OLG Köln, Beschluss vom 06.06.2016 – 19 W 9/16

November 6, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 06.06.2016 – 19 W 9/16

Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Streitwertbeschluss der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn vom 21.04.2016 (31 O 36/15) in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 23.05.2016 (31 O 36/15) wird als unzulässig verworfen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe
Die namens und im Auftrag des Klägers eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss vom 21.04.2016 ist bereits unzulässig und daher zu verwerfen. Der Kläger ist durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert. Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich trägt die gesamten Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs die Beklagte. Bei dieser Sachlage können ausschließlich die Prozessbevollmächtigten beider Seiten ein Interesse an einem höheren Streitwert haben. Ein Interesse des Klägers selbst an der begehrten Heraufsetzung des Streitwerts ist nicht ersichtlich, so dass das Rechtsmittel zu verwerfen ist (vgl. BGH, JurBüro 1986, 1027; OLG Koblenz, Beschluss vom 06.03.2002 – 5 W 100/02 – nach juris; Zimmermann in Binz/Dörndorfer, GKG, 3. Aufl., § 68 Rn. 16).

Unabhängig hiervon hätte aber auch eine Beschwerde seitens des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Streitwert für den Vergleich zu Recht auf nicht mehr als insgesamt 33.668,60 € festgesetzt. Zur Begründung kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss verwiesen werden. Das Beschwerdevorbringen des Klägers veranlasst keine abweichende Entscheidung.

Gemäß § 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG wird der Streitwert von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt. Dabei ist grundsätzlich das Interesse des Klägers für die Wertberechnung entscheidend (vergleiche Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 3 Rn. 6; Herget in Zöller, 30. Aufl., § 3 Rn. 2). Dieses ist in vermögensrechtlichen Streitigkeiten nach objektiven Gesichtspunkten regelmäßig nach dem wirtschaftlichen Wert des Streitgegenstands zu bestimmen (vergleiche Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 3 Rn. 8 f.). Maßgeblich für den Streitwert eines Vergleichs ist der Wert sämtlicher Ansprüche, die in den Vergleich einbezogen worden sind. Der Vergleichsbetrag allein ist nicht entscheidend, sondern die Frage, welcher Streit über welche Ungewissheit der Parteien beigelegt worden ist (vergleiche OLG Saarbrücken, MDR 2005,179). Werden auch nicht rechtshängige Ansprüche geregelt, führt allein dies zwar regelmäßig, aber nicht zwangsläufig zur Werterhöhung. Nur selbstständige und zwischen den Parteien auch tatsächlich in Streit stehende Ansprüche sind, sofern sie vergleichsweise im Sinne gegenseitigen Nachgebens erledigt werden, hinzu zu addieren. Enthält ein Prozessvergleich eine generelle Abgeltungsklausel, so ist deren Bedeutung im Einzelfall zu berücksichtigen. Wird ein Rechtsverhältnis nur deklaratorisch behandelt, wirkt sich dies auf den Vergleichswert nicht erhöhend aus; etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteien einen besonderen Vollstreckungstitel auch für diesen Punkt schaffen wollten (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 28.06.2011 – 5 W 142/11 – nach juris; Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. KV 1900 Rn. 11; Kurpat in Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 14. Aufl., Rn. 5502). Werden nicht rechtshängige Forderungen einbezogen, die mit Rücksicht auf zweifelhafte Realisierungsmöglichkeiten gar nicht erst eingeklagt worden sind, ist ihr wirtschaftlicher Wert abzuschätzen, wobei zu berücksichtigen ist, inwieweit mit einer Befriedigung zu rechnen gewesen wäre. Der Vergleichswert erhöht sich nur um den (Teil-) Betrag, der bei summarischer Prüfung durchsetzbar erscheint (vergleiche OLG Saarbrücken, a.a.O.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.10.1980 – 5 U 124/79; Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.06.1964 – 5 Sa 366/63 – jeweils nach juris; Kurpat in Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 14. Aufl., Rn. 5526 f.).

Nach diesen Grundsätzen bleiben hinsichtlich Ziff. 2 des Vergleiches vom 25.11.2015 über den Betrag von 15.053,44 € (Mehrwert des Vergleichs zu Ziff. 2) hinausgehende Beträge entgegen der Ansicht des Klägers bzw. seiner Prozessbevollmächtigten außer Betracht.

