OLG Köln, Beschluss vom 13.07.2016 – 17 W 85/16

November 4, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 13.07.2016 – 17 W 85/16

Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Aachen vom 1. März 2016 – 3 T 374/15 – wird zurückgewiesen.

Gründe
I.

Das AG Düren bewilligte Frau P am 05.08.2014 Beratungshilfe „wegen Insolvenzanmeldung“. In der Folge wurde die Antragstellerin für sie tätig und führte Schriftwechsel mit den Gläubigern. Am 05.10.2015 beantragte sie, für die Vertretung von Frau P in einem Schuldenbereinigungsverfahren vor Insolvenzanmeldung Kosten in Höhe von insgesamt 666,40 € festzusetzen, und zwar eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2506 VV zu § 2 Abs. 2 RVG in Höhe von 540 € zuzüglich Pauschale und Umsatzsteuer. Aus der zur Akte gereichten Gläubigerübersicht ergibt sich, dass den Gläubigern keine Zahlungen angeboten wurden.

Mit Beschluss vom 18.11.2015 hat das Amtsgericht nach Anhörung der Staatskasse (Bezirksrevisor) eine Gebühr nach Nr. 2503 VV zuzüglich anteiliger Pauschale und Umsatzsteuer, insgesamt 121,38 € festgesetzt. Zur Begründung ist vermerkt, dass der Berechtigungsschein für die Angelegenheit „Insolvenzanmeldung“ ausgestellt worden sei. Eine Gebühr für die Schuldenbereinigung nach VV 2506 könne deshalb nicht abgerechnet werden.

Gegen diesen am 19.11.2015 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 23.11.2015 Erinnerung eingelegt.

Die zuständige Richterin hat die Erinnerung mit Beschluss vom 23.11.2015 zurückgewiesen und sich zum Einen die Argumentation des angefochtenen Beschlusses zu Eigen gemacht. Ergänzend hat sie unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG Stuttgart (ZInsO 2015, 206 ff.) ausgeführt, die Antragstellerin habe die Gebühr nach Nr. 2506 VV nicht verdient, da sie zwar den nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO für den Insolvenzantrag erforderlichen außergerichtlichen Einigungsversuch vorgenommen, dabei jedoch nur einen sogenannten „Nullplan“ angeboten habe. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidung (21 ff. GA) Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 30.11.2015 Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

Das Landgericht Aachen hat nach Übertragung des Verfahrens wegen grundsätzlicher Bedeutung auf die Kammer in dem angefochtenen Beschluss der Beschwerde stattgegeben und die Beratungshilfevergütung antragsgemäß auf 666,40 € festgesetzt. Außerdem hat sie die weitere Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung und im Hinblick auf entgegenstehende Rechtsprechung von Obergerichten zugelassen. Die Staatskasse hat die weitere Beschwerde auch unter Hinweis auf die entgegenstehende Entscheidung des OLG Stuttgart eingelegt.

II.

Die weitere Beschwerde der Staatskasse ist nach Zulassung durch das Landgericht gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 6 RVG zulässig. In der Sache ist sie jedoch unbegründet.

Das Landgericht Aachen hat zur Begründung ausgeführt:

„Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts umfasst die bewilligte Beratungshilfe die Durchführung des Schuldenbereinigungsverfahrens. Zudem ist der Gebührentatbestand von Ziff. 2506 VV RVG erfüllt.

Nach § 305 Abs. 1 Satz 1 InsO hat der Schuldner des Verbraucherinsolvenzverfahrens eine Bescheinigung vorzulegen, aus der sich ergibt, dass eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern auf der Grundlage eines Plans erfolglos versucht wurde; der Plan ist dem Insolvenzantrag beizufügen. Nach allgemeiner Auffassung ist es insoweit insolvenzrechtlich ausreichend, dass ein so genannter Nullplan vorgelegt wird – d.h. ein Plan, bei dem mit wirklichen Zahlungen an die Gläubiger nicht zu rechnen ist (vgl. BGH vom 10.10.2013 – IX ZB 97/12).

Wenn – wie hier – der Schuldnerin Beratungshilfe „wegen Insolvenzanmeldung“ bewilligt wurde, umfasst die Bewilligung auch den vorgenannten Einigungsversuch, da dieser nebst der darüber auszustellenden Bescheinigung notwendige Voraussetzung der Insolvenzanmeldung ist. Die verwendete Bezeichnung „wegen Insolvenzanmeldung“ ist offen formuliert. Dies kann jedoch nicht zu Lasten des Schuldners bzw. des für ihn tätigen Anwalts gehen. Nach § 6 Abs. 1 BerHG stellt das Amtsgericht den Berechtigungsschein „unter genauer Bezeichnung der Angelegenheit“ aus. Verwendet das Amtsgericht gleichwohl eine weite Formulierung, so deckt der Beratungshilfeschein alle Tätigkeiten ab, die sich unter die von dem Rechtspfleger verwendete Formulierung subsumieren lassen.

Welche Gebühren bei einer einmal erfolgten Bewilligung von Beratungshilfe tatsächlich angefallen sind, ist im vorliegenden Gebührenfestsetzungsverfahren zu klären. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (vgl. die Beschlüsse vom 22.07.2013 – 3 T 116/13 – und vom 29.09.2014 – 3 T 250/14) erfüllt auch der Versuch einer Einigung mit den Gläubigern auf der Grundlage eines sogenannten Nullplans die gesetzlichen Voraussetzungen von Ziff. 2506 VV RVG, nämlich einer „Tätigkeit mit dem Ziel einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO)“ bei 11 – 15 Gläubigern

Die Kammer verkennt nicht, dass die Frage, ob auch ein Nullplan die Gebühren von Ziff. 2504 ff. VV RVG auslöst, von zwei Oberlandesgerichten anders gesehen wird. Der Beschluss des Oberlandesgericht Bamberg vom 06.08.2010 – 4 W 48/10 – wird zwar in einzelnen Kommentaren zustimmend zitiert (vgl. Hartmann, 45. Aufl., RVG VV 2503-?2507 Rdn. 4; Riedel/Sußbauer, 10. Aufl., RVG VV 2504 – 2507 Rdn. 6), ist nach Auffassung der Kammer jedoch schon deshalb nicht besonders aussagekräftig, weil dieser Beschluss wesentlich auf der irrigen Auffassung des OLG Bamberg beruht, ein sogenannter Nullplan erfülle nicht die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO (so schon der hiesige Beschluss vom 29.09.2014 – 3 T 250/14). Der Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 28.01.2014 – 8 W 35/14 – ist in der Literatur nicht unumstritten (vgl. Knerr, ZInsO 2015, 208 – zitiert nach Juris). Er geht zwar zutreffend davon aus, dass auch ein sogenannter Nullplan für die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens ausreichend sein kann, will jedoch aus „dem Wortlaut und der Regelungssystematik“ der hier einschlägigen Vergütungsvorschriften schließen, dass für die Gebühren der Ziff. 2504 ff. VV RVG eine Ausarbeitung erforderlich sei, die „wenigstens in einzelnen Elementen das ernsthafte Bemühen erkennen lässt, eine Verhandlungsbasis für eine einvernehmliche Lösung anzubieten“. Dies erschließt sich wiederum der Kammer nicht. In dem Wortlaut von Ziff. 2504 ist dies nicht angelegt. Gerade umgekehrt legt der Verweis des Gesetzgebers auf § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO nahe, dass die Tätigkeit, die für die Einleitung eines Insolvenzverfahrens notwendig aber auch ausreichend ist, ebenso notwendig aber auch ausreichend für den Gebührentatbestand der Ziff. 2504 ff. VV RVG sein sollte. Weshalb – wie das Oberlandesgericht Stuttgart meint – die insolvenzrechtlichen Voraussetzungen an einen Schuldenbereinigungsplan „anders“ zu beurteilen seien als die vom Anwalt verlangte Tätigkeit, ist nicht ersichtlich. Insbesondere hält die Kammer die angebliche „Disparität“ zwischen der Geschäftsgebühr nach VV 2503 und den Gebühren nach VV 2504 ff. nicht für ein überzeugendes Argument. Da die Gebühr des VV 2503 in Höhe von 85,00 EUR schwerlich eine angemessene Vergütung für den Schriftwechsel auch mit mehr als 15 Gläubigern (vgl. VV 2507) darstellt, ist der Gebührensprung gerade umgekehrt ein Argument dafür, dass jeglicher Schuldenbereinigungsplan die Voraussetzungen der Ziff. 2504 ff. VV RVG erfüllt.

Da es – soweit ersichtlich – bislang nur zwei obergerichtliche Entscheidungen zu der hier zu entscheidenden Frage gibt und die Frage für eine Vielzahl von Beratungshilfefestsetzungsverfahren grundsätzliche Bedeutung hat, erscheint es sachgerecht, durch Zulassung der weiteren Beschwerde (vgl. § 33 Abs. 6 RVG) eine weitergehende Klärung des Frage zu ermöglichen.“

Dem schließt sich der Senat uneingeschränkt an. Die Voraussetzung für das Entstehen der Gebühr nach Nr. 2506 , 2504 VV ist eine „Tätigkeit mit dem Ziel einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO)“, wenn „11 bis 15 Gläubiger vorhanden“ sind. Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 2012 – IX ZB 97/12 – (MDR 2013, 1491 f.) steht höchstrichterlich fest, dass im Schuldenbereinigungsplanverfahren auch die Vorlage eines Nullplans oder eines Fast-Nullplans zulässig ist (BGH, aaO Rn 7), wobei – u. a. – der entgegenstehenden Entscheidung des OLG Bamberg (NZI 2010, 949 = MDR 2010, 1157 f. = RPfleger 2010, 672 ff.) ausdrücklich widersprochen worden ist. Auch in § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist Voraussetzung, dass “ eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eröffnungsantrag erfolglos versucht worden ist“. Daraus ist nahezu zwingend der Schluss zu ziehen, dass die Vorlage eines Nullplans oder eines Fast-Nullplans auch für das Entstehen der Gebühr nach Nr. 2504 VV – und bei 11 bis 15 Gläubigern wie hier der Nr. 2506 VV – ausreichend ist (ähnlich Knerr, ZinsO 2015, 208 f.). Wenn der Gesetzgeber als Voraussetzung der Entstehung der Gebühr von Nr. 2504 (und Nr. 2406) VV die Vorschrift von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO mehr oder weniger wortgleich übernimmt und auch ausdrücklich darauf Bezug nimmt, bedarf es eines explizit geäußerten Willens des Gesetzgebers, dass noch weitere Voraussetzungen hinzukommen sollten. Für ein unterschiedliches Verständnis finden sich aber im Gesetz keinerlei Anhaltspunkte (Knerr, aaO S. 209). Soweit das OLG Stuttgart (ZinsO 2015, 206 ff. = juris Rn 14) darauf abstellt, dass „eine Ausarbeitung“ erforderlich sei, „die wenigstens in einzelnen konzeptionellen Elementen das ernsthafte Bemühen erkennen lässt, eine Verhandlungsbasis für eine einvernehmliche Lösung anzubieten“ und sich dabei auf die Entscheidung des OLG Bamberg bezieht, hat der BGH diese Ansicht mit seiner Entscheidung ausdrücklich abgelehnt.

Mit diesem Verständnis gleichartiger Sachverhalte in Nr. 2504ff. VV einerseits und § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO andererseits wird der „Gleichklang“ zwischen (Insolvenz-) Verfahrensrecht und Anwalts – Gebührenrecht hergestellt (Hansens, RVGreport 2016, 2201, 221).

Eine Kostenentscheidung ergeht nicht. Das Verfahren über die Erinnerung ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).

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