OLG Köln, Beschluss vom 30.03.2017 – 12 U 112/16

Oktober 29, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 30.03.2017 – 12 U 112/16

Tenor
1.

Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung des Klägers gegen das am 11.8.2016 verkündete Urteil der 30. Zivilkammer des Landgerichts Köln, 30 O 258/15, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Ausführungen in der Berufungsbegründung führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrundezulegende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).

2.

Der Kläger erhält Gelegenheit, zu dem Hinweis bis zum 28.4.2017 Stellung zu nehmen. Er mag innerhalb der Frist mitteilen, ob die Berufung zur Vermeidung weiterer Kosten zurückgenommen wird.

Gründe
Die Berufung hat nach dem derzeitigen Stand der Sach- und Rechtslage offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ZPO). Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO).

Es kann dahinstehen, inwieweit die formulierten Feststellungsanträge im Hinblick auf den grundsätzlichen Vorrang einer Leistungsklage nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bereits als unzulässig anzusehen sein könnten (vgl. BGH, VU v. 21.2.2017, XI ZR 467/15). Denn auch bei fehlendem Feststellungsinteresse kann die Klage aus Sachgründen abgewiesen werden (vgl. BGH, Urt. v. 1.7.2014, XI ZR 247/12, juris Rn. 18), weil das Feststellungsinteresse nur für die zusprechende Klage echte Sachurteilsvoraussetzung ist (BAG, Urt. v. 12.2.2003, 10 AZR 299/02, juris Rn. 47 f.).

Der Senat erachtet die Klage in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil als unbegründet, weil die erteilte Widerrufsbelehrung nicht zu beanstanden ist; der erklärte Widerruf ist deshalb zu spät erfolgt und damit unwirksam.

Die mit der Berufung unter Hinweis auf obergerichtliche Entscheidungen (OLG München, 17 U 334/15; OLG Nürnberg, 14 U 1780/15) erhobene konkrete Rüge, die nur beispielhafte Aufzählung der Pflichtangaben gem. § 492 Abs.2 BGB stelle überhöhte Anforderungen an den Darlehensnehmer als Verbraucher, geht schon aus Rechtsgründen fehl. Wie der Bundesgerichtshof, dessen Rechtsprechung sich der Senat anschließt, mit Urteil vom 22.11.2016 entschieden hat, ist es ausreichend, dass der Darlehensgeber den Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB mittels in Klammern gesetzter Beispiele für Pflichtangaben erläutert, wenn es sich bei den von ihm genannten Beispielen um auf den Vertragstyp anwendbare Pflichtangaben im Sinne des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch handelt (BGH, Urt. v. 22.11.2016, XI ZR 434/15, juris LS 2). So liegt der Fall hier. Die beispielhaft genannten Angaben zur Art des Darlehens, zum Nettodarlehensbetrag und zur Vertragslaufzeit stellen sich als Pflichtangaben im Sinne des Art. 247 § 3 Nr.2, Nr.4, Nr.6 i. V. m. Art. 247 § 9 BGB a.F. dar.

Soweit die Berufung eine Änderung im Vergleich zu der bei Vertragsschluss gültigen Musterbelehrung darin sieht, dass ein Hinweis zum Widerruf bei einer Mehrzahl von Darlehensnehmern aufgenommen worden sei, der nicht Bestandteil der seinerzeitigen Musterbelehrung war, hat das Landgericht mit Recht darauf verwiesen, dass dieser Hinweis nicht Bestandteil der Widerrufsbelehrung ist und seine Aufnahme folglich auch im Hinblick auf den Musterschutz nicht schaden kann. Im Übrigen handelt es sich lediglich um eine inhaltlich zutreffende Vervollständigung, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der sich der Senat anschließt, nicht zu einem Verlust der Gesetzlichkeitsfiktion führt (vgl. BGH, XI ZR 482/15, Urteil vom 11.10.2016, Rn. 27 – zitiert nach juris). Ausgehend hiervon kommt es angesichts des vom Landgericht nach alledem zutreffend bejahten Musterschutzes auf die Frage, ob die im Hinblick auf den Beginn der Widerrufsfrist an einen Zeitpunkt „nach“ Vertragsschluss anknüpfende Belehrung inhaltlich zu beanstanden ist, nicht mehr entscheidungserheblich an.

