Oberlandesgericht Köln, 4 U 15/15

November 13, 2021

Oberlandesgericht Köln, 4 U 15/15

Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 9 O 300/14

Tenor:
Die Berufung des Berufungsklägers gegen das Urteil des Landgerichts Bonn(9 O 300/14) vom 02.03.2015 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Berufungskläger.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Dem Berufungskläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Berufungsbeklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Berufungsbeklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 21.734,60 EUR festgesetzt.

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Gründe

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I.

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Der Kläger ist italienischer Staatsbürger, der in Deutschland geboren und aktuell wohnhaft ist. Im Jahr 2013 erwarb er an der Haybusak Universität in Yerevan (Armenien) den akademischen Grad „Bachelor of Laws“. Mit Email vom 11.12.2013 wandte er sich an den Beklagten, der im Rahmen seines Satzungszwecks Stipendien vergibt, um sein Interesse für das „Bucerius-Jura-Programm“ mitzuteilen. Als Teilnahmevoraussetzung gab der Beklagte auf seiner Internetseite unter anderem „Abschluss der ersten Juristischen Staatsprüfung mit mindestens vollbefriedigend vor Antritt des Stipendiums“ und „Höchstalter bei Bewerbung: jünger als 35 Jahre“ an. Da der Kläger die Auffassung vertrat, dass die Anforderung „Höchstalter bei Bewerbung: jünger als 35 Jahre“ gegen das AGG sowie die RL 2000/78/EG verstoßen könne, zeigte sich der Beklagte bereit, die Altersbeschränkung „bis zur eindeutigen Klärung“ aufzuheben. Gleichwohl vertrat er die Ansicht, dass der Kläger für das Programm nicht in Frage komme, da er die Erste Juristische Staatsprüfung nicht abgelegt habe. Hierin sah der Kläger wiederum eine Benachteiligung aufgrund seiner Herkunft, endgültige Bewerbungsunterlagen reichte er dennoch nicht ein. Am 5.5.2014 wurde der Kläger für das „European Master Programme in Law and Economic“ der Universität Hamburg angenommen, wobei sich die Studiengebühren auf 5.500 Euro pro Jahr belaufen, die der Kläger zahlte.

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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass ihn die Teilnahmevoraussetzungen des Beklagten aufgrund seines Alters und seiner Herkunft diskriminieren, so dass die geltend gemachten Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung und Schadensersatz gemäß § 21 Abs. 1 und 2 AGG gegeben seien. Diese seien auch rechtzeitig geltend gemacht worden. Der akademische Grad „Bachelor of Laws“ sei darüber hinaus mit dem Zweiten Juristischen Staatsexamen vergleichbar. Darüber hinaus habe der Beklagte gegen die RL 2000/43/EG und Art. 21 GRCh verstoßen.

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Der Kläger hat beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, die Benachteiligung des Klägers bei der Vergabe von Stipendien im Rahmen des Bucerius-Programms durch die Beklagte aus Gründen seines Alters und/oder aus Gründen seiner Herkunft zu beseitigen,

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die Beklagte zu verurteilen, es künftig zu unterlassen, den Kläger bei der Vergabe von Stipendien im Rahmen des Bucerius-Programms durch die Beklagte aus Gründen seines Alters und/oder aus Gründen seiner Herkunft zu benachteiligen,

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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 18.734,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. Mai 2014 zu zahlen,

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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger weiteren Schadensersatz für mögliche entstehende Reisekosten zu zahlen.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die geltend gemachten Ansprüche schon daran scheitern, dass keine Bewerbung eingereicht worden sei. Zudem sei der Anwendungsbereich des AGG nicht eröffnet, ferner lägen die Voraussetzungen des § 19 AGG nicht vor. Bei der Vergabe des konkreten Stipendiums handele es sich keinesfalls um ein Massengeschäft. Schließlich seien unterstellte Ansprüche aufgrund der Ausschlussfrist gemäß § 21 Abs. 5 AGG untergegangen.

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Das Landgericht Bonn hat die Klage mit Urteil vom 2.3.2015 – Az. 9 O 300/14 – abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass eventuelle Ansprüche jedenfalls aufgrund der Ausschlussfrist des § 21 Abs. 5 AGG untergegangen seien.

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Mit der am 7.4.2015 eingegangenen Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlich gestellten Anträge weiter. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie das Urteil des Landgerichts Bonn vom 2.3.2015 verwiesen.

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II.

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Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, jedoch unbegründet.

17
Zur Begründung wird – zur Vermeidung von Wiederholungen – zunächst auf den Hinweisbeschluss vom 09.11.2015 Bezug genommen. Die hierzu erfolgte Stellungnahme des Berufungsklägers rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht, sondern gibt lediglich zu folgender ergänzenden Begründung Anlass:

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Es mag dahinstehen, ob die Vorgehensweise des Beklagten – abstrakt betrachtet – Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits hängt von der Beantwortung solcher Fragen jedenfalls nicht ab. Der Kläger ist konkret weder aufgrund seines Alters noch aufgrund seiner Herkunft benachteiligt, ohne dass es auf die Klärung von Streitfragen, die in einer Vielzahl von Fällen relevant sein können, ankommt. Der Beklagte hat im vorliegenden Fall unstreitig auf die Altersvorgabe verzichtet, zudem hatte der Kläger mit Blick auf seine Herkunft ohne Weiteres die Möglichkeit, das Erste Juristische Staatsexamen in Deutschland abzulegen. Andere Diskriminierungsmerkmale kommen nicht in Betracht. Darüber hinaus ist die Klärung von Grundsatzfragen im Rahmen einer Popularklage dem deutschen Recht auch nach Einführung des AGG fremd (BAG NJW 2014, 1130 ff.). Vor diesem Hintergrund erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Der Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH bedarf es (auch) aus diesem Grunde ebenfalls nicht.

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Die offensichtliche Erfolglosigkeit des Rechtsmittels, die der Senat aus den dargestellten Gründen nach wie vor bejaht, wird zunächst nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht seine Entscheidung anders begründet als das Erstgericht (OLG Rostock, MdR 2003, 828 ff.). Weiterhin ist eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass der Gesetzgeber in der Begründung zur Reform des § 522 ZPO ausgeführt hat, dass auch über eine erfolglose Berufung mündlich verhandelt werden soll, wenn dies aus anderen Gründen angebracht erscheint, insbesondere wenn die Rechtsverfolgung … existenzielle Bedeutung hat (z. B. in Arzthaftungssachen) oder wenn das Urteil erster Instanz zwar im Ergebnis richtig, aber unzutreffend begründet ist (BT-Drs. 17/5334, S. 9). Existentielle Bedeutung ist vorliegend jedoch nicht gegeben, da aufgrund der dargestellten individuellen Umstände gerade keine allgemeine Entscheidung über die Teilnahmevoraussetzungen des Beklagten getroffen wird. Zudem ist von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung kein Mehrwert zu erwarten, da der Kläger als ausgebildeter Jurist auch dem schriftlichen Austausch von Argumenten umfassend zu folgen vermag. Auf die Bildung eines persönlichen Eindrucks kommt es vorliegend ebenfalls nicht an. Es ist angesichts der grundsätzlichen Bedeutung, die jedenfalls der Kläger dem Rechtsstreit beimisst, auch nicht zu erwarten, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu einer Befriedung beitragen würde, hierdurch würden lediglich umfangreiche weitere Kosten zu Lasten des Klägers ausgelöst.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO

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