VG Berlin, Urteil vom 12.01.2022 – 26 K 258/20

Februar 9, 2022

VG Berlin, Urteil vom 12.01.2022 – 26 K 258/20

Tenor
Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags leistet.

Tatbestand
Die Klägerin begehrt die weitergehende Zahlung einer Corona Soforthilfe.

Mit Datum vom 19. März 2020 beschloss der Senat von Berlin die Senatsvorlage „Maßnahmen zur Stabilisierung von Klein- und Kleinstunternehmen mit maximal 5 Beschäftigten sowie Freiberuflichen und Soloselbständigen in Berlin (Soforthilfe II)“. Der Senat beauftragte zur Umsetzung und Durchführung des Programms die Beklagte nach § 6 Abs. 4 des Investitionsbankgesetzes und diese nahm das Programm als eigene Aufgabe im Sinne einer Delegation (gem. § 5 i.V.m. § 6 Abs. 4 IBBG a.F.) in ihren Förderkatalog auf. Die Soforthilfe II konnte ab dem 27. März 2020 bis zum 31. Mai 2020 bei der Beklagten in einem elektronischen Antragsverfahren beantragt werden, wobei es sich um ein gemeinsames Förderinstrument des Bundes und des Landes Berlin handelte. Das Land Berlin schloss mit der Bundesrepublik Deutschland am 31. März 2020 eine Verwaltungsvereinbarung über die Soforthilfen des Bundes ab.

Die Klägerin betreibt in Berlin mehrere unselbständige Betriebe. Mit Anträgen vom 30. März 2020 beantragte die Klägerin bei der Beklagten jeweils die Bewilligung und Auszahlung der Soforthilfe in Höhe von 5.000,00 Euro aus Mitteln des Landes und in Höhe von 9.000,00 Euro aus Mitteln des Bundes für die Gaststätte Kaiserhütte (Antrags-ID: C5CT-2GCG), für das Cafe Boztepe (Antrags-ID: C7R4-32GY), das Cafe RedBlue (Antrags-ID: C03K-PG4J) sowie mit Antrag vom 9. April 2020 für einen Automatenaufsteller (Antrags-ID: BH3V-RZN2). In den Antragsformularen bestätigte die Klägerin durch Ankreuzen folgende Erklärungen:

„Ich bitte die Investitionsbank Berlin in Kenntnis der damit verbundenen Risiken darum, die E-Mail-Kommunikation mit mir in unverschlüsselter Form zu führen. (…)Mit der Auszahlung der Fördermittel gilt die Bewilligung als auf Grundlage dieser Angaben erfolgt. Ein gesonderter Bescheid ergeht nicht.“

Die Beklagte überwies unter dem Verwendungszweck „Bescheid C7R4-32GY v. 09.04.2020“ 14.000,00 Euro (9.000 Euro vom Bund + 5.000 Euro vom Land) auf das Konto der Klägerin.

Die Beklagte lehnte die übrigen Anträge mittels E-Mails vom 18. Mai 2020 (Antrags-ID: C5CT-2GCG und C03K-PG4J) und vom 19. Mai 2020 (Antrags-ID: BH3V-RZN2) ab, wobei letztere E-Mail nicht zugestellt werden konnte. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass eine Mehrfachbeantragung vorliege oder Unstimmigkeiten bei den angegebenen Kontodaten aufgetreten seien. Die Bescheide endeten jeweils mit:

„Mit freundlichen Grüßen Ihre Investitionsbank Berlin“

Die Klägerin hat am 5. Oktober 2020 Klage erhoben. Sie macht geltend, dass sie mit allen drei Betrieben die Voraussetzungen für die Bewilligung der Soforthilfe erfülle. Die Soforthilfe müsse jeweils auch für unselbständige Betriebe gezahlt werden, da die Selbständigkeit keine Voraussetzung gemäß den Verwaltungsvorschriften sei. Bei den E-Mails handele es sich um keine rechtsmittelfähigen Bescheide, da sie keinen Verwaltungsakt darstellen würden. Die Erhebung eines Widerspruchs sei deshalb nicht möglich.

Nachdem die Klägerin zunächst nur beantragt hat,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 27.000,00 Euro zu zahlen,

beantragt sie nunmehr mit Schriftsatz vom 27. Januar 2021,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 27.000,00 Euro zu zahlen;hilfsweise,die Beklagte zu verpflichten, die entsprechenden Anträge zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, dass die Klage schon unzulässig sei. Die Klägerin habe keinen Widerspruch gegen die ablehnenden Entscheidungen erhoben. Die Auszahlung der Fördermittel stelle die Bewilligung der Anträge in Form eines konkludenten Verwaltungsaktes dar. Die Ablehnung des Zuschussantrags stelle als Kehrseite der Bewilligung ebenfalls einen Verwaltungsakt dar. Daher habe sie auch sachlich über das Begehren der Klägerin entschieden, sodass eine Untätigkeitsklage keinen Erfolg habe. Im Übrigen sei die Klage aber auch unbegründet, da eine Mehrfachbeantragung vorliege. Es handele sich nach den angewandten Förderbestimmungen um eine einmalige Soforthilfe, sodass jeder Antragsteller nur eine Förderung erhalte. Mehrfache Auszahlungen an einen Antragsteller für verschiedene Betriebsstätten oder Zweigniederlassungen seien nicht vorgesehen.

