OLG Köln, Beschluss vom 21.01.2016 – 5 U 120/15

November 12, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 21.01.2016 – 5 U 120/15

Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 24.06.2015 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 25 O 120/15 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).

Gründe
I.

Die Berufung ist zulässig, hat aber offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

1.)

Die Berufung ist entgegen der in der Berufungserwiderung vertretenen Rechtsauffassung zulässig. Die Berufungsbegründung entspricht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO, denn sie lässt erkennen, auf welchen nach § 513 ZPO zulässigen Berufungsgrund die Berufung gestützt wird. Die Klägerin rügt unter anderem, der Sachverständige Prof. Dr. T habe sich nicht mit ihrem Sachvortrag auseinandergesetzt, nach dem sie den Beklagten am 12.01.2009 unter anderem auch wegen unerträglicher Schmerzen in der rechten Hüfte aufgesucht habe. Sie behauptet damit konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der auf dem Gutachten von Prof. Dr. T beruhenden Tatsachenfeststellungen des Landgerichts begründen könnten. Ob die Ausführungen in der Berufungsbegründung schlüssig sind, ist unerheblich, denn weder Schlüssigkeit noch auch nur Vertretbarkeit der Begründung sind Zulässigkeitsvoraussetzung (vgl. Zöller-Heßler, 31. Auflage, § 520 ZPO, Rz. 34 mit Hinweisen auf die Rspr.).

2.)

Die Berufung hat jedoch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO). Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Klage abgewiesen, denn die Klägerin hat einen schadensursächlichen Behandlungsfehler nicht bewiesen.

Der Sachverständige Prof. Dr. T ist in einer auch den Senat überzeugenden Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Beklagten keine Behandlungsfehler vorzuwerfen sind. Er hat dies damit begründet, dass eine Indikation zur Implantation einer Hüft-TEP im Januar 2009 noch nicht bestanden habe, da zu diesem Zeitpunkt klinische Befunde gefehlt hätten, die eine Operation notwendig gemacht hätten. Zwar sei aus den am 12.01.2009 angefertigten Röntgenaufnahmen eine fortgeschrittene Koxarthrose rechts zu erkennen gewesen. Eine alleinige radiologische Feststellung einer Koxarthrose begründe jedoch keine Indikation zur Implantation eines künstlichen Hüftgelenks ableiten. Diese ergebe sich hauptsächlich durch die Patientenanamnese mit eingeschränkter Lebensqualität, erheblichen Funktionsbeeinträchtigungen sowie durch entsprechend eindrückliche klinische Untersuchungsergebnisse mit einer Bewegungseinschränkung, Bewegungsschmerzhaftigkeit und Gangbehinderung. In der ärztlichen Dokumentation vom 12.01.2009 seien indes keine klinischen Zeichen der fortgeschrittenen Koxarthrose rechts dokumentiert worden. Weitere Befunderhebungen, insbesondere regelmäßige Röntgenverlaufskontrollen seien nicht notwendig gewesen. Solche wären aufgrund der Röntgenstrahlenbelastung nur bei entsprechender klinischer Symptomatik mit entsprechender Schmerzhaftigkeit und einer positiven Anamnese geboten gewesen.

Diesen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen hat die Klägerin auch mit der Berufungsbegründung keine durchgreifenden Argumente entgegen gebracht:

a) Die Klägerin geht zunächst fehl in der Annahme, der Sachverständige habe den Beklagten zu einer umfangreichen Aufklärung und Diskussion über die Möglichkeit einer Implantation verpflichtet gehalten. Der Sachverständige Prof. Dr. T hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 01.09.2014 (dort Seite 37) ausgeführt, die Indikation zur Implantation eines Kunstgelenks bedürfe sehr strenger Indikation und solle nur nach umfangreicher Aufklärung und Diskussion mit dem Patienten bei korrelierenden röntgenologischen Befunden, klinischen Befunden und einer entsprechenden Anamnese des Patienten gestellt werden. Der Sachverständige hat damit das Erfordernis einer Aufklärung und Diskussion mit dem Patienten über die Notwendigkeit einer Operation von dem Vorliegen entsprechender klinischer Befunde abhängig gemacht. An solchen Befunden fehlte es hier allerdings, jedenfalls sind sie nicht bewiesen.

