OLG Köln, Beschluss vom 07.12.2016 – 19 W 31/16

November 1, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 07.12.2016 – 19 W 31/16

Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 28.09.2016 gegen die mit Beschluss des Landgerichts Aachen vom 09.09.2016 – 7 OH 46/15 – erfolgte Streitwertfestsetzung wird als unzulässig verworfen.

2. Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 28.09.2016 gegen die mit Beschluss des Landgerichts Aachen vom 09.09.2016 – 7 OH 46/15 – erfolgte Streitwertfestsetzung wird zurückgewiesen.

3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe
I.

Die Parteien streiten um den Streitwert eines selbständigen Beweisverfahrens.

Der Antragsteller beauftragte die Antragsgegnerin mit Dachdeckerarbeiten am Flachdach des Objekts B Straße XXX in C, die die Antragsgegnerin nach Auffassung des Antragstellers nicht ordnungsgemäß durchführte.

Ein von dem Antragsteller beauftragtes Privatgutachten des Sachverständigen S (Bl. 11 bis 35 GA) kam zu dem Ergebnis, dass die Arbeiten der Antragsgegnerin mangelhaft waren und eine Neuherstellung des Dachs erforderlich war. Die Kosten für die Neuherstellung des Dachs bezifferte der Sachverständige S gemäß einer so bezeichneten Grobkostenschätzung mit 35.000,00 € bis 55.000,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer.

Der im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens beauftragte gerichtliche Sachverständige K stellte in seinem Gutachten vom 22.06.2016 (Bl. 119 bis 131 GA) fest, dass die Leistungen der Antragsgegnerin nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprachen, eine Neuherstellung des Dachs jedoch nicht notwendig war. Die Kosten für die Beseitigung der Mängel gab er mit 11.654,00 € netto/13.868,26 € brutto an.

Mit Beschluss vom 09.09.2016 setzte das Landgericht den Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens auf 13.868,26 € fest (Bl. 176 GA). Hiergegen legten die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 28.09.2016 im eigenen Namen und im Namen der Antragsgegnerin Beschwerde ein (Bl. 183 f. GA). Die Beschwerde der Antragsgegnerin wurde damit begründet, das selbständige Beweisverfahren habe ergeben, dass die behaupteten Mängel und Mangelfolgeschäden weitgehend nicht vorlägen. Im Hauptsacheverfahren sei daher eine Teilkostenentscheidung nach § 96 ZPO zu treffen, was sich auf die Quote insgesamt sowie auf die erfolglosen Angriffsmittel im Besonderen auswirken müsse. Was die im Namen der Verfahrensbevollmächtigten erhobene Beschwerde anbelangt, führten die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, die ursprüngliche Einschätzung des Antragstellers zur Höhe der Mangelbeseitigungskosten sei maßgebend, weshalb der Wert auf 55.000,00 € festzusetzen sei.

II.

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist mangels Rechtsschutzinteresse als unzulässig zu verwerfen.

Begehrt eine Partei die Heraufsetzung des Streitwerts fehlt es ihr hierfür in aller Regel an einem Rechtsschutzinteresse, weil sie hierdurch allenfalls mit einer höheren Kostentragungslast belastet würde (vgl. nur BGH, Beschluss v. 20.11.2011, VIII ZB 59/11, juris, m.w.N., OLG Rostock, Beschluss v. 15.04.2008, 3 W 36/08, juris Rn. 5 m.w.N., auch zum Folgenden). Dies kann ausnahmsweise anders liegen, wenn die Partei aufgrund einer Honorarvereinbarung ihrem Prozessbevollmächtigten eine Vergütung schuldet, die über der gesetzlich vorgesehenen liegt und sie bei Festsetzung eines höheren Streitwerts einen größeren Anteil hieran vom Verfahrensgegner verlangen könnte. Für einen solchen Ausnahmefall ist hier nichts ersichtlich.

Soweit die Antragsgegnerin § 96 ZPO thematisiert, begründet dies kein Rechtsschutzinteresse an einer Heraufsetzung des Streitwerts. Zwar hat das Gericht im Hauptsacheverfahren zu prüfen, ob die dem Antragsgegner durch den überschießenden Teil des selbstständigen Beweisverfahrens entstandenen Kosten entsprechend § 96 ZPO dem Antragsteller auferlegt werden können. Ein dahingehender Kostenausspruch ist regelmäßig geboten, wenn sich Teile des im Beweisverfahren behaupteten Anspruchs im Ergebnis nicht bestätigen und der Antragsteller sie im Hauptsacheprozess nicht mehr aufgreift, um einem Teilunterliegen vorzubeugen (MüKoZPO/Schulz ZPO § 91 Rn. 29, auch zum Folgenden). Alternativ (z.B. weil sich die auf § 96 ZPO entfallenden Kosten nicht ausscheiden lassen) kommt eine doppelte Kostenquotelung in Betracht, indem zunächst die Kosten des Beweisverfahrens, bezogen auf dessen Streitwert, unter dem Gesichtspunkt der Identität mit dem Streitgegenstand des Hauptsacheprozesses verteilt werden und sodann (nur) hinsichtlich des identischen Teils eine weitere Kostenquote, bezogen auf das Obsiegen und Unterliegen in der Hauptsache gebildet wird.

