KG Berlin 9 W 99/21

März 2, 2022

KG Berlin 9 W 99/21

vorgehend LG Berlin, 13. Juli 2020, 26 O 7/20, Beschluss
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 3. August 2020 gegen den Beschluss des Landgerichts vom 13. Juli 2020 (26.O.7/20) wird als unzulässig verworfen, soweit die Antragsteller bezüglich der Anträge zu 6) bis 13) eine Verweisung an das Verwaltungsgericht begehren.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe
Randnummer1
I. Der Antragsteller zu 1) ist Gesellschafter der Antragstellerin zu 2). Beide wollen die Antragsgegner mit ihrer beabsichtigten Klage auf Schadenersatz in Höhe von ca. 60 Mio Euro und Schmerzensgeld in Höhe von 23 Mio Euro sowie auf Auskunft in Anspruch nehmen, weil Mitarbeiter der Antragsgegnerin zu 1) sowie die Antragsgegner zu 2) bis 5) – nach dem bestrittenen Vortrag der Antragsteller – bei der Vergabe von Fördermitteln aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GWR) gemeinsam mit Banken unlauter zum Nachteil der Antragsteller gehandelt hätten.

Randnummer2
Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen. Für die geltend gemachten Auskunftsansprüche fehle es an der Rechtswegzuständigkeit. Im Übrigen fehle es bezüglich des Antragstellers zu 1) an der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage, hinsichtlich der Antragstellerin zu 2) an den Voraussetzungen des § 116 ZPO.

Randnummer3
Das Landgericht hat der Beschwerde der Antragsteller nicht abgeholfen und den mit der Beschwerde gestellten Antrag, die Auskunftsanträge zu 6) bis 13) an das Verwaltungsgericht zu verweisen, mit der Begründung abgelehnt, eine Entscheidung nach § 17 a GVG setze eine rechtshängige Klage voraus.

Randnummer4
Im Beschwerdeverfahren stützen die Antragsteller die Auskunftsansprüche zu 3) bis 5) nunmehr auf bürgerlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen (Recht auf informationelle Selbstbestimmung, allgemeines Persönlichkeitsrecht Europäische Grundrechtecharta, § 242 BGB, § 810 BGB) und halten insoweit – wie auch bezüglich der Antrage zu 1) und 2) – an ihrem Prozesskostenhilfeantrag fest. Wegen der Anträge zu 6) bis 13) beantragen sie weiterhin Verweisung an das Verwaltungsgericht.

Randnummer5
II. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller war zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Ablehnung der beantragten Prozesskostenhilfe richtet, weil insoweit die für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind (im Folgenden 1.).

Randnummer6
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller war als unzulässig zu verwerfen, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Landgericht die beantragte Verweisung des Verfahrens bezüglich der beabsichtigten Klageanträge zu 6) bis 13) abgelehnt hat, weil insoweit eine Beschwerde bereits nicht statthaft ist (im Folgenden 2.).

Randnummer7
Schließlich konnte bezüglich der in die Rechtswegzuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit fallenden Anträge zu 3) bis 5) keine Rechtswegverweisung gemäß § 17 a Absatz 2 GVG erfolgen, weil eine solche Verweisung im isolierten Prozesskostenhilfeverfahren nicht zulässig ist (im Folgenden 3.).

Randnummer8
1. Soweit sich die Beschwerde gegen die Ablehnung der beantragten Prozesskostenhilfe richtet, ist sie unbegründet.

Randnummer9
Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag der Antragsteller zu Recht zurückgewiesen. Für die beabsichtigten Klageanträge zu 3) bis 13) fehlt die gemäß § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht bereits deshalb, weil für die mit diesen Anträgen geltend gemachten Auskunftsansprüche die Rechtswegzuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht gegeben ist. Insoweit ist gemäß § 40 VwGO allein der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (im Folgenden a). Für die beabsichtigten Klageanträge zu 1) und 2) konnte Prozesskostenhilfe nicht bewilligte werden, weil bezüglich der Antragstellerin zu 2) die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO (im Folgenden b) und bezüglich des Antragstellers zu 1) die gemäß § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage fehlt (im Folgenden c).

Randnummer10
a) Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass für die mit den beabsichtigten Klageanträgen zu 3) bis 13) geltend gemachten Auskunftsansprüche der – stets zuvörderst zu prüfende – Rechtsweg zu den Zivilgerichten nicht gegeben ist und deshalb die gemäß § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht fehlt.

Randnummer11
aa) Nach § 13 GVG steht für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten der Rechtsweg zu den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit offen, während gemäß § 40 VwGO der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben ist.

Randnummer12
Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, beurteilt sich hierbei nach der Rechtsnatur der Rechtsnormen, die das Rechtsverhältnis prägen, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. Juli 1989 – GmS-OGB 1/88 –, juris Rn. 8). Öffentlich-rechtlicher Natur sind diejenigen Rechtsnormen, welche einen Träger öffentlicher Gewalt gerade als solchen berechtigen oder verpflichten, die also einen öffentlichen Verwaltungsträger zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben mit besonderen Befugnissen ausstatten oder besonderen Regeln unterwerfen (BVerwG, Beschluss vom 21. November 2016 – 10 AV 1/16 –, juris Rn. 5).

Randnummer13
bb) Nach diesen Grundsätzen unterliegen die Auskunftsanträge zu 6) bis 13) der Verwaltungsgerichtsbarkeit, was zwischen den Parteien unstrittig ist. Aber auch soweit die Antragsteller mit den Anträgen zu 3) bis 5) Auskünfte verfolgen und diese auf bürgerlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen stützen wollen, handelt es sich um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten.

Randnummer14
Entscheidend ist die Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag des Anspruchstellers darstellt, und nicht, ob dieser sich auf eine zivilrechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, a.a.O.).

