OVG des Saarlandes, Beschluss vom 24.11.2021 – 2 B 218/21

Februar 18, 2022

OVG des Saarlandes, Beschluss vom 24.11.2021 – 2 B 218/21

An die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes i.S.d. § 123 VwGO sind qualifiziert hohe Anforderungen zu stellen, wenn der Erlass einer einstweiligen Anordnung zu einer jedenfalls zeitweiligen Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung führt.

Der in dem § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII verwendete Oberbegriff „Kindeswohl“ umfasst das gesamte Wohlergehen eines Kindes oder Jugendlichen in der Einrichtung und bildet den alleinigen Prüfungsmaßstab für die Erteilung einer Betriebserlaubnis.

Das Grundrecht auf Berufsfreiheit gebietet nicht die Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ohne Vorhandensein von tragfähigen (räumlichen und personellen) Strukturen, die auch bei Ausfallzeiten der pädagogischen Fachkraft und insbesondere in akuten Krisensituationen eine adäquate Betreuung und Unterbringung der Kinder und Jugendlichen gewährleisten.

Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 10. September 2021 – 3 L 815/21 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe
I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Erlaubnis für den Betrieb einer professionellen Erziehungsstelle.

Am 2.3.2020 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner die Erteilung einer Erlaubnis nach § 45 SGB VIII für den Betrieb der professionellen Erziehungsstelle/Partnerfamilie I…. Nach ihrer Konzeption bietet die Antragstellerin familienanaloge Hilfen in sogenannten Partnerfamilien an. Die Angebotsform soll grundsätzlich dadurch gekennzeichnet sein, dass die bei ihr beschäftigte Partnerfamilienleitung in deren privaten Räumlichkeiten maximal drei Kinder – im konkreten Antrag zwei Kinder – aufnimmt. Perspektivisch beabsichtigt die Antragstellerin stationäre Jugendhilfeleistungen mittels mehrerer Partnerfamilien unter Einbindung in ihre Trägerschaft zu betreiben.

Mit Bescheid vom 15.7.2021 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Erteilung einer Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII ab. In der Begründung heißt es im Wesentlichen, die Voraussetzungen des Einrichtungsbegriffs nach § 45a Satz 1 SGB VIII seien nicht erfüllt, da die Betreuungsform nicht hinreichend in eine betriebserlaubnispflichtige Einrichtung eingebunden sei. Die Antragstellerin beabsichtige ausschließlich Unterbringungsformen vorzuhalten, die in den privaten Räumlichkeiten der bei dem Träger beschäftigten Partnerfamilienleitung zu verorten seien. Es fehlten ortsgebundene räumliche Mittel des Trägers zur Unterkunftsgewährung von Kindern und Jugendlichen, welche sich nicht innerhalb der privaten Räumlichkeiten der Partnerfamilie befänden. Die Unterbringung der Kinder und Jugendlichen habe nur solange Bestand, wie die Partnerfamilienleitung bei der Antragstellerin tätig sei. Zwar versichere die Antragstellerin, dass sie ein Zutrittsrecht in das Angebot der häuslichen Gemeinschaft habe. Ihr stünden jedoch keinerlei Nutzungsrechte bzw. Nutzungsbefugnisse an den Räumlichkeiten zu. Auch das vertraglich eingeräumte Zutrittsrecht würde im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen ihr und der Partnerfamilienleitung entfallen. Zudem habe die Antragstellerin zwar die im Mai 2021 vorgelegte Gesamtkonzeption überarbeitet, jedoch finde sich das Selbstverständnis der Antragstellerin als Unterstützungsdienst für die Partnerfamilien noch in Ansätzen auf der Homepage, wo mit Arbeiten „in weitgehender Eigenverantwortlichkeit“ geworben werde. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass der strukturelle Kinderschutz im Sinne der Gewährleistung des Kindeswohls nicht im erforderlichen Maße gewährleistet sei. Insbesondere in Fällen längerfristiger Ausfall- und Urlaubszeiten der Partnerfamilienleitung, der Kündigung der Partnerfamilienleitung sowie in Krisenfällen könne das Angebot nicht weitergeführt und die Betreuung der Kinder nicht gewährleistet werden, da das „Kern-Personal“ in dessen privaten Räumlichkeiten nicht ausgetauscht werden könne und der Träger sonst keine verlässlichen Versorgungs- und Betreuungsstrukturen bereithalte, um eine anderweitige geeignete Unterbringung bzw. Betreuung der betreffenden Kinder zu ermöglichen. Auch das bisher einzig eingerichtete Partnerzentrum P… diene nach Maßgabe der Konzeption gerade nicht der Aufnahme von Kindern. Mit der vorgehaltenen Struktur könne der beschriebene Kinderschutz in Ausfall-/Urlaubs- und Krisenzeiten in der Partnerfamilie nicht realisiert werden, da die nicht-innewohnende Fachkraft und die Springer-Fachkraft über ein zu geringes Stundenkontingent verfügten, um längere Ausfallzeiten kompensieren zu können, und sie nicht dauerhaft am Standort übernachten könnten. Den eingereichten Unterlagen zufolge solle Frau K… L… als nicht-innenwohnende Fachkraft mit einem Stellenanteil von 1:11 eingestellt werden. Bei ihr handele es sich um eine enge Freundin der Partnerfamilienleitung. Es sei zu befürchten, dass die Fachkraft bei Konflikten in einen Interessenkonflikt gerate.