Diese Überlegungen setzen indes voraus, dass durch das selbständige Beweisverfahren überhaupt überschießende Kosten verursacht wurden, bezogen auf die Argumentation der Antragsgegnerin also die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aus einem höheren Wert (nach ihrer Meinung 55.000,00 €) zu berechnen sind als die des – gegebenenfalls – nachfolgenden Hauptsacheprozesses, in dem der Antragsteller – vermutlich – nur den von dem gerichtlichen Sachverständigen K ermittelten Betrag von 13.868,26 € einklagen wird. Dass in einem solchen Fall die Antragsgegnerin/Beklagte nicht mit den überschießenden Kosten des für den Antragsteller/Kläger teilweise erfolglosen selbständigen Beweisverfahrens zu belasten ist, ist offenkundig.

Jedoch hat das Landgericht den Wert des selbständigen Beweisverfahrens zu Recht auf 13.868,26 € festgesetzt, so dass für die von der Antragsgegnerin befürchtete unberechtigte Kostenbelastung kein Raum ist.

Bei der Streitwertbemessung für das selbständige Beweisverfahren ist der vom Antragsteller bei Verfahrenseinleitung gemäß § 61 GKG geschätzte Wert nicht bindend. Vielmehr hat das Gericht nach Einholung des Gutachtens den „richtigen“ Hauptsachewert, bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und das Interesse des Antragstellers, festzusetzen. Ergibt sich im Laufe des Verfahrens aus dem vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten, dass der vom Antragsteller bei Verfahrenseinleitung geschätzte Wert nicht zutrifft, sind die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen für die Wertfestsetzung maßgebend (ständige Senatsrechtsprechung, zuletzt Beschluss v. 08.09.2016, 19 W 19/16; vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss v. 16.09.2004, III ZB 33/04, juris; BGH, Beschluss v. 20.04.2005, XII ZR 92/02, juris; dem folgend u. a. OLG Celle, Beschluss v. 05.03.2008, 14 W 6/08, juris Rn. 6 m.w.N.).

Hier hat der Antragsteller in seiner Antragsschrift vom 17.11.2015 die Kosten der Mangelbeseitigung unter Bezugnahme auf das von ihm eingeholte Privatgutachten vom 04.07.2015 mit 45.000,00 € beziffert. Diese Einschätzung in der Antragsschrift kann für die gerichtliche Wertfestsetzung jedoch schon deshalb nicht maßgeblich sein, weil die ihr zugrundeliegenden Angaben des Sachverständigen S ersichtlich nur überschlägigen und vorläufigen Charakter hatten. Etwa auf Seite 4 des Privatgutachtens (Bl. 14 GA) führt der Sachverständige S aus, dass zur Undichtigkeit der Flachdachabdichtung „in der Folge ggf. noch ergänzende Feststellungen“ zu treffen seien. Laut der Zusammenfassung auf S. 14 des Gutachtens (Bl. 24 GA) sind „nach erstem, grobem Aufmaß“ „ca. 300 qm Dachfläche“ mangelbehaftet. Der Betrag für die Neuherstellung des Dachs wird als „Grobkostenschätzung“ bezeichnet und weist mit 35.000,00 € bis 55.000,00 € eine erhebliche Schwankungsbreite auf. Demgegenüber hat der gerichtlich bestellte Sachverständige die fraglichen Mängel im Einzelnen begutachtet, Probeöffnungen vorgenommen und eine detaillierte – nicht bloß überschlägige – Kostenschätzung vorgenommen (vgl. S. 12 des Gutachtens K vom 22.06.2016/Bl. 130 GA). Dabei hat er eine Mangelhaftigkeit der Werkleistungen der Antragsgegnerin bestätigt, die Kosten für die Beseitigung jedoch niedriger bewertet. Inhaltliche Einwendungen gegen die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen hat keine Partei erhoben. Damit ist nach den oben skizzierten Grundsätzen die sich nach Einholung des gerichtlichen Gutachtens als richtig darstellende Bewertung zugrunde zu legen. Soweit in der Antragsschrift als Frage 13 Umzugs- und Hotelkosten angesprochen wurden, sollte der gerichtlich bestellte Sachverständige diese Problematik nur thematisieren, sofern ein Auszug überhaupt erforderlich war. Da dies nicht der Fall ist (vgl. S. 12 des Gutachtens K vom 22.06.2016/Bl. 130 GA), können derartige Kosten entgegen der von der Antragsgegnerin offenbar vertretenen Auffassung auch nicht den Verfahrenswert erhöhen.

2. Soweit die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin im eigenen Namen Streitwertbeschwerde gegen die mit Beschluss des Landgerichts Aachen vom 09.09.2016 erfolgte Streitwertfestsetzung eingelegt haben, ist diese nach §§ 32 Abs. 2 RVG, 68 Abs. 1 GKG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, weil das Landgericht aus den zuvor dargelegten Gründen den Streitwert für das selbständige Beweisverfahren zu Recht auf 13.868,26 € festgesetzt hat.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.

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