OLG Köln, Urteil vom 29.06.2016 – 5 U 87/15

November 5, 2021

OLG Köln, Urteil vom 29.06.2016 – 5 U 87/15

Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das 17.04.2015 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen – 8 O 48/13 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 500,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.11.2006 zu zahlen.

Die Beklagten werden verurteilt, die Klägerin von Ansprüchen ihres Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt N wegen vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 93,42 EUR freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

Die Klägerin, Witwe und Alleinerbin des während des Berufungsverfahrens verstorbenen Klägers (im Folgenden: Erblasser), verfolgt im Wege der Teilklage Schadensersatzansprüche des Erblassers gegen die Beklagten mit der Begründung einer Verletzung anwaltlicher Pflichten aus einem Beratungsvertrag.

Der Erblasser wurde am 11.01.2005 im Universitätsklinikum B am Herzen operiert und befand sich dort anschließend noch einige Wochen in stationärer Behandlung. Am 17.01.2005 sollte der Erblasser sein Frühstück am Tisch einnehmen. Als er sich zum Essen hinsetzen wollte, rutschte die Sitzfläche des Stuhls nach vorne weg und der Erblasser schlug mit dem Kopf- und Nackenbereich auf den metallenen Querträger des Stuhls auf. Er wurde sofort nach dem Sturz im Universitätsklinikum B versorgt und untersucht. Es wurden Röntgenuntersuchungen des Schädels und der Halswirbelsäule, eine Spiralcomputertomographie der Halswirbelsäule und eine Computertomographie des Kopfes veranlasst. Die Ärzte diagnostizierten Prellungen des Kopfs und Nackens ohne Hinweis auf äußerliche Verletzungen oder Frakturen.

Einen Tag nach dem Sturz nahm der Erblasser einen sog. Schwankschwindel wahr. Zur Untersuchung der Symptomatik wurde im Januar und Februar 2005 umfangreiche Diagnostik betrieben. Eine erneute Computertomographie des Kopfes ergab keinen Anhalt für zerebrale Läsionen. HNO-ärztliche und ophthalmologische Untersuchungen erbrachten ebenfalls keinen Hinweis auf mögliche Ursachen des Schwindels. Eine neurologische Untersuchung hatte zum Ergebnis, dass die Schwindelsymptomatik am ehesten als milde vestibulozerebelläre Symptomatik im Rahmen einer möglichen Mikroembolie zu werten sei. Eine orthopädische Untersuchung zeigte degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule, die der Schwindelsymptomatik allerdings nicht sicher zuzuordnen war.

Der Erblasser beauftragte den Beklagten zu 1) – und später auch den Beklagten zu 2) – mit der Verfolgung seiner rechtlichen Interessen gegenüber dem Universitätsklinikum B. Der Beklagte zu 1) meldete mit Schreiben vom 30.12.2005 Ansprüche gegenüber dem Universitätsklinikum B an. Der Haftpflichtversicherer des Klinikums teilte mit Schreiben vom 06.03.2006 mit, dass grundsätzlich Bereitschaft bestehe, den Vorgang im Wege des Vergleichs zu regeln. Mit Schreiben vom 31.07.2006 bestätigte die Versicherung den Unfallhergang und teilte mit, dass man zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen Risikovergleich nicht ausschließe. Nach weiterer Korrespondenz bezifferte der Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 03.11.2006 die unfallbedingt entstandenen Schadensersatzansprüche mit einem Betrag von insgesamt 101.812,78 EUR, wovon auf materielle Schäden ein Gesamtbetrag von 61.812,78 EUR und auf ein Schmerzensgeld ein Betrag von 40.000 EUR entfallen sollte. Der Haftpflichtversicherer gab ein Gutachten bei Herrn Prof. Dr. med. N2 in Auftrag. Der Gutachter kam in seinem schriftlichen Gutachten vom 06.11.2006 zu dem Ergebnis, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Sturz und den Schwindelsymptomen des Klägers nicht nachzuweisen sei. Am ehesten seien die Haupterkrankung und die Herzoperation vom 11.01.2005 ursächlich für die Schwindelsymptomatik geworden. Es sei wissenschaftlich belegt, dass im Rahmen offener Herzoperationen Mikroembolien im Gehirn auftreten und zu kognitiven Störungen in minimalen neurologischen Ausfällen führen könnten. Die Beklagten setzten eine Regulierungsfrist bis zum 28.11.2006. Eine Zahlung erfolgte nicht.

