OLG Köln, Beschluss vom 04.05.2016 – 20 W 44/15

November 7, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 04.05.2016 – 20 W 44/15

Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts Bonn vom 28. Mai 2015 – 9 O 161/14 – aufgehoben.

Dem Kläger wird für die erste Instanz ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt W in L bewilligt zur gerichtlichen Verfolgung des Klageantrags zu 11. gemäß Schriftsatz vom 10. Oktober 2014 (in der Fassung des Schriftsatzes vom 16. Dezember 2014) sowie des Klageantrags zu 12. gemäß Schriftsatz vom 16. Dezember 2014.

Gründe
Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet. Das Landgericht hat seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, soweit es die Anträge zu 11. und 12. angeht, zu Unrecht zurückgewiesen.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand hinreichende Aussicht auf Erfolg. Sie scheitert entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht daran, dass der Kläger zu seinem in gesunden Tagen ausgeübten Beruf nicht hinreichend substantiiert vorgetragen hat.

Im Ausgangspunkt zutreffend führt das Landgericht an, dass derjenige, der Leistungen aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung verfolgt, substantiiert vortragen muss, wie seine berufliche Tätigkeit in gesunden Tagen ausgestaltet war. Dazu genügt die Angabe eines bloßen Berufstyps und die Angabe der Arbeitszeit nicht. Vielmehr müssen die im Rahmen der beruflichen Tätigkeit anfallenden Arbeiten ihrer Art, ihrem Umfang und ihrer Häufigkeit nach nachvollziehbar beschrieben werden (BGH, NJW-RR 1996, 345; OLG Köln- 20. Zivilsenat -, Urt. v. 3. Juni 2011 – 20 U 168/10 – und Hinweisbeschl. v. 18. Februar 2010 – 20 U 133/09 -; OLG Köln – 5. Zivilsenat -, VersR 2009, 667). Die Anforderungen an den insoweit erforderlichen Sachvortrag dürfen indes nicht überspannt werden (vgl. BGH, VersR 2010, 1206; OLG Köln – 20 Zivilsenat -, Urt. v. 3. Juni 2011 – 20 U 168/10 – und Urt. v. 10. Februar 2012 – 20 U 94/11 -). Es darf nicht aus dem Blick geraten, dass die Klärung des Berufsbilds vornehmlich den Zweck verfolgt, dem Sachverständigen die notwendigen tatsächlichen Vorgaben zur medizinischen Beurteilung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit an die Hand zu geben. Steht – was in aller Regel unstreitig sein wird – fest, dass der Versicherte überhaupt einer Berufstätigkeit nachgegangen ist, darf ihm der Zugang zu den versicherten Leistungen nicht durch übersteigerte Anforderungen an die Pflicht zur substantiierten Darlegung seiner Berufstätigkeit unzumutbar erschwert werden. Die Abweisung einer Klage auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung bzw. die Verweigerung der Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine solche Klage wegen nicht hinreichend substantiierter Darstellung der Berufstätigkeit muss auf solche Fälle beschränkt bleiben, in denen trotz eingehender, ggf. wiederholter gerichtlicher Hinweise (§ 139 ZPO) das Berufsbild unklar und widersprüchlich bleibt (vgl. den FallOLG Köln – 5. Zivilsenat -, VersR 2009, 667).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die angefochtene Entscheidung fehlerhaft. Das Landgericht hat die Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers deutlich überspannt. Seine in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit hatte der Kläger im Schriftsatz vom 16. Dezember 2014 unter Darlegung fehlender Umorganisationsmöglichkeiten (GA 363 ff. mit Anlage K 24) und ergänzend mit Blick auf die vom Landgericht im angefochtenen Beschluss angeführten Bedenken gegen die Schlüssigkeit des Vortrags in der Beschwerdebegründung vom 14. Juli 2015 (GA 419 ff.) sowie weiter mit Schriftsatz vom 27. August 2015 (GA 426 ff. mit Anlage K 25) eingehend beschrieben. Dieser Vortrag reicht erkennbar aus, um sich einen ausreichenden Überblick über die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit zu verschaffen; eventuell noch klärungsbedürftige Einzelheiten wären im Rahmen der im Hauptsacheverfahren durchzuführenden Beweisaufnahme zu erörtern. Der Kläger hat jedenfalls mit den Ausführungen in der Anlage K 25 auch ausreichend erläutert, inwieweit die Krankheiten, die zur Berufsunfähigkeit geführt haben sollen, sich auf den beruflichen Alltag auswirken. Er hat zudem zu Recht auf das in dem Rechtsstreit 9 O 406/12 LG Bonn zur Frage der Arbeits- und Berufsunfähigkeit im Rahmen einer Krankentagegeldversicherung vorgelegte Gutachten des Sachverständigen Dr. T vom 28. März 2014 (Anlage K 21) verwiesen, in dem das Krankheitsbild eingehend dargelegt worden ist. Mindestens auf der Grundlage des zusätzlichen Vorbringens im Beschwerderechtszug ist das Berufsbild hinreichend dargelegt, so dass dem Kläger Prozesskostenhilfe nicht verweigert werden darf.

Die mit der beabsichtigten Klage verfolgten Leistungsansprüche sind entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht verjährt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 7. März 2016 die Einrede der Verjährung erhoben und hierzu die Auffassung vertreten, das Stammrecht sei verjährt; die Ansprüche seien mit dem unter dem 28. Juli 2009 erklärten Rücktritt fällig geworden, so dass Verjährung mit Ablauf des 31. Dezember 2012 eingetreten sei. Das trifft nicht zu. Die Beklagte hat Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht mit dem Schreiben vom 28. Juli 2009 abgelehnt; im letzten Absatz dieses Schreibens heißt es vielmehr ausdrücklich, die Beklagte werde, sobald ihr alle erforderlichen Auskünfte vorlägen, die Entscheidung über den Rücktritt überprüfen und diese begründen oder zurücknehmen und zu dem vom Kläger gestellten Leistungsantrag Stellung nehmen (Anlage K 2; GA 36). Der Rücktritt als solcher stellt mithin schon nach dem Inhalt des Schreibens keine Verweigerung der Leistung dar, was die Beklagte nicht zuletzt mit Blick auf die Regelung in § 21 VVG ausdrücklich hätte erklären müssen. Eine die Fälligkeit herbeiführende ernsthafte und endgültige Verweigerung von Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung kann nicht einmal in dem klageerwidernden Schriftsatz der Beklagten vom 27. Februar 2014 gesehen werden, weil die Beklagte unter Ziffer III. dieses Schriftsatzes (GA 193 f.) keine Leistungsablehnung erklärt, sondern sich alleine darauf beruft, der Kläger sei bislang seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Soweit sie sich in diesem Schriftsatz auf Leistungsfreiheit gemäß § 12 der BU-Bedingungen wegen bis Dezember 2011 fehlender Mitwirkung des Klägers (gemäß § 5 der Tarifbedingungen, GA 27) beruft, fehlt es an einer substantiierten Darlegung der Beklagten, dass der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. Im Übrigen dienten die Rückfragen der Beklagten gemäß den Schreiben Anlage B 21 bis B 25 nicht der Leistungsprüfung, sondern der Klärung der Frage, ob der Rücktritt berechtigt erfolgt ist oder nicht; zudem ist rechtlich umstritten, inwieweit dem Versicherungsnehmer insoweit überhaupt eine Mitwirkung obliegt (vgl. KG, VersR 2014, 1191; Egger, VersR 2016, 557).

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