OLG Köln, Urteil vom 09.11.2015 – 5 U 35/14

November 14, 2021

OLG Köln, Urteil vom 09.11.2015 – 5 U 35/14

Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 5. Februar 2014 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 25 O 282/12 – in der Fassung des Ergänzungsbeschlusses des Landgerichts Köln vom 25. Februar 2014 – 25 O 282/12 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

Die Klägerin ist Tochter und Alleinerbin des ursprünglichen Klägers, des am 24. September 1929 geborenen und am 14. März 2015 verstorbenen Herrn G, [zuletzt wohnhaft gewesen: Lstrasse 30, N; im Folgenden: der Patient]. Der Patient wurde im Krankenhaus der Beklagten in L2 im Jahr 1988 durch einen groben Behandlungsfehler schwer geschädigt. Er war seither querschnittsgelähmt, harn- und stuhlinkontinent und pflegebedürftig. Im Rahmen des deshalb angestrengten Verfahrens G . / . L3 zu dem Aktenzeichen 25 O 150/06 LG Köln – 5 U 64/07 OLG Köln kam es am 10. Dezember 2007 vor dem OLG Köln zum Abschluss eines Vergleichs, aufgrund dessen die Beklagtenseite bzw. ihr Versicherer pro Quartal 16.888,08 € an die Klägerseite zahlte. Seit dem 1. Januar 2011 zahlte die Beklagtenseite aber nur noch 4.297,50 € pro Quartal.

Der ehemalige Kläger hat im Rahmen seiner Klage geltend gemacht, dass der Pflegeaufwand, der ein Faktor des Vergleichs vor dem OLG war, seither gestiegen sei und nicht gesunken. Der Kläger hat aber ausdrücklich keine Anpassung des Vergleichs nach oben angestrebt, sondern er hat mit seinen Leistungsanträgen zu 1. und zu 2. erneut das begehrt, was ihm aufgrund des Vergleichs zustand. Mit dem Antrag zu 3. hat er die Kosten für ein privates Sachverständigengutachten zu seiner Pflegebedürftigkeit geltend gemacht.

Die Beklagtenseite hat eine Anpassung des gerichtlichen Vergleichs vom 10. Dezember 2007 nach unten erreichen wollen. Sie reduzierte vor diesem Hintergrund zum 1. Januar 2011 ihre Zahlungen und hat deshalb nunmehr Widerklage erhoben.

Der ehemalige Kläger hat das Anpassungserfordernis bestritten. Pflegeversicherungsleistungen – in Höhe von unstreitig 700,00 Euro monatlich seit dem 1. Januar 2012 – seien nicht zu berücksichtigen. Hilfsweise hat er argumentiert, dass bei Berücksichtigung der Pflegeversicherungsleistungen die Versicherungsbeiträge in Höhe von unstreitig 252,44 Euro monatlich gegenzurechnen seien. Behindertentransporte zu Ärzten seien unverändert erforderlich und entsprechend kostenträchtig. Der Pflegeumfang sei gestiegen, nicht gesunken.

Der ehemalige Kläger hat beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Differenz aus der Rentenzahlung für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis zum 31. August 2012 in Höhe von insgesamt 83.937,20 Euro, d.h. 12.590,58 Euro pro Quartal, zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 4. Werktag eines jeden Quartals:

12.590,58 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 5. Januar 2011,

12.590,58 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 5. April 2011,

12.590,58 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 5. Juli 2011,

12.590,58 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 5. Oktober 2011,

12.590,58 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 4. Januar 2012,

12.590,58 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 5. April 2012,

12.590,58 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 5. Juli 2012,

2.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 1. September 2012 eine vierteljährlich im Voraus zu zahlende Rente, spätestens bis zum 3. Werktag eines jeden Quartals, und zwar in Höhe der anerkannten 4.297,50 Euro sowie weitere 12.590,58 Euro, insgesamt also 16.888,08 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 4. Werktag eines jeden Quartals zu zahlen,

3.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.747,39 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Oktober 2012 zu zahlen

und die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und widerklagend.

Ziffer II./2. des durch Beschluss des OLG Köln vom 10.12.2007 unter dem Aktenzeichen 5 U 64/07 festgestellten Vergleichs dahingehend abzuändern, dass die Beklagte an den (ehemaligen) Kläger vierteljährlich im Voraus und spätestens bis zum 3. Werktag eines jeden Quartals statt eines Betrags von 16.888,08 Euro ab dem 1. Januar 2010 einen Betrag in Höhe von 4.283,74 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4 Werktag eines jeden Quartals zahlt.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass der gerichtliche Vergleich gemäß § 323 a ZPO anzupassen sei. Hierzu hat sie einen Wegfall der Geschäftsgrundlage des Vergleichs im Sinne von § 313 BGB in den nachfolgenden Punkten behauptet. Nach Vergleichsschluss sei der Patient in eine private Krankenversicherung eingetreten, weil er infolge einer Gesetzesänderung 2009 dazu verpflichtet war, so dass er nun Pflegegeldzahlungen erhalte. Die Pflegeversicherung regressiere die gezahlten Beträge zu 50% bei der Beklagten vor dem Hintergrund einer Absprache zwischen der Beklagten und der Pflegeversicherung, worin übereingekommen wurde, dass nur noch ein Teil der Pflegekosten mittlerweile auf den groben Behandlungsfehler und seine Folgen zurückzuführen sei. Der Vergleich habe zur Geschäftsgrundlage gehabt, dass der Patient keinerlei Pflegegeld erhalte. Deshalb sei der Vergleich anzupassen, wobei nicht nur der für Pflege je Quartal vorgesehene Betrag von 1.994,04 Euro abzuziehen sei, sondern es müsste wegen des im Vergleich auch vorgesehenen Inflationsausgleichs 2.100,- Euro pro Quartal abgezogen werden.

