OLG Köln, Beschluss vom 28.03.2017 – 3 U 116/16

Oktober 29, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 28.03.2017 – 3 U 116/16

Tenor
1. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 28.07.2016 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – Az. 88 O 61/13 – gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

Gründe
I.

Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivorbringens in erster Instanz nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung. Das Berufungsvorbringen gibt lediglich Veranlassung zu folgenden Ausführungen:

1) Darauf, ob das Landgericht § 640 Abs. 2 BGB unzutreffend angewandt hat, nachdem es im Ausgangspunkt auch nach Ansicht der Berufungsbegründung noch zutreffend davon ausgegangen sei, dass der Kläger Schadensersatz nach § 634 Nr. 4 BGB verlange, kommt es nicht an. Dahinstehen kann daher auch, ob die diesbezüglichen Erwägungen des OLG Schleswig (NJW 2016, 1744) überzeugen.

2) Denn das Landgericht ist zutreffend unter Ziffer II. 1. e. seiner tragenden Ausführungen davon ausgegangen, dass die von ihm angenommene und von der Berufung nicht durchgreifend in Frage gestellte Abnahme dazu führt, dass der Kläger die Mangelhaftigkeit der Anlage beweisen muss. Diesen Beweis hat der Kläger nicht geführt.

a) Das Urteil ist zunächst mit Blick auf die Frage der Mangelhaftigkeit der Anlage entgegen der Berufungsbegründung nicht widersprüchlich. Das Landgericht hat bei der – den übrigen Erwägungen unter Ziffer II. 1. c. vorangestellten – Prüfung des § 640 Abs. 2 BGB ersichtlich den klägerischen Vortrag zu von Beginn an vorhandenen Mängeln (lediglich) unterstellt. Es ist aber, wie die anschließenden Ausführungen unter Ziffer II. 1. e. zeigen, gerade nicht davon ausgegangen, dass diese Mängel tatsächlich vorliegen bzw. ihr Vorliegen nachgewiesen ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Wiedergabe der im selbständigen Beweisverfahren durch den Sachverständigen ermittelten Ergebnisse im Tatbestand des Urteils.

b) Eine Mangelhaftigkeit der Anlage steht nach dem Beweisergebnis, mit dem sich das Landgericht nachvollziehbar und überzeugend auseinander gesetzt hat, nicht fest.

aa) Das Berufungsgericht hat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (vgl. BGH, Urteil vom 24.02.2015 – X ZR 31/13, GRUR 2015, 768 Rn. 25; BGH, Urteil vom 05.05.2015 – XI ZR 326/14, NJW-RR 2015, 1200; BGH, Beschluss vom 11.06.2015 – I ZR 217/14, NJW-RR 2015, 944, jeweils mwN). Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Senats an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich unter anderem aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. BGH, Urteil vom 03.06.2014 – VI ZR 394/13, NJW 2014, 2797, mwN). Zweifel im Sinne der Regelung des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen aber auch schon dann vor, wenn aus der für den Senat maßgeblichen Sicht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt. Ist dies der Fall, obliegt dem Senat nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO die Kontrolle der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage des erstinstanzlichen Urteils auch ungeachtet einer entsprechenden Berufungsbegründung (vgl. BGH, NJW 2014, 2797). Dabei handelt es sich bei der Berufungsinstanz um eine zweite, wenn auch eingeschränkte Tatsacheninstanz, deren Aufgabe in der Gewinnung einer fehlerfreien und überzeugenden und damit richtigen Entscheidung des Einzelfalls besteht. Die Prüfungskompetenz des Senats hinsichtlich der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen ist nicht auf Verfahrensfehler und damit in dem Umfang beschränkt, in dem eine zweitinstanzliche Tatsachenfeststellung der Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt (vgl. BGH, Urteil vom 22.12.2015 – VI ZR 67/15, NJW 2016, 713).

bb) Zweifel im vorgenannten Sinne hat der Senat auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens sowie des übrigen Akteninhalts nicht.

(1) Der Sachverständige, der – wie auch schon der von der Insolvenzschuldnerin beauftragte Privatsachverständige – seiner Beurteilung im selbständigen Beweisverfahren allein Unterlagen der Insolvenzschuldnerin zugrunde gelegt hatte, hat nach Erlass des am 18.12.2014 verkündeten Auflagen- und Beweisbeschlusses (Bl. 179a d.A.) mit Schreiben vom 15.05.2015 (Bl. 195 d.A.) ausgeführt, dass die Einsichtnahme in die während des selbständigen Beweisverfahrens von ihm bezeichneten Geschäfts- und Produktionsunterlagen der Beklagten entgegen seiner ursprünglichen Einschätzung keine substantiellen Feststellungen, die über den bisherigen Stand der Begutachtung hinausgehen würden, erlaube. Ein belastbarer Erkenntnisgewinn zu eventuellen Mängeln beziehungsweise deren Ursachen sei ohne entsprechenden Versuchsbetrieb mit dieser oder einer baugleichen Anlage im Rahmen einer messtechnischen Erfassung der – einmalig konstruierten und mittlerweile demontierten – laufenden Anlage durch eine umfassende Instrumentierung nicht zu erwarten. Die Änderung einer – auch sachverständigen – Einschätzung im Verlauf eines Verfahrens ist nichts per se Ungewöhnliches, zumal sie hier plausibel erklärt worden ist.