In den folgenden Monaten und Jahren wandte sich der Erblasser immer wieder an die Beklagten, um diese über den Stand seiner Erkrankung und die durchgeführte Therapie zu informieren. Obwohl er mehrfach – auch telefonisch – um Mitteilung des Sachstands und um weitere Veranlassungen bat, erfolgte seitens der Beklagten keine Reaktion in der Sache. Erst mit Schreiben vom 10.05.2012 informierte der Beklagten zu 2) den Erblasser darüber, dass mögliche Ansprüche aus dem Unfallereignis aus dem Jahr 2005 bereits mit Ablauf des 31.12.2008 verjährt seien.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 10.12.2012 machte der Erblasser gegenüber den Beklagten Schadensersatz wegen Schlechtleistung aus dem anwaltlichen Beratungsvertrag geltend.

Der Erblasser hat behauptet, dass der bei ihm aufgetretene und anhaltende Schwankschwindel auf den Sturz im Klinikum zurückzuführen sei. Er sei seither in seiner Lebensqualität und in seinem Sozialleben eingeschränkt. In den Jahren 2009 bis 2012 habe er sich zur Therapie der Schwindelattacken mehrtägigen stationären Behandlungen unterziehen müssen. Er habe Angst, sich in seiner Wohnung alleine aufzuhalten, da infolge des Schwindels immer die Gefahr bestehe, zu stürzen. Seine optische Wahrnehmung habe sich massiv verschlechtert. Aus seinem sozialen Umfeld habe er sich gezwungenermaßen vollständig zurückziehen müssen. Auch könne er seinen Hobbies nicht mehr nachgehen. Er sei bei jeder Verrichtung des täglichen Lebens auf Unterstützung angewiesen. Insgesamt hätten die massiven Unfallfolgen eine Gemütsveränderung im Sinne einer depressiven Verstimmung zur Folge. Der Erblasser hat die Auffassung vertreten, die Beklagten hätten Ansprüche gegenüber dem Klinikum pflichtwidrig verjähren lassen. Zudem seien die Beklagten ihren Informationspflichten nicht ausreichend nachgekommen.

Der Erblasser hat mit Schriftsatz vom 01.2013, eingegangen bei Gericht am 04.12.2013, Klage gegen die Beklagten eingereicht, mit der er die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 40.000,- EUR und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt hat. Die als „Teil-Klage“ überschriebene Klageschrift ist den Beklagten am 28.02.2013 zugestellt worden. Die Höhe des Schadensersatzanspruches hat der Erblasser zunächst in das Ermessen des Gerichts gestellt. Nach gerichtlichem Hinweis hat er mit Schriftsatz vom 04.06.2013 klargestellt, dass die Klageforderung zu einem Anteil von 20.000,- EUR auf den Schmerzensgeldanspruch und in Höhe von weiteren 20.000,- EUR auf materielle Schadensersatzansprüche verrechnet werden solle. Seinen Vortrag hat er in der mündlichen Verhandlung vom 07.06.2013 weiter dahingehend konkretisiert, dass sich der Betrag, der auf die entgangenen materiellen Ansprüche entfalle, auf die materiellen Schadenspositionen 2, 3, 4 und 5 des vorgerichtlichen Schriftsatzes der Beklagten vom 03.11.2006 (Heilungskosten, Kostenersatz für eine Begleitperson bei Reha-Aufenthalt, Aufwandspauschale, Haushaltsführungsschaden) beziehe und zwar in der Reihenfolge, bis der Betrag von 20.000,- EU erreicht sei.