Schließlich ist das Landgericht auch zu Recht vom Vorliegen eines Immobiliendarlehensvertrages im Sinne des § 503 Abs. 1 BGB a. F. ausgegangen. Entgegen der Ansicht der Berufung ist ohne weitere Sachaufklärung davon auszugehen, dass vorliegend ein Vertrag zu üblichen Bedingungen geschlossen wurde. Für die Frage, ob ein grundpfandrechtlich abgesicherter Kredit zu den üblichen Bedingungen gewährt worden ist, kommt es entscheidend auf die Zinshöhe und die sonstigen Kreditkonditionen an (BGH, XI ZR 422/01, Urteil vom 18.03.2003, Rn. 18 – zitiert nach juris). Dabei stellen die in den Monatsberichten der E ausgewiesenen Zinssätze zwar einen Anhaltspunkt für die Marktüblichkeit dar; allerdings ist nicht jeder Kredit, der einen außerhalb – insbesondere auch oberhalb – der dort ausgewiesenen Streubreite liegenden effektiven Jahreszins vorsieht, schon deswegen von der Privilegierung ausgenommen (BGH, a. a. O.; vgl. auch Staudinger/Kessal-Wulf (2012), BGB § 503, Rn. 8). Vielmehr ist sorgfältig zu prüfen, ob die im Einzelfall zu beurteilende Kreditvergabe mit den Kreditverträgen, wie sie für die Zinsstatistik in den Monatsberichten zur Grundlage genommen und ausgewertet werden, vergleichbar ist (Staudinger/Kessal-Wulf, a. a. O.). Denn ein gegenüber den von der E erfassten Krediten erhöhtes Risiko des Kreditgebers – etwa durch Überschreiten der gesetzlich vorgesehenen Beleihungsgrenze – kann sich in einem erhöhten Zinssatz niederschlagen (BGH, a. a. O.). Entsprechendes gilt für das Risiko zukünftiger Zinsänderung im Rahmen eines sog. „Forward-Darlehens“, bei dem die Bank gegen Zahlung eines Zinsaufschlags für erst deutlich nach Vertragsschluss auszuzahlende Darlehen das Risiko steigender Kapitalmarktzinsen übernimmt. Denn zu bewerten ist stets das Gesamtbild der Kreditbedingungen unter Berücksichtigung von Laufzeit, Zinsen und Tilgung (Staudinger/Kessal-Wulf, a. a. O.). Hiervon ausgehend ist vorliegend festzustellen, dass der vertraglich vereinbarte Effektivzinssatz von 5,26 % bzw. 5,35 % bei einer rund zehnjährigen Zinsbindung nur um ca. einen Prozentpunkt über den mit der Tabelle Anlage K7 vorgelegten Durchschnittswerten für im April 2011 abgeschlossene Immobiliendarlehen mit einer Laufzeit von 5-10 Jahren (4,09 %) bzw. mehr als 10 Jahren (4,49 %) lag. Da im vorliegenden Fall unstreitig die Beleihungsgrenze erheblich überschritten wurde – wie die Beklagte unbestritten vorgetragen hat, wurde die Immobilie vollfinanziert und lag der Darlehensbetrag sogar über dem Beleihungswert (Schriftsatz vom 6.6.2016, S. 6) -, die Einkommensverhältnisse im Verhältnis zum aufgenommenen Darlehen ersichtlich beengt waren, und zugleich ein Forward-Darlehen vereinbart war, das erst in zwei bzw. zweieinhalb Jahren auszuzahlen war, und ohnehin der früher in den Statistiken auftauchenden „Streubreite“ angemessen Rechnung zu tragen ist, besteht unter Berücksichtigung der Geltung des § 287 ZPO keine Veranlassung, an der Üblichkeit der Zinsvereinbarung zu zweifeln.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.