Aufgrund der gesteigerten Bettlägerigkeit des Pateinten – der nunmehr auch an Demenz erkrankt sei und einen Schlaganfall erlitten habe – entfalle die Position für Behindertenförderung in Höhe von 460,16 Euro pro Quartal; auch um diese Summe sei der Vergleichsbetrag nach unten anzupassen.

Die Pflege sei bei Vergleichsschluss durch Dritte übernommen worden, nunmehr aber durch die Tochter. Hierfür könne die Tochter 9,00 Euro netto pro Stunde verlangen. Sie pflege ihren Vater 137 Stunden im Monat, dafür seien je Stunde 9,00 Euro angemessen, also 1.233,00 Euro pro Monat anzusetzen. Für einen zusätzlichen professionellen Pflegedienst seien weitere 600,- Euro im Monat zu vergüten. Insgesamt seien 1.833,- Euro pro Monat, also 5.499,- Euro pro Quartal für Pflege anzusetzen. Da der gerichtliche Vergleich indes (unstreitig) 13.894 Euro pro Quartal für Pflege vorsehe, sei er nach unten um 8.395,28 Euro anzupassen auf 5.499,- Euro pro Quartal für Pflege.

Schließlich sei der Pflegebedarf mehr und mehr – im Sinne einer überholenden Kausalität – der Demenz des Klägers zuzuordnen, der dadurch „ohnehin“ pflegebedürftig geworden sei, was sich aus dem von ihr eingereichten Pflegegutachten (siehe AH Index 2, orange markiert) ergebe. Dies rechtfertige einen weiteren Abzug von 30% wegen der ohnehin demenzbedingten Pflegebedürftigkeit, so dass sich ein Quartalsbetrag von 4.283,74 Euro ergebe [zur Berechnung dieses Betrages vgl. die Berechnung der Beklagten auf S. 6 – 15 ihrer Klageerwiderung und Widerklagebegründung vom 13. Dezember 2012 (Bl. 16 ff., 21 – 30 d. A.)].

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Patienten 1.747,39 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Oktober 2012 zu zahlen; dies hat das Landgericht im Wesentlichen damit begründet, dass der Patient die Zahlung von 1.747,39 Euro als Kosten der Rechtsverfolgung verlangen könne, weil die Beklagte zu Unrecht Beträge, die sie dem Patienten aus dem Prozessvergleich vom 10. Dezember 2007 schulde, einbehalten habe und dadurch mit den ihr obliegenden Leistungen in Verzug geraten sei, und dass die Klaganträge zu 1. und 2. im Hinblick auf die Möglichkeit, Maßnahmen zur Zwangsvollstreckung aus dem Prozessvergleich vom 10. Dezember 2007 einzuleiten, wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig seien. Auf die Widerklage hat das Landgericht unter Abweisung der weitergehenden Widerklage die Ziffer II./2. des durch Beschluss des OLG Köln vom 10.12.2007 unter dem Aktenzeichen 5 U 64/07 festgestellten Vergleichs dahingehend abgeändert, dass die Beklagte an den Pateinten vierteljährlich im Voraus und spätestens bis zum 3. Werktag eines jeden Quartals statt eines Betrags von 16.888,08 Euro ab dem 1. Januar 2010 einen Betrag in Höhe von 14.788,08 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Werktag eines jeden Quartals zahlt; begründet hat das Landgericht dies im Wesentlichen damit, dass die Beklagte von dem Patienten im Hinblick auf das zum Zeitpunkt des Prozessvergleichs noch nicht erhaltene und deshalb nicht berücksichtigte, inzwischen aber aufgrund der seit 2009 veränderten Rechtslage vom Patienten bezogene Pflegegeld entsprechend der Berechnung der Beklagten, die diese unter Berücksichtigung des im Vergleich vorgesehenen Inflationsausgleichs nachvollziehbar angestellt und die der Patient nicht angegriffen habe, gemäß § 323 a ZPO, § 313 BGB verlangen könne, dass der Prozessvergleich vom 10. Dezember 2007 um 2.100,- Euro je Quartal nach unten anzupassen sei, dass demgegenüber eine weitergehende Anpassung des Prozessvergleichs nicht gerechtfertigt sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf S. 6 – 10 der angefochtenen Entscheidung [Bl. 80 ff., 85 – 89 d. A.] Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung des Landgerichts wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge zur Klage und zur Widerklage, soweit das Landgericht ihnen nicht entsprochen hat, unverändert weiterverfolgt.