Randnummer15
Die Antragsteller begehren Auskünfte (unter Vorlage von Unterlagen) zu einem Tätigkeitsbereich der Antragsgegner, welcher gemäß Art. 91 a Absatz 1 GG der Bundesrepublik als öffentliche Aufgabe übertragen ist. Danach wirkt der Bund auf dem Gebiet der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder mit, wenn diese Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist. Die Antragsgegnerin zu 1) wird hierbei als Trägerin öffentlicher Gewalt zur Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe verpflichtet. Dieser Aufgabenbereich der Antragsgegnerin zu 1) ist im Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW-Gesetz) rein öffentlich-rechtlich ausgestaltet. Die Rechtsnormen dieses Gesetzes dienen ausschließlich den Interessen der Allgemeinheit. Sie wenden sich nur an Hoheitsträger, hier die Antragsgegnerin zu 1) sowie die Bundesländer, und gestaltet deren Aufgaben, Rechte und Pflichten und Rechtsbeziehungen als Träger öffentlicher Gewalt. Demgegenüber regelt das Gesetz keine Rechtsbeziehungen zu oder zwischen Privaten. Es enthält keine Rechtssätze, die für jedermann gelten (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, a.a.O., juris Rn. 9).

Randnummer16
b) Zutreffend ist das Landgericht auch zu dem Ergebnis gelangt, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Antragstellerin zu 2) im Übrigen schon im Hinblick auf § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO ausscheidet.

Randnummer17
Auch für eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland, mit der ein Amtshaftungsanspruch verfolgt werden soll, kann Prozesskostenhilfe für eine juristische Person nur unter diesen Voraussetzungen bewilligt werden (Senat, Beschluss vom 15. Februar 2011 – 9 W 50/08 –, juris).

Randnummer18
aa) Nach § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO erhält eine juristische Person – die Erfolgsaussicht ihrer Rechtsverfolgung vorausgesetzt – auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Nach der zu dieser Vorschrift ergangenen Rechtsprechung läuft die Unterlassung der Rechtsverfolgung der Antragstellerin zu 2) im vorliegenden Fall allgemeinen Interessen jedoch nicht zuwider. Ein allgemeines Interesse im Sinne dieser Vorschrift kann angenommen werden, wenn außer den an der Führung des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten ein erheblicher Kreis von Personen durch die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in Mitleidenschaft gezogen würde, die Vereinigung gehindert würde, der Allgemeinheit dienende Aufgaben zu erfüllen, oder wenn von der Durchführung des Prozesses die Existenz eines Unternehmens abhinge, an dessen Erhaltung wegen der großen Zahl von Arbeitsplätzen ein allgemeines Interesse besteht oder eine Vielzahl von Gläubigern geschädigt werden könnten (BGH, Beschluss vom 01. Oktober 2020 – V ZA 10/20 –, Rn. 3, juris; Beschluss vom 23. Juli 2019 – II ZR 56/18 –, Rn. 8, juris – m.w.N.). Dies ist im Falle der Antragstellerin nicht gegeben, weil diese lediglich 19 Arbeitnehmer beschäftigt.

Randnummer19
Der Vortrag der Antragstellerin, aus dem sie ein allgemeines Interesse im Sinne von § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO herleiten möchte, wonach den Antragstellern bewilligte Fördermittel bislang nicht ausgezahlt worden seien und deshalb dauerhaft zweckwidrig verwendet würden, ist schlicht nicht nachvollziehbar und zudem durch nichts belegt. Die zwar umfangreichen, aber dennoch unverständlichen Ausführungen der Antragsteller geben hierzu nichts her. Von daher kann ebenso wenig nachvollzogen werden, dass 3000 Unternehmen in vergleichbarer Weise missbraucht, geschädigt und in ihrer wirtschaftlichen Existenz zerstört und bei den Antragstellern 19 Arbeitsplätze sowie insgesamt bei den angeblich betroffenen 3.000 Unternehmen wenigstens rund 50.000 Arbeitsplätze vernichtet worden seien.

Randnummer20
Im Übrigen reicht es nicht aus, dass bei der Entscheidung des Rechtsstreits Rechtsfragen von allgemeinem Interesse zu beantworten sein mögen (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1989, VIII ZR 139/89, juris). Insoweit fehlt es – wie auch im vorliegenden Fall – an einem tatsächlichen, die Allgemeinheit betreffenden Nachteil, der über das etwaige Unterbleiben eines Urteilsausspruchs hinausgeht. Eine Ausdehnung auf jegliche, auch mittelbare Auswirkungen ist von einer Auslegung der Norm unter Berücksichtigung der Gesetzgebungsmaterialien nicht mehr gedeckt (vgl. hierzu BT-Dr 8/3068, S. 26 f. Regierungsentwurf zu § 114c ZPO unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 1973, 1 BvR 153/69, juris Rn. 22 ff., sowie auf die Begründung zu dem mit Gesetz vom 27. Oktober 1933 eingefügten § 114 Absatz 4 ZPO). Die Rechtsprechung hat es unter Berufung auf die Entstehungsgeschichte stets für erforderlich gehalten, dass außer den an der Führung des Prozesses wirtschaftlich Beteiligten ein erheblicher Kreis von Personen durch die Unterlassung der Rechtsverfolgung in Mitleidenschaft gezogen würde (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Februar 2011 – 9 W 50/08 –, Rn. 8 ff., juris). An dieser Rechtsprechung hält der Bundesgerichtshof nach wie vor fest (BGH, a.a.O.)

Randnummer21
bb) Die Regelung des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO steht auch mit dem Grundgesetz im Einklang. Insbesondere sind die im Vergleich zu natürlichen Personen strengeren Anforderungen an eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für juristische Personen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies hat das BVerfG wiederholt festgestellt (Beschluss vom 3. Juli 1973, 1 BvR 153/69, NJW 1974, 229; Beschluss vom 26. Januar 1983 – 1 BvR 1036/82, 1 BvR 26/73 – www.juris.de).

