OLG Köln, Beschluss vom 14.03.2017 – 20 W 3/17

Oktober 31, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 14.03.2017 – 20 W 3/17

Tenor
Unter Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Klägerin wird der angefochtene Beschluss auf die Anschlussbeschwerde des Beklagten teilweise abgeändert:

Die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt, die auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe
Die sofortige Beschwerde ist gem. § 91 a Abs. 2 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Anschlussbeschwerde gem. § 567 Abs. 3 S. 1 ZPO zulässig. In der Sache hat – nur – die Anschlussbeschwerde Erfolg, während die sofortige Beschwerde der Klägerin zurückzuweisen ist. Dass das Landgericht die Kosten des – nach Erhebung der Verjährungseinrede durch den Beklagten – übereinstimmend für erledigt erklärten Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben hat, entspricht – wie die Anschlussbeschwerde zu Recht geltend macht – im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falles nicht billigem Ermessen i.S. von § 91 a Abs. 1 S. 1 ZPO. Nach billigem Ermessen hat vielmehr die Klägerin die Kosten des erledigten Rechtsstreits zu tragen:

1. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es nicht von ausschlaggebender Bedeutung, dass die gerichtliche Geltendmachung der Forderung aus ihrer Sicht die letzte Möglichkeit einer Anspruchsrealisierung war und sie ohne die Erhebung der Verjährungseinrede durch den Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit voraussichtlich obsiegt hätte. Wer als Gläubiger – wie die Klägerin – eine unzweifelhaft verjährte Forderung gerichtlich geltend macht, muss grundsätzlich damit rechnen, dass der Gegner im Prozess die Einrede der Verjährung erhebt und der Anspruch deshalb nicht mehr durchsetzbar ist, § 214 Abs. 1 BGB. Durch die Geltendmachung eines bereits bei Klageerhebung verjährten Anspruchs hat er selbst eine wesentliche Ursache für die spätere Erledigung gesetzt (vgl. BGH, Urt. v. 27.01.2010 – VIII ZR 58/09, Tz. 30), was im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 91 a Abs. 1 S. 1 ZPO grundsätzlich zu seinen Lasten zu berücksichtigen ist.

2. Es ist insoweit auch ohne Belang, ob der Anspruch vor dem – eine anwaltliche Vertretung des Gegners nicht zwingend erfordernden – Amtsgericht oder vor dem Landgericht geltend gemacht wird. Der mit prozessökonomischen Erwägungen begründete Einwand der Klägerin, die Auffassung des Landgerichts – wonach sich der Klägerin habe aufdrängen müssen, dass ein in Verfahren vor den Landgerichten gem. § 78 ZPO zwingend zu beauftragender Anwalt angesichts der völlig offensichtlichen Verjährung die Verjährungseinrede erheben werde – führe dazu, dass verjährte Ansprüche nur noch „gestückelt“ vor dem Amtsgericht in einer entsprechenden Vielzahl von Prozessen in der Hoffnung geltend gemacht würden, der Beklagte werde sich nicht anwaltlich vertreten lassen, enthält kein stichhaltiges Argument gegen die Kostenpflicht der Klägerin. Welche Konsequenzen die Klägerin aus einer ihr im vorliegenden Fall auferlegten Pflicht zur Kostentragung für die zukünftige Geltendmachung verjährter Forderungen meint ziehen zu müssen, ist für die im Streitfall nach § 91 a ZPO zu treffende Ermessensentscheidung ohne Bedeutung. Insoweit geht es allein darum, ob die Klägerin hinreichende Anhaltspunkte dafür hatte, dass der Beklagte im Prozess nicht die Verjährungseinrede erheben würde. Derartige Umstände vermag der Senat nach Lage der Dinge nicht zu erkennen:

a) Dass der Beklagte weder auf die Mahnschreiben der Klägerin vom 13.11. und 04.12.2009 noch auf die Ruhendmitteilung vom 08.01.2010 oder das Anwaltsschreiben nebst Forderungsaufstellung vom 03.02.2015 reagiert hat, ist hinsichtlich einer etwaigen Nichterhebung der Verjährungsreinrede im Prozess ohne Aussagekraft.

b) In diesem Sinne zu wertende Umstände könnten somit allenfalls daraus hergeleitet werden, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin den anwaltlich damals nicht vertretenen Beklagten, nachdem dieser gegen den ihm am 03.03.2015 zugestellten Mahnbescheid ohne Begründung Widerspruch erhoben hatte, mit Schreiben vom 12.03.2015 (Anlage K 5) um Mitteilung der Widerspruchsgründe gebeten haben und der Beklagte mit Schreiben vom 20.03.2015 die fehlende Nachvollziehbarkeit und Berechtigung der ihm zuvor übersandten Forderungsaufstellung gerügt hatte, ohne sich – ausdrücklich oder sinngemäß – auf Verjährung zu berufen. Abgesehen davon, dass zu diesem Zeitpunkt (20.03.2015) das Mahnverfahren bereits eingeleitet und ein Teil der Verfahrenskosten angefallen war, konnte von dem anwaltlich nicht vertretenen Beklagten nicht erwartet werden, dass er eine Verjährung der geltend gemachten Forderung zumindest als möglich erkennt und sich hierauf gegenüber der Klägerin beruft. Dementsprechend konnte die Klägerin nicht darauf vertrauen, dass ihr im nachfolgenden Streitverfahren die Verjährungseinrede nicht entgegen gehalten würde. Soweit das Landgericht – zur Begründung einer Pflicht des Beklagten zur anteiligen Kostentragung – unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Hamm vom 09.07.2010 (19 U 151/09) angenommen hat, von dem Beklagten als juristischen Laien könne zumindest erwartet werden, dass er die Erfüllung des Anspruchs unter Berufung auf den Zeitablauf verweigert, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zum Einen war der Zeitablauf zwischen Entstehung bzw. Fälligkeit der verfolgten Beitragsansprüche – nach der dem Beklagten übersandten, korrigierten Forderungsaufstellung vom 22.04.2015 zwischen April 2009 und März 2011 – und ihrer Geltendmachung durch Mahnbescheid nicht außergewöhnlich lang; so war die Verjährung selbst der ältesten Beitragsforderungen aus 2009 erst mit Ablauf des 31.12.2012, d.h. etwas mehr als zwei Jahre vor Zustellung des Mahnbescheides eingetreten. Zum Anderen setzt die Erwägung des Landgerichts voraus, dass ein juristischer Laie es überhaupt für möglich hält, die Erfüllung einer Forderung nach Ablauf eines gewissen – welchen? – Zeitraums verweigern zu können. Davon kann indessen nicht ohne Weiteres ausgegangen werden.

c) Von einem juristischen Laien kann – anders als die Klägerin im Schriftsatz vom 28.02.2017 meint – auch nicht als selbstverständlich erwartet werden, dass er sich über seine rechtlichen Verteidigungsmöglichkeiten im Internet informiert. Jedenfalls sind keine Umstände dafür ersichtlich, dass der Beklagte einer solchen (unterstellten) Obliegenheit entsprechend gehandelt, die Verjährung der Beitragsforderungen erkannt und sich gleichwohl vorgerichtlich nicht auf Verjährung berufen hat. Die Klägerin konnte deshalb auch nicht davon ausgehen, der Beklagte würde im Prozess die Verjährungseinrede nicht erheben.

Danach waren der angefochtene Beschluss mit der Kostenfolge aus §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO teilweise abzuändern und der Klägerin die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

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