OLG Köln, Urteil vom 09.03.2017 – 7 U 54/15

Oktober 31, 2021

OLG Köln, Urteil vom 09.03.2017 – 7 U 54/15

Tenor
Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 08.04.2015 (Az: 7 O 231/14) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.340 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.04.2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in sämtlichen Rechtszügen einschließlich des Revisionsverfahrens – VII ZR 14/16 – tragen die Klägerin zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe
I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 30.000,00 € in Anspruch, nachdem dieser bei einem Heimspiel ihrer Lizenzspielermannschaft gegen die Lizenzspielermannschaft des SC Q am 09.02.2014 einen Knallkörper gezündet hatte. Wegen dieses Vorfalls und vier weiterer Vorfälle bei anderen Spielen der Lizenzspielermannschaft der Klägerin verhängte das Sportgericht des DFB mit Urteil vom 19.03.2014 eine Verbandsstrafe gegen die Klägerin, bestehend aus einer Geldstrafe in Höhe von 50.000,00 € sowie einer zur Bewährung ausgesetzten Anordnung, zwei Heimspiele unter teilweisem Ausschluss der Öffentlichkeit auszutragen. Ferner erteilte der DFB der Klägerin die Bewährungsauflage, insgesamt einen Geldbetrag von 30.000,00 € für Projekte und Maßnahmen zu verwenden, die der Gewaltprävention sowie der Ermittlung von konkreten Tätern bei den Fußballspielen der Klägerin dienen. Auf die Bewährungsauflage rechnete der DFB einen Betrag von 19.961,66 € an, den die Klägerin bereits vor dem streitgegenständlichen Urteil für die Anschaffung eines Kamerasystems aufgewendet hatte, so dass ein Betrag von insgesamt 60.000 € statt zunächst 80.000 € verblieb, den die Klägerin auch zahlte. Dem ursprünglichen Gesamtbetrag lagen vier Einzelgeldstrafen zu Grunde, nämlich in Höhe von zweimal 20.000 €, einmal 38.000 € und einmal – betreffend den Beklagten – 40.000 €. Der Gesamtbetrag wurde in analoger Anwendung von § 54 StGB durch die Erhöhung der höchsten verwirkten Einzelstrafe gebildet. Ein Rechtsmittel gegen die Verurteilung durch das Sportgericht legte die Klägerin nicht ein.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 08.04.2015 in vollem Umfang zugesprochen. Das auf die Berufung des Beklagten ergangene klageabweisende Urteil des Senats vom 17.12.2015 hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 22.09.2016 – VII ZR 14/16 -, aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass – entgegen der vom Senat vertretenen Auffassung – ein Anspruch auf Grund der Verletzung von aus dem Zuschauervertrag erwachsenden Verhaltenspflichten nicht am fehlenden Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden scheitere. Weiterhin könne der Beklagte dem geltend gemachten Anspruch weder im Hinblick auf die unterbliebene Rechtsmitteleinlegung noch im Hinblick auf die von ihm behauptete oberflächliche Einlasskontrolle und einen unterbliebenen Stadionverweis in der ersten Halbzeit ein Mitverschulden der Klägerin entgegenhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der vorangegangenen Entscheidungen wird auf das angefochtene landgerichtliche Urteil vom 08.04.2015 – 7 O 231/14 LG Köln – (Bl. 104 ff. d.A.), das Urteil des Senats vom 17.12.2015 – 7 U 54/15 – (Bl. 198 ff. d.A) sowie das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.09.2016 – VII ZR 14/16 – Bezug genommen.

Der Beklagte ist der Ansicht, bei der Bemessung des zu ersetzenden Schadens sei zu berücksichtigen, dass die festgesetzte Verbandsstrafe unangemessen hoch sei im Hinblick darauf, dass er vor dem Vorfall – angeblich – in erheblichem Maße Alkohol und Drogen konsumiert habe, bei der Höhe der Strafe auch vorangegangene, dem Beklagten nicht zuzurechnende Spielstörungen berücksichtigt worden seien und sich ein Mitverschulden der Klägerin daraus ergebe, dass sie keine ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen gegen solche Vorfälle ergriffen habe.