Der Erblasser hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 40.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 17.01.2005 zu zahlen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihn von den vorgerichtlichen Kosten seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 2.118,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Zustellung der Klageschrift freizustellen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben die Unzulässigkeit der Teilklage gerügt. Die Klage sei zudem auch unbegründet. Eine anwaltliche Pflichtverletzung liege nicht vor. Darüber hinaus fehle es an einem kausalen Schaden. Ein gerichtliches Vorgehen gegen das Universitätsklinikum hätte nicht erfolgreich sein können. Ein Zusammenhang zwischen dem Sturzereignis und der Schwindelsymptomatik sei nicht nachweisbar. Das Klinikum habe im Übrigen kein Verschulden getroffen, da das Inventar des Krankenhauses einer regelmäßigen Sichtprüfung und Wartung unterzogen worden sei. Mit dem Defekt des Stuhls habe sich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht. Dem Beklagten zu 1) könne daher allenfalls vorgeworfen werden, dass er dem Erblasser nicht ausdrücklich von einem Rechtsstreit abgeraten habe. Die Beklagten haben zudem die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens von Herrn Prof. Dr. G vom 05.04.2014 (Bl. 157 ff d. A.). Anschließend hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Beklagten anwaltliche Pflichten verletzt hätten. Denn der Erblasser habe jedenfalls nicht beweisen können, dass ein kausaler Schaden eingetreten sei. Das Sachverständigengutachten habe ergeben, dass die Schwindelsymptomatik nicht ursächlich auf den Sturz im Klinikum zurückzuführen sei. Das Ergebnis des Gutachtens decke sich mit zahlreichen vorangegangenen Untersuchungen des Erblassers durch Ärzte verschiedener Fachrichtungen. Keine dieser Untersuchungen hätten die bestehende Schwindelproblematik zwingend mit dem Sturz des Klägers in Zusammenhang bringen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin das ursprüngliche Klagebegehren des während des Prozesses verstorbenen Erblassers weiter. Sie ist der Auffassung, die Beklagten hätten anwaltliche Pflichten verletzt, indem sie den Erblasser nicht auf den Ablauf der Verjährungsfrist hingewiesen und vor Fristablauf keine Entscheidung über eine Klageerhebung eingeholt hätten. Auch wäre ein Hinweis auf die Beweissituation erforderlich gewesen. Erforderlichenfalls habe ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet werden müssen. Die Klägerin verweist darauf, dass das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs gegen das Universitätsklinikum B ursprünglich unstreitig gewesen sei. Die Beklagten hätten Schadensersatzansprüche gegenüber dem Haftpflichtversicherer geltend gemacht und ausgehend von einer Schadenshöhe von 101.812,78 EUR gegenüber dem Rechtsschutzversicherer des Erblassers abgerechnet. Dass die Beklagten in diesem Regressprozess nunmehr einen Schaden bestritten, stelle einen krassen Widerspruch zu ihrem früheren anwaltlichen Vorgehen dar. Die Beklagten müssten sich an ihrer früheren Einschätzung festhalten lassen, anderenfalls wären sie verpflichtet gewesen, den Erblasser über Zweifel an den anspruchsbegründenden Tatsachen zu informieren und auf eventuell fehlende Beweismittel hinzuweisen. Die Klägerin behauptet, im Falle eines rechtzeitigen Hinweises auf Lücken in der Beweisführung wäre es ein Leichtes gewesen, weitergehende Beweismittel zu beschaffen. Eine entsprechende fachärztliche Untersuchung hätte klare und medizinisch begründete Ergebnisse erbracht. Die Klägerin ist der Auffassung, die Versäumnisse der Beklagten führten zu einer Beweislastumkehr in Bezug auf die Schadenskausalität. Sie ist ferner der Ansicht, das Landgericht habe seine Entscheidung nicht auf das Gutachten von Prof. Dr. G stützen dürfen, der einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Sturz und dem aufgetretenen Schwankschwindel nicht habe feststellen können. Zum einen sei Prof. Dr. G befangen gewesen. Das Ablehnungsgesuch des Erblassers vom 30.05.2014 habe das Landgericht zu Unrecht zurückgewiesen. Zum anderen enthalte das Gutachten keine sachliche oder gar wissenschaftliche Begründung. Das Landgericht hätte die Ausführungen des Sachverständigen nicht ungeprüft und ohne eigene Bewertung übernehmen dürfen.

Die Klägerin beantragt,

1. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Aachen vom 17.04.2015 die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 40.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 17.01.2005 zu zahlen;

2. unter Abänderung des angefochtenen Urteils vom 17.04.2005 die Beklagten darüber hinaus als Gesamtschuldner zu verurteilen, sie von den vorgerichtlichen Kosten ihres Prozessbevollmächtigten in Höhe von 2.118,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Zustellung der Klageschrift freizustellen.