Am 27.7.2021 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Klage gegen den ablehnenden Bescheid erhoben (Az.: 3 K 816/21) und zugleich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt. Zur Begründung ihres Eilantrages hat sie im Wesentlichen vorgetragen, es bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, da die Bemühungen um eine außergerichtliche Erteilung einer Betriebserlaubnis gescheitert seien. Zur Abwendung wesentlicher unzumutbarer Nachteile und zur Sicherung von Schadensersatzansprüchen sei vorab die Durchführung eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens erforderlich. Sie habe gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII einen Rechtsanspruch auf Erteilung der vorläufigen Betriebserlaubnis für den Betrieb der Partnerfamilie I…. Mit der in ihrer Konzeption niedergelegten Ausrichtung würden eindeutig die rechtlichen Vorgaben nach § 45a Satz 3 SGB VIII erfüllt. Die Tatsache, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch keine vollumfängliche Umsetzung der Konzeption erfolgt sei, sei unschädlich, da es allein darauf ankomme, dass entsprechend der Konzeption mit der nach Erteilung der Betriebserlaubnis erfolgenden Betriebsaufnahme das Kindeswohl unter Aufsicht eines Einrichtungsträgers gewährleistet werde. Soweit der Antragsgegner beanstande, dass es sich um eine „solitäre Einrichtung“ handeln würde, verkenne er die in der Rahmenkonzeption zum Ausdruck kommende Intention, dass unter ihrer Leitung und Verantwortung mehrere Partnerfamilien Leistungen nach dem SGB VIII erbringen sollten. Der Antragsgegner kritisiere zu Unrecht, dass keinerlei Nutzungsrechte bestünden. Entscheidend sei nur ihre Einwirkungsbefugnis, die über Betretungsrechte gesichert sei. Es bestehe ein gebundener Rechtsanspruch auf Erteilung der Betriebserlaubnis, wenn das Kindeswohl gewährleistet sei. Ohne Bezugnahme auf eine konkrete rechtliche Vorgabe des § 45 Abs. 2 SGB VIII und ohne substantiierte Begründung behaupte der Antragsgegner, dass vorliegend der strukturelle Kinderschutz nicht gewährleistet sei. Mit dieser vagen und allgemein gehaltenen Argumentation ließe sich bei jeder Hilfe zur Erziehung gemäß den §§ 27, 33 SGB VIII der strukturelle Kinderschutz verneinen. Auch hierbei könnten selbstverständlich Pflegeeltern ausfallen. In rechtswidriger Weise würden Betriebserlaubnisverfahren in der Praxis regelmäßig für die Steuerung fiskalischer Erwägungen verwendet. Die Festsetzungen der späteren Leistungs- und Entgeltvereinbarungen nach § 78b SGB VIII sollten mit den personellen Festsetzungen in der Betriebserlaubnis präjudiziert werden. Daher werde regelmäßig in der Betriebserlaubnis weniger Personal durch die Behörde festgesetzt, als es der Einrichtungsträger wünsche. Dem Antragsgegner sei die Bereitschaft zu einem höheren Personaleinsatz signalisiert worden, wenn dies als sachgerecht erachtet werde. In Krisenzeiten griffen die in der Rahmenkonzeption dargestellten Handlungsabläufe zur Gewährleistung des Kindeswohls. Sie halte eine 24-Stunden-Rufbereitschaft vor. In Kooperation mit Trägern könnten Notfall- und Time-Out-Plätze zur Verfügung gestellt werden. Im Übrigen greife in Krisenfällen die Steuerungsverantwortung des Jugendamts nach § 36a Abs. 1 SGB VIII. Nicht nachvollzogen werden könne ferner die Befürchtung, die Fachkraft Frau L… stelle keine niedrigschwellige Vertrauens- und Beschwerdeinstanz dar. Für interne Beschwerdemöglichkeiten stehe die Partnerfamilie jederzeit zur Verfügung. Eine externe Beschwerdemöglichkeit bestehe jederzeit bei der Ombudsstelle, dem Jugendamt und dem Landesjugendamt. Im Übrigen handele es sich bei Frau L… nicht um eine „enge Freundin“. Diese könne auch durch eine andere Fachkraft ersetzt werden. Ein Anordnungsgrund liege ebenfalls vor, da die Erteilung einer vorläufigen Betriebserlaubnis erforderlich sei, um drohende wesentliche Nachteile abzuwenden. Bereits in der Vergangenheit seien erhebliche wirtschaftliche Verluste zu verzeichnen gewesen, da der Antragsgegner über einen Zeitraum von 16 Monaten nicht über den Antrag entschieden habe. Diese Verluste würden sich bei einem Abwartenmüssen auf den Ausgang eines Klageverfahrens in der Hauptsache weiter vertiefen. Gerade weil es sich bei ihr um einen erst seit kurzer Zeit tätigen kleineren Jugendhilfeträger handele, sei sie dringend auf eine Refinanzierung ihrer Ausgaben angewiesen. Für den Betrieb der Partnerfamilie I… und weiterer Partnerfamilien sei ein Gebäude in P… angemietet worden. Hierfür müsse eine monatliche Mietzahlung in Höhe von 750,00 € geleistet werden. Zudem sei eine Person für die Leistungserbringung im Entlastungs-/Partnerzentrum P… angestellt worden. Es erfolgten monatliche Zahlungen in Höhe von 936,01 €. Da mit dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz lediglich begehrt werde, den Betrieb der Partnerfamilie vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu erlauben, stehe auch nicht das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen.