Die Beklagte hat am 22. April 2021 beziehungsweise 23. April 2021 mittels Postzustellungsurkunde die Ablehnung des Antrages BH3V-RZN2 an die Klägerin beziehungsweise deren Verfahrensbevollmächtigten zugestellt.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 12. Juli 2021 der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und – soweit erheblich – Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe
Über die Klage hat infolge des Beschlusses der Kammer vom 12. Juli 2021 gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Einzelrichterin zu entscheiden.

Der Klage ist im Hauptantrag gemäß § 88 VwGO als Verpflichtungsklage zu verstehen, da die Entscheidung über begehrte Soforthilfen durch Verwaltungsakte ergeht.

Die so verstandene Klage ist überwiegend unzulässig und im Übrigen unbegründet.

Die Klage ist unzulässig, soweit sich die Klägerin gegen die Versagung einer Soforthilfe für das Restaurant Kaiserhütte und das Cafe RedBlue richtet. Das nach § 68 VwGO erforderliche Vorverfahren ist nicht durchgeführt worden. Danach sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsakts in einem Vorverfahren zu prüfen. Die per E-Mail versandten Bescheide sind zwar formell rechtswidrig, da sie keine Namenswiedergabe gemäß § 1 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes Berlin in Verbindung mit § 37 Abs. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) enthalten. Das Fehlen der Namenswidergabe führt allerdings nicht zur Nichtigkeit nach § 44 VwVfG (BeckOK VwVfG/Schemmer, 51. Ed. 01. April 2021, VwVfG § 44 Rn.41-44) und berührt die Wirksamkeit der Bekanntgabe nicht. Die Bescheide sind entgegen dem klägerischen Vorbringen auch gemäß § 37 Abs. 2 VwVfG wirksam erlassen und nach § 41 Abs. 2 VwVfG bekannt gemacht worden, da die Klägerin ausdrücklich in die Kommunikation mittels E-Mails, und damit auch in die Übersendung von Bescheiden, einwilligte.

Soweit der Antrag mit der Antrags-ID: BH3V-RZN2 mangels wirksamer Bekanntgabe nicht beschieden worden ist, ist die Klage gemäß § 75 Satz 1 VwGO statthaft. Hat die Behörde eine Entscheidung zwar getroffen, ist diese aber mangels Bekanntgabe nicht äußerlich wirksam geworden, so ist § 75 VwGO anwendbar (Eyermann/ Rennert, 15. Aufl. 2019, VwGO § 75 Rn.6). Auch eine später ergehende Behördenentscheidung kann der Klägerin diese Verfahrensposition nicht mehr nehmen.

Die Klage ist aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung der weiteren 9.000,00 Euro (§ 113 Abs. 5 VwGO). Sofern überhaupt noch Mittel für die Soforthilfe zur Verfügung stehen, ist die Klage unbegründet, da die Beklagte den Antrag auf eine weitere Soforthilfe ermessensfehlerfrei ablehnte. Ein Rechtsanspruch auf die Soforthilfe besteht nicht. Die Förderung steht vielmehr im Ermessen der Beklagten im Rahmen der haushaltsrechtlichen Vorschriften (vgl. §§ 23, 44 der Landeshaushaltsordnung). Ein Anspruch kann sich daher nur aus einer durch den Gleichbehandlungsgrundsatz (Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) begründeten Selbstbindung der Verwaltung ergeben. Maßgeblich ist die Verwaltungsübung auf Grundlage der Verwaltungsvereinbarung mit der Bundesrepublik Deutschland und deren Anlage „Vollzugshinweise“. Die von der Beklagten im Klageverfahren vorgenommene vertiefte Begründung ihrer Ablehnungsentscheidung („Mehrfachbeantragung“) erscheint zweckgerecht (vgl. § 114 VwGO), ist mit der Verwaltungsvereinbarung verträglich und gibt keinen Anhalt für eine davon abweichende Verwaltungsübung. Die Behauptung der Klägerin, im Rahmen der hier einschlägigen Verwaltungsvereinbarung sei es keine zwingende Voraussetzung gewesen, dass es sich um selbständige Betriebe handeln müsse, ist zwar zutreffend. Die Klägerin hat aber nicht dargelegt, dass die Beklagte abweichend von ihrem Vorbringen in diesem Verfahren und der Begründung der Ablehnungen kleinen Unternehmen mehrfach Soforthilfen für deren unselbstständige Betriebe gewährte.

Der Klägerin steht danach auch kein Anspruch auf (erneute) Bescheidung zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit entspricht § 167 VwGO und den §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

BESCHLUSS

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf

27.000,00 Euro

festgesetzt.

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