Die Beklagen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, die Teilklage sei bereits unzulässig. Jedenfalls sei die Klage aber unbegründet. Für einen Schadensersatzanspruch fehle es an der erforderlichen haftungsbegründenden Kausalität zwischen den gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der behaupteten ärztlichen Pflichtverletzung. Des Weiteren erheben die Beklagten die Einrede der Verjährung.

II.

Die Berufung hat nur zu einem geringen Teil Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die gesamtschuldnerisch haftenden Beklagten ein Zahlungsanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 1922 Abs. 1 BGB zu.

1.

Die Klage ist zulässig.

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Dabei ist der Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung gemäß § 322 ZPO zwischen den Parteien entschieden werden kann. Bei einer Teilleistungsklage, mit der mehrere selbständige Ansprüche geltend gemacht werden, bedarf es einer näheren Spezifizierung, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Ansprüche verteilen soll und in welcher Reihenfolge diese Ansprüche bis zu der geltend gemachten Gesamtsumme zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, nachdem der Erblasser mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 04.06.2013 und erneut in der mündlichen Verhandlung vom 07.06.2013 klargestellt hat, welche der geltend gemachten Beträge sich auf welche Schadenspositionen beziehen und in welcher Reihenfolge die Positionen zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klage auch nicht deswegen unzulässig, weil die Klägerin als Teil des materiellen Schadens ein Teilschmerzensgeld verlangt. Der Erblasser hat ein Schmerzensgeld von 40.000 EUR für angemessen gehalten und von diesem Schmerzensgeld einen Teilbetrag in Höhe von 20.000,- EUR gefordert. Die in dieser Weise erfolgte Beschränkung des Anspruchs unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Die Geltendmachung eines Teilbetrages widerspricht insbesondere nicht dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes, der es gebietet, die Höhe des dem geschädigten zustehenden Anspruchs aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes zu bemessen. (vgl. hierzu BGH NJW-RR 2006, 712 f, Tz. 7; NJW 2004, 1243 ff, Tz. 18 ff; NJW 1980, 2754 f., Tz. 9 f.). Die Klägerin beschränkt den Anspruch nicht etwa unzulässig auf einzelne Verletzungsfolgen, sondern macht ein umfassendes Schmerzensgeld und hiervon einen Teilbetrag geltend.

2.

Die Klage ist zu einem geringen Teil begründet und im Übrigen unbegründet.

a) Der Klägerin steht gegen die gesamtschuldnerisch haftenden Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 500,- EUR aus §§ 280 Abs. 1, 1922 Abs. 1 BGB zu.

aa) Die Beklagten haben eine sich aus dem mit dem Erblasser geschlossenen anwaltlichen Beratungsvertrag ergebende Pflicht verletzt. Sie haben es unterlassen, verjährungshemmende Schritte gegenüber dem Universitätsklinikum B einzuleiten, oder zumindest den Erblasser über die drohende Verjährung seines Schmerzensgeldanspruchs rechtzeitig in Kenntnis zu setzen.

bb) Dem Erblasser ist infolge des schuldhaften Unterlassens ein Schaden in Höhe von 500,- EUR entstanden.

aaa) In Bezug auf den haftungsausfüllenden Schaden ist zu fragen, wie sich die Vermögenslage des Erblassers bzw. der Klägerin im Falle eines pflichtgemäßen Verhaltens dargestellt hätte. Für das Vorliegen eines Schadens trägt die Klägerin die Beweislast. Ihr kommt die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute.

Einen erstattungsfähigen Schaden hat ein Mandant in der Regel dann erlitten, wenn er einen Prozess verloren hat, den er bei sachgemäßer anwaltlicher Vertretung gewonnen hätte. Bei dieser hypothetischen Beurteilung ist maßgeblich, wie der Vorprozess nach Auffassung des Gerichts, das mit dem Regressanspruch befasst ist, richtigerweise hätte entschieden werden müssen. Dabei ist von dem Sachverhalt auszugehen, der dem Gericht des Vorprozesses unterbreitet und von diesem aufgeklärt worden wäre. Die Beweislastregeln des Vorverfahrens gelten grundsätzlich auch für den Regressprozess (BGH, Urteil vom 09.12.2009, IV ZR 129/99, Tz. 39). Im vorliegenden Fall ist ein Prozess – aufgrund der eingetretenen Verjährung – erst gar nicht durchgeführt worden. Es ist daher zu fragen, ob eine vor Verjährungseintritt erhobene Klage Erfolg gehabt hätte.