Er beantragt,

die Klage unter Abänderung des am 08.04.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln, Az. 7 O 231/14, abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der von dem Beklagten zu ersetzende Schaden sei zutreffend mit 30.000 € bemessen. Maßgeblich sei, dass die den Beklagten betreffende Einzelstrafe von 40.000 € ungeschmälert in den Gesamtbetrag von ursprünglich 80.000 € eingeflossen sei und damit einen Anteil von 50% ausgemacht habe. Daher müsse der Beklagte auch 50%, mithin 30.000 €, von dem reduzierten Gesamtbetrag von rund 60.000 € tragen, denn insoweit habe er kausal zum Schaden beigetragen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Anschluss an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 16.01.2017 (Bl. 232 f. d.A.) sowie der Klägerin vom 13.02.2017 (Bl. 238 ff. d.A.) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist teilweise begründet.

Die Klage ist unbegründet und das erstinstanzliche Urteil entsprechend abzuändern, soweit mit ihr die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines über 20.340 € hinausgehenden Betrags nebst Zinsen begehrt wird.

Die allein noch im Streit stehende Höhe des Schadensersatzanspruchs bemisst sich danach, in welchem Maße sich die Pflichtverletzung des Beklagten in der konkret verhängten und gezahlten Verbandsstrafe, für die der Beklagte in Regress genommen wird, niedergeschlagen hat. Insoweit ist nach Auffassung des Senats das Verhältnis der Einzelstrafen zur ursprünglichen Summe der Einzelstrafen – und nicht zur ursprünglich verhängten Gesamtstrafe – maßgeblich.

Auf dieser Grundlage ergibt sich hier ein Betrag von gerundet [(40.000 € ./118.000 €) x 60.000 € =] 20.340 €.

Dass die Gesamtstrafe in analoger Anwendung des § 54 StGB ausgehend von der höchsten Einzelstrafe als Einsatzstrafe durch deren Erhöhung gebildet wird und der höchsten Einzelstrafe damit eine maßgebliche Bedeutung zukommt, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn § 54 StGB regelt allein die Art der Berechnung der Gesamtstrafe und stellt sicher, dass die Gesamtstrafe niemals unter der höchsten verwirkten Einzelstrafe liegt. Dass die höchste Einzelstrafe reine Berechnungsgrundlage ist, ergibt sich auch daraus, dass § 54 StGB gemäß § 55 StGB bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung ebenfalls anzuwenden ist. Ist dabei eine höhere Einsatzstrafe zu berücksichtigen, ist nicht mehr die vormals höchste Einzelstrafe diejenige, die Ausgangspunkt für die Erhöhung ist. Andernfalls hinge es zudem vom Zufall ab, in welchem Maße eine Reduzierung der Gesamtstrafe dem Inanspruchgenommenen zu Gute kommt, nämlich davon, ob es sich bei der ihn betreffenden Einzelstrafe um die höchste handelt oder nicht, worauf er naturgemäß keinen Einfluss hat. Das Verhältnis der Einzelstrafe zur Summe der Einzelstrafen ist demgegenüber eine verlässliche Bemessungsgrundlage, bei der Änderungen der Gesamtstrafe stets verhältnismäßig weitergegeben werden können. Weil diese Berechnungsweise alle berücksichtigen Einzelstrafen gleichermaßen betrifft, verbleibt entgegen dem Landgericht auch kein Restbetrag, der nicht regressfähig ist.

Die weitergehenden Einwände des Beklagten greifen nicht durch. Sämtliche Erwägungen in Bezug auf die Angemessenheit der Verbandsstrafe stehen im Zusammenhang mit der Frage, ob die Klägerin ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Sportgerichts hätte einlegen müssen, und betreffen letztlich die Frage der Regressfähigkeit der Verbandsstrafe dem Grunde nach. Beide Fragen hat der Bundesgerichtshof im Sinne der Klägerin beantwortet. Auch für ein Mitverschulden der Klägerin im Hinblick auf angeblich unzureichende Sicherheitsvorkehrungen ist danach kein Raum.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen vor. Die noch im Streit stehende Frage, in welchem Maße wegen einer mehrere Vorfälle betreffenden, analog § 54 StGB gebildeten Verbandsstrafe bei einzelnen Beteiligten Regress genommen werden kann, ist – soweit ersichtlich – in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht geklärt und von über den konkreten Einzelfall hinausgehender praktischer Bedeutung.

Streitwert für die Berufung: 30.000 €

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