OLG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2021 – 9 U 73/21

März 1, 2022

OLG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2021 – 9 U 73/21

Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 30.04.2021, Aktenzeichen 332 O 419/20, wird gemäß § 522 Absatz 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe
Die Zurückweisung der Berufung erfolgt gemäß § 522 Absatz 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss.

I.

Der Kläger begehrt von dem beklagten Versicherer Zahlung aus einer Betriebsschließungsversicherung aufgrund von behördlichen Maßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie.

Der Kläger betreibt in Bleckede einen Cateringbetrieb mit Veranstaltungstechnik. Zwischen den Parteien besteht eine Betriebsschließungsversicherung unter der Versicherungsnummer BS – SV 95212308……. Vereinbart waren die Bedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden infolge Infektionsgefahr beim Menschen (Betriebsschließungsversicherung) mit Stand vom 01.03.2016 (vgl. Anlagen K1 und BLD1; BS 2008). Die Versicherung begann am 21.03.2017. Wegen der Ausgestaltung der Versicherungsbedingungen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils und ergänzend auf die Anlage BLD2 und wegen des Versicherungsscheines wird auf die Anlage BLD1 Bezug genommen.

Nach dem in erster Instanz unstreitigen Vortrag der Beklagten betreibt der Kläger den Landgasthof K…. Dieser Landgasthof ist ein Cateringunternehmen, der keinen Präsenzbetrieb vor Ort im Rahmen einer normal betriebenen Gaststätte unterhält. Es werden unterschiedliche Leistungen angeboten, z. B. ein Außer-Haus-Verkauf (Gänsetaxi/Entenexpress/Catering sowie Feste, Feiern etc.) sowie weitere Leistungen vor Ort. Es gibt keine geregelten Öffnungszeiten. An Feiertagen, Veranstaltungen und Events steht der Landgasthof für seine Kunden zur Verfügung. Auch im März 2020 gab es eine umfangreiche Außer-Haus-Karte, neben der ab 26.04.2020 ein Spargelbuffet angeboten wurde.

Der Kläger hat vorgetragen,

er habe seinen Betrieb aufgrund der coronabedingten Allgemeinverfügungen schließen müssen. Der Gewinnverlust für die Zeit der Betriebsschließung von Februar bis Juni 2020 sei mit 27.500 € zu beziffern. Da die coronabedingte Zeit der Betriebseinschränkung noch nicht abgelaufen sei, sei der Verlust noch weit höher anzusetzen. Der Kläger ist der Ansicht, dass das neuartige Coronavirus vom Versicherungsschutz umfasst sei. Relevant sei stets die aktuelle Fassung des IfSG. Anderenfalls hätte das IfSG nicht erwähnt werden müssen. Nach dem Wortlaut von § 25 Nr. 4 der Versicherungsbedingungen sei „namentlich“ als „in besonderer Weise“, „insbesondere“, „besonders“, „hauptsächlich“ oder „in erster Linie“ zu verstehen, so dass die Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger nicht abschließend gemeint sein könne.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit von Februar bis Juni 2020 einen Betrag in Höhe von 27.500 € nebst 5 %-Punkten über dem Basiszins der EZB seit dem 15.07.2020 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verpflichten, für die dem Kläger entstandenen Schäden durch die coronabedingte Betriebsschließung einzustehen und den Betriebsausfall dem Kläger abzüglich bereits gemäß Klagantrag zu 1. zu leistender 27.500 € nebst 5 %-Punkten über dem Basiszins der EZB seit dem 15.07.2020 zu erstatten.

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Nebenforderung in Höhe von 1.324,60 € nebst 5 %-Punkten über dem Basiszins der EZB seit dem 14.08.2020 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten,

es fehle bereits an einer Betriebsschließung auf Anordnung einer Behörde. Der Außerhausverkauf, auf den der Gasthof vornehmlich ausgerichtet sei, sei weiterhin möglich gewesen. Im Übrigen sei das neuartige Coronavirus keine versicherte Gefahr. Versichert seien nur die in den Versicherungsbedingungen mit ihrem Namen genannten Krankheiten und Krankheitserreger. Diese Aufzählung sei abschließend. Im Übrigen sei auch das Coranavirus bzw. Covid 19 bis zum 23.05.2020 nicht im Infektionsschutzgesetz genannt gewesen. Versichert seien zudem nur betriebsinterne Gefahren. Schließlich sei die Allgemeinverfügung unwirksam. Der Kläger habe auch nicht dargelegt, dass der Betrieb an sieben Tagen pro Woche geschlossen worden sei. Seine Bezifferung der Klagforderung, bei der er anscheinend auf entgangenen Gewinn abstellt, sei nicht nachvollziehbar.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 30.04.2021 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach den Versicherungsbedingungen seien COVID-19 bzw. SARS-CoV-2 nicht Teil des versicherten Risikos. Die Auslegung der Versicherungsbedingungen ergebe, dass die dort enthaltenen Aufzählungen der Krankheiten und Krankheitserreger abschließend seien. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Der Kläger wendet sich gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 03.05.2021 zugestellte Urteil mit seiner am 17.05.2021 eingelegten und am 05.07.2021 (Montag) begründeten Berufung. Zur Begründung wiederholt er seinen erstinstanzlichen Vortrag zur Auslegung des Wortes „namentlich“ und meint, die Aufzählung sei nicht abschließend und der Versicherungsschutz nicht auf die in den Versicherungsbedingungen aufgezählten Krankheiten und Krankheitserreger beschränkt. Es sei auch die Ähnlichkeit zwischen Influenza und Covid-19 zu bedenken. Beide Virenstämme seien ähnlich. Außerdem habe ersichtlich eine Versicherung für Betriebsschließungen abgeschlossen werden sollen und nicht eine Versicherung für bestimmte Erkrankungen oder Gründe.