Mit Beschluss vom 10.9.2021 – 3 L 815/21 – hat das Verwaltungsgericht den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach§ 123 Abs. 1 VwGO, die – wie hier – zu einer jedenfalls zeitweiligen Vorwegnahme der Hauptsache führe, lägen nicht vor. Fallbezogen seien die bei einer ablehnenden Entscheidung zu erwartenden Nachteile für die Antragstellerin nicht unzumutbar und es sei ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache nicht gegeben. Unabhängig von der Frage, ob die von der Antragstellerin dem Antragsgegner unterbreitete Betreuungsform überhaupt dem aus § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII herausgelösten und nunmehr in § 45a SGB VIII legal definierten Einrichtungsbegriff unterfalle, sei Rechtsgrundlage für die von der Antragstellerin begehrte Betriebserlaubnis der § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. Hiernach bedürfe der Träger einer Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut würden oder Unterkunft erhielten für den Betrieb der Einrichtung der Erlaubnis. Ziel dieses präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt sei die Abwehr von Gefährdungen, die sich aus fremder, außerhalb der Familie stattfindender Betreuung und Unterkunftsgewährung für das Wohl der Minderjährigen ergeben können. Die Erteilung der Betriebserlaubnis setze voraus, dass das Kindeswohl in der Einrichtung gewährleistet sei. Fallbezogen könne nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht festgestellt werden, dass die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB VIII erfüllt seien, sodass die Antragstellerin einen Anspruch auf Erteilung der Betriebserlaubnis hätte. Insofern könne entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO auf die nachvollziehbaren Erwägungen des Antragsgegners im Bescheid vom 15.7.2021, dort Seiten 4 und 5, verwiesen werden. Die hiergegen von der Antragstellerin vorgebrachten Einwände griffen nicht durch. Die Vorlage der als „Entlastungskonzept“ bezeichneten Anlage des Schriftsatzes vom 22.8.2021 zeige aus Sicht der Kammer vielmehr auf, dass die Gewährleistung des Kindeswohls gerade im Falle langfristiger Ausfall- und Urlaubszeiten der Partnerfamilie, in Kündigungsfällen und Krisenzeiten sowie in Auszeiten der Partnerfamilie nicht sichergestellt sei. So werde im „Entlastungskonzept“ auf Eltern, Lebenspartner, Verwandte und Freunde abgestellt und es werde zudem auf eine vorherige Absprache der genannten Personen für die „Auszeiten“ hingewiesen. Weitere Beispiele im „Entlastungskonzept“ stellten „gemeinsame Urlaube“, Hauswirtschaftskräfte, Urlaubs-und Heimfahrten der Kinder und Entlastungen durch die Krankenkasse dar. Solche Angaben ließen mit Blick auf das hohe Schutzgut des Kindeswohls kein belastbares Konzept erkennen, auf deren Grundlage eine für die Antragstellerin positive Entscheidung getroffen werden könne. So sei diesem Konzept insbesondere nicht nachvollziehbar und schlüssig zu entnehmen -und lasse sich nicht überprüfen, wie konkrete Hilfen im Einzelfall sofort vor Ort personalisiert werden könnten. Wie die Antragstellerin selbst einräume, sei ob der von ihr beabsichtigten Konstruktion der Betreuung von Kindern und Jugendlichen und weiteren Leistungserbringung deren besondere Schutzbedürftigkeit gegeben. Sollte die von der Antragstellerin vertretene Auffassung zutreffen, wonach hier nur die PF/I… zu prüfen sei und nicht die Antragstellerin, welche das Konzept und die Art und Weise der Leistungserbringung vorgebe, werde für die Kammer offensichtlich, dass bezüglich der PF/I… kein Konzept für die vorstehend dargelegten Krisen-, Ausfall- und Urlaubszeiten vorliege. Hinzu komme, dass die örtliche Prüfung durch den Antragsgegner am 18.8.2020 ergeben habe, dass in der Partnerfamilie die Räumlichkeiten nicht in der Weise ausgestaltet seien, dass in Ausfall- und Krisenzeiten die „Springer-Fachkraft“ auskömmlich untergebracht werden könnte. Dass – worauf die Antragstellerin verweise – ein Bett für sie vorgehalten werde, reiche fallbezogen für eine sachgerechte Unterbringung nicht aus. Des Weiteren teile das Gericht die Auffassung, dass die „Springer-Fachkraft“ bei Konflikten in einen Interessenskonflikt gerate, so dass sie für die untergebrachten Kinder/Jugendlichen keine niedrigschwellige Vertrauens- und Beschwerdeinstanz darstellen könne. Der Einwand der Antragstellerin hiergegen, es bestünden externe Beschwerdemöglichkeiten für den jungen Menschen, verkenne, wie sich im Bereich einer Unterbringung in familienähnlichen Betreuungsformen ein „Konflikt“ entwickeln und auswirken könne. Es bedürfe vielmehr des vom Antragsgegner geforderten Konzepts von internen niedrigschwelligen Beschwerdemöglichkeiten; ein solches liege nicht vor. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 24.7.2017 – 12 CE 17.704 – verweise, sei die dortige Argumentation auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Vorliegend habe der Antragsgegner mit Bescheid vom 15.7.2021 über den Antrag der Antragstellerin ablehnend entschieden. Ein unter den Vorbehalt einer Entscheidung des Antragsgegners in der Hauptsache gestellter Antrag auf Erteilung einer Betriebserlaubnis komme damit, anders als in der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fallkonstellation nicht in Betracht. Diese liege auch insoweit anders, als dort dem Antragsteller durch Erteilung einer befristeten Betriebserlaubnis zunächst ein legaler Betrieb der Einrichtung ermöglicht und durch die Nichtverlängerung dieser befristeten Betriebserlaubnis dessen wirtschaftliche Existenzgrundlage gefährdet worden sei. Der Antragstellerin sei keine (vorläufige) Rechtsposition eingeräumt worden, die ihr nun unter Eingriff in ihre Dispositionsfreiheit wieder entzogen würde. Sie habe zu keinem Zeitpunkt die begehrte Erlaubnis inne gehabt. Vor diesem Hintergrund gehörten vorab getätigte Aufwendungen zu ihrer Risikosphäre. Sie begehre die einstweilige Anordnung allein in ihrem wirtschaftlichen Interesse. Im Übrigen sei eine Existenzgefährdung der Antragstellerin, die neben dem „Betrieb“ von Partnerfamilien auch noch Pflegefamilien betreue und u.a. allgemeine Erziehungsberatung, intensive Sozialpädagogische Betreuung, Elternarbeit und Elterntrainings, begleiteten Umgang, Schulische Einzelförderung, medienpädagogische Einzel- und Gruppen-Maßnahmen, interaktive Fallarbeit, pflegerische Einzelleistungen, Nachbetreuung, Fahrdienst, sozialpädagogische Diagnostik, Schuldnerberatung, sowie Software und IT-Beratung anbiete, nicht glaubhaft gemacht. Mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs komme es darauf, dass auch ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht oder sonst ersichtlich sei, nicht entscheidend an.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 10.9.2021 – 3 L 815/21 – ist zulässig, aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Gewährung von Eilrechtsschutz zu Recht nicht entsprochen. Auch unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung der Antragstellerin, die die Prüfung durch den Senat bestimmt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), hat es bei der erstinstanzlichen Entscheidung zu bleiben.