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte unter teilweiser Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens insbesondere vor, dass das Landgericht eine Abänderung des Prozessvergleichs zwischen ihr und dem Patienten vom 10. Dezember 2007 in dem Verfahren 5 U 64/07 OLG Köln – 25 O 150/06 LG Köln unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Behindertenbeförderung, der vierteljährlich einen Betrag von 460,16 Euro ausmache, zu Unrecht abgelehnt habe. Denn eine Behindertenbeförderung habe bei dem Patienten anders als zu der Zeit des Vergleichsabschlusses, zu der der Patient mit der Behindertenbeförderung die erforderlichen Transporte sowohl in Bezug auf Arztbesuche als auch in Bezug auf seine Freizeitgestaltung bestritten habe, nach dem von der Kranken- und Pflegekasse des Patienten eingeholten Pflegegutachten nicht mehr stattgefunden, weil er nahezu vollständig bettlägerig gewesen sei. Im Hinblick darauf habe kein Raum mehr für eine Erstattung entsprechender Kosten bestanden, weil diese nicht mehr angefallen seien. Dass trotz der Bettlägerigkeit des Klägers weiterhin eine Behindertenbeförderung zu Ärzten stattgefunden habe, habe die insoweit sekundär darlegungspflichtige Klägerin nicht mit hinreichender Substanz vorgetragen. Aus den Pflegegutachten der Kranken- und Pflegeversicherung des Patienten ergebe sich vielmehr, dass der Hausarzt des Patienten Hausbesuche durchgeführt habe. Soweit gleichwohl in Einzelfällen Fahrten zu anderen Ärzten als dem Hausarzt erforderlich gewesen sein sollten, sei davon auszugehen, dass diese als Krankentransporte durchgeführt und von der Krankenversicherung des Patienten erstattet worden seien.

Das Landgericht habe eine Abänderung des Prozessvergleichs auch zu Unrecht unter dem Gesichtspunkt des geänderten Pflegeaufwandes abgelehnt. Insoweit werde auf das detaillierte erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten zu dem bei dem Vergleich berücksichtigten Pflegeaufwand einerseits und zu dem nunmehr noch erforderlichen Pflegeaufwand andererseits in der Klageerwiderung in Bezug genommen. Mit diesem Vorbringen habe das Landgericht sich zu Unrecht nicht auseinandergesetzt. Insbesondere sei vom Landgericht nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass mit der Position Pflegeaufwand in dem Prozessvergleich nicht ein Einkommen für den Patienten bzw. seine Tochter geschaffen werden sollte; dies sei vielmehr über den Ausgleich des Verdienstausfallschadens des Patienten erfolgt. Mit dem Pflegeaufwand habe ausschließlich der tatsächlich anfallende Aufwand für die Pflege ausgeglichen werden sollen, was selbstverständlich nur insoweit veranlasst ist, als Pflegeaufwand tatsächlich anfalle. Zudem habe das Landgericht im Zusammenhang mit dem Pflegeaufwand zu Unrecht trotz des Bestreitens der Beklagten den Vortrag der Klägerseite als unstreitiges Vorbringen behandelt. Das Landgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass es eine rechtlich relevante Änderung der Verhältnisse darstelle, dass anstelle der bei Vergleichsschluss vom Patienten in Anspruch genommenen Pflege durch ein entsprechendes Unternehmen die Klägerin die Pflege des Patienten übernommen habe. Zwar sei auch die Pflegeleistung der Klägerin zu erstatten, aber auf einer anderen finanziellen Basis als die Pflegeleistung eines professionellen Unternehmens. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang auch darauf abgestellt habe, dass die Klägerin als Tochter des Patienten zwecks Durchführung der Pflege ihre Berufstätigkeit aufgegeben habe, habe es zu Unrecht das Bestreiten der Beklagten insoweit und den Umstand nicht berücksichtigt, dass die Klägerseite nicht mit Substanz der Berufstätigkeit der Tochter und den Umständen der Aufgabe ihrer Tätigkeit vorgetragen habe. Das Landgericht habe zu Unrecht nicht beachtet, dass es im Rahmen der sekundären Darlegungslast Aufgabe der Klägerseite wäre, im Einzelnen zu der tatsächlich von der Tochter des Patienten durchgeführten Pflegetätigkeit für den Patienten und zu der Frage vorzutragen, wie dieser Aufwand zu kapitalisieren ist. Es wäre schon ein Zufall, wenn dieser kapitalisierte Aufwand betragsmäßig dem Aufwand zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses entspräche. Das Landgericht sei auch zu Unrecht dem Vortrag der Beklagten nicht nachgegangen, dass der Pflegeaufwand für den Patienten sich ausweislich der Pflegegutachten für die Kranken- und Pflegeversicherung des Patienten deutlich reduziert habe. Den Inhalt des dagegen von der Klägerseite vorgelegten Privat-Pflegegutachtens habe die Beklagte bestritten. Dementsprechend wäre es Aufgabe des Landgerichts gewesen, zu dem tatsächlichen Pflegeaufwand Beweis zu erheben. Diese Beweisaufnahme könne auch nicht durch den Hinweis darauf entfallen, dass die Tochter des Patienten eine 24-Stunden-Betreuung für den Patienten geleistet habe. Denn da sie im gleichen Haus lebe, in dem der Patient gelebt hat, sei sie allein deswegen 24 Stunden verfügbar gewesen, was nicht bedeute, dass eine 24-Stunden-Betreuung tatsächlich erforderlich gewesen sei.