Randnummer22
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist letztlich eine Maßnahme der Sozialhilfe, die sich aus dem Sozialstaatsprinzip herleitet und zur Achtung der Menschenwürde notwendig ist, was bei juristischen Personen entfällt. Letztere sind künstliche Schöpfungen nach Maßgabe einer von der Rechtsordnung aus Zweckmäßigkeitsgründen zugelassenen Rechtsform. Sie bieten den hinter der Gesellschaft stehenden Personen wirtschaftliche Vorteile, insbesondere eine Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen. Demgemäß ist die Rechtsträgerschaft an ein ausreichendes Vermögen gebunden. Dieses ist Voraussetzung sowohl für ihre Gründung als auch für ihre weitere Existenz. Die juristische Person besitzt demnach grundsätzlich nur dann eine von der Rechtsordnung anerkannte Existenzberechtigung, wenn sie ihre Ziele und Aufgaben aus eigener Kraft zu verfolgen in der Lage ist. Die Regelung des § 116 Nr. 2 ZPO trägt damit den besonderen Verhältnissen bei juristischen Personen Rechnung (BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 1973, 1 BvR 153/69, NJW 1974, 229; s.a. Senat, Beschluss vom 15. Februar 2011 – 9 W 50/08 –, Rn. 8ff., juris).

Randnummer23
c) Zu Recht hat das Landgericht schließlich auch dem Antragsteller zu 1) Prozesskostenhilfe für die Verfolgung der mit den Anträgen zu 1) und 2) geltend gemachten Amtshaftungsansprüche auf Schadenersatz bzw. Schmerzensgeld verwehrt, weil seiner beabsichtigten Klage insoweit ebenfalls die gemäß § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht fehlt.

Randnummer24
Die Anspruchsvoraussetzungen des § 839 Absatz 1 BGB für eine Haftung der Antragsgegner lassen sich dem Vortrag des Antragstellers nicht entnehmen. Es fehlt bereits die nachvollziehbare Darlegung der Verletzung einer den Antragsteller schützenden Amtspflicht der Antragsgegner. Auch ein Schaden – schon gar nicht in der geltend gemachten Höhe – lässt sich dem Vortrag des Antragstellers nicht entnehmen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Randnummer25
Eine Haftung der Antragsgegner zu 2) bis 5) ist im Hinblick auf Art. 34 Satz 1 GG ohnehin nicht ersichtlich.

Randnummer26
2. Im Übrigen ist die sofortige Beschwerde der Antragsteller unzulässig.

Randnummer27
Soweit das Landgericht die beantragte Verweisung des Verfahrens bezüglich der beabsichtigten Klageanträge zu 6) bis 13) abgelehnt hat und die Antragsteller mit ihrer Beschwerde (allein noch) die Verweisung weiterverfolgen, ist eine Beschwerde nicht statthaft ist.

Randnummer28
Eine Beschwerde gegen die Ablehnung einer Rechtswegverweisung gemäß § 17a Absatz 2 GVG ist im Prozesskostenhilfeverfahren nicht eröffnet. Eine Beschwerdemöglichkeit ergibt sich insbesondere nicht aus § 17a Abs. 4 Satz 3, 4 GVG, weil diese Vorschriften im Prozesskostenhilfeverfahren weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar sind (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 – IX ZB 61/15 –, juris, Rn. 8). Im Prozesskostenhilfeverfahren verbleibt es allein bei den nach der gesetzlichen Regelung gemäß § 127 ZPO gegebenen Rechtsmitteln.

Randnummer29
a) Das in § 17a Abs. 4 GVG geregelte Rechtsmittelverfahren bezieht sich auf Entscheidungen über die Zulässigkeit des Rechtswegs in einem rechtshängigen Rechtsstreit. Diese Bestimmungen sind daher nicht unmittelbar anzuwenden (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 – IX ZB 61/15 –, Rn. 9, juris). Das Verfahren der Rechtswegverweisung ist in §§ 17a, 17b GVG abschließend geregelt (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 – IX ZB 61/15 –, Rn. 9, juris; Beschluss vom 24. Februar 2000 – III ZB 33/99 –, Rn. 9, juris). Ein Verweisungsbeschluss nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG setzt voraus, dass das Verfahren bereits rechtshängig ist (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 – IX ZB 61/15 –, Rn. 9; BAG, Beschluss vom 09. Februar 2006 – 5 AS 1/06 –, Rn. 17, juris). Daran fehlt es bei einem – wie hier vorliegend – isolierten Prozesskostenhilfeantrag.

Randnummer30
b) Die Bestimmungen des § 17a Abs. 4 Satz 3 bis 6 GVG sind im Prozesskostenhilfeverfahren auch nicht entsprechend anzuwenden.

Randnummer31
Hierzu führt der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in seinem Beschluss vom 25. Februar 2016 (IX ZB 61/15 –, Rn. 10 – 11, juris) aus:

Randnummer32
„Die Bestimmungen des § 17a Abs. 4 Satz 3 bis 6 GVG sind im Prozesskostenhilfeverfahren auch nicht entsprechend anzuwenden. Die in einem Prozesskostenhilfeverfahren vorgesehenen Rechtsmittel sind vom Gesetzgeber bewusst eingeschränkt worden, wie sich aus § 127 ZPO ergibt. Das Prozesskostenhilfeverfahren ist ein nicht streitiges, seinem Charakter nach der staatlichen Daseinsfürsorge zuzurechnendes Antragsverfahren (…). Es zielt darauf, den unbemittelten Antragsteller möglichst zügig in die Lage zu versetzen, Rechtsschutz in einem Hauptsacheverfahren zu erlangen. Angesichts dieses Zwecks des Prozesskostenhilfeverfahrens ist ein zusätzlicher Rechtsmittelzug allein für die Frage, das Gericht welchen Rechtswegs über das Prozesskostenhilfegesuch zu entscheiden hat, mit den gesetzlichen Wertungen nicht vereinbar (…).