(2) Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit des Gutachtens, die sich aus dem Gutachten oder der Person des Gutachters ergeben können (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 529 Rn. 9), bestehen nicht, so dass auch kein Anlass für ein neues Gutachten (§ 412 ZPO) dieses oder eines weiteren Sachverständigen bestand bzw. besteht. Insbesondere ist das Gutachten nicht in sich widersprüchlich oder unvollständig; vielmehr hat der Sachverständige, wie bereits dargelegt, plausibel erklärt, weshalb er seine frühere Einschätzung zu dem Erkenntnisgewinn durch weitere Unterlagen korrigiert hat. Anhaltspunkte für eine mangelnde Sachkunde des Sachverständigen sind weder ersichtlich noch werden solche von der Berufungsbegründung konkret darlegt.

cc) Nichts anderes ergibt sich daraus, dass das Landgericht den auf S. 21 der Klageschrift vorsorglich gestellten Antrag auf Vorlage der Konstruktionsunterlagen der Beklagten nicht ausdrücklich beschieden hat. Letztlich ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des Urteils eine konkludente Zurückweisung eines solchen Antrags mangels Erheblichkeit (vgl. zur Zurückweisung im Endurteil Huber in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 425 Rn. 5). Abgesehen davon ist sehr zweifelhaft, ob der Kläger, der ausweislich Bl. 169, 251 d.A. in der mündlichen Verhandlung (nur) den Antrag aus S. 3 der Klageschrift gestellt hat, damit überhaupt einen den §§ 421, 424 ZPO genügenden Antrag gestellt hat (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 31. Aufl., § 424 Rn. 1). Darauf, ob ein solcher – unterstellter – Antrag nicht bereits durch den am 18.12.2014 verkündeten Auflagen- und Beweisbeschluss (Bl. 179a d.A.) erledigt worden wäre, kommt es demnach ebenfalls nicht an.

dd) Es kommt nach alledem auch nicht darauf an, ob die Parteien des Werkvertrages anlässlich der Vereinbarung, abweichend von der ursprünglichen Planung zwei Motoren einzubauen, auch die ursprüngliche Vereinbarung betreffend den Verbrauch an Stützbrennstoff geändert haben, beziehungsweise ob der Kläger schlüssig dargelegt hat, dass (auch) dieser Wert überschritten worden sei.

c) Die Nichterweislichkeit der Mangelhaftigkeit geht nach der zutreffenden Bejahung der Abnahme durch das Landgericht zu Lasten des Klägers.

aa) Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die im Werkvertrag ursprünglich definierten Voraussetzungen für eine Abnahme im Abnahmetermin nicht erfüllt worden sind. Denn die Parteien des Werkvertrags haben ausweislich des am 13.07.2009 erstellten, ausdrücklich so bezeichneten Abnahmeprotokolls auf die Einhaltung dieser besonders formulierten Voraussetzungen verzichtet, was rechtlich ohne weiteres möglich ist (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl. Rn. 1820). Den Erwägungen des Landgerichts insbesondere zu den Eintragungen in Ziffer 6, Ziffer 8 und in der Anlage dieses Protokolls sowie dazu, dass nicht nur einzelne Leistungen nach dem Brandfall, sondern sämtliche Anlageteile gesondert geprüft worden sind, tritt der Senat bei.

bb) Auf eine – auch nicht festzustellende – eventuelle Beweisvereitelung der Beklagten durch Nichtherausgabe der Konstruktionsunterlagen kommt es schon deshalb nicht an, weil nach dem Beweisergebnis feststeht, dass auch mit deren Hilfe eine sichere Aufklärbarkeit der vermeintlichen Mängel und ihrer Ursache nicht zu erreichen gewesen wäre. Entsprechendes gilt für die mit Blick auf die unterbliebene Herausgabe der besagten Unterlagen durch den Kläger postulierte Beweislastumkehr.

II.

Der Kläger erhält Gelegenheit, zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen. Auf die Möglichkeit der Rücknahme der Berufung zum Zweck der Ersparnis eines Teils der im zweiten Rechtszug anfallenden Gerichtsgebühren (statt 4 fallen nur 2 Gerichtsgebühren an – Nr. 1222 KV zu § 3 II GKG) wird ausdrücklich hingewiesen.

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