OLG Köln, Beschluss vom 02.03.2017 – 19 W 7/17

Oktober 31, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 02.03.2017 – 19 W 7/17

Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 02.02.2017 gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 18.01.2017 – 18 O 430/16 – wird in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 06.02.2017 als unzulässig verworfen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe
I.

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche wegen mangelhafter Architektenleistungen geltend.

Die Beklagte ist unter der Anschrift Ursulakloster 7 in 50668 Köln wohnhaft. Im Jahr 2016 fanden in diesem Haus Umbau- und Sanierungsmaßnahmen u.a. an der Briefkastenanlage statt. Diese Anlage war so gestaltet, dass sich an der Außenseite des Hauses drei Briefeinwurfschlitze befanden, wovon einer mit dem Namen der Beklagten beschriftet war. Durch den jeweiligen Schlitz eingeworfene Postsendungen fielen im Hausinnern in einen geschlossenen Briefkasten. Im Zuge der Sanierungsarbeiten wurden diese Briefkästen demontiert, so dass eingeworfene Sendungen im Innern des Hauses auf den Boden fielen.

Gemäß Aktenausdruck (§ 696 Abs. 2 ZPO) wurde der Beklagten aufgrund eines am 20.10.2016 erlassenen und am 25.10.2016 zugestellten Mahnbescheids am 12.11.2016 ein Vollstreckungsbescheid vom 10.11.2016 zugestellt, laut dem sie an die Klägerin insgesamt 8.483,71 € an Schadensersatz sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 808,13 € und Zinsen zu zahlen hatte. Beide Zustellungen erfolgten laut Aktenausdruck durch Einlegung „in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung“.

Gegen diesen Vollstreckungsbescheid hat die Beklagte mit am selben Tag bei dem Mahngericht eingegangenen Schriftsatz vom 15.12.2016 Einspruch eingelegt und neben der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid vom 10.11.2016 ohne, hilfsweise mit Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, sie habe den Vollstreckungsbescheid – ebenso wie den Mahnbescheid – erst am 01.12.2016 und damit nach Ablauf der Einspruchsfrist auf dem Mülleimercontainer im Hausflur ihres Hauses vorgefunden. Sie vermute, dass möglicherweise ein anderer Hausbewohner die Schriftstücke zunächst an sich genommen und später nebst weiterer Post auf dem Mülleimercontainer abgelegt habe. Sie habe daher erst am 01.12.2016 von den Zustellungen Kenntnis erhalten.

Mit Beschluss vom 18.01.2017 hat das Landgericht den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückgewiesen, da an einer wirksamen Zustellung des Vollstreckungsbescheids vom 10.11.2016 keine Zweifel bestünden und der Einspruch daher erkennbar aussichtslos sei.

Gegen diesen ihr am 20.01.2017 zugestellten Beschluss richtet sich die am 03.02.2017 bei dem Landgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten vom 02.02.2017, mit der sie die Auffassung vertritt, sie habe die Einspruchsfrist schuldlos versäumt. Sie habe nicht damit rechnen müssen, dass sie erst Wochen nach der Zustellung von dem Vollstreckungsbescheid Kenntnis erhalten würde. In der Vergangenheit habe das Fehlen der Briefkästen zu keinen Problemen geführt, die an sie gerichtete Post habe sie erhalten.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 06.02.2017 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist – worauf bereits das Landgericht zutreffend hingewiesen hat – nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen.

Gemäß §§ 700 Abs. 1, 719 Abs. 1 S. 1, 707 Abs. 2 S. 2 ZPO ist ein Beschluss, der die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid betrifft, nicht anfechtbar. Auf einen solchen Beschluss findet seit Inkrafttreten des Anhörungsrügegesetzes zum 01.01.2005 die Regelung des § 321a ZPO Anwendung, da es sich um eine rügefähige Entscheidung im Sinne dieser Vorschrift handelt (Senat, Beschluss v. 05.08.2011, 19 W 36/11, juris, auch zum Folgenden). Das Rechtsmittel ist auch nicht als außerordentliche Beschwerde zulässig. Die in der älteren Rechtsprechung bejahte Zulassung der sofortigen Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit hat jedenfalls nach der Neufassung des Zivilprozessrechts keine Grundlage mehr.

Im Übrigen wäre die sofortige Beschwerde auch in der Sache nicht begründet.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen sein, dass die Voraussetzungen für die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid vom 10.11.2016 – selbst gegen Sicherheitsleistung – nicht vorliegen, da der Einspruch der Beklagten vom 15.12.2016 verspätet und ihre Verteidigung gegen den Klageanspruch daher aussichtslos war (und ist).