Zu Unrecht rügt die Klägerin in diesem Zusammenhang, der Sachverständige habe seiner Begutachtung ausschließlich den Sachvortrag des Beklagten zugrunde gelegt und ihr Vorbringen unberücksichtigt gelassen, nach dem sie bei der Untersuchung am 12.01.2009 unerträgliche Schmerzen in der rechten Hüfte gehabt habe. Der Beklagte hat diesen Vortrag bestritten. Beweis hat die Klägerin für ihre Behauptung nicht angetreten. Das Landgericht hat dem Sachverständigen daher zu Recht im Beweisbeschluss aufgegeben, die Beweisfragen ausgehend von den Krankenunterlagen zu beantworten. Der Sachverständige hat sich hinsichtlich der Frage des am 12.01.2009 erhobenen klinischen Befundes zu Recht an der Behandlungsdokumentation orientiert. Dieser ist grundsätzlich Glauben zu schenken, soweit sich kein Anhalt für Veränderungen, Verfälschungen oder Widersprüchlichkeiten bietet. Solche sind hier nicht konkret vorgetragen, und sie sind auch nicht ersichtlich. Ausgehend von den Behandlungsunterlagen spricht zwar einiges dafür, dass die Klägerin bei der Untersuchung am 12.01.2009 Schmerzen geschildert hat, denn ansonsten wäre die Verordnung von Schmerzmitteln nicht verständlich. Dass es aber starke, unerträgliche Schmerzen in der rechten Hüfte waren, über die Klägerin berichtete, lässt sich der Dokumentation nicht entnehmen. Gegen diese Annahme spricht vielmehr der Eintrag, es habe kein Rotationsschmerz der Hüftgelenke vorgelegen. Dies deutet darauf hin, dass der Beklagte die Rotation der Hüftgelenke überprüft und dabei keine Schmerzen festgestellt hat, also insgesamt keine wesentlichen Schmerzen vorgelegen haben. Die Verordnung von Schmerzmitteln mag auf der Äußerung von (etwa belastungsabhängigen) Schmerzen beruht haben. Der für die Indikation maßgebliche klinische Befund hat nach der Behandlungsdokumentation hingegen keine Schmerzsymptomatik gezeigt.

Die Frage, aus welchem Grund sich die Klägerin bei – nach ihrem Vorbringen – anhaltenden starken Schmerzen nicht erneut bei dem Beklagten vorstellte, sondern sich erst im November 2009 in die Behandlung des Orthopäden Dr. Q begab, und ob der zwischen Januar und November 2009 liegende Zeitraum gegen die Annahme spricht, die Klägerin habe starke, unerträgliche Schmerzen in der Hüfte gehabt, kann offen bleiben. Denn nicht der Beklagte muss beweisen, dass die Klägerin im Januar 2009 keine starken Schmerzen hatte, sondern die Klägerin muss den Beweis führen, dass eine wesentliche Schmerzsymptomatik vorlag.

b) Soweit die Klägerin geltend macht, es habe die Behandlungsalternative bestanden, den Eingriff zu verschieben, ist dieser Einwand nicht verständlich. Sollte mit dem „Verschieben“ des Eingriffs eine frühzeitigere Implantation der Hüft-TEP gemeint sein, stehen dem die Ausführungen des Sachverständigen entgegen. Dieser hat nachvollziehbar erläutert, dass eine abwartende Behandlung richtig gewesen sei und eine Indikation zur Operation, bei der es sich um einen großen Eingriff mit möglichen Komplikationen handele, sehr sorgfältig und nur bei Vorliegen entsprechender klinischer Symptomatik gestellt werden dürfe.

c) Zu Unrecht wendet die Klägerin ein, der Sachverständige Prof. Dr. T habe sich nicht mit der von seinem Gutachten abweichenden Beurteilung der Gutachterkommission auseinandergesetzt. Die Kommission hat in ihrem Bescheid vom 31.10.2012 die Auffassung vertreten, dass aufgrund des am 12.01.2009 erhobenen radiologischen Befundes Anlass zu einem Gespräch mit der Klägerin und zu einem Hinweis auf die Notwendigkeit kurzfristiger Kontrollen bestanden habe. Der Sachverständige Prof. Dr. T hat überzeugend begründet, weshalb er an seiner Beurteilung trotz der abweichenden Ausführungen im Bescheid der Gutachterkommission festhält. Es überzeugt insbesondere, dass ohne entsprechenden klinischen Befund kein Anlass zu einem Gespräch über die Notwendigkeit einer Operation oder zu kurzfristigen Röntgenkontrollen bestand. Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass sie sich bei starken Schmerzen wiedervorstellen müsse, um dann die Operationsindikation erneut zu überprüfen und zu diskutieren. Denn der Sachverständige Prof. Dr. T hat hierzu überzeugend angemerkt, dass Patienten mit einer symptomatischen Koxarthrose im täglichen Leben sehr schlecht zurecht kämen und aufgrund der Schmerzhaftigkeit und Funktionseinschränkungen häufig den Arzt aufsuchten. Da der Beklagte davon ausgehen konnte, dass die Klägerin sich bei starken Schmerzen bei ihm vorstellen würde, ist es dem Beklagten nicht vorzuwerfen, die Klägerin nicht auf die Notwendigkeit einer erneuten Vorstellung in seiner Praxis im Falle von starken Schmerzen hingewiesen zu haben.

d) Ohne Erfolg macht die Klägerin einen Verfahrensfehler des Landgerichts bei der Bescheidung ihres Antrages vom 12.03.2015 auf Verlängerung der Frist zur Stellungnahme auf das Gutachten von Prof. Dr. T geltend. Dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist das Gutachten nebst Fristsetzung zur Stellungnahme am 22.09.2014 zugegangen. Die Frist, die entgegen den Ausführungen der Berufungsbegründung nicht durch Verfügung des Vorsitzenden, sondern mit Beschluss der Kammer gesetzt worden ist, ist auf Antrag der Klägerin drei Mal verlängert worden. Die Entscheidung des Gerichts, die Frist nicht ein viertes Mal zu verlängern, ist nicht zu beanstanden. Die Bewilligung der Fristverlängerung ist im Falle dargelegter erheblicher Gründe Ermessenssache des Gerichts, wobei das Ermessen gebunden ist durch das Gebot der Verfahrensbeschleunigung und der Rücksichtnahme auf die Interessen des Antragsgegners (Zöller-Stöber, 31. Auflage, § 224 ZPO, Rz. 6). Die Kammer hat der Klägerin fast 6 Monate und damit mehr als ausreichend Zeit gegeben, zu dem Gutachten von Prof. Dr. T Stellung zu nehmen. Im Hinblick auf die bereits großzügig bemessene Fristverlängerung und dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung ist es nicht zu beanstanden, dass die Kammer den Antrag der Klägerin, ihr eine weitere Fristverlängerung von 2 Monaten zu bewilligen, zurückgewiesen hat. Darüber hinaus fehlt es aber auch einer schlüssigen Darlegung durch die Klägerin, dass das Urteil auf dem (unterstellten) Verfahrensfehler beruht, denn sie hat auch mit der Berufungsbegründung nicht die bereits in erster Instanz angekündigte medizinisch fundierte Stellungnahme eines Privatgutachters vorgelegt, aus der sich Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen ergeben könnten.

e) Soweit die Klägerin Beweis durch sachverständiges Zeugnis von Prof. Dr. T2 zu der Behauptung antritt, der Zeuge habe geäußert, dass „alles für eine Falschbehandlung des Beklagten spreche“, fehlt es an einer konkreten Tatsachenbehauptung, zu der der Zeuge aufgrund eigener Wahrnehmung eine Aussage machen könnte. Der Beweisantritt ist daher unzulässig.

f) Schließlich kann die Berufung auch deswegen keinen Erfolg haben, weil die Klägerin den Beweis der Schadenskausalität nicht führen kann. Die Klägerin muss beweisen, dass die von ihr behaupteten Behandlungsfehler zu einem Schaden geführt haben. Diesen Beweis kann sie nicht erbringen, denn es ist nicht belegbar, dass sich bei einer frühzeitigeren Implantation der Hüftgelenk-TEP eine Bursitis trochanterica, die nach Vortrag der Klägerin für ihre Beschwerden ursächlich sein soll, nicht entwickelt hätte. Für eine Beweislastumkehr nach den Grundsätzen des Befunderhebungsfehlers oder wegen eines groben Fehlers ist nichts ersichtlich.

II.

Bei dieser Sachlage gibt die Berufung zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils insgesamt keine Veranlassung. Die Rechtssache hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO); eine mündliche Verhandlung erscheint unter Berücksichtigung aller weiteren Aspekte des Rechtsstreites auch aus sonstigen Gründen nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).

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