Soweit die Klägerseite eine Rechnung des Pflegedienstes vorgelegt habe, handele es sich um ein Duplikat, so dass die Klägerseite vortragen müsse, ob und ggf. mit welchem Erstattungsbetrag insoweit die Kranken- und Pflegversicherung in Anspruch genommen worden sei.

Auch das Vorbringen der Klägerseite in der Berufungserwiderung sei weit von dem entfernt, was an Pflege in dem Prozessvergleich berücksichtigt worden sei, nämlich 4.631,43 Euro monatlich. Im Übrigen sei die monatliche Zahlung an die von der Klägerseite als Haushälterin bezeichnete Frau Metzger in Höhe von monatlich 1.470,00 Euro nicht nachvollziehbar und lege die Vermutung nahe, dass diese Vollzeit beschäftig gewesen sei und die eigentliche Pflegetätigkeit geleistet habe. Jedenfalls begründe auch dies die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme zu dem tatsächlichen Pflegeaufwand aufgrund der Querschnittslähmung des Patienten. Das Landgericht habe auch zu Unrecht angenommen, dass der Umstand, dass der Patient im Laufe der Zeit unstreitig auch wegen seiner Demenz und nicht mehr lediglich wegen seiner Querschnittslähmung pflegebedürftig gewesen sei, rechtlich nicht relevant sei. Dies sei auch nicht wegen des groben Behandlungsfehlers gerechtfertigt, weil es hier nicht um Primärschäden, sondern um Sekundärschäden gehe. Der Vergleichsabschluss habe die Grundsätze der haftungsausfüllenden Kausalität nicht außer Kraft gesetzt. Zu der Frage, welche Pflegebedürftigkeit worauf beruht, hätten die Parteien streitig vorgetragen. Auch hierzu hätte das Landgericht Beweis erheben müssen.

Die Kosten für den Privatgutachter seien von dem Patienten aufgewandt worden, um sich gegen die im Auftrage der Kranken- und Pflegeversicherung eingeholten Pflegegutachten zu wehren, seien demgegenüber im Verhältnis zur Beklagten überflüssig gewesen, weil insoweit ein vollstreckbarer Titel vorgelegen habe. Es sei widersprüchlich, wenn das Landgericht einerseits zu Recht die Zahlungsanträge des Klägers im Hinblick auf den vorhandenen vollstreckbaren Titel zurückweise, anderseits aber die Kosten für die Einholung eines Gutachtens – unterstellt, es sei zur Vorbereitung der Zahlungsklage eingeholt worden, was bestritten werde – zur Vorbereitung dieser unzulässigen Zahlungsanträge für erstattungsfähig halte.

Die Klägerin nimmt die erstinstanzlich erfolgte Teilklageabweisung sowie die vom Landgericht vorgenommene Abänderung des Prozessvergleichs zwischen dem Patienten und der Beklagten vom 10. Dezember 2007 in dem Verfahren 5 U 64/07 OLG Köln – 25 O 150/06 LG Köln hin, beantragt die Zurückweisung der Berufung und tritt dem Berufungsvorbringen der Beklagten im Einzelnen entgegen. Ergänzend trägt die Klägerin ein Pflegeprotokoll vor [S. 2/3 der Berufungserwiderung vom 27. Juni 2014, Bl. 156 ff., 157/158 d. A.] und nimmt Bezug auf zwei Atteste von behandelnden Ärzten, in denen bescheinigt wird, dass die Beeinträchtigungen des Patienten, die die Pflegebedürftigkeit ausgelöst hätten, ausschließlich auf der Querschnittslähmung und deren Folgen beruhten, und dass sich in Bezug auf ein stattgehabtes Schlaganfallereignis im Nachhinein herausgestellt habe, dass sich die Verdachtsdiagnose Schlaganfall nicht bestätigt habe, dass es sich lediglich um eine TIA gehandelt habe, und dass diese nach vollständigem Abklingen einer kurzfristig vorhanden gewesenen Sprachstörung folgenlos geblieben sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen einschließlich der Schriftsätze der Klägerin vom 25. September 2015 und der Beklagten vom 30. September 2015 sowie auf das Vorbringen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2015 [Protokoll, Bl. 225 ff. d. A.] Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachen (§§ 529, 531 ZPO) eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO). Das Landgericht hat vielmehr zu Recht der Klage in Bezug auf die Kosten für das Privatgutachten stattgegeben und der mit der Widerklage verfolgten Forderung der Beklagten auf Abänderung des Prozessvergleich zwischen ihr und dem Patienten vom 10. Dezember 2007 in dem Verfahren 5 U 64/07 OLG Köln – 25 O 150/06 LG Köln [im Folgenden: der Prozessvergleich] lediglich teilweise in dem aus dem Tenor des angefochtenen Urteils ersichtlichen Umfang entsprochen und die Widerklage im Übrigen abgewiesen:

1. Zu der Klage:

Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich des von der Klägerseite geltend gemachten Anspruches auf Erstattung der Kosten für das Privatgutachten nebst Zinsen zu Recht stattgegeben. Gegen diese Beurteilung wehrt sich die Beklagte ohne Erfolg mit dem Vorbringen, dass der Patient das Gutachten der Parteisachverständigen L4 eingeholt habe, um sich gegen die im Auftrage der Kranken- und Pflegeversicherung eingeholten Pflegegutachten zu wehren. Denn allein die zeitlichen Zusammenhänge sprechen gegen diese Mutmaßung der Beklagten. Die fraglichen Pflegegutachten der Kranken- und Pflegeversicherung sind am 17. März 2010 und am 19. Oktober 2010 erstattet worden, das Gutachten der Parteisachverständigen L4 demgegenüber erst am 14. April 2011. Dieser Zeitpunkt fügt sich zu dem Umstand, dass die Beklagte ab Januar 2011 von sich aus nicht mehr den titulierten Quartalsbetrag von 16.888,08 Euro, sondern lediglich einen Quartalsbetrag von 4.297,50 Euro gezahlt hat. Ab diesem Zeitpunkt bestand für den Patienten Veranlassung, sich in angemessener Weise auf eine Rechtsverteidigung gegenüber der Beklagten einzustellen, weil er insoweit mit Rechtsstreitigkeiten rechnen musste – sei es im Rahmen der Vollstreckung aus dem Prozessvergleich, sei es im Rahmen eines Abänderungsbegehrens der Beklagten. Dass der Patient mit seinen vom Landgericht zu Recht als unzulässig abgewiesenen Zahlungsanträgen einen nicht geeigneten Weg zur Wahrung seiner Interessen gewählt hat, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Denn auch ungeachtet dessen kann die Klägerseite die Erstattung der Gutachterkosten aus den Gründen von S. 6 der angefochtenen Entscheidung [dort unter I.; Bl. 80 ff., 85 d. A.] verlangen, weil es sich um Kosten handelt, die nach Verzugseintritt zur Abwehr von unbegründeten Forderungen entstanden sind.

2. Zu der Widerklage:

Die Beklagte kann eine weitere, über die vom Landgericht bereits vorgenommene Abänderung des Prozessvergleichs weder im Hinblick auf die Veränderungen bei der Pflegedurchführung und die von der Beklagten behaupteten Veränderungen des Pflegeumfanges noch im Hinblick auf die wegen der Bettlägerigkeit nach der Behauptung der Beklagten entfallene Behindertenbeförderung verlangen. Denn auch nach dem Vortrag der Beklagten liegen insoweit die Voraussetzungen für eine weitere Abänderung des Prozessvergleichs nicht vor.

a)

Insbesondere kann auch nach dem Vorbringen der Beklagten nicht davon ausgegangen werden, dass die Geschäftsgrundlage des Prozessvergleichs im Sinne von § 323 a ZPO i. V. m. § 313 Abs. 1 BGB weggefallen wäre.

aa)

Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage, der das weitere Abänderungsbegehren der Beklagten rechtfertigen könnte, ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die Pflege des Patienten früher überwiegend von professionellen Pflegediensten durchgeführt und später in weitgehendem Maße von der Tochter des Patienten, der heutigen Klägerin übernommen worden ist.