bbb) Hätten die Beklagten es nicht unterlassen, verjährungshemmende Schritte einzuleiten, hätte der Erblasser mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einen Schmerzensgeldanspruch gegen das Universitätsklinikum durchsetzen können. Denn das Klinikum hat eine Verkehrssicherungspflicht verletzt und dadurch den Erblasser an der Gesundheit geschädigt. Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, rutschte die Sitzfläche des Stuhls, auf den sich der Erblasser am, 17.01.2005 während seines Krankenhausaufenthaltes bei der Einnahme seines Frühstücks gesetzt hatte, nach vorne weg, weil die Sitzfläche nicht fest mit dem Gestell verbunden war. Dabei schlug der Erblasser mit dem Kopf- und Nackenbereich auf den metallenen Querträger des Stuhls auf. Der defekte Zustand des Stuhls indiziert eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch das Klinikum. Es hatte sicher zu stellen, dass von dem Krankenhausinventar keine Gefahren für die Patienten ausgingen. Es musste dafür Sorge tragen, dass der Mangel des Stuhls erkannt und repariert wurde. Diese Verkehrssicherungspflicht traf das Klinikum in Form einer Organisationspflicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten hatte das Klinikum die Pflichtverletzung auch zu vertreten. Soweit die Beklagten behaupten, das Inventar des Klinikums habe einer regelmäßigen Sichtprüfung und Wartung unterlegen, hätte ein solches Vorbringen das Klinikum in einem Prozess nicht gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB entlastet. Da mehr dafür spricht, dass sich die Ablösung zuvor über geraume Zeit durch eine Lockerung der Befestigungen angekündigt hatte, als dass sich die Sitzfläche plötzlich und unvermittelt abgelöst hat, wäre bei regelmäßig und sorgfältig durchgeführten Kontrollen ein derart eklatanter Mangel des Stuhls wahrscheinlich bemerkt worden. Um sich erfolgreich entlasten zu können, hätte das Universitätsklinikum daher darlegen müssen, auf welche Weise und in welchen Abständen Kontrollen durchgeführt worden waren und warum der Defekt des Stuhls trotz dieser Kontrollen nicht erkennbar gewesen war. Dass sich das Klinikum auf solche Umstände erfolgreich hätten berufen können, haben die Beklagten nicht vorgetragen.

ccc) Durch den Sturz hatte der Erblasser jedenfalls einen Gesundheitsschaden in Form von Prellungen des Kopfes und des Nackens davon getragen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Erblasser nach der zuvor erfolgten Herzoperation ohnehin bereits gesundheitlich angeschlagen und labil war und durch den Sturz weitere, nicht unerhebliche Schmerzen und Beschwerden erleiden musste, hätte der Erblasser ein Schmerzensgeld in Höhe von 500,- EUR erfolgreich einklagen können.

