OLG Köln, Beschluss vom 01.12.2021 – 16 U 115/21

März 22, 2022

OLG Köln, Beschluss vom 01.12.2021 – 16 U 115/21

Tenor
Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das am 07.07.2021 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 7 O 191/20 – nach § 522 Abs. 2 ZPO einstimmig durch Beschluss zurückzuweisen.

Der Beklagte erhält Gelegenheit, binnen 3 Wochen ab Zugang dieses Beschlusses zu dem Hinweis Stellung zu nehmen.

Gründe
I.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, denn das Landgericht hat die Klage zu Recht zuerkannt.

1. Dem Kläger steht insbesondere der tenorierte Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz iHv 13.818,90 € zu. Hinsichtlich der Erfüllung der einzelnen Tatbestandsmerkmale nimmt der Senat zwecks Vermeidung unnötiger Wiederholungen zunächst auf die insgesamt zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug. Die Berufung zieht auch nicht in Zweifel, dass die Leistung des Beklagten die in dem Urteil aufgeführten Mängel aufweist und dass zu deren Beseitigung sowohl die Einholung des Kosten in Höhe von 905,78 € auslösenden Privatgutachtens, als auch der von dem Kläger aufgewandte Betrag iHv 12.913,12 € erforderlich waren. Sie erhebt allein zwei Einwände, die jedoch beide erfolglos bleiben:

a. Die Berufung des Beklagten rügt zum einen eine Überraschungsentscheidung (Art. 103 Abs. 1 GG; § 139 ZPO) des Landgerichts in Bezug auf die von ihm bereits erstinstanzlich behauptete Abnahme seiner Werkleistung ohne gleichzeitigen Mangelvorbehalt.

Dieser Einwand greift bereits deshalb nicht durch, weil das Landgericht den Beklagten schon mit der Ladungsverfügung vom 11.12.2020 darauf hingewiesen hat, dass schlüssiger Vortrag zum Vorliegen einer Abnahme fehlt (GA 140).

Der daraufhin mit Schriftsatz vom 08.03.2021 gehaltene Vortrag des Beklagten (GA 156-157) war zur Substantiierung einer Abnahme weiterhin unzureichend. Der Beklagte trägt darin vor, der Kläger habe auf die Übersendung der Endrechnung vom 17.12.2018 (GA 158) mit Mail vom 18.12.2018 (GA 124) seine Leistungen durch Zahlung konkludent abgenommen. Diese Wertung trifft nicht zu, denn in der Mail vom 18.12.2018 hatte der Kläger dem Beklagten mitgeteilt, dass das Badezimmer noch nicht vollends fertig gestellt sei, er deshalb nur die Hälfte beglichen habe und der Rest nach Einbau der Duschtrennwand überwiesen werde. Wie dem Akteninhalt weiter zu entnehmen ist (s. etwa die Antragsschrift in dem selbständigen Beweisverfahren beim LG Köln zu 7 OH 7/19 vom 27.03.2019, GA 39) ist über die Teilzahlung von 6.000 € hinaus gerade kein vollständiger Rechnungsausgleich und damit auch keine konkludente Abnahme des Werks des Beklagten erfolgt.

Soweit der Beklagte sich im Übrigen auf eine schriftliche Abnahme beruft, deren Vorlage als „Anlage B1“ er sowohl erstinstanzlich (GA 123), als auch im Berufungsverfahren (GA 194) nur angekündigt, aber nicht vollzogen hat, fehlt insoweit jedweder näherer Vortrag zu Wortlaut und Inhalt dieses Schreibens. Angesichts des Bestreitens der Abnahme in der Klageschrift vom 09.06.2020 (GA 3) und in der Replik vom 10.09.2020 (GA 135) seitens des Klägers kann somit ein substantiierter Abnahme-Vortrag des Beklagten nicht festgestellt werden. Eine Vorlage der „Anlage B1“ ist nunmehr aus prozessualen Gründen auch nicht mehr möglich. Denn eine Verletzung der Hinweispflicht seitens des Landgerichts insoweit unterstellt, hätte deren Vorlage im Zeitrahmen der Berufungsbegründung erfolgen müssen (vgl. BGH, Urt. v. 15.2.2018 – I ZR 243/16 = NJW-RR 2018, 1003 ff, Rz. 13).

b. Zu Unrecht wendet sich die Berufung zum anderen auch gegen die Ansicht des Landgerichts, dass selbst auf Basis des Beklagten-Vorbringens, wonach seitens des Klägers eine Abnahme ohne Mängelvorbehalt erfolgt sei, der Schadensersatzanspruch des Klägers nicht ausgeschlossen sei, weil § 640 Abs. 3 BGB diese Folge nicht vorsieht.