Zur Begründung ihrer Beschwerde macht die Antragstellerin in den Schriftsätzen vom 29.9.2021 und vom 12.11.2021 im Wesentlichen geltend, der Einrichtungsbegriff sei vorliegend erfüllt, denn eine Einbindung der Partnerfamilie I… in den Träger … GmbH liege gemäß § 45a Satz 2 SGB VIII vor. Die Leistungserbringung in der Partnerfamilie solle in Absprache mit dem nach § 36a Abs. 1 SGB VIII fallführenden Jugendamt durch den Träger gesteuert werden. Nach der Konzeption der Antragstellerin solle in der Partnerfamilie fortlaufend eine Qualitätsüberprüfung und -sicherung erfolgen. Auch die Weiterbildung des Personals solle durch die Antragstellerin gewährleistet werden. Diese solle auch die Außenvertretung wahrnehmen und verantwortliche Ansprechpartner der Betriebserlaubnisbehörde und anderer Institutionen sein. Einzige Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung der Betriebserlaubnis sei die Gewährleistung des Kindeswohls. Mit der angegriffenen Entscheidung führe das Verwaltungsgericht unter dem im Gesetzestext des § 45 SGB VIII nicht enthaltenen Begriff des „strukturellen Kinderschutzes“ und unter einer Wiedergabe der Ausführungen im Ablehnungsbescheid aus, dass die personellen und räumlichen Voraussetzungen nach § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII fehlten. Hinsichtlich der Personalbemessung für die Leistungserbringung orientiere sie sich an den fachlichen Empfehlungen der Landesjugendämter zur Betriebserlaubniserteilung nach den §§ 45 ff. SGB VIII für individualpädagogische Betreuungsstellen u.Ä. Unter Punkt 4.4 werde mit diesen Empfehlungen ein Personaleinsatz von 0,5 Stellen pro Platz (Personalschlüssel 1:2) vorgegeben. In der PF/I… sei daher bei Aufnahme eines jungen Menschen die Anstellung von Frau I… mit einem Stellenanteil von 0,5 Vollzeitstellen vorgesehen. Maximal solle nach der Konzeption eine Aufnahme von zwei Kindern bei einem Personaleinsatz von einer Vollzeitstelle möglich sein. Abweichend hiervon würden im Saarland häufig Erziehungsstellen mit einem Personalschlüssel von 1:3 betrieben. Da sie dies nicht für sachgerecht erachte, sei bewusst ein höherer Personalschlüssel zugrunde gelegt worden. Mit diesem Personaleinsatz und den Empfehlungen der Landesjugendämter habe sich das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung überhaupt nicht auseinandergesetzt. Um insbesondere auch in besonderen Situationen jederzeit das Kindeswohl gewährleisten zu können, sei über diesen Personaleinsatz hinausgehend der Einsatz weiteren Personals geplant. So sei der Einsatz einer nicht in der Partnerfamilie wohnenden zusätzlichen pädagogischen Fachkraft mit einem Stellenanteil von 0,09 bei der Betreuung eines Kindes und einem Stellenanteil von 0,18 bei der Betreuung von zwei Kindern vorgesehen. Jede zusätzliche pädagogische Fachkraft sei nur einer Partnerfamilie zugeordnet, um Doppeleinsätze bei mehreren Partnerfamilien auszuschließen. Ferner sehe die Konzeption den Einsatz einer familienunabhängigen Springer-Fachkraft und von hauswirtschaftlichen Hilfskräften vor (vgl. Seite 9 u. 10 der Rahmenkonzeption Partnerfamilien). Insgesamt stünden der PF/I… mit den beiden zusätzlichen Fachkräften und den hauswirtschaftlichen Kräften damit durchschnittlich 10,5 Stunden pro Woche Entlastungszeiten zur Verfügung. Dies ergebe ein Jahreskontingent von über 500 Stunden. Die in der Konzeption beschriebene Zurverfügungstellung eines zusätzlichen Stellenanteils einer nicht in der Familie wohnenden Fachkraft sei so zu verstehen, dass der Stellenanteil nicht Woche für Woche mit gleichem Anteil zur Verfügung gestellt werde, sondern nach Bedarf eingesetzt werde. Das Verwaltungsgericht habe sich mit den detaillierten Vorgaben im Entlastungskonzept überhaupt nicht beschäftigt, sondern habe sich auf die unzutreffende Behauptung zurückgezogen, dass kein „Konzept für die vorstehend dargelegten Krisen,- Ausfall- und Urlaubszeiten“ vorliege. Entgegen der unzutreffenden Behauptung des Verwaltungsgerichts gebe die Konzeption eine personalisierte Hilfe vor. Zudem griffen in Krisenzeiten die in der Rahmenkonzeption auf Seite 33 und 34 dargestellten Handlungsabläufe zur Gewährleistung des Kindeswohls. Diesbezüglich sei zu berücksichtigen, dass es im Betriebserlaubnisverfahren nur um die Festsetzung des ordnungsrechtlich unerlässlichen Mindeststandards gehe. Sie habe mit Schreiben vom 17.5.2021 an den Antragsgegner signalisiert, dass sie einer Forderung nach einem höheren