihn zeigenden Fotos – gerade auch in Kombination mit der Überschrift „“Sperrt diese Hooligans weg!“ – in sehr plakativer Weise, fast vergleichbar mit dem Aufruf auf einem Fahndungsplakat, der Öffentlichkeit vorgeführt. Dies stellt jedoch unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles keine unzulässige Anprangerung dar: Der Kläger hatte als im Zeitpunkt der Tatbegehung dritter Vorsitzender der „B“ in dieser Organisation aus eigener Entscheidung eine Führungsposition übernommen, die ihm schon per se ein höheres Maß an Verantwortung im Hinblick auf die öffentlichen Auftritte und sonstigen Aktionen dieses Gruppierung auferlegte. Er war darüber hinaus ausweislich der von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen des Strafurteils nicht nur an der Planung des Überfalls auf den Fan-Bus, sondern auch an der anschließenden Tatausführung maßgeblich beteiligt und hat sich damit im Bereich seines Handelns für eine E-Bewegung derart in der Öffentlichkeit exponiert, dass er es nunmehr hinnehmen muss, von den Beklagten – zusammen mit den beiden anderen Angeklagten – gleichsam zum „Gesicht“ dieser Straftat gemacht zu werden. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Kläger aufgrund des unverpixelten Bildes nicht nur für Freunde, Bekannte und Nachbarn, sondern möglicherweise auch für künftige Arbeitgeber erkennbar ist, wodurch eine weitergehende Beeinträchtigung verursacht wird. Allerdings kann auch dies im Rahmen von § 23 Abs. 2 KUG keine entscheidende Bedeutung gewinnen, weil die gegen den Kläger verhängte Freiheitsstrafe im Führungszeugnis eingetragen wird (§ 4 Nr. 1 BZRG) und daher angesichts der Tilgungsfrist von zehn Jahren (§ 46 Abs. 1 Nr. 2b BZRG) ohnehin von jedem (künftigen) Arbeitgeber zur Kenntnis genommen werden kann.

4. Mangels Unterlassungsanspruch hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Freistellung von den ihm entstandenen außergerichtlichen Anwaltskosten.

5. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich hinsichtlich der Kosten aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, da die Beurteilung des Rechtsstreits auf der Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und im Übrigen auf den Einzelfallumständen beruht. Höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.

Berufungsstreitwert: 50.000 Euro

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