Oberverwaltungsgericht NRW, 13 B 856/21

November 3, 2021

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 B 856/21

Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 6 L 345/21

Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 23. April 2021 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000 Euro festgesetzt.

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G r ü n d e :

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Die Beschwerde mit dem Antrag,

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unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Arnsbergs vom 23. April 2021 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 9. März 2021 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 11. Februar 2021 wiederherzustellen, hilfsweise anzuordnen,

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hilfsweise, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 12. März 2021 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 11. Februar 2021 wiederherzustellen, hilfsweise anzuordnen,

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hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

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Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die mit Bescheid vom 11. Februar 2021 erfolgte Rücknahme der ihm am 29. Oktober 2020 schriftlich bestätigten Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung ausgelegt und zur Begründung der Ablehnung dieses Antrags ausgeführt: Soweit der Antragsteller meine, dass die Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht gewahrt seien, könne dahinstehen, ob dies zutreffe, denn der angefochtene Bescheid finde seine materielle Rechtfertigung nicht im Schulrecht, sondern im Infektionsschutzrecht (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 32 IfSG i. V. m. Coronabetreuungsverordnung), so dass die verfügte Rücknahme der Befreiung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 28 Abs. 3, 1, § 28a Abs. 1 Nr. 2, § 16 Abs. 8 IfSG kraft Gesetzes sofort vollziehbar gewesen sei. Der Antrag habe in der Sache keinen Erfolg, weil das öffentliche Interesse an der Vollziehung des angegriffenen Bescheides gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers an deren Aussetzung überwiege. Bei der in dem vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen und möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erweise sich die Maßnahme als offensichtlich rechtmäßig. Der angegriffene Bescheid vom 11. Februar 2021 finde seine Rechtsgrundlage in § 48 VwVfG NRW. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 VwVfG NRW für die – mit Wirkung für die Zukunft erklärte – Rücknahme der dem Antragsteller am 29. Oktober 2020 erteilten Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung seien erfüllt. Die Befreiung stelle sich als bereits im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidriger Verwaltungsakt dar. Die in § 1 Abs. 3 der Coronabetreuungsverordnung grundsätzlich angeordnete Pflicht, auf dem gesamten Schulgelände eine geeignete Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, sei voraussichtlich rechtmäßig. Soweit der Antragsteller einwende, durch das Tragen einer Maske stünden allgemein gesundheitliche – nicht zuletzt psychische – Beeinträchtigungen der betroffenen Schüler zu befürchten, werde dies nicht näher belegt, sondern nur pauschal behauptet. Für den Nachweis medizinischer Gründe i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 CoronaBetrVO (§ 1 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 CoronaBetrVO n. F.) bedürfe es grundsätzlich der Vorlage eines aktuellen ärztlichen Attests, das gewissen Mindestanforderungen genügen müsse. Aus ihm müsse sich regelmäßig jedenfalls nachvollziehbar ergeben, welche konkret zu benennenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf Grund der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung in der Schule alsbald zu erwarten seien und woraus diese im Einzelnen resultierten. Soweit relevante Vorerkrankungen vorliegen, seien diese konkret zu bezeichnen. Darüber hinaus müsse im Regelfall erkennbar werden, auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gelangt sei. Ein diesen Anforderungen genügendes Attest habe der Antragsteller auch nach entsprechender Aufforderung in der Schule nicht vorgelegt. Der Antragsteller lege nicht hinreichend substantiiert dar und es sei auch sonst nicht erkennbar, weshalb die Anforderungen an ein plausibles und fundiertes ärztliches Attest – eine erforderliche Indikation naturgemäß vorausgesetzt – nicht im vorstehenden Sinne erfüllbar sein sollten. Ein Absehen von der Verpflichtung zur Vorlage eines aussagekräftigen ärztlichen Attests komme ferner nicht mit Blick auf den reklamierten Schutz der Gesundheitsdaten des Antragstellers in Betracht. Insbesondere gälten für die Schulleitung, die über die Befreiung zu entscheiden haben, gemäß §§ 120, 122 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (SchulG NRW) strenge datenschutzrechtliche Vorgaben, so dass allein schon deshalb von einem ausreichend vertraulichen Umgang mit sensiblen personenbezogenen Daten auszugehen sei.

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Die zur Begründung der Beschwerde fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach Maßgabe von § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.

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1. Soweit der Antragsteller die der bisherigen Rechtsprechung des Senats folgende Annahme des Verwaltungsgericht beanstandet, dass es sich bei der Rücknahme von der Befreiung von der sog. Maskenpflicht um eine Maßnahme handelt, die ihre materielle Rechtfertigung im Infektionsschutzrecht findet und deswegen nach § 16 Abs. 8 IfSG sofort vollziehbar ist, greift diese Rüge nicht durch.