Personaleinsatz gerne nachkomme. Auf dieses Angebot habe der Antragsgegner nicht reagiert, sondern vielmehr tragend die Ablehnung auf einen seines Erachtens zu geringen Personaleinsatz gegründet. Entsprechendes gelte für das Partnerzentrum P…. Hierzu sei festzustellen, dass das Partnerzentrum P… auf ausdrücklichen Hinweis des Antragsgegners im Rahmen der ihm im Betriebserlaubnisverfahren obliegenden Beratungsfunktion geplant und konzipiert worden sei. Mit Mail vom 15.2.2021 habe sie konzeptionelle Ausführungen, welche auf Basis der Hinweise des Antragsgegners mit Mail vom 11.2.2021 erfolgt seien, übersandt. Auf diesen Vorschlag sei keine Rückmeldung durch den Antragsgegner erfolgt. Sie habe daher davon ausgehen müssen, dass die der Konzeption zugrunde gelegten personellen und räumlichen Voraussetzungen kindeswohlgerecht seien. Nicht nachvollzogen werden könne auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass ein für Notsituationen vorgesehenes Bett für die Springerkraft nicht ausreichend für eine Kindeswohlgewährleistung sein solle. Es treffe auch nicht zu, dass keine internen niedrigschwelligen Beschwerdemöglichkeiten gegeben seien. Obgleich es sich bei Frau L… nicht um eine beste Freundin handele, sondern lediglich ein Bekanntschaftsverhältnis aufgrund früherer gemeinsamer Berufstätigkeit bestehe, habe sie angeboten, die Stelle von Frau L… neu zu besetzen. Eine Rückmeldung von Seiten des Landesjugendamtes sei hierauf nicht erfolgt. Ferner werde die interne Beschwerdemöglichkeit auch durch die mit der Konzeption vorgesehenen beiden weiteren Personen sowie durch die Fachkraft der Antragstellerin, die beratend und überwachend tätig sein solle, gewährleistet. Es liege auch ein Anordnungsgrund vor und das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache stehe dem Erlass der einstweiligen Anordnung nicht entgegen. Die in Bezug genommene Entscheidung des Bayerischen VGH vom 24.7.2017 habe ihr Prozessbevollmächtigte erstritten. Ebenso wie im hiesigen Verfahren sei es auch in diesem Verfahren um die Erteilung einer vorläufigen Betriebserlaubnis im Verfahren nach § 123 VwGO gegangen. Während der Bayerische VGH den dortigen Antragsgegner zunächst zur Erteilung einer vorläufigen Betriebserlaubnis verpflichtet habe, habe das Verwaltungsgericht München im Verpflichtungsklageverfahren den Beklagten zur Erteilung der endgültigen Betriebserlaubnis verpflichtet. Dies sei auch im hiesigen Verfahren möglich. Unzutreffend sei die vom Verwaltungsgericht aufgestellte Behauptung, der Bayerische VGH habe nur deshalb einen Anordnungsgrund wegen der wirtschaftlichen Nachteile bejaht, weil zuvor mit Erteilung einer befristeten Betriebserlaubnis ein legaler Betrieb möglich gemacht worden sei. Tatsächlich habe der VGH die wirtschaftlichen Nachteile aber umfassend rechtlich gewürdigt. Das OVG Berlin-Brandenburg habe die Erteilung einer vorläufigen Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII im Verfahren nach § 123 VwGO ebenfalls für unproblematisch möglich eingestuft (Beschluss vom 25.8.2021 – 6 S 18/21 -). Die Tatsache, dass unter Verstoß gegen § 75 VwGO der Antragsgegner über einen Zeitraum von 16 Monaten nicht über den Antrag auf Erteilung der Betriebserlaubnis entschieden habe und nun der Ablehnungsbescheid ergangen sei, führe zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten bei der Antragstellerin. Diese habe für den Betrieb der Partnerfamilie I… und weiterer geplanter Partnerfamilien auf ausdrückliche Aufforderung durch den Antragsgegner ein Gebäude in P… angemietet und habe eine Person für die streitgegenständliche Leistungserbringung im Entlastungs-/Partnerzentrum P… angestellt. Die vom Verwaltungsgericht aufgrund eine
r Internetrecherche festgestellten weiteren Arbeitsfelder hätten aktuell noch nicht aufgenommen werden können. Aufgrund der vorgenommenen Einsicht in die Behördenakte dränge sich der Eindruck auf, der Antragsgegner sei den auf der Seite der Antragstellerin handelnden Personen nicht unvoreingenommen. Beim Antragsgegner liege außerdem seit Oktober 2020 ein weiterer entscheidungsreifer Antrag auf Erteilung einer weiteren Betriebserlaubnis für eine familienähnliche Betreuungsform vor. Eine Rückmeldung hierzu sei bisher nicht erfolgt. Nach hiesiger Einschätzung solle einem sich in der Gründungsphase befindlichen Jugendhilfeträger der Marktzugang verwehr werden, was mit der aus Artikel 12 GG folgenden Berufsfreiheit nicht zu vereinbaren sei.

