OLG Köln, Beschluss vom 22.06.2015 – 5 W 12/15

November 21, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 22.06.2015 – 5 W 12/15

Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 17.3.2015 wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 12.1.2015 – 11 OH 19/13, soweit er sich auf die Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens bezieht, aufgehoben.

Das Landgericht wird angewiesen, das selbständige Beweisverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats fortzuführen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe
Die sofortige Beschwerde vom 17.3.2015 ist gemäß §§ 567 Abs. 1, 252 ZPO statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und mithin insgesamt zulässig.

Durch den Beschluss vom 12.1.2015, nach dessen Inhalt das Landgericht das selbständige Beweisverfahren als beendet angesehen und an dem es ungeachtet der in eine andere Richtung weisenden Verfügung vom 14.1.2015 ausweislich der Verfügung vom 13.3.2015 und des Nichtabhilfebeschlusses vom 31.3.2015 festgehalten hat, ist das Verfahren in Stillstand geraten. Gegen alle den Stillstand des Verfahrens herbeiführenden Entscheidungen, auch solche die nicht in §§ 239 ff. ZPO genannt sind, findet die sofortige Beschwerde gemäß §§ 567 Abs. 1, 252 ZPO statt (Zöller/Greger, ZPO 30. Aufl. § 252 Rdn. 1 m.w.Nachw.).

Zwar ist die nach § 569 Abs. 1 ZPO maßgebliche Beschwerdefrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 19.1.2015 begann, nicht gewahrt. Die sofortige Beschwerde vom 17.3.2015 ist erst am 18.3.2015 bei Gericht eingegangen. Der Antragstellerin ist aber vom Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert war, §§ 233, 236 Abs. 2 S. 2 ZPO. Denn aufgrund der Verfügung des Landgerichts vom 14.1.2015, mit der sie zur Stellungnahme zu dem Umstand aufgefordert worden war, dass der Antragsgegner mit dem am 14.1.2015 eingegangen Schriftsatz vom 8.1.2015 zwei Bilder oder Kopien auf einfachem Papier der Implantate in regio 14 und 24 eingereicht hatte, durfte sie darauf vertrauen, dass das Landgericht das selbständige Beweisverfahren in der Sache fortsetzen werde. Erst aus der Verfügung vom 13.3.2015, mit der das Landgericht auf den Beschluss vom 12.1.2015 verwiesen hat, ergab sich für sie, dass dies nicht der Fall war. Daraufhin hat sie umgehend und innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO die sofortige Beschwerde vom 17.3.2015 eingereicht.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Das selbständige Beweisverfahren war weder bei Erlass des Beschlusses vom 12.1.2015 beendet noch ist eine Beendigung nunmehr eingetreten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein selbständiges Beweisverfahren beendet, wenn die Beweissicherung sachlich erledigt ist. Erfolgt die Beweiserhebung durch ein schriftliches Sachverständigengutachten, ist das selbständige Beweisverfahren mit dessen Übersendung an die Parteien beendet, wenn weder das Gericht nach § 411 Abs. 4 S. 2 ZPO eine Frist zur Stellungnahme gesetzt hat noch die Parteien innerhalb eines angemessenen Zeitraums Einwendungen dagegen oder das Gutachten betreffende Anträge oder Ergänzungsfragen mitteilen. In den letztgenannten Fällen endet das selbständige Verfahren erst zu einem späteren Zeitpunkt. Bei mündlicher Erläuterung eines schriftlichen Gutachtens durch den Sachverständigen enden die Beweisaufnahme und damit das Beweisverfahren mit dem Verlesen oder der Vorlage zur Durchsicht des Sitzungsprotokolls über die Vernehmung des Sachverständigen (BGH, Urteile vom 3.12.1992 – VII ZR 86/92, iuris Rdn. 6, abgedruckt in BGHZ 120, 329 ff., vom 20.2.2002 – VIII ZR 228/00, iuris Rdn. 13, abgedruckt in BGHZ 150, 55 ff. und vom 28.10.2010 – VII ZR 172/09, iuris, Rdn. 11, abgedruckt in NJW 2011, 594 ff.)

Gemessen an diesen Maßstäben ist das vorliegende selbständige Beweisverfahren nicht sachlich erledigt. Auf das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dr. X vom 19.10.2014 hin hat die Antragstellerin innerhalb der mit Beschluss vom 22.10.2014 gesetzten Frist mit Schriftsatz vom 11.11.2014 geltend gemacht, dass die Frage, ob die Implantate in regio 14 und 24 in die Kieferhöhle ragen, anhand von vom Antragsgegner vorzulegenden hochauflösenden Ausdrucken auf Fotopapier der DVT, deren digitale Speicherung Dr. X an seinem Computer nicht öffnen konnte, oder einer digitalen Übermittlung der DVT in dem vom Sachverständigen gewünschten JPEG-Format zu prüfen und zu bewerten sei. Weder hat Dr. X eine entsprechende Prüfung vorgenommen und die Frage in dem einen oder dem anderen Sinne beantwortet noch war und ist erkennbar, dass dem Antragsgegner eine Vorlage oder Übermittlung von entsprechenden Ausdrucken oder Dateien in vollem Umfang unmöglich ist und schon daher eine weitere Sachaufklärung ausscheidet. Tatsächlich hat der Antragsgegner mit dem am 14.1.2015 eingegangen Schriftsatz vom 8.1.2015 immerhin zwei Bilder oder Kopien auf einfachem Papier der Implantate in regio 14 und 24 eingereicht, die er von Zahntechnik U GmbH erhalten hat, von der offenbar seinerzeit die DVT erstellt worden ist.

Eine weitere sachverständige Überprüfung ist daher zur Zeit zumindest anhand der zwei Bilder oder Kopien auf einfachem Papier sowie zusätzlich anhand der mit Schriftsatz vom 12.3.2015 überreichten DVD/CD möglich, die die Daten der dreidimensionalen bildgebenden Untersuchung enthält, die die Antragstellerin am 10.2.2015 im C Krankenhaus In N neu hat vornehmen lassen.

Möglicherweise kann der Sachverständige Dr. X auch die weitere DVD/CD öffnen, die die Antragstellerin dem Schriftsatz vom 12.3.2015 beigefügt hat und die offenbar die ursprüngliche DVT betrifft.

Über den Antrag der Antragstellerin aus dem Schriftsatz vom 12.3.2015, der Zahntechnik U GmbH aufzugeben, die Implantat-Regionen 14 und 24 hochauflösend auf Fotopapier oder auf einem Datenträger im JPEG-Format zur Verfügung zu stellen, wird das Landgericht in eigener Zuständigkeit entscheiden zu haben, sofern die Antragstellerin diesen Antrag aufrecht erhält. Der Senat weist in diesem Zusammenhang vorsorglich darauf hin, dass Dritte gemäß § 142 Abs. 1 ZPO nur zur Vorlage vorhandener Urkunden und Unterlagen, nicht aber zu deren Bearbeitung oder Modifizierung verpflichtet sein dürften.

Eine Kostenentscheidung ist im Beschwerdeverfahren nicht veranlasst (vgl. BGH, Beschluss vom 12.12.2005 – II ZB 30/04, iuris Rdn. 12, abgedruckt in NJW-RR 2006, 1289 f.).

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