Randnummer33
Bei Zweifeln über den zulässigen Rechtsweg im Prozesskostenhilfeverfahren geht es lediglich darum, einen negativen Kompetenzkonflikt zu vermeiden und die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 114 ZPO) – dies im Interesse des Antragstellers – nach den richtigen Maßstäben zu beurteilen. Ein besonderer Rechtsmittelzug ist hierfür nicht erforderlich. Die von § 17a Abs. 4 Satz 3 bis 6 GVG vorausgesetzte Interessenlage beruht auf dem Interesse beider Parteien an einer Entscheidung der Hauptsache durch das Gericht des richtigen Rechtswegs; die Frage, welches Gericht über das Prozesskostenhilfegesuch zu entscheiden hat, ist hiermit nicht vergleichbar.“

Randnummer34
Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich der Senat an.

Randnummer35
3. Aus diesen Gründen konnte bezüglich der in die Rechtswegzuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit fallenden, mit den Anträgen zu 3) bis 5) geltend gemachten Auskunftsansprüche auch keine Verweisung gemäß § 17 a Absatz 2 GVG erfolgen.

Randnummer36
Eine solche Verweisung im isolierten Prozesskostenhilfeverfahren ist nicht zulässig, weil die Vorschriften über die Rechtswegverweisung gemäß § 17a GVG im Prozesskostenhilfeverfahren weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar sind. Dies entspricht der herrschenden Meinung in Rechtsprechung (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 – IX ZB 61/15 –, Rn. 9, juris; BGH, Beschluss vom 16. April 2019 – X ARZ 143/19 –, Rn. 11, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. August 2007 – 19 W 16/07 –, Rn. 14, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 05. Januar 2015 – 4 W 69/14 –, Rn. 21, juris; OLG München, Beschluss v. 26.11.2010 – 1 W 2523/10 –, Rn. 4, juris; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 23. November 1999 – 3Z AR 27/99 –, Rn. 13, juris; Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 30. April 2018 – 9 Ta 55/18 –, Rn. 9, juris; BayVGH, Beschluss v. 29.9.2014 – 10 C 12.1609 –, Rn. 28, juris; Beschluss vom 18. August 2014 – 5 C 14.1654 –, Rn. 3, juris; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. November 2004 – 12 S 2360/04 –, Rn. 3, juris; OVG Lüneburg, Beschluss v. 7.2.2000 – 11 O 281/00 –, Rn. 5, juris) und Literatur (Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 42. Auflage, § 17a GVG Rn. 3; Jacobs in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage, § 17 GVG Rn. 6; Lückemann in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auflage 2022, Vorbemerkungen zu §§ 17-17c, Rn. 12; Mayer in: Kissel/Mayer, GVG, 10. Auflage 2021, § 17 Rn. 7; Pabst in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2022, GVG § 17 Rn. 5; Schreiber in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Auflage, § 17a GVG Rn. 5; Wittschier in: Musielak/Voit, 18. Auflage 2021, GVG § 17 Rn. 3).

Randnummer37
Der Senat schließt sich (entgegen BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2020 – XII ZB 276/20 –, Rn. 19, juris m.w.N in Rn. 18) der herrschenden Meinung an.

Randnummer38
a) Eine Rechtswegverweisung setzt nach dem Wortlaut des § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG einen Rechtsstreit und damit auch Rechtshängigkeit voraus (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 – IX ZB 61/15 –, Rn. 9, juris). Vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit kommt eine Entscheidung nach § 17 a Abs. 2 ZPO nicht in Betracht (BGH, Beschluss vom 10. August 2011 – X ARZ 263/11 –, Rn. 13, juris). Daran fehlt es bei dem vorliegenden isolierten Prozesskostenhilfeverfahren.

Randnummer39
Es mag sein, dass mit dem Begriff „Rechtsstreit“ in § 17 a Abs. 2 GVG im Wege der Auslegung auch dem Erkenntnisverfahren vor-, nach- oder nebengelagerte Verfahren erfasst werden können. Das mag insbesondere auf Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes oder Zwangsvollstreckungsverfahren zutreffen. Dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nach kann (entgegen BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2020 – XII ZB 276/20 –, Rn. 20, juris) mit der Verwendung des Begriffes „Rechtsstreit“ aber kein Prozesskostenhilfeverfahren gemeint sein. „Das Prozesskostenhilfeverfahren ist ein nicht streitiges, seinem Charakter nach der staatlichen Daseinsfürsorge zuzurechnendes Antragsverfahren“ (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 – IX ZB 61/15 –, Rn. 10, juris). In diesem stehen sich keine Parteien mit gegenläufigen Interessen streitig gegenüber. Ihm fehlt das einem „Rechtsstreit“ charakteristische Element des „Kontradiktorischen“. Dass in § 17 a Abs. 2 Satz 2 GVG neben dem Kläger auch der Antragsteller genannt ist, trägt lediglich dem Umstand Rechnung, dass es auch Streitverfahren gibt, in denen die Parteien statt als Kläger und Beklagter als Antragsteller und Antragsgegner bezeichnet werden.