Der Vollstreckungsbescheid vom 10.11.2016 ist der Beklagten am 12.11.2016 ordnungsgemäß zugestellt worden. Zwar enthält die Akte keine Zustellungsurkunde gemäß § 182 ZPO, jedoch kommt dem Aktenausdruck gemäß § 696 Abs. 2 S. 2 ZPO die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde zu. Deshalb begründet er den vollen Beweis (§ 418 Abs. 1 ZPO) dafür, dass dem Mahngericht eine entsprechende Zustellungsurkunde vorgelegen hat, die gemäß § 182 Abs. 1 S. 2 ZPO selbst eine öffentliche Urkunde ist und damit den Zustellungsnachweis erbringt. Für den nach § 418 Abs. 2 ZPO möglichen Gegenbeweis gibt der Vortrag der Beklagten nichts her. Auch wenn am 12.11.2016 tatsächlich lediglich ein mit dem Namen der Beklagten beschrifteter Briefschlitz, nicht aber ein geschlossener Briefkasten vorhanden war, stand dies der Wirksamkeit der Zustellung nicht entgegen.

Gemäß dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.06.2011 (III ZR 342/09, juris) ist selbst ein gemeinsamer Briefschlitz in der Haustür eines Mehrparteienhauses jedenfalls dann eine „ähnliche Vorrichtung“ im Sinne des § 180 S. 1 ZPO, wenn in dem betreffenden Gebäude lediglich wenige Parteien wohnen beziehungsweise Geschäftsräume unterhalten, der Zustellungsadressat gewöhnlich seine Post auf diesem Weg erhält und – etwa aufgrund einer entsprechenden Beschriftung – eine eindeutige Zuordnung zum Adressaten möglich ist. Durch die Anforderungen des § 180 S. 1 ZPO an die Empfangseinrichtung, in die das zuzustellende Schriftstück eingelegt werden darf, soll insbesondere zur Wahrung des rechtlichen Gehörs gewährleistet werden, dass der Adressat mit hinreichender Sicherheit in die Lage versetzt wird, den Inhalt der Sendung auch tatsächlich zur Kenntnis zu nehmen. Die Bereitstellung und Ausgestaltung einer Vorrichtung zum Postempfang liegt indessen in der Sphäre und Eigenverantwortung des Adressaten. Er verfügt deshalb über einen Spielraum, darüber zu entscheiden, welches Maß an Sicherheit gegen den Verlust von Sendungen die von ihm gewählte Einrichtung bieten soll. Entscheidet er sich für eine Variante, die einzelne Risiken nicht ausschließt, muss er sich hieran insbesondere bei einer förmlichen Zustellung auch zu seinem Nachteil festhalten lassen, solange die Vorrichtung insgesamt in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist.

Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist die wirksame Zustellung des Vollstreckungsbescheids vom 10.11.2016 nicht zweifelhaft. Es lag ein mit dem Namen der Beklagten beschrifteter Briefschlitz vor, so dass im Gegensatz zu der vorzitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs sogar eine allein der Beklagten zugeordnete Empfangseinrichtung gegeben war. Da lediglich drei Briefschlitze vorhanden waren, kann davon ausgegangen werden, dass in dem Haus V 7 lediglich drei Parteien wohnten und damit nur ein überschaubarer Personenkreis Zugriff auf die im Inneren des Hauses zu Boden gefallenen Sendungen hatte. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass in dem Objekt im fraglichen Zeitraum Sanierungsarbeiten stattfanden und nach dem Vortrag der Beklagten eine nicht näher bezeichnete Anzahl von Handwerkern auf die Post zugreifen konnte. Denn auch in einem Einfamilienhaus haben Besucher die Möglichkeit, Postsendungen an sich zu nehmen, wenn diese in einen ohne eine geschlossene Auffangvorrichtung versehenen Briefschlitz in der Außentür geworfen werden. Ein solcher Briefschlitz ist aber jedenfalls in einem Einfamilienhaus eine für die Ersatzzustellung geeignete „ähnliche Vorrichtung“ im Sinne des § 180 S. 1 ZPO (BGH, Urteil v. 16.06.2011, II ZR 342/09, juris Rn. 26). Daraus folgt, dass das Risiko des Zugriffs nicht im Haus wohnender Dritter auf die eingeworfene Post nicht per se zum Fehlen der Eignung eines Briefschlitzes für die Ersatzzustellung führt. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass eine außergewöhnliche Vielzahl von Handwerkern in dem Gebäude tätig gewesen wäre. Vielmehr haben die Handwerker – nach dem Vortrag der Beklagten – die eingeworfene Post „zumeist“ zu einem Stapel zusammengeschoben und damit dem Risiko eines zufälligen Verlusts der eingeworfenen Sendungen – etwa durch einen Windstoß beim Öffnen der Haustür – sogar vorgebeugt. Ferner hat die Beklagte das Fehlen des ursprünglich vorhandenen geschlossenen Briefkastens zumindest über mehrere Wochen hinweg hingenommen und damit zu erkennen gegeben, dass sie den mit ihrem Namen beschrifteten Briefschlitz als Empfangseinrichtung für geeignet und ausreichend hielt. Dem steht nicht entgegen, dass sie in dem Haus lediglich Mieterin ist. Denn dass sie von ihrem Vermieter eine Abstellung des fraglichen Zustands – z.B. durch die Aufstellung einer verschließbaren Briefkastenanlage für die Dauer der Bauarbeiten – verlangt oder den Vermieter überhaupt auf das Fehlen eines verschließbaren Briefkastens hingewiesen hätte, behauptet sie selbst nicht. Auch hätte die Beklagte, worauf das Landgericht bereits zu Recht hingewiesen hat, selbst provisorische Maßnahmen ergreifen können, etwa durch die Anbringung eines Zettels mit der Aufforderung, zumindest förmlich zuzustellende Schriftstücke nicht in den Briefschlitz einzuwerfen. Letztendlich zieht die Beklagte die wirksame Zustellung des Vollstreckungsbescheids am 12.11.2016 auch gar nicht in Zweifel. Vielmehr trägt sie – lediglich – vor, sie habe von dem ordnungsgemäß zugestellten Schriftstück erst nach Ablauf der Einspruchsfrist Kenntnis erlangt, da es vermutlich zunächst von einem anderen Hausbewohner an sich genommen worden sei.