Denn nach dem – insoweit von der Klägerseite nicht bestrittenen und damit unstreitigen – Vortrag der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 19. Januar 2015 ist davon auszugehen, dass der in dem Prozessvergleich festgeschriebene Quartalsbetrag von 16.888,08 Euro entgegen der ursprünglichen, dem Hinweisbeschluss des Senates vom 14. November 2014 zugrunde liegenden Annahme des Senates nicht in der Weise ermittelt worden, dass bezogen auf den Zeitpunkt des Vergleichsschlusses ein konkret bestimmter tatsächlicher Umfang an Pflegeleistungen einer konkret bestimmten Art der Durchführung der Pflege mit jeweils konkreten Beträgen bewertet und als Grundlage der Berechnung herangezogen worden wäre. Vielmehr sind die Parteien ausweislich des – von der Klägerseite nicht bestrittenen – Vortrages der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 19. Januar 2015 von der Verfahrensweise der Parteien in den gut 10 Jahren vor dem Abschluss des Prozessvergleichs ausgegangen. Und diese Verfahrensweise war nach dem Vortrag der Beklagten davon geprägt, dass die Parteien ausgehend von den in den Jahren 1994/1995 tatsächlich für die Pflege des Patienten angefallenen Beträgen einen Quartalsbetrag ermittelt haben, der in den folgenden gut 10 Jahren – abgesehen von einer Anhebung wegen Inflationsausgleichs im Jahre 2001 – bis zum Zeitpunkt des Prozessvergleichs im Jahre 2007 nicht mehr abgeändert worden ist. Bei dem Abschluss des Prozessvergleichs im Jahre 2007 ging es den Parteien nach dem – auch insoweit von der Klägerseite nicht bestrittenen – Vortrag der Beklagten in dem Schriftsatz vom 19. Januar 2015 nicht darum, die bisherige Verfahrensweise zwischen ihnen zu ändern, sondern lediglich darum, einen Titel zu schaffen. Dazu fügt es sich, dass der in dem Prozessvergleich festgeschriebene Vergleichsbetrag [von einer relativ geringfügigen Anhebung wegen Mietmehrkosten abgesehen] unverändert fortgeschrieben und nicht auf der Basis der zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses aktuellen, konkret angefallenen Pflegekosten neu berechnet worden ist.

Vor diesem Hintergrund können als Geschäftsgrundlage des Prozessvergleichs lediglich die Umstände angesehen werden, dass die Parteien davon ausgingen, dass der Patient infolge der groben Behandlungsfehler im Hause der Beklagten im Jahre 1988 schwer geschädigt worden und insbesondere querschnittsgelähmt, harn- und stuhlinkontinent und infolgedessen pflegebedürftig war, dass dieser Zustand irreversibel war, dass die Pflegebedürftigkeit dauerhaft bestehen würde, dass der Quartalszahlungsbetrag, den sie über 10 Jahre vor dem Abschluss des Prozessvergleich ausgehend von den in den Jahren 1994/1995 tatsächlich angefallenen Pflegekosten ermittelt haben, und der [abgesehen von einer Anhebung im Jahre 2001 wegen Inflationsausgleichs] in der Folgezeit bis zum Abschluss des Prozessvergleichs und damit über 10 Jahre lang durchgängig unverändert von der Beklagten gezahlt und von der Klägerseite als Ausgleich für den Pflegeaufwand akzeptiert worden ist, von den Parteien übereinstimmend als angemessener Ausgleich für den Pflegeaufwand angesehen wird, und dass dieser Quartalsbetrag [zuzüglich der vergleichsweise geringfügigen Anhebung wegen Mietmehraufwandes] auch für die Zukunft als Ausgleich für den Pflegeaufwand festgeschrieben werden sollte. Geschäftsgrundlage des Prozessvergleichs war demgegenüber nicht eine Berechnung der Pflegekosten bezogen auf den Zeitpunkt des Vergleichsschlusses auf der Basis eines konkret bestimmten tatsächlichen Umfangs an Pflegeleistungen einer konkret bestimmten Art der Durchführung der Pflege, die mit jeweils konkreten Beträgen bewertet worden wären. Dies gilt auch trotz des Umstandes, dass die Parteien sich nicht auf einen gerundeten Quartalsbetrag etwa von 17.000 Euro verständigt, sondern einen Betrag von 16.888,08 Euro festgeschrieben haben, was den Eindruck erwecken könnte, als läge dem Betrag eine solche konkrete Berechnung auf der Basis der im Jahre 2007 aktuell gewesenen Verhältnisse zugrunde. Die konkrete Höhe des Vergleichsbetrages erklärt sich vielmehr aus dem Umstand heraus, dass ein Quartalsbetrag, der ausgehend von dem konkreten Pflegeaufwand in den Jahren 1994/1995 ermittelt worden war, seit über 10 Jahren [abgesehen von der Anhebung im Jahre 2001 wegen Inflationsausgleichs] unverändert – dabei selbstredend nach der Währungsumstellung in Euro umgerechnet – gezahlt worden ist und für die Zukunft [unter Berücksichtigung einer vergleichsweise geringfügigen Anhebung wegen Mietmehraufwandes, aber im Übrigen] weiterhin unverändert fortgeschrieben werden sollte.