Randnummer40
Diese Auslegung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Die Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zur Einführung von § 17a) durch das Gesetz zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (4. VwGOÄndG) verdeutlicht, dass Prozesskostenhilfeverfahren von der Neuregelung nicht umfasst waren. Anlass für die Neuregelung von §§ 17 ff. GVG waren zwei seinerzeit als reformbedürftig erachtete Regelungen des seinerzeit geltenden Rechts, nämlich die Befugnis des „Adressatgerichts“ zur Weiterverweisung und die Befugnis der Berufungs- und Revisionsgerichte zur Überprüfung der Rechtswegzuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens, mit der möglichen Folge einer Verweisung nach jahrelang anhängigem Rechtsstreit u.U. erst in der Revisionsinstanz (BT-Drs. 11/7030, S. 36). Zur Vermeidung dieses unbefriedigenden Zustandes sieht das Gesetz nun vor, dass die Frage der Rechtswegzuständigkeit zu einem möglichst frühen Zeitpunkt des Verfahrens in der ersten Instanz abschließend geklärt und das weitere Verfahren nicht mehr mit dem Risiko eines später erkannten Mangels des gewählten Rechtsweges belastet wird. Schon hieraus wird deutlich, dass allein rechtshängige, streitige Verfahren Gegenstand der Neuregelung sein sollten, denn die als reformbedürftig erkannten Probleme stellen sich im Prozesskostenhilfeverfahren nicht. Weder kann es im Prozesskostenhilfeverfahren zu einer Weiterverweisung kommen, noch zu einer Verweisung nach jahrelang anhängigem Rechtsstreit in einer höheren Instanz.

Randnummer41
b) Die Regelung des § 17 a GVG kann im isolierten Prozesskostenhilfeverfahren auch nicht entsprechend angewendet werden.

Randnummer42
aa) Insbesondere liegen schon die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Vorschrift nicht vor.

Randnummer43
Eine Gesetzesanwendung über den Wortsinn hinaus bedarf einer besonderen Legitimation. Hat sich der Gesetzgeber hingegen bewusst für die Regelung oder Nichtregelung eines bestimmten Sachverhalts entschieden, sind die Gerichte nicht befugt, sich über diese gesetzgeberische Entscheidung durch eine Auslegung einer Vorschrift gegen ihren Wortlaut hinwegzusetzen (BAG, Urteil vom 22. September 2020 – 3 AZR 304/18 –, Rn. 40, juris). Voraussetzung für eine Analogie ist es deshalb stets, „dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen“ (BGH, Urteil vom 04. August 2010 – XII ZR 118/08 –, Rn. 11, juris).

Randnummer44
Angesichts der oben bereits angeführten gesetzgeberischen Ziele für die Neuregelung der §§ 17 ff. GVG ist weder eine Regelungslücke noch eine vergleichbare Interessenlage für eine analoge Anwendung der Vorschriften im isolierten Prozesskostenhilfeverfahren zu erkennen.

Randnummer45
(1) Eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes liegt nicht vor.

Randnummer46
Ob eine derartige Lücke vorhanden ist, die im Wege der Analogie ausgefüllt werden kann, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrundeliegenden Regelungsabsicht zu beurteilen. Das Gesetz muss also, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig sein (BGH, Urteil vom 13. November 2001 – X ZR 134/00 –, Rn. 35, juris; Urteil vom 12. Juli 2017 – XII ZR 26/16 –, Rn. 27, juris).

Randnummer47
Es ist bereits dargestellt worden, dass Anlass für die Neuregelung von §§ 17 ff. GVG seinerzeit als reformbedürftig erachtete Regelungen des damals geltenden Rechts, nämlich die Befugnis zur Weiterverweisung eines rechtshängigen Rechtsstreits und die Befugnis zur Überprüfung der Rechtswegzuständigkeit in einem fortgeschrittenen Verfahrensstadium (nach jahrelang anhängigem Rechtsstreit u.U. erst in der Revisionsinstanz), waren (BT-Drs. 11/7030, S. 36). Ebenso ist dargelegt worden, dass es im Prozesskostenhilfeverfahren weder zu einer solchen Weiterverweisung, noch zu einer Verweisung nach jahrelanger Verfahrensdauer in einer höheren Instanz kommen kann. Prozesskostenhilfeverfahren dauern regelmäßig nicht lange und haben nur einen verkürzten Instanzenzug (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. August 2007 – 19 W 16/07 –, Rn. 16, juris). Bezüglich des Prozesskostenhilfeverfahrens fehlte insoweit jegliches Regelungsbedürfnis, noch ist ein Regelungswille des Gesetzgebers erkennbar.

Randnummer48
Eine planwidrige Regelungslücke vermochte auch der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in seinem Beschluss vom 21. Oktober 2020 (XII ZB 276/20 –, Rn. 19 ff., juris) nicht aufzuzeigen.

Randnummer49
(2) Auch eine vergleichbare Interessenlage ist nicht gegeben.

Randnummer50
Das Prozesskostenhilfeverfahren ist mit den rechtshängigen streitigen Verfahren, die – wie oben ausgeführt – nach dem Willen des Gesetzgebers Gegenstand der Neuregelung in § 17a GVG sein sollten, nicht vergleichbar, eben weil das Prozesskostenhilfeverfahren ein nicht streitiges, seinem Charakter nach der staatlichen Daseinsfürsorge zuzurechnendes Antragsverfahren ist (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 – IX ZB 61/15 –, Rn. 10, juris). Die oben bereits zitierten Ausführungen des IX. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes in seinem Beschluss vom 25. Februar 2016 gelten hier gleichermaßen. „Bei Zweifeln über den zulässigen Rechtsweg im Prozesskostenhilfeverfahren geht es lediglich darum, einen negativen Kompetenzkonflikt zu vermeiden und die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 114 ZPO) … nach den richtigen Maßstäben zu beurteilen. … Die von § 17a Abs. 4 Satz 3 bis 6 GVG vorausgesetzte Interessenlage beruht auf dem Interesse beider Parteien an einer Entscheidung der Hauptsache durch das Gericht des richtigen Rechtswegs; die Frage, welches Gericht über das Prozesskostenhilfegesuch zu entscheiden hat, ist hiermit nicht vergleichbar“ (BGH, a.a.O., Rn. 11, juris).

Randnummer51
§ 17a GVG dient danach dem Interesse der Parteien an einer endgültigen Sachentscheidung im „richtigen“ Rechtsweg sowie im Rahmen dessen der Verfahrensbeschleunigung und Konzentration der Entscheidung über den Rechtsweg (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. August 2007 – 19 W 16/07 –, Rn. 16, juris). Diese Interessenlage findet sich im Prozesskostenhilfeverfahren nicht in vergleichbarer Weise.