ddd) Ein höheres Schmerzensgeld hätte der Erblasser hingegen nicht gerichtlich durchsetzen können, denn den Beweis eines Kausalzusammenhanges zwischen dem Sturzereignis und der nachfolgend aufgetretenen Schwindelsymptomatik hätte der Erblasser mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht führen können. Die Klägerin behauptet zwar, dass der bei dem Erblasser aufgetretenen sog. Schwankschwindel auf den Sturz zurückzuführen gewesen sei. Dieser Beweis ist der Klägerin in diesem Prozess jedoch nicht gelungen und es ist auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass dem Erblasser der Beweis in einem gegen das Klinikum geführten Prozess gelungen wäre. Der Sachverständige Prof. Dr. G hat einen Kausalzusammenhang zwischen dem Auftreten des Schwindels und dem Sturz nicht feststellen können. Zu diesem Ergebnis ist der Sachverständige nach persönlicher Untersuchung des Erblassers sowie nach Auswertung der ihm zur Verfügung gestellten Behandlungsunterlagen gelangt, die anlässlich mehrerer Untersuchungen durch verschiedene Fachärzte angefertigt worden sind. Weder der Inhalt dieser Behandlungsunterlagen noch die eigenen neurologischen und elektrophysiologischen Untersuchungen haben für den Sachverständigen Hinweise auf einen Kausalzusammenhang ergeben. Substanzielle Einwände gegen dieses Gutachten hat die Klägerin nicht vorgebracht. Ihr Argument, das Gutachten enthalte keine sachliche oder wissenschaftliche Begründung, greift nicht durch. Der Sachverständige war mit der Beantwortung der Frage beauftragt, ob der am 18.01.2005 aufgetretene und andauernde Schwindel des Erblassers auf den streitgegenständlichen Sturz am 17.01.2005 zurückzuführen ist. Einen solchen Kausalzusammenhang hat der Sachverständige nach gründlicher Auswertung der Behandlungsunterlagen und Untersuchung des Erblassers nicht herstellen können und er hat dies in nicht zu beanstandender, knapper Form schriftlich begründet. Mit der Beantwortung der Frage nach sonstigen möglichen Ursachen des Schwindels, insbesondere der Frage, ob der Schwindel möglicherweise auf einer durch die vorangegangene Herzoperation ausgelöste Mikroembolie beruhte, wofür nach dem Ergebnis des Gutachtens von Prof. Dr. N2 einiges sprechen könnte, war der Sachverständige nicht beauftragt. Da es allein um die Frage ging, ob der Sturz nachweislich ursächlich war, war eine Auseinandersetzung mit möglichen anderen Ursachen auch nicht veranlasst.

Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, das Gutachten könne nicht Grundlage einer Entscheidung sein, weil der Sachverständige befangen gewesen sei, ist eine Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen schon aufgrund von § 512 i.V.m. § 406 Abs. 5 ZPO nicht veranlasst. Der Einwand einer Befangenheit des Sachverständigen Prof. Dr. G greift aber auch in der Sache nicht durch. Der Senat hält an seiner Entscheidung vom 24.10.2014 fest, mit der er die sofortige Beschwerde des Erblassers gegen den das Befangenheitsgesuch des Erblassers zurückweisenden Beschluss zurückgewiesen hat.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Sturzereignis und dem Schwindel auch nicht deswegen als feststehend anzunehmen, weil die Beklagten außergerichtlich Schadensersatzansprüche im Namen des Erblassers gegenüber dem Universitätsklinikum B geltend gemacht haben. Mit der Anmeldung von Ansprüchen sind die Beklagten ausschließlich ihrer anwaltlichen Pflicht, die rechtlichen Interessen des Erblassers zu vertreten, nachgekommen. Dem Handeln der Beklagten kann keine Erklärung mit dem Inhalt beigemessen werden, dass sie gegenüber dem Erblasser die Schadenskausalität im Hinblick auf mögliche Regressansprüche rechtsverbindlich anerkennen wollten. Und auch aus dem Umstand, dass die Beklagten ihre anwaltliche Honorarforderung an der geltend gemachten Schadenshöhe bemessen haben, kann die Klägerin weder hinsichtlich der Schadenskausalität noch in Bezug auf die ebenfalls streitige Schadenshöhe irgendetwas Günstiges für sich herleiten.

Der Klägerin kommt entgegen der von ihr vertretenen Auffassung keine Beweislastumkehr hinsichtlich der Schadenskausalität aufgrund des Umstandes zugute, dass die Beklagten es versäumt hätten, rechtzeitig Beweise zu sichern. Ihr Einwand geht bereits aus tatsächlichen Gründen fehl, denn weder ist ein durch Zeitablauf begründetes Beweisdefizit erkennbar, noch ist ein Versäumnis darin zu sehen, dass nicht zu einem früheren Zeitpunkt Befunde über den Gesundheitszustand des Erblassers eingeholt wurden. Das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. G enthält keine Hinweise darauf, dass die medizinische Beurteilung des Zustandes des Erblassers aufgrund des seit dem Sturzereignis vergangenen Zeitraumes nicht oder auch nur schlechter möglich gewesen sei. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Erblasser unmittelbar nach dem Sturz sowie in der darauf folgenden Zeit von zahlreichen Ärzten verschiedener Fachrichtungen umfassend untersucht worden ist und die Ergebnisse der Untersuchungen dokumentiert worden sind. Dass darüber hinaus noch weitere ärztliche Untersuchungen veranlasst gewesen wären oder dass ein möglicherweise beauftragter Privatgutachter zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Darüber hinaus kommt eine Beweislastumkehr aber auch aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht. Die für den Arzthaftungsprozess entwickelten und für die vertragliche Haftung nunmehr in § 630h kodifizierten Grundsätze der Beweislastumkehr sind auf die Besonderheiten der ärztlichen Behandlung abgestellt und auf Verträge mit rechtlichen Beratern grundsätzlich nicht anwendbar (vgl. Vollkommer/Greger, Heinemann, Anwaltshaftung, 4. Auflage, S. 292).