Ist Grundlage des Vergleichsbetrages aber nicht eine Berechnung der Pflegekosten bezogen auf den Zeitpunkt des Vergleichsschlusses auf der Basis eines konkret bestimmten tatsächlichen Umfangs an Pflegeleistungen konkret bestimmter Art, die mit jeweils konkreten Beträgen bewertet worden wären, sondern ein Betrag, den beide Parteien seit über 10 Jahren ohne konkrete Nachberechnung als angemessene Größenordnung eines Ausgleichs für den Pflegeaufwand angesehen haben, so bedeutet dies zugleich, dass die Parteien diesen Vergleichsbetrag auch für die Zukunft ohne konkrete Nachberechnung als angemessene Größenordnung eines Ausgleichs für den Pflegeaufwand angesehen haben. Damit ist aber davon auszugehen, dass dieser Betrag für die Zukunft eine für beide Parteien verlässliche Grundlage darstellen und einer Abänderung insbesondere wegen altersbedingter Veränderungen, wegen Änderungen in den Gewohnheiten und der Art der Pflegeleistungen entzogen sein sollte, und dass insbesondere weder ein Wechsel des Pflegedienstes noch eine Umstellung der Pflege von einer Durchführung überwiegend durch professionelle Pflegedienste auf eine Durchführung durch die Tochter des Patienten zu einer Abänderung des Quartalsbetrages führen sollten. Damit stand für die Klägerseite eine Größenordnung fest, auf die sie sich verlassen konnte. Eine solche Regelung machte aber auch aus Sicht der Beklagten durchaus Sinn. Denn für die Zukunft musste eher mit einer Verschlechterung des Zustandes des Patienten und in der Folge mit einer Erhöhung des Pflegebedarfs gerechnet werden, während ein Gleichbleiben oder gar eine Verbesserung der Situation auf Dauer nicht erwartet werden konnte. Denn es war nach der Lebenserfahrung damit zu rechnen, dass es im Laufe der Zeit eher zu einer Zunahme der Pflegebedürftigkeit kommen würde, weil der altersbedingte körperliche Verfall bei dem Patienten insbesondere infolge der Querschnittslähmung und der damit verbundenen Mobilitätseinschränkungen, aber auch infolge der Harn- und Stuhlinkontinenz stärker ausgeprägt sein würde als bei einem gesunden Menschen.

bb)

Die Beklagte stützt sich zur Begründung ihres weiteren Abänderungsbegehrens auch ohne Erfolg auf ihre Behauptung, dass der Patient zunehmend unter Demenz gelitten habe, auch deswegen und wegen der Folgen eines Schlaganfalles pflegebedürftig gewesen sei, und dass sie deshalb nicht mehr für den gesamten Pflegeaufwand einzustehen gehabt hätte.

Dies gilt schon deshalb, weil die Beklagte für ihre Behauptung, dass der Patient dement und infolgedessen und/oder wegen der Folgen eines Schlaganfalles ohnehin pflegebedürftig gewesen sei, beweisfällig geblieben ist. Die Klägerseite hat dies bestritten und aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich kein belastbarer Hinweis auf eine Demenz des Patienten und/oder eine ohnehin gegeben gewesene Pflegebedürftigkeit wegen der Folgen eines Schlaganfalles. Zwar enthält das Kurzgutachten des Medizinischen Dienstes der Privatversicherer N2 vom 19. Oktober 2010 [in Kopie abgeheftet im Anlagenhefter untern 2], auf das sich die Beklagte beruft, auf S. 5 die Angabe „beginnende Demenz“. Aber zum einen ist in keiner Weise ersichtlich, wie die Verfasserin dieses Gutachtens, Frau Dr. M, zu dieser Einschätzung gelangt ist. Und zum anderen wird eine Demenz des Patienten und/oder eine ohnehin gegeben gewesene Pflegebedürftigkeit des Patienten aus anderen Gründen in dem Gutachten der Parteisachverständigen L4 vom 14. April 2011 und in den von der Klägerseite zu den Akten gereichten ärztlichen Stellungnahmen wie etwa dem Attest des Internisten G2 [Anlage K 11, abgeheftet im Anlagenhefter unter 1] verneint. Das Einholen eines Gerichtsgutachtens zu dieser Frage ist nicht mehr möglich, weil der Patient inzwischen verstorben ist.

cc)