Randnummer52
Der Antragsteller verfolgt im Prozesskostenhilfeverfahren in erster Linie allein sein Interesse, Prozesskostenhilfe für seine beabsichtigte Klage zu erhalten (OLG Karlsruhe, a.a.O.). Die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe ist keine Entscheidung in der Sache. Die Frage des Rechtswegs hat hier nur eine untergeordnete Bedeutung im Rahmen der Beurteilung der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung. Die Erfolgsaussicht einer beabsichtigten Klage fehlt, wenn sie im unzulässigen Rechtsweg erhoben werden soll.

Randnummer53
Soweit demgegenüber eingewandt wird, die Frage der Rechtswegzuständigkeit habe im Verfahren der Prozesskostenhilfe keine lediglich untergeordnete Bedeutung, weil es unter anderem auch Zweck der in § 17 a GVG vorgesehenen Rechtswegverweisung sei, die Sachentscheidung derjenigen Gerichtsbarkeit zuzuweisen, die angesichts ihrer Spezialisierung über eine entsprechende Erfahrung und Kompetenz verfüge (so aber BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2020 – XII ZB 276/20 –, Rn. 22, juris, der jedoch nachfolgend in Rn. 25 die lediglich eingeschränkten Prüfungsdichte bezüglich der Rechtswegzuständigkeit ins Feld führt), so steht diese Argumentation der h.M. nicht entgegen. Dem hier angesprochenen Zweck, die Prozesskostenhilfeentscheidung derjenigen Gerichtsbarkeit zuzuweisen, die angesichts ihrer Spezialisierung über eine entsprechende Erfahrung verfügt, um dessen Kompetenz auch bereits im Prozesskostenhilfeverfahren nutzbar zu machen, die Erfolgsaussichten für das beabsichtigte Verfahren möglichst zuverlässig beurteilen zu können sowie Fehlerquellen bei der Prüfung der Erfolgsaussichten, die aus der mangelnden Sachnähe eines rechtswegfremden Gerichts herrühren könnten, auszuschließen, wird schon dadurch wirksam entsprochen, dass der Prozesskostenhilfeantrag durch das rechtswegfremde Gericht wegen fehlender Rechtswegzuständigkeit zurückgewiesen wird. Der Antragsteller kann dann, vor dem zuständigen Gericht seinen Prozesskostenhilfeantrag erneut stellen, was erfahrungsgemäß schneller möglich ist, als nach Zustellung des Beschlusses gemäß § 17a Absatz 2 GVG den Ablauf der Frist für die Beschwerde gemäß § 17a Absatz 4 GVG abzuwarten und die Akten erst sodann von Gericht zu Gericht zu versenden. Ein rechtswegfremdes Gericht wird die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung bei dieser Verfahrensweise nicht zu beurteilen haben.

Randnummer54
Der Antragsgegner hat am Ausgang des Prozesskostenhilfeverfahrens überhaupt kein unmittelbares Interesse. Er hat weder ein Interesse daran, dass ein bestimmtes Gericht über den Prozesskostenhilfeantrag entscheidet, noch hat eine Verweisung des Prozesskostenhilfeverfahrens an ein anderes Gericht für ihn sonst nachteilige Wirkungen.

Randnummer55
Vor allem aber kann im Prozesskostenhilfeverfahren – anders als in einem Rechtsstreit im Sinne von § 17a Absatz 2 GVG – ohnehin überhaupt keine verbindliche Klärung der Rechtswegzuständigkeit auch für das spätere Streitverfahren erfolgen, denn die Entscheidung über das für das Prozesskostenhilfeverfahren zuständige Gericht entfaltet keinerlei Bindungswirkung für das Hauptsacheverfahren (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 – IX ZB 61/15 –, Rn. 7, juris m.w.N.). Eine Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren kann sich daher auch nur auf die verbindliche Festlegung beschränken, in welchem Gerichtszweig über das Prozesskostenhilfegesuch zu entscheiden ist. Hierbei handelt es sich aber weder formal noch der Sache nach um eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs im Sinne von § 17a Absatz 2 GVG (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. August 2007 – 19 W 16/07 –, Rn. 18, juris).

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bb) Da hiernach bereits die Voraussetzungen einer Gesetzesanalogie nicht vorliegen, kommt es auf Gesichtspunkte der Prozessökonomie nicht mehr an.

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Unabhängig davon ließe sich eine analoge Anwendung von § 17a Absatz 2 GVG im isolierten Prozesskostenhilfeverfahren auch nicht unter Hinweis auf die Grundsätze der Prozessökonomie rechtfertigen. Die vom XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in seinem Beschluss vom 21. Oktober 2020 (XII ZB 276/20 –, Rn. 23ff., juris) angeführten Gründe überzeugen nicht. Eine entsprechende Anwendung des § 17a GVG im Prozesskostenhilfeverfahren widerspricht vielmehr gerade den Grundsätzen der Prozessökonomie (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. August 2007 – 19 W 16/07 –, Rn. 19, juris).

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(1) Ziel der Neuregelung der §§ 17 ff. GVG durch das 4. VwGOÄndG war es, in einem Rechtsstreit eine möglichst schnelle und endgültige Entscheidung über den zulässigen Rechtsweg zu ermöglichen (BT-Drs. 11/7030, S. 36). Eine gesonderte Prüfung des Rechtswegs anhand des in § 17a GVG vorgegebenen Verfahrens im Prozesskostenhilfeverfahren steht diesem Ziel jedoch entgegen.