Dieses Vorbringen führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. Die Antragstellerin hat auch im Beschwerdeverfahren keinen Anordnungsanspruch i.S.d. § 123 Abs. 1 VwGO glaubhaft gemacht.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin würde die Erteilung der begehrten vorläufigen Erlaubnis im Wege einer einstweiligen Anordnung die Hauptsacheentscheidung vorwegnehmen, denn eine solche Erlaubnis würde der Antragstellerin für einen begrenzten Zeitraum, aber insoweit endgültig, den Betrieb einer professionellen Erziehungsstelle erlauben. Nach dem vom Verwaltungsgericht zutreffend zugrunde gelegten Maßstab sind, wenn der Erlass einer einstweiligen Anordnung zu einer jedenfalls zeitweiligen Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung führt, an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes qualifiziert hohe Anforderungen zu stellen. Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn glaubhaft gemacht ist, dass der Erfolg der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, die Sache also bei Anlegung eines strengen Maßstabs an die Erfolgsaussichten erkennbar Erfolg haben wird (Anordnungsanspruch), und das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte (Anordnungsgrund).1 Dabei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist – erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs – einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, wenn nicht ausnahmsweise überwiegende gewichtige Gründe entgegenstehen.

Gemessen daran erscheint ein Obsiegen in der Hauptsache nicht überwiegend wahrscheinlich.

Soweit die Antragstellerin vorträgt, die von ihr konzipierte familienanaloge Betreuungsform unterfalle dem Begriff der „Einrichtung“ im Sinne des § 45a SGB VIII und zur Untermauerung ihrer Auffassung als Anlage zum Schreiben vom 12.11.2021 eine rechtsgutachterliche Stellungnahme2 vorlegt, muss diese Frage im vorliegenden Verfahren nicht abschließend entschieden werden. Nach dem durch das Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) vom 3.6.2021 eingeführten § 45a Satz 1 SGB VIII ist eine Einrichtung eine auf gewisse Dauer und unter der Verantwortung eines Trägers angelegte förmliche Verbindung ortsgebundener räumlicher, personeller und sachlicher Mittel mit dem Zweck der ganztägigen oder über einen Teil des Tages erfolgenden Betreuung oder Unterkunftsgewährung sowie Beaufsichtigung, Erziehung, Bildung, Ausbildung von Kindern und Jugendlichen außerhalb ihrer Familie. Die in das Gesetz aufgenommene Definition entspricht im Wesentlichen dem bereits früher geltenden Begriffsverständnis, wonach ausgehend vom Entwurf der Bundesregierung zum Kinder- und Jugendhilfegesetzes vom 1.12.1989 allgemein unter einer Einrichtung im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII eine auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung sächlicher und personeller Mittel verstanden wurde, die unter der Verantwortung eines Trägers den genannten Zwecken der Betreuung oder Unterkunftsgewährung zu dienen bestimmt ist, in ihrem Bestand und Charakter vom Wechsel der Kinder oder Jugendlichen, die betreut werden oder denen Unterkunft gewährt wird, weitgehend unabhängig ist und die zudem einen Orts- und Gebäudebezug aufweist.3 Nach § 45a Satz 2 SGB VIII unterfallen familienähnliche Betreuungsformen nicht dem Einrichtungsbegriff, es sei denn, sie sind fachlich und organisatorisch in eine betriebserlaubnispflichtige Einrichtung eingebunden (Satz 3 der genannten Vorschrift). Ob die Antragstellerin ihrem Verständnis4 nach diese Voraussetzungen erfüllt, kann vorliegend dahinstehen, denn selbst wenn sie als solche einzuordnen wäre, kann derzeit nach Lage der Akten nicht festgestellt werden, dass sie unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB VIII einen Anspruch auf Erteilung der Betriebserlaubnis hätte.

Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII bedarf der Träger einer Einrichtung nach § 45a SGB VIII für den Betrieb der Einrichtung der Erlaubnis. Die Erteilung der Betriebserlaubnis setzt voraus, dass das Kindeswohl in der Einrichtung gewährleistet ist, § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII. Unter Zugrundelegung der einschlägigen Vorschriften hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass die für die Erteilung der Erlaubnis erforderliche Gewährleistung des Kindeswohls nach der Konzeption der Antragstellerin nicht in dem erforderlichen Maße gewährleistet ist, weil der Träger ausschließlich familienanaloge Wohnformen anbietet, die nicht in eine übergeordnete Einrichtung der stationären Erziehungshilfe eingebunden sind, und es an Strukturen fehlt, um den Kinderschutz in ausreichender Weise sicherzustellen. Diese Annahme des Verwaltungsgerichts wird durch das Beschwerdevorbingen nicht in einer Weise in Zweifel gezogen, die ein Obsiegen in der Hauptsache als überwiegend bzw. hochgradig wahrscheinlich erscheinen lässt. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Senats im vorliegenden Eilverfahren werfen das von der Antragstellerin dargetane (in Teilen überarbeitete) Rahmenkonzept vom 16.5.2021 und ihr Entlastungskonzept weiterhin tatsächliche Fragen auf, deren Klärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten ist.

Der Einwand der Antragstellerin, das Verwaltungsgericht habe den Wortlaut des § 45 SGB VIII in unzulässiger Weise um den Begriff des „strukturellen Kinderschutzes“ erweitert und sich in der angegriffenen Entscheidung nicht mit dem von ihr beabsichtigten Personaleinsatz, der auf der Grundlage der Empfehlungen der Landesjugendämter basiere, auseinandergesetzt, verfängt nicht. Die Formulierung „struktureller Kinderschutz“ stellt kein zusätzliches Tatbestandsmerkmal der Vorschrift dar, sondern ist vielmehr ein Teilaspekt des in dem § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII verwendeten Oberbegriffs „Kindeswohl“, welches das gesamte Wohlergehen eines Kindes oder Jugendlichen in der Einrichtung umfasst und den alleinigen Prüfungsmaßstab für die Erteilung einer Betriebserlaubnis bildet5. Dieses Begriffsverständnis geht eindeutig aus den vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Ausführungen des Antragsgegners auf Seiten 4 und 5 des angefochtenen Bescheides (… im Sinne der Gewährleistung des Kindeswohls…) hervor. Konkret angesprochen in diesem Zusammenhang ist die zur Gewährleistung des Kindeswohls erforderliche personelle und räumliche Infrastruktur der Einrichtung, die es ermöglicht, eine Unterbringung und Versorgung der betreuten Minderjährigen auch in Krisen- bzw. Ausfallzeiten zu gewährleisten. Diesem Erfordernis wird die Konzeption der Antragstellerin, nach der im Wesentlichen externe pädagogische Kräfte zur Entlastung der Partnerfamilie und bei Krisen auf der Ebene der Kinder und Jugendlichen herangezogen werden sollen, nach Aktenlage nicht hinreichend gerecht, so dass eine Gefährdung des Kindeswohls nicht ausgeschlossen werden kann. Der Rahmenkonzeption „Partnerfamilien“ vom 16.5.2021 zufolge handelt es sich bei der Zielgruppe der Antragstellerin um Kinder und Jugendliche, die einer engmaschigen und konstanten Betreuung, Versorgung und Begleitung bedürfen und daher besonders schutzbedürftig sind. Zum betreuten Personenkreis gehören u.a. junge Menschen, die aufgrund einer ärztlichen bzw. psychotherapeutischen Diagnostik unterschiedliche Einschränkungen, wie z.B. Störungen des Sozialverhaltens, kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen, Alkoholembryopathie oder emotionale Störungen des Kindesalters6 aufweisen. Wegen der bei den betreuten Minderjährigen aufgrund ihrer Einschränkungen einhergehenden Verhaltensweisen und Symptomen ist es von besonderer Bedeutung, dass verlässliche Strukturen und Mechanismen vorhanden sind, die ihre kontinuierliche adäquate Betreuung und Unterbringung gerade auch bei Ausfallzeiten der Partnerfamilie und insbesondere in akuten Krisensituationen, in denen z.B. ein weiterer Aufenthalt der betreuten Personen in der Wohngemeinschaft mit der Partnerfamilie nicht mehr möglich ist, gewährleisten. Die in der Rahmenkonzeption und dem Entlastungskonzept dargestellten Handlungsabläufe im Hinblick auf Krisenzeiten auf der Ebene der Kinder und Jugendlichen sowie auf der Ebene der pädagogischen Fachkraft werfen Zweifel auf, ob diese tatsächlich die Gewährleistung des Kindeswohls sicherstellen. Da die „Partnerfamilie“ die betroffenen Kinder und Jugendlichen in ihren eigenen, privaten Räumlichkeiten aufnimmt, ist jedenfalls auf längere Sicht ein Austausch durch andere pädagogische Fachkräfte nicht möglich. Die Antragstellerin unterhält andernorts keine alternativen Versorgungs- und Betreuungsstrukturen oder Kurzzeitunterbringungsmöglichkeiten wie beispielsweise eine Wohngruppe oder Notfallplätze, um eine geeignete Unterbringung bzw. Betreuung der betreffenden Kinder zu ermöglichen. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang auf die Einhaltung bzw. mögliche Aufstockung des Personalschlüssels für die zusätzlichen Fachkräfte und die hauswirtschaftlichen Hilfskräfte. Dem hält der Antragsgegner zu Recht entgegen, dass die Einhaltung des Personalschlüssels für die Gewährleistung des Kindeswohls bei der Konzeption „Partnerfamilie“ nicht allein maßgeblich ist. Zu berücksichtigen ist vielmehr ebenfalls, dass es vorliegend an den Strukturen einer übergeordneten betriebserlaubnispflichtigen Einrichtung fehlt, um längerfristige Ausfallzeiten auffangen zu können. Einerseits hat die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung vom 29.9.2020 ein „Jahreskontingent von über 500 Stunden“ an Entlastungszeiten errechnet, welches ihren Darlegungen zufolge auch geballt genutzt werden könne. Andererseits erscheint aber fraglich, ob ein derartiger flexibilisierter Einsatz in der Praxis realisierbar ist, da der Rahmenkonzeption der Antragstellerin vom 16.5.2021 (Seite 34 letzter Satz im vorletzten Absatz) zufolge die pädagogischen Entlastungskräfte fester und konstanter Bestandteil der Entlastung der Familien sein sollen. Nicht hinreichend konkret geklärt ist zudem, wie eine Entlastung im Einzelfall sofort vor Ort personalisiert werden könnte. Die Antragstellerin hat hierzu in der Rahmenkonzeption vom 16.5.2021 vorgesehen, dass bei kurz- und mittelfristigen Ausfällen die pädagogischen Entlastungs- und die Springerkräfte stellvertretend die Aufgaben der innewohnenden Fachkraft übernehmen würden. Eine der beiden Personen ziehe zu diesem Zweck in das Vertretungszimmer der Partnerfamilie ein, für diese Person stünden ein eigenes Bett und ein Bad zur Verfügung. Dieser vorgesehene Einsatzplan wirft aber vor dem Hintergrund, dass diese externe Person jedenfalls nicht längerfristig in dem Privathaushalt der Partnerfamilie untergebracht werden kann, erhebliche Zweifel an der Realisierbarkeit auf. Die aufgezeigten tatsächlichen Fragen im Hinblick auf die Tragfähigkeit und Realisierbarkeit der Konzeption der Antragstellerin sind einer Klärung im vorliegenden (Eil-)Verfahren nicht zugänglich und bleiben daher dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Der Senat teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass mit Blick auf das hohe Schutzgut des Kindeswohls nach derzeitigem Erkenntnisstand kein belastbares Konzept dargetan ist, auf dessen Grundlage eine für die Antragstellerin positive Entscheidung des Antragsgegners getroffen werden könnte.