Auch auf behauptete Veränderungen hinsichtlich der Position „Behindertenbeförderung“ kann die Beklagte ihr Abänderungsbegehren nicht mit Erfolg stützen. Dies gilt schon deshalb, weil die Parteien für den Bereich der Behindertenbeförderung zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses nicht von einem – zu welchem Zeitpunkt auch immer – konkret berechneten Aufwand ausgegangen sind. Vielmehr haben die Parteien insoweit eine Pauschale zugrunde gelegt, von der sie wussten, dass sie nicht wirklich dem tatsächlichen Aufwand insoweit entspricht, die ihnen aber gleichwohl als angemessen erschien. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus den Ausführungen auf S. 2 des Schreibens des GVV an die Prozessbevollmächtigten des Patienten vom 1. Februar 2005 [Anlage B 3; abgeheftet im Anlagenhefter unter 2] zu der Position „Behindertenbeförderung“, wonach davon auszugehen ist, dass die Beteiligten diesbezüglich mit dem Prozessvergleich bewusst eine Pauschale festgeschrieben haben, die den tatsächlichen Aufwand insoweit übersteigt. Im Hinblick darauf reicht der schlichte Hinweis auf die weitgehende Bettlägerigkeit des Patienten und die damit verbundene Reduzierung des Bedarfs für Behindertenbeförderung als Vortrag zu den Voraussetzungen für eine Vergleichsabänderung in Bezug auf die Position „Behindertenbeförderung“ nicht aus. Hintergrund für diese Pauschale mag zwar damals zunächst entsprechend dem Vortrag der Beklagte zumindest auch das Anliegen des Patienten gewesen sein, am kulturellen Leben teilzuhaben und etwa Konzertbesuche unternehmen zu können. Dieses Anliegen mag infolge der später eingetretenen Bettlägerigkeit nicht mehr erfüllbar gewesen sein und es mag sein, dass seit dem Eintritt der Bettlägerigkeit die Behindertenbeförderung eher Arztbesuchen u. Ä. gedient hat. Diese Änderung der Ziele der Behindertenbeförderung stellen aber keinen Umstand dar, der es rechtfertigen könnte, die Pauschale entfallen zu lassen oder zu kürzen. Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht durch das Vorbringen der Beklagten veranlasst, dass der Patient eventuell noch erforderlich gewesene Fahrten als Krankentransporte durchgeführt hat und sich von seiner Krankenversicherung hat erstatten lassen; denn bei diesem Vorbringen handelt es sich letztlich nur um eine Spekulation, die die Klägerseite im Übrigen bestritten hat.

b)

Die Beklagte hat auch – worauf das Landgericht bereits zu Recht hingewiesen hat – nicht dargetan, dass eine Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist, aufgrund derer ihr im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB ein Festhalten an dem Prozessvergleich nicht hätte zugemutet werden können. Denn unstreitig sind die durch den groben Behandlungsfehler im Hause der Beklagten verursachten Gesundheitsschäden des Patienten nicht rückläufig gewesen. Vielmehr litt der Patient zeit seines Lebens unter der fehlerbedingt eingetretenen Querschnittslähmung sowie Harn- und Stuhlinkontinenz. Und Anhaltspunkte dafür, dass der diesbezügliche Pflegeaufwand im Laufe der Jahre geringer geworden sein könnte, sind weder von der Beklagten vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Und es entspricht der Lebenserfahrung, dass es im Laufe der Zeit eher zu einer Zunahme der Pflegebedürftigkeit gekommen ist, weil der altersbedingte körperliche Verfall bei dem Patienten insbesondere infolge der Querschnittslähmung und der damit verbundenen Mobilitätseinschränkungen, aber auch infolge der Harn- und Stuhlinkontinenz stärker ausgeprägt gewesen sein dürfte als bei einem gesunden Menschen. Dass bei dem Patienten weitere gesundheitliche Aspekte im Rahmen der Pflege hinzugetreten sein mögen, dass jedenfalls die Pflege gänzlich umstrukturiert wurde, dass dafür ein Familienmitglied seine Erwerbstätigkeit aufgab und in eine 24-Stunden-Betreuung einschließlich nächtlicher Anwesenheit eintrat und dass dafür eine Wohnung im selben Haus angemietet und umgebaut wurde, ist vom zeitlichen wie kostenmäßigen Umfang her in keiner Weise weniger von Gewicht als der Betreuungs- und Pflegeaufwand zum Zeitpunkt des Abschlusses des Prozessvergleichs. Inwiefern der Beklagten vor diesem Hintergrund nach Treu und Glauben ab dem Zeitpunkt, ab dem sie eine Änderung des Prozessvergleichs anstrebt, und damit ab Anfang 2010 ein Festhalten an dem Vergleich nicht mehr zumutbar gewesen sein könnte, ist weder von der Beklagten dargetan worden noch sonst ersichtlich.

3. Prozessuale Nebenentscheidungen:

Die Schriftsätze der Klägerin vom 25. September 2015 und der Beklagten vom 30. September 2015 bieten keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 516 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO hierfür nicht vorliegen. Es geht im vorliegenden Verfahren im Wesentlichen um Tatsachenfragen und im Übrigen um die Anwendung geltenden Rechts sowie der hierzu in Rechtsprechung und Literatur entwickelten und allgemein anerkannten Grundsätze und damit um eine Einzelfallentscheidung.

Berufungsstreitwert: 148.808,15 Euro

[ 1.747,39 Euro vom LG zuerk. Klagantrag zu 3.

+ 147.060,76 Euro Widerklageantrag, soweit vom LG nicht zuerk.;

16.888,08 € – 4.283,74 € = 12.604,34 € – 2.100 € = 10.504,34 €;

10.504,34 € x 4 = 42.017,36 € (Jahresbetrag) x 3,5 (§ 48 GKG i.V.m. § 9 ZPO)

_ = 147.060,76 €

148.808,15 Euro ]

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.