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Es ist oben bereits angeführt worden, dass ein Antragsteller, der seinen Antrag im isolierten Prozesskostenhilfeverfahren vor einem rechtswegfremden Gericht stellt, ohne eine entsprechende Anwendung von § 17a Absatz 2 GVG wesentlich schneller und ohne Rechtsnachteile zu erleiden, zu seinem Ziel, Prozesskostenhilfe für seine beabsichtigte Klage zu erhalten, gelangt, wenn der Antrag wegen fehlender Rechtswegzuständigkeit zurückgewiesen wird und der Antragsteller vor dem zuständigen Gericht seinen Prozesskostenhilfeantrag erneut stellt. Dies ist bereits innerhalb weniger Tage nach Zugang der ablehnenden Entscheidung möglich, während eine Rechtswegverweisung schon wegen der Beachtung der Frist für die Beschwerde gemäß § 17a Absatz 4 GVG eine Verzögerung von mehreren Wochen nach sich zieht. Hinzu kommen die Dauer der aktenmäßigen Bearbeitung und die Versendung der Akten von Gericht zu Gericht. Auch Ressourcen der Gerichte werden zusätzlich in Anspruch genommen.

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(2) Das Verfahren ist auch länger und aufwändiger, wenn der Antragsteller die Einschätzung des angegangenen Gerichts über die Unzulässigkeit des Rechtswegs nicht teilt und aus diesem Grunde ein Rechtsmittel zur Überprüfung ergreifen will.

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In diesem Fall steht dem Antragsteller der bei Entscheidungen im Prozesskostenhilfeverfahren gemäß § 127 ZPO (bzw. § 146 VwGO, § 78 ArbGG, § 172 SGG) eingeschränkte Rechtsweg offen, während im Falle einer entsprechenden Anwendung von § 17a Absatz 2 GVG der Rechtsweg gemäß § 17a Abs. 4 GVG gegeben wäre.

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Die Eröffnung des in § 17a Abs. 4 GVG geregelten Instanzenzuges ist für das Prozesskostenhilfeverfahren nicht angemessen und geht über die in den Verfahrensordnungen der einzelnen Gerichtsbarkeiten für Prozesskostenhilfeentscheidungen vorgesehenen Rechtsmittel weit hinaus. Dies führt zwangsläufig zu Verzögerungen von Prozesskostenhilfeverfahren (OLG Karlsruhe, a.a.O.).

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Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Prüfungsdichte auch bezüglich der Rechtswegzuständigkeit im Prozesskostenhilfeverfahren eingeschränkt ist (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2020 – XII ZB 276/20 –, Rn. 25, juris). Das Prozesskostenhilfeverfahren dient nicht dazu, zweifelhafte Rechtsfragen vorab zu entscheiden. Bedürfen aufgeworfene Rechtsfragen der höchstrichterlichen Klärung ist die Erfolgsaussicht der beabsichtigen Rechtsverfolgung zu bejahen und der bedürftigen Partei Prozesskostenhilfe zu bewilligen (BGH, Beschluss vom 22. November 2011 – VIII ZB 81/11 –, Rn. 10, juris). Dies gilt auch für eine zweifelhafte Rechtswegzuständigkeit. Bei bestehenden Zuständigkeitszweifeln ist Prozesskostenhilfe innerhalb des beschrittenen Rechtswegs zu gewähren, um die Frage der Rechtswegzuständigkeit (wie vom Gesetzgeber gewollt) abschließend im Hauptsacheverfahren zu klären (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2020 – XII ZB 276/20 –, Rn. 25, juris).

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Eines Zuständigkeitsstreits im Prozesskostenhilfeverfahren bedarf es daher auch dann nicht, wenn die Rechtswegzuständigkeit zweifelhaft ist. In allen anderen denkbaren Fällen bedarf es ebenfalls keiner Vorabentscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren. Bestehen an der Rechtswegzuständigkeit keine Bedenken, stellt sich das Problem überhaupt nicht. Lässt sich die Rechtswegzuständigkeit sicher verneinen, fehlt die Erfolgsaussicht und der Prozesskostenhilfeantrag ist zurückzuweisen.

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(3) Warum statt einer das Prozesskostenhilfeverfahren schnell beendenden Zurückweisung des Antrages wegen fehlender Erfolgsaussicht eine Verweisung gemäß § 17a Absatz 2 GVG prozessökonomischer sein soll, begründet auch der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in seinem Beschluss vom 21. Oktober 2020 (XII ZB 276/20 –, Rn. 25, juris) nicht.

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In Rn. 26 der Gründe wird nur ausgeführt, die Rechtswegverweisung diene der Prozessökonomie, weil sie das – an die Verweisung gebundene (§ 17 a Abs. 1 GVG) – Gericht des zuständigen Rechtswegs in den Stand versetze, über den Prozesskostenhilfeantrag in der Sache zu entscheiden. Dieses Ergebnis ist – wie aufgezeigt – durch einen neuen Antrag des Antragstellers im zuständigen Rechtsweg regelmäßig schneller, mindestens aber genauso schnell zu erreichen. Prozessökonomischer ist eine Rechtswegverweisung in dieser Situation daher nicht.

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Soweit der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass im Falle der Zurückweisung des Antrages die verjährungshemmende Wirkung des ersten Prozesskostenhilfeantrages gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB mit Ablauf der in § 204 Abs. 2 BGB genannten Frist ende, mag dies zutreffen. Dieser Umstand hat jedoch nichts mit der Prozessökonomie zu tun, kann also eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des § 17a GVG unter diesem Gesichtspunkt nicht rechtfertigen. Insoweit wird aber auch ausgeblendet, dass Prozesskostenhilfe nur verwehrt werden kann, wenn sich die Rechtswegzuständigkeit sicher verneinen lässt. In einem solchen Fall ist der Antragsteller, der ohne weiteres erkennbar bei einem rechtswegfremden Gericht Prozesskostenhilfe beantragt, aber nicht schutzwürdig. Im Übrigen wird diese nur auf den ersten Blick unbillig erscheinende Folge durch die Nachlauffrist des § 204 Absatz 2 BGB abgemildert. Der Antragsteller hat sechs Monate Zeit, einen neuen Prozesskostenhilfeantrag zu stellen und auf eine rechtzeitige Klageerhebung hinzuwirken, wobei regelmäßig (in Verfahren nach der ZPO wegen § 167 ZPO) die Einreichung der Klageschrift genügt).