Soweit im Schreiben vom 29.04.2015 seitens der Beklagten – pauschal und unsubstantiiert – eine Gegenposition i.H.v. 103.026 € in den Raum gestellt worden ist, hat die Beklagte schon im Schreiben selbst angekündigt, trotz dieser in den Ausgleichsanspruch überschreitender Höhe eine Zahlung auf den Ausgleichsanspruch leisten zu wollen, entsprechend hat sie bei ihrer Zahlung vom 24.06.2015 nur einen Abzug i.H.v. 17.972,56 € auf den Ausgleichsanspruch vorgenommen und im Rechtsstreit auch nur eine Gegenforderung i.H.v. 33.026,00 € geltend gemacht, woraus sich schon ergibt, dass die Beklagte selbst davon ausging, dass diese Forderung nicht in voller Höhe werthaltig war. Eine weitere Korrespondenz zu diesen völlig unspezifiziert gebliebenen Ansprüchen ist nicht vorgetragen oder sonst erkennbar. Der Senat ist mit dem Landgericht der Auffassung, dass über diese Ansprüche nicht ernstlich gestritten wurde. Der wirtschaftliche Wert der bei summarischer Betrachtung offenbar nicht durchsetzbaren und tatsächlich auch nicht weiterverfolgten Gegenansprüche geht über die im Streitwert bereits berücksichtigten 33.026 € – davon 17.972,56 € im Wege der Hauptaufrechnung und 15.053,44 € als Mehrwert zu Ziff. 2 des Vergleichs – jedenfalls nicht hinaus. Das ergibt sich ohne weiteres schon aus dem Vergleichsabschluss selbst. Soweit der Kläger darauf verweist, dass nach § 779 BGB durch einen Vergleich ein Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird, ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger im am 25.11.2015 geschlossenen Vergleich in der Hauptsache auf knapp 2.000 € (16.000 € anstelle der beantragten 17.972,56 €) sowie einen Teil seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (896,25 € – insoweit ist im Kostenfestsetzungsverfahren keine Anrechnung nach § 15 a RVG i.V.m. Vorb. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG erfolgt), und damit auf knapp 3.000 € verzichtet hat. Dass die geschäftlich nicht unerfahrene und anwaltlich beratene Beklagte ihrerseits auf Forderungen mit einem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert von deutlich über dem Zehnfachen des Nachgebens des Klägers verzichtet hätte, hält der Senat für ausgeschlossen.

Zu Recht ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass Ziff. 3 des Vergleichs keinen bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigenden, eigenständigen Mehrwert hat. Insoweit trifft die Argumentation des Landgerichts zu, dass nicht dargetan ist, inwieweit die OHG der Beklagten gegenüber über den Betrag von 33.026 € hinausgehend haften sollte. Insoweit kann auf die bisherigen Ausführungen verwiesen werden. In diesem Zusammenhang verfängt das Argument der Beschwerde, dass die OHG für die Beklagte ein zusätzliches Haftungsobjekt gewesen sei, nicht, da auch dann, wenn Forderungen gegen zwei Schuldner tatsächlich eingeklagt werden, bei einer Verurteilung von Beklagten als Gesamtschuldner der Streitwert nicht verdoppelt wird. Abgesehen davon vermag der Senat nicht zu erkennen, dass überhaupt Ansprüche gegenüber der OHG ernsthaft zwischen den Parteien in Streit gestanden hätten. Auch wenn in der Betreffzeile des Schreibens vom 29.04.2015 „FTC W u.a.“ angegeben ist, stellt der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in dem Schreiben selbst lediglich auf Verstöße des Klägers gegen Regelungen des zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossenen Handelsvertretervertrags bzw. Verstöße gegen §§ 86, 90 HGB und damit Pflichten des Klägers als für sie tätigen Handelsvertreter ab. Der Senat vermag dem Schreiben nicht zu entnehmen, dass sich die Beklagte auch Ansprüchen gegenüber der OHG berühmt hätte. Gleiches gilt im Hinblick auf Seite 5-8 (Bl. 18-21 GA) der Klageerwiderung. Auch wenn die Beklagte behauptet, dass die OHG unlautere Werbung betrieben und auch Bestandskunden abgeworben habe, macht sie einen entsprechenden Schadensersatzanspruch nur gegenüber dem Kläger geltend und leitet diesen lediglich aus dem Handelsvertretervertrag ab.

Alleine aufgrund des Umstands, dass Ziff. 3 überhaupt in den Vergleich aufgenommen worden ist, kommt dieser Reglung noch kein eigenständiger Wert zu. Denn ein eigener Wert ist dann nicht anzusetzen, wenn die Aufnahme in den Prozessvergleich nicht zur Regelung oder Gestaltung von Rechtsbeziehungen erfolgt, sondern wenn Rechtsbeziehungen lediglich um der Klarstellung willen in den Vergleichstext einbezogen werden (vgl. OLG Köln, NJW-RR 1999, 1303).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 06.03.2002 – 5 W 100/02 – nach juris; noch weitergehender OLG Frankfurt, NJW-RR 2012, 1022 sowie Zimmermann in Binz/Dörndorfer, GKG, 3. Aufl., § 68 Rn. 26).

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