Dieses Vorbringen der Beklagten lässt indes nicht erkennen, dass sie an einer rechtzeitigen Kenntnisnahme des Vollstreckungsbescheids gehindert gewesen wäre. Nach allgemeiner Auffassung folgt aus der wirksamen Zustellung nicht, dass der Empfänger von dem zugestellten Schriftstück auch tatsächlich Kenntnis erhalten hat (vgl. hierzu und zum Folgenden etwa BGH, Beschluss v. 15.06.1994, IV ZB 6/94; OLG Frankfurt, Beschluss v. 03.09.2003, 13 U 152/03; Brandenburgisches OLG, Urteil v. 06.02.2001, 11 U 215/99; jeweils zit. nach juris). Aus der Zustellungsurkunde bzw. hier dem Aktenausdruck lässt sich insoweit nichts herleiten, da diese Urkunden zum weiteren Schicksal der Sendung nach der Zustellung naturgemäß keine Angaben enthalten. Bei Vorliegen einer ordnungsgemäßen Zustellung besteht aber der begründete Anschein dafür, dass der Adressat in die Lage versetzt wurde, sich die erforderliche Kenntnis von dem zugestellten Schriftstück zu verschaffen. Wer sich darauf beruft, er habe die Sendung gleichwohl nicht zur Kenntnis nehmen können, muss diese Indizwirkung durch eine substantiierte Darstellung gegenteiliger Tatsachen entkräften. Aus seinem Vortrag hat sich daher im Einzelnen zu ergeben, dass er eine ordnungsgemäße Empfangsvorrichtung für den Erhalt von Postsendungen bereit gestellt, er die gebotene Sorgfalt bei der Prüfung dieser Empfangseinrichtung aufgebracht und er die eingegangene Post genau und sorgfältig durchgesehen hat. Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Beklagten nicht gerecht. Zwar liegt gemäß den obigen Ausführungen mit dem mit dem Namen der Beklagten beschrifteten Briefschlitz eine ordnungsgemäße Empfangseinrichtung vor. Es ist jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte am 12.11.2016 den Raum hinter dem Briefschlitz mit der gebotenen Sorgfalt auf an sie gerichtete Post überprüft hätte. Es ist ihrem Vorbringen schon nicht zu entnehmen, ob sie an diesem Tag den Bereich, wo die Handwerker in der Regel die Sendungen zu einem Stapel zusammenschoben, auf für sie bestimmte Briefe überprüft und eventuell vorhandene Sendungen sorgfältig durchgesehen hätte. Die Beklagte wäre zudem verpflichtet gewesen, nicht nur den Raum unmittelbar hinter den Briefschlitzen auf dort liegende Sendungen zu prüfen, sondern auch sonstige Stellen im Hausflur, wo aufgesammelte Post hätte abgelegt werden können. Dazu zählte insbesondere auch der Mülleimercontainer im Hausflur, wo der Vollstreckungsbescheid schließlich am 01.12.2016 aufgefunden worden sein soll. Denn dass etwa ein anderer Hausbewohner dort die Post ablegte, war bei lebensnaher Betrachtung in Rechnung zu stellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird mit 1/5 des Werts der Hauptsache und damit auf 1.696,74 € festgesetzt (vgl. Senat, Beschluss v. 05.08.2011, 19 W 36/11, juris).

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen gemäß § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

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