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Auch dem weiteren vom XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes angeführten Argument, mangels eingetretener Bindungswirkung nach § 17 a Abs. 1 GVG sei nicht ausgeschlossen, dass das zuletzt angerufene Gericht wiederum seine Rechtswegzuständigkeit verneine mit der Folge, dass dann eine Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgenommen werden müsste, steht wiederum entgegen, dass Prozesskostenhilfe nur verwehrt werden kann, wenn sich die Rechtswegzuständigkeit sicher verneinen lässt. Vor diesem Hintergrund wird es kaum dazu kommen, dass das zuletzt angerufene Gericht seine Rechtswegzuständigkeit verneint (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. August 2007 – 19 W 16/07 –, Rn. 24, juris; Hüßtege FamRZ 2021, 113, 116). Soweit dies dennoch – obwohl kaum denkbar – der Fall sein sollte, wird dann im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO der Streit über die Zuständigkeit für das Prozesskostenhilfeverfahren abschließend geführt werden. In allen anderen Fällen (also im Regelfall) kann eine Verweisung und ein sich ggf. anschließender Zuständigkeitsstreit nach § 17a Absatz 4 GVG prozessökonomisch erspart werden.

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(4) Schließlich ist die Gefahr, dass eine Vorabentscheidung über den Rechtsweg bereits im Prozesskostenhilfeverfahren zu einer doppelten Prüfung der Rechtswegzuständigkeit führen kann, nicht von der Hand zu weisen. Für die Klärung der Rechtswegzuständigkeit im Hauptsacheverfahren wäre durch eine Vorabentscheidung über den Rechtsweg bereits im Prozesskostenhilfeverfahren nichts gewonnen.

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„Das Gericht, an das der Rechtsstreit im Prozesskostenhilfeverfahren – gegebenenfalls nach entsprechender Klärung in drei Instanzen des zuerst angerufenen Gerichtszweigs – schließlich verwiesen worden ist, darf dann zwar Prozesskostenhilfe nicht mit der Begründung versagen, der Rechtsweg sei nicht eröffnet. Wohl aber kann dieses Gericht nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe den Rechtsweg für unzulässig erklären, woraufhin unter Umständen diese Frage nunmehr durch drei Instanzen des jetzt angerufenen Zweigs der Gerichtsbarkeit geklärt wird. Dies führt dazu, dass über die Frage des Rechtswegs nach einem Prozesskostenhilfeantrag unter Umständen insgesamt sechs verschiedene Gerichte entscheiden. … Entsprechendes gilt, wenn der Rechtsweg zu dem zuerst angegangenen Gericht erst im Beschwerdeweg für zulässig erklärt würde. Auch dann könnte der Beklagte – nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe – den gleichen Rechtsweg noch einmal beschreiten.“ (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. August 2007 – 19 W 16/07 –, Rn. 19, juris).

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Die hiergegen gerichtete Argumentation des XII. Zivilsenates in seinem Beschluss vom 21. Oktober 2020 (XII ZB 276/20 –, Rn. 27, juris) berücksichtigt nicht, dass Prozesskostenhilfe nur verwehrt werden kann, wenn sich die Rechtswegzuständigkeit sicher verneinen lässt. Ist in einer solchen Situation der Prozesskostenhilfeantrag mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen worden, wird ein vernünftiger Antragsteller spätestens nach Zurückweisung seiner hiergegen gerichteten Beschwerde einen Prozesskostenhilfeantrag bei dem vom zunächst angerufenen Gericht für zuständig erachteten Gericht stellen (Hüßtege FamRZ 2021, 113, 116). Ist die Rechtswegzuständigkeit zweifelhaft, wird dagegen Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Im Regelfall wird es mithin gerade wegen der im Prozesskostenhilfeverfahren eingeschränkten Prüfungsdichte auch bezüglich der Rechtswegzuständigkeit zu keiner „Doppelprüfung“ kommen. Die Gefahr einer unnötigen Doppelprüfung, wenn man den Antragsteller bereits im Stadium der Prozesskostenhilfe auf das Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO verweist (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2020 – XII ZB 276/20 –, Rn. 27, juris), ist aus dem Blickwinkel der gerichtlichen Praxis in ihrer tatsächlichen Realität demgegenüber eher theoretischer Natur.

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Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben, weil der Umstand, dass die entsprechende Anwendung der Vorschriften des § 17a GVG nicht zu erkennbaren Nachteilen führt (so BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2020 – XII ZB 276/20 –, Rn. 27, juris) keine Rechtfertigung der Gesetzesanalogie darstellen kann. Wie eingangs dargestellt bedarf die Gesetzesanwendung über den Wortsinn hinaus einer besonderen Legitimation. Hierfür genügt es nicht, dass eine analoge Anwendung gesetzlicher Vorschriften sich nicht nachteilig auswirkt.

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4. Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 127 in Verbindung mit § 574 ZPO zugelassen, soweit die sofortige Beschwerde der Antragsteller als unzulässig verworfen worden ist sowie soweit eine Verweisung des Verfahrens bezüglich der Anträge zu 3) bis 5) an das Verwaltungsgericht abgelehnt worden ist. Insoweit hat die Sache grundsätzliche Bedeutung.

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Zudem erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die Gründe der Entscheidung des IX. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes vom 25. Februar 2016 (IX ZB 61/15 –, juris) sind mit den Gründen der Entscheidung des XII. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes vom 21. Oktober 2020 (XII ZB 276/20 –, juris) unvereinbar.

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