Diese Auffassung des Landgerichts entspricht der herrschenden Ansicht (s. BGH, Urt. v. 12.05.1980 – VII ZR 228/79 = BGHZ 77, 134 ff., zitiert nach juris, Rz. 12 ff.; OLG Köln, Urt. v. 14.02.2006 – 3 U 41/05, zitiert nach juris, Rz. 15; Busch in MüKo, BGB, 8. Aufl. 2020, § 640 Rz. 39 f.; Voit in BeckOK, BGB, Stand 1,5,2020, § 640 Rz. 45; Kögl in BeckOGK, BGB, Stand 15.08.2021, § 640, Rz. 223; Erman/Rodemann, BGB, 16. Aufl., § 640 Rz. 15; Palandt/Retzlaff, BGB, 80. Aufl., § 640 Rz. 22; Genius in JurisPK-BGB, 9. Aufl., 2020, § 640, Rz. 60; Pause/Vogel in Kniffka, Bauvertragsrecht, 3. Aufl. 2018, § 640 BGB, Rz. 88; Jansen NZBau 2016, 688; Schwenker NJW 2016, 1747; Schmitt JR 2019, 1 ff.; anders OLG Schleswig Urt. v. 18.12.2015 – 1 U 125/14 = NZBau 2016, 298, Rz. 50 f. = NJW 2016, 1744; Buchwitz NJW 2017, 1777). Dem schließt sich der Senat aus folgenden Gründen an:

(1) Der Wortlaut des § 640 Abs. 3 BGB ist eindeutig, wenn es dort heißt, dass dem Besteller bei einer Werkabnahme in Kenntnis von Mängeln, „die in § 634 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Rechte nur zu[stehen], wenn er sich seine Rechte … vorbehält“. Der in § 634 Nr. 4 BGB geregelte Schadensersatzanspruch ist also ausdrücklich von einem Verlust ausgenommen.

(2) Diese Fassung des § 640 Abs. 3 BGB entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Während bezüglich der Vorgängerregelung des § 640 Abs. 2 BGB a.F. noch im Streit stand, ob die dort enthaltene Verweisung unter Ausschluss des in § 635 BGB a.F. geregelten Schadensersatzanspruches auf einem Redaktionsversehen beruhte, ist ein solches nach der Neufassung der Regelung in § 640 Abs. 3 BGB im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26.11.2001 auszuschließen, da der genannte Streit zu diesem Zeitpunkt bekannt war und der Gesetzgeber den Fortbestand des Schadensersatzanspruches nach § 634 Nr. 4 BGB somit in seinen Willen aufgenommen hat (vgl. Busch in MüKo, a.a.O., Rz. 40)

(3) Die in § 640 Abs. 3 BGB statuierte Unterscheidung zwischen den verschuldensunabhängigen Rechten nach § 634 Nr. 1 bis 3 BGB und dem verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch nach § 634 Nr. 4 BGB ist auch – dies gerade entgegen der Wertung der Berufung und des OLG Schleswig (Urt. v. 18.12.2015 – 1 U 125/14 = NZBau 2016, 298, Rz. 50 f. = NJW 2016, 1744) – interessengerecht, denn es besteht kein Anlass, den Unternehmer im Fall einer rügelosen Abnahme auch von den Folgen schuldhafter Vertragsverletzung freizustellen (BGH, Urt. v. 12.05.1980, a.a.O., Rz. 12).

(4) Die genannte Differenzierung fügt sich auch zu den übrigen Gewährleistungsregelungen des Werkvertragsrechts. Soweit dem widersprechend das OLG Schleswig (a.a.O., Rz. 52) meint, bei einer rügelosen Abnahme ließen sich die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches gar nicht mehr erfüllen