Der Kläger hat in der Berufungsinstanz schriftsätzlich keinen konkreten Antrag formuliert.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und vertieft und ergänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Im Übrigen wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat mit Verfügung vom 23.07.2021 darauf hingewiesen, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte. Nach Auffassung des Senats seien nur intrinsische Gefahren versichert. Die Auslegung der Versicherungsbedingungen durch das Landgericht sei wahrscheinlich zutreffend, wobei die konkret in den Versicherungsvertrag einbezogenen Versicherungsbedingungen nicht bekannt seien. Im Übrigen habe der Kläger nicht hinreichend zu einer Schließung seines Betriebes vorgetragen.

Der Senat hat ferner mit Beschluss vom 17.09.2021 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Absatz 2 ZPO zurückzuweisen. Der Kläger habe schon nicht hinreichend vorgetragen, dass, wann und wie lange es zu einer Schließung seines Betriebes gekommen sei. Die Beklagte habe bereits erstinstanzlich substantiiert dargelegt, dass es eine Schließung des klägerischen Betriebs nicht gegeben habe, weil der Kläger ein Cateringunternehmen mit Außer-Haus-Verkauf und keine typische Gaststätte mit Tischverzehr vor Ort betreibe. Der Kläger sei dem nicht entgegengetreten. Schon gar nicht habe er den Beweis geführt, dass sein Betrieb durch die zuständige Behörde geschlossen worden sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Hinweisbeschluss vom 17.09.2021 Bezug genommen.

Der Kläger meint, es sei festzuhalten, dass er eine Gaststätte mit Tischverzehr vor Ort betreibe, das Catering mache lediglich einen Bruchteil des Geschäftsbetriebes aus. Es sei also davon auszugehen, dass es sich bei seinem Betrieb um eine typische Gaststätte mit Tischverzehr vor Ort handele, so dass sein Betrieb den Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung der Beklagten unterfalle.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Zwar hat er keinen ausdrücklichen Antrag schriftlich formuliert. Seinem Vorbringen ist jedoch noch hinreichend zu entnehmen, dass er das Urteil des Landgerichts angreifen will und das erstinstanzliche Begehren weiter verfolgt.

Dennoch hat das Rechtsmittel des Klägers nach einstimmiger Auffassung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 17.09.2021 verwiesen. Der Schriftsatz des Klägers vom 15.10.2021 gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Würdigung.

Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob der beklagte Versicherer nur im Falle einer intrinsischen Gefahr eintrittspflichtig ist und auch, ob der in § 25 Absatz 4 der Versicherungsbedingungen dargestellte Katalog abschließend ist. Denn der Kläger hat schon nicht hinreichend vorgetragen, dass die zuständige Behörde seinen Betrieb geschlossen hat, was nach § 25 Absatz 1 der Versicherungsbedingungen Voraussetzung für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ist. Er benennt keine konkrete Maßnahme dieser Behörde, die zu einer Schließung seines Betriebes geführt haben soll. Es ist zudem allgemein bekannt, dass der Außerhausverkauf nach der AV d. MS v. 23. 3. 2020 — 401-41609-11-3 — in Niedersachsen weiterhin erlaubt war. Die Beklagte hat bereits erstinstanzlich substantiiert vorgetragen, dass der Landgasthof des Klägers keine festen Öffnungszeiten hat und einen umfangreichen Catering- und Lieferservice betreibt. Dem ist der Kläger in erster Instanz gar nicht und in zweiter Instanz nicht hinreichend spezifiziert entgegengetreten. Es bleibt nach seinen ergänzenden Angaben völlig offen, welchen Anteil der Catering- und Lieferservice an seinem früheren Umsatz hatte. Von daher kann noch nicht einmal festgestellt werden, ob das Verbot, Gäste in den Räumen des Landgasthofs zu bewirten, einer sogenannten „faktischen Betriebsschließung“ gleichkommt, die nach Auffassung verschiedener Gerichte einer Betriebsschließung im Sinne der Versicherungsbedingungen entsprechen soll.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich und eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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