Das Abwarten auf den Ausgang der Hauptsacheentscheidung stellt sich für die Antragstellerin schließlich nicht als unzumutbar dar. Hierzu reichen die Hinweise auf wirtschaftliche Nachteile und eingegangene finanzielle Verpflichtungen nicht aus. Dass die Antragstellerin bereits vor Erteilung einer Erlaubnis für die Erziehungsstelle ein Gebäude in P… angemietet und eine Angestellte beschäftigt hat, fällt in ihren Risikobereich. Etwas anderes folgt auch nicht aus den von ihr zitierten Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs7 und des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg8. Die Sachverhalte, die diesen Entscheidungen zugrunde lagen, sind mit dem Vorliegenden nicht vergleichbar. In dem vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall stellte die zuvor erteilte befristete Betriebserlaubnis bereits eine legale wirtschaftliche Existenzgrundlage der Einrichtung dar, die durch die Versagung der endgültigen Betriebserlaubnis gefährdet wurde. Eine solche legale wirtschaftliche Existenzgrundlage ist vorliegend nicht gegeben, da der Antragstellerin eine vorläufige Betriebserlaubnis bisher nicht erteilt worden ist. Die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg befasste sich mit einer offensichtlich rechtswidrigen Versagung der Genehmigung wegen mangelnder (fachlicher) Eignung der Fachkraft. Um derartige – der Regelung des § 45 SGB VIII fernliegende – materielle Voraussetzungen geht es hier aber nicht. Die Versagung der Betriebserlaubnis verletzt die Antragstellerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Das in § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII normierte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt stellt eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Zulassungsbeschränkung dar9. Das Grundrecht auf Berufsfreiheit gebietet nicht, dass der Antragstellerin die begehrte Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ohne die – durch die erforderlichen Strukturen abgesicherte – Gewährleistung des Wohls der Kinder und Jugendlichen zuerkannt wird10.

Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge der §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO zurückzuweisen.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.