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Diese Frage ist im vorliegenden Fall schon nicht streitentscheidend. Selbst wenn man davon ausginge, die Rücknahme der Befreiung von der sog. Maskenpflicht sei nicht von Gesetzes wegen sofort vollziehbar, hätte die Beschwerde des Antragsstellers keinen Erfolg. Denn der Antragsgegner hat in dem angegriffenen Bescheid den Sofortvollzug in nicht zu beanstandender Weise angeordnet. Die durch den Antragsgegner angeführte Begründung genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Ausreichend ist hiernach jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalles eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind. Ob die Abwägung inhaltlich tragfähig ist, ist keine Frage des Formerfordernisses gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.

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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Dezember 2017 – 13 B 1397/17 -, juris, Rn. 3 f., und vom 8. August 2008 – 13 B 1022/08 -, juris, Rn. 2 f., jeweils m. w. N.

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Je nach Fallgestaltung können die Gründe für die sofortige Vollziehung mit den Gründen für den Erlass des Verwaltungsaktes auch identisch sein. Soll ein Verwaltungsakt etwa eine drohende Gefahr abwenden, so kann das Interesse der Gefahrenabwehr auch die sofortige Vollziehung erfordern. In solchen Fällen genügt es, wenn die Behörde in der Begründung ihrer Vollziehungsanordnung darauf in geeigneter Form hinweist.

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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Januar 2020 ‑ 13 B 1423/19 -, juris, Rn. 7 f., und vom 10. September 2003 – 13 B 1313/03 -, juris Rn. 1 f., jeweils m. w. N.

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Hieran gemessen ist die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat im Wesentlichen ausgeführt, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei im besonderen öffentlichen Interesse zur Bekämpfung des pandemischen Geschehens im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 geboten. Einen der möglichen Ausnahmegründe von der Pflicht, im Rahmen der schulischen Nutzung eine Alltagsmaske zu tragen, – etwa ein Hindernis aus medizinischen Gründen – habe der Antragsteller nicht in der für eine Befreiungsentscheidung erforderlichen Weise substantiiert geltend gemacht. Zudem sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung erforderlich, da die bisherige Kommunikation eine künftige Befolgung der Maßnahmen der Coronabetreuungsverordnung nicht erwarten lasse. Das gegenwärtige pandemische Geschehen mache entschiedenes Vorgehen im Rahmen der Infektionsprävention erforderlich, sodass der Ausgang eines Klageverfahrens nicht abgewartet werden könne. Hieraus wird in hinreichendem Maß deutlich, dass der Antragsgegner den gesetzlichen Ausnahmecharakter des Sofortvollzugs erkannt hat und aus einzelfallbezogenen Gründen zur Gewährleistung des Infektionsschutzes der Auffassung ist, den rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens nicht abwarten zu können.

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2. Ohne Erfolg rügt der Antragsteller, die Befreiung von der Maskenpflicht hätte nicht nach § 48 VwVfG NRW zurückgenommen werden können, weil sie rechtmäßig gewesen sei.

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Die Befreiung von der sog. Maskenpflicht dürfte nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung rechtswidrig gewährt worden sein. Dass der erkennende Senat erstmals mit Beschluss vom 24. September 2020 (13 B 1368/20) und damit nach der zunächst konkludent gewährten, später zurückgenommenen Befreiung des Antragstellers von der sog. Maskenpflicht die Mindestanforderung an ärztliche Atteste zur Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung konkretisiert hat, ändert nichts daran, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung auch bereits zuvor in geeigneter Form – d. h. durch ein diesen Mindestanforderungen genügendes Attest – nachzuweisen waren. Hierbei handelt es sich weder um eine erst durch die Rechtsprechung des Senats begründete Voraussetzung einer Maskenbefreiung, noch ist davon auszugehen, dass der Senat mit seiner oben genannten Rechtsprechung die Verordnung in einer dem Willen des Verordnungsgebers widersprechenden Weise ausgelegt hat.

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Vgl. Beschluss vom 5. Juli 2021 – 13 B 720/21 -, juris, Rn. 7 ff.

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Dass solche medizinischen Gründe beim Antragsteller vorlagen, ist nicht ersichtlich. Dem Attest des Herrn T. -S. vom 26. Juni 2020, in dem dieser lediglich ohne nähere Erläuterung feststellt, der Antragsteller könne aus medizinischen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen, fehlt es mangels nachvollziehbarer Angaben, worauf er diesen Schluss stützt, an jeglicher Aussagekraft. Auch nachträglich hat der Antragsteller diesen Umstand nicht glaubhaft gemacht.

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Auch dass der Schulleiter im Bescheid vom 29. Oktober 2020 davon ausgegangen war, den Befreiungsantrag nicht ablehnen zu können, führt weder dazu, dass die Befreiung als rechtmäßig einzustufen wäre, noch dazu, dass eine Rücknahme ausgeschlossen ist. Eine Zusicherung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1, 2. Var. VwVfG NRW, dass in Zukunft keine Rücknahme ausgesprochen werden wird, ist hierhin nicht zu sehen. Vielmehr gibt der Schulleiter nur seine Rechtsauffassung wieder, über einen bereits beschiedenen Antrag nicht nochmal abweichend entscheiden zu können. Zur Frage, ob die bereits erteilte Befreiung wegen Rechtswidrigkeit zurückgenommen werden könnte, verhalten sich seine Ausführungen nicht.

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3. Soweit der Antragsteller die an ein solches Attest zu stellenden Mindestanforderungen beanstandet, weil nach diesen eine Befreiung nur in Betracht komme, wenn gesundheitliche Beeinträchtigungen alsbald zu erwarten seien, was bei der bestehenden „Gesundheitsgefahren-Verdachtslage“ fehlgehe, greift dies nicht durch. Der Senat teilt die Auffassung des Antragstellers nicht, dass – wenn beim konkret betroffenen Schüler keine Anhaltspunkte für alsbald drohende Gesundheitsbeeinträchtigungen bestehen – mit solchen allgemein wegen der Möglichkeit einer Hyperkapnie oder psychischer Folgeschäden zu rechnen ist.

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Vgl. zur ständigen Rechtsprechung des Senats unter Auswertung u. a. der Berichte medizinischer Fachgesellschaften zuletzt: OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2021 – 13 B 1489/21.NE -, juris, Rn. 69 ff.

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Etwas anderes ergibt sich nicht aus den vom Antragsteller in Bezug genommenen Ausführungen des Oberarztes Bölke in einem Interview mit dem Ärzteblatt.

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Abrufbar unter

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https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/112344/Nicht-fuer-jeden-ist-das-Tragen-einer-Maske-unbedenklich.

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Denn dieser gibt zwar an, nicht für jeden Menschen sei das Tragen einer Maske unbedenklich, nennt aber in diesem Zusammenhang Personen mit bestimmten Vorerkrankungen (symptomatische und instabile Angina pectoris und symptomatische chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, COPD, beziehungsweise eingeschränkte Lungenfunktion), für die das Masketragen wohl bei starker körperlich Anstrengung nicht unbedenklich sein soll. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen dürften die Betroffenen in der Regel den Mindestanforderungen genügende Atteste vorlegen können. Das gleiche gilt – worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat – auch für andere Kinder und Jugendliche, bei denen gesundheitliche Beeinträchtigungen konkret zu befürchten sind. Der Umstand, dass zwei Kinderärzte in einem offenen Brief,

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abrufbar unter

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https://der-rabendoktor.de/pdfs/Wider%20die%20Maskenpflicht.pdf,

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die sog. Maskenpflicht an Schulen kritischer sehen als pädiatrische Fachgesellschaften und durch die Masken insbesondere Einschränkungen in der zwischenmenschlichen Kommunikation ausmachen, führt nicht dazu, dass durch das vom Antragsteller begehrte Absehen der Mindestanforderungen an Atteste ohne konkrete Anhaltspunkte für Beeinträchtigungen quasi jedem Kind eine Maskenbefreiung zu erteilen wäre. Insoweit ist auch nicht ersichtlich, dass den Stimmen in der Wissenschaft, die das Masketragen in Schulen für gesundheitsgefährdend halten, das vom Antragsteller behauptete Gewicht zukommt.

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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2021 – 13 B 1489/21.NE -, juris, Rn. 69 ff., sowie zur Einschätzungsprärogative des Verordnungsgebers bei verschiedenen, in einem wissenschaftlichen Diskurs vertretenen Auffassungen: OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2021 – 13 B 1489/21.NE -, juris, Rn. 47 ff.

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Auch das Argument, echte von den Schülern zu bestimmende Maskenpausen gebe es nicht, greift nicht durch. Die zur Aufnahme von Speisen und Getränken möglichen Pausen dürften insoweit weit zu verstehen sein und nicht erfordern, dass während des Verzehrs z. B. des Pausenbrots die Maske ständig auf- und abzusetzen ist.

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4. Auch die Rüge des Antragstellers, an Atteste dürften aus datenschutzrechtlichen Gründe keine Mindestanforderungen gestellt werden, geht nach ständiger Rechtsprechung des Senats fehl.

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Vgl. z. B. OVG NRW, Beschluss vom 2. März 2021 ‑ 13 B 1995/20 -, juris, Rn. 12 ff.

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Entgegen der Auffassung des Antragstellers setzt eine zulässige Verarbeitung von Gesundheitsdaten auch nicht zwingend eine Einwilligung der Betroffenen voraus.

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Vgl. mit Verweis auf Art. 9 Abs. 2 Buchst. g und i DGSVO: OVG NRW, Beschluss vom 22. April 2021 ‑ 13 B 559/21.NE -, juris, Rn. 99 f.

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Schüler und ihre Erziehungsberechtigten müssen es insoweit hinnehmen, dass sie nicht in den Genuss bestimmter rechtlicher Vorteile – Befreiung von der Maskenpflicht – kommen, wenn sie den Nachweis verweigern, dass die entsprechenden Voraussetzungen hierfür vorliegen. Dies gilt unabhängig davon, ob diesen Schülern Distanzunterricht angeboten wird oder nicht.

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5. Auch der nicht näher mit Sachargumenten begründete Vortrag des Antragstellers, § 28a IfSG sei offensichtlich verfassungswidrig, greift nicht durch.

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Vgl. ausführlich zu dieser Frage: OVG NRW, Beschluss vom 15. Dezember 2020 – 13 B 1731/20.NE -, juris, Rn. 23 ff.

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Der Senat teilt nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers an der Regelung in § 28a Abs. 5 Satz 2 IfSG, wonach die Geltungsdauer einer auf der Grundlage des § 32 IfSG erlassenen Rechtsverordnung zu befristen ist, die Geltungsdauer grundsätzlich vier Wochen beträgt, aber verlängert werden kann. Denn bei der Verlängerung handelt es sich um keinen Automatismus, sondern dieser liegt jeweils eine Entscheidung des Verordnungsgebers zugrunde. Vor diesem Hintergrund erscheint es unbedenklich, dass nicht normiert ist, wie oft eine Verlängerung maximal erfolgen darf. Die bisherige Praxis zeigt zudem, dass der Verordnungsgeber vor der Verlängerung der Verordnung prüft, ob aktuellen Entwicklungen durch eine Änderung der Vorschriften zu begegnen ist.

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Vgl. z. B. die zuletzt erfolgte Verlängerung der Coronabetreuungsverordnung durch Art. 2 der Änderungsverordnung vom 28. Oktober 2021 (GV. NRW. S. 1166b), wonach ab dem 2. November 2021 z. B. an Sitzplätzen keine Maskenpflicht mehr gelten wird, abrufbar unter

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https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/211028_coronabetrvo_ab_29.10.2021_lesefassung.pdf.

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6. Schließlich ist die vom Antragsteller erhobene Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs durch das Verwaltungsgericht nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Eine Beschwerde gegen die Ablehnung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 oder § 123 VwGO kann mit einer Verfahrensrüge von vornherein nicht erfolgreich geführt werden, ohne dass es darauf ankommt, ob der behauptete Verfahrensfehler gegeben ist. § 146 Abs. 4 VwGO kennt – anders als die Vorschriften über die Berufung und Revision – nämlich kein vorgeschaltetes Zulassungsverfahren (mehr), sondern ermöglicht in den von § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO gezogenen Grenzen eine – vorstehend erfolgte – umfassende, nicht von der erfolgreichen Rüge eines Verfahrensfehlers abhängige Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung durch das Oberverwaltungsgericht als zweite Tatsacheninstanz.

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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. September 2020 – 1 B 1716/19 -, juris, Rn. 10, m. w. N.; OVG LSA, Beschluss vom 15. Februar 2021 ‑ 2 M 121/20 -, juris, Rn. 14.

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Im Übrigen liegt die behauptete Versagung rechtlichen Gehörs auch nicht vor. Der Einwand des Antragstellers trifft nicht zu, dass das Verwaltungsgericht sich mit den von ihm erstinstanzlich eingehend dargelegten Einwendungen gegen die Entscheidung des Senats vom 24. September 2020, insbesondere der fehlenden Praktikabilität der aufgestellten Attest-Anforderungen einerseits und der datenschutzrechtlichen Unhaltbarkeit des betreffenden OVG-Postulats andererseits nicht angemessen auseinandergesetzt habe. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht dieses Vorbringen ausführlich gewürdigt (Beschlussabdruck, Seite 6, letzter Absatz, bis Seite 8, zweiter Absatz). Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte jedoch nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen.

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Vgl. zuletzt etwa BVerwG, Beschluss vom 16. April 2020 – 5 B 15.20 D -, juris, Rn. 6, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; OVG NRW, Beschluss vom 7. September 2020 – 13 B 468/20 -, juris, Rn. 2.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Da der Antrag wegen der begrenzten Geltungsdauer der Regelungen zur Maskenpflicht inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache zielt, geht der Senat abweichend von seiner bisherigen Streitwertpraxis,

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vgl. z. B. Senatsbeschluss vom 1. April 2021 – 13 B 104/21 – , juris,

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nunmehr davon aus, dass eine Reduzierung des Auffangstreitwerts für das Eilverfahren nicht veranlasst ist.

47
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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