OLG München, Beschluss vom 17.12.2020 – 3 W 1783/20

Januar 25, 2022

OLG München, Beschluss vom 17.12.2020 – 3 W 1783/20

Tenor
1. Der Beschluss des Landgerichts München I vom 04.11.2020 wird aufgehoben.

2. Der Beschluss des Landgerichts München I vom 13.12.2020 wird in Z. 2 aufgehoben.

3. Das Verfahren wird zur ordnungsgemäßen Abhilfe an das Landgericht München I zurückgegeben.

Gründe
1. Der Beschwerdeführer erwirkte am 26.08.2020 einen dinglichen Arrest wegen einer Schadensersatzforderung von 20.000 € in das gesamte Vermögen des Antragsgegners, der ehemaliger Vorstandsvorsitzender der W. AG ist und sich derzeit in Untersuchungshaft wegen Verdachts von Betrugs- und Wirtschaftsdelikten befindet. Der vordem gegen den Antragsgegner erlassene Haftbefehl war gegen Auflagen, unter anderem eine hohe Kaution, außer Vollzug gesetzt worden. Am 15.09.2020 beantragte der Beschwerdeführer beim Landgericht München I den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, bezogen auf den Anspruch auf Rückzahlung der für den Antragsgegner hinterlegten (§ 116 Abs. 1 S.2 Nr. 4 StPO) Kaution. Diesen Antrag wies das Landgericht mit Beschluss vom 21.10.2020 zurück. Die Gründe lauten: „In dem Verfahren hat die Einleitung der Vermögensabschöpfung begonnen. Die Zwangsvollstreckung ist damit gemäß § 111h StPO unzulässig.“

Sofortige Beschwerde wurde eingelegt. Im Rahmen der Überprüfung der Beschwerdeabhilfe ergingen seitens des Landgerichts die im Tenor bezeichneten Beschlüsse.

2. Diese waren aufzuheben.

Neues in der Beschwerdeschrift (hier: vom 09.11.2020, Bl. 74/5 d.A., aber auch schon vom 21.10.2020, Bl. 67 d.A.) enthaltenes Vorbringen ist zu berücksichtigen (vgl. statt vieler OLG Brandenburg MDR 2018, 1272).

Es darf auf die eingehende Kommentierung bei Zöller, ZPO, 33. A. 2020, Bearb. Heßler, § 572, Rnr. 7, verwiesen werden:

„Es ist der Zweck des Abhilfeverfahrens, die kostenverursachende Befassung des Beschwerdegerichts mit der Sache zu vermeiden, wenn gebotene Korrekturen der Erstentscheidung unschwer durch das Erstgericht selbst vorgenommen werden können. – Der Amtspflicht, den Inhalt der Beschwerdeschrift daraufhin zu überprüfen, ob die angefochtene Entscheidung ohne Vorlage an das Beschwerdegericht zu ändern ist, darf nicht unter Berufung auf die Zuständigkeit des Beschwerdegerichts ausgewichen werden. Grobe Verstöße gegen die Überprüfungspflicht können als wesentlicher Verfahrensmangel angesehen werden, der zur Aufhebung des Vorlagebeschlusses und zur Zurückverweisung führen kann.“

Ein solcher grober Verstoß ist hier festzustellen. Die Ablehnung des Antrags auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses mit Beschluss vom 21.10.2020 (Bl. 64) beinhaltet als Begründung 2 Sätze. Die Begründung ist als solche schon untauglich. § 111 h StPO hat bekanntlich mehrere Absätze, gemeint ist wohl § 111h Abs. 2 S. 1 StPO. Sollte dieser gemeint sein, ist nicht nachvollziehbar, in welcher Weise die begonnene „Einleitung der Vermögensabschöpfung“ sich im Gesetzeswortlaut wiederfindet. Dies rügt der Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 21.10.2020 ausdrücklich und ganz zu Recht. Das Schreiben der Rechtspflegerin vom 23.10.2020 besagt im wesentlichen, dass es zur Vermögensabschöpfung Presseberichte gebe, nähere Einzelheiten könne das Landgericht München I nicht erteilen. Dass damit der Rechtssuchende über die Gründe der Ablehnung genauer ins Bild gesetzt worden wäre, kann man beim besten Willen nicht unterstellen.

Der „Nichtabhilfebeschluss“ vom 04.11.2020 verweist lediglich auf die „im angefochtenen Beschluss enthaltenen Gründe“ (sic!). Die Behandlung der weiteren Beschwerdebegründung (vorgelegt am 10.11.2020), die sehr dezidiert die Intransparenz der bisherigen „Begründungen“ benennt, erfolgte wiederum (im Beschluss vom 13.12.2020) dadurch, dass auf „die Begründung (sic!) im dortigen Beschluss“ (gemeint: der vom 04.11.2020) Bezug genommen wurde.

Bekanntlich verpflichtet der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG (Grundgesetz)) das Gericht, Anträge und das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen (BVerfG NJW 1997,2310) und in gewissen Grenzen auch in seinen Entscheidungsgründen zu verarbeiten (BVerfGE 54, 46), zudem verlangt die materielle Rechtsschutzgarantie grundsätzlich eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes, wobei das Gericht eröffnete Rechtsbehelfe nicht „leer laufen“ lassen darf (Zöller, ZPO, Einl., Bearb. Vollkommer, Rdnr. 33).

Von daher erschien im Interesse der Wahrung der Verfahrensrechte des Beschwerdeführers eine Rückgabe an das Erstgericht zum Zwecke der ordnungsgemäßen Abhilfe geboten.

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