eee) Den Schmerzensgeldanspruch, der dem Erblasser aufgrund der sturzbedingten Prellungen im Kopf- und Nackenbereich gegen das Universitätsklinikum B zustand, haben die Beklagten pflichtwidrig verjähren lassen.

Der Anspruch des Erblassers unterlag der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB. Die Verjährungsfrist war zwar aufgrund der Verhandlungen zwischen dem Erblasser und dem Haftpflichtversicherer des Universitätsklinikums B zwischenzeitlich dadurch gemäß § 203 BGB gehemmt, dass der Haftpflichtversicherer des Universitätsklinikums B Vergleichsbereitschaft angezeigt. Nachdem die Regulierungsfrist am 28.11.2006 abgelaufen war, trat mit Ablauf des Jahres 2009 Verjährung ein.

Soweit die Beklagten die Auffassung vertreten haben, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sei im „4. Quartal 2010“ verpflichtet gewesen, die Frage der Verjährung zu prüfen, haben sie nicht schlüssig dargelegt, dass der nach Aktenlage erst im Oktober 2012 tätig gewordene Prozessbevollmächtigte einen Anspruch gegen das Universitätsklinikum B noch erfolgreich hätte geltend machen können.

cc) Die Schadensersatzforderung der Klägerin gegen die Beklagten ist nicht verjährt. Der Anspruch des Mandanten gegen seinen Rechtsanwalt unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist, § 195 BGB. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt gemäß 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Tatsachen erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Der Schadensersatzanspruch aus einer Beratungspflichtverletzung entsteht, sobald sich die Vermögenslage des Betroffenen objektiv verschlechtert. Hat ein Rechtsanwalt einen Anspruch gegen einen Dritten verjähren lassen, entsteht der Schaden mit der Vollendung der Verjährung (BGH NJW 1994, 2822; NJW 2000, 2661 f.; NJW 2001, 3543). Obwohl der gegenüber dem Universitätsklinikum bestehende Schmerzensgeldanspruch Ende des Jahres 2009 verjährte, trat Verjährung vorliegend nicht bereits mit Ablauf des Jahres 2012 ein. Denn der Erblasser hatte erstmals durch das Schreiben des Beklagten zu 2) vom 10.05.2012 von der Verjährung seiner Ansprüche erfahren. Für eine frühere Kenntnis des Erblassers fehlt es an jeglichem Vortrag. Die dreijährige Verjährungsfrist begann daher erst am 31.12.2012. Durch Erhebung der Klage im Jahr 2013 ist die Verjährung rechtzeitig gehemmt worden, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

dd) Die Klägerin kann neben einem Schmerzensgeld entgangene Verzugszinsen als materiellen Schaden geltend machen. Das Universitätsklinikum B kam mit Ablauf der dem Haftpflichtversicherer auf den 28.11.2006 gesetzten Regulierungsfrist in Verzug. Dem Erblasser standen demnach Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe ab dem 29.11.2006 zu.

ee)

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach einem Gegenstandswert von 500,- EUR. Diese Kosten belaufen sich bei Berechnung einer 1,3 Geschäftsgebühr zuzüglich einer Telekommunikationspauschale und gesetzlicher Mehrwertsteuer auf einen Betrag in Höhe von 93,42 EUR.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Es liegt insbesondere keine klärungsbedürftige Rechtsfrage vor, zu der in Rechtsprechung oder Schrifttum unterschiedliche Meinungen vertreten werden.

Berufungsstreitwert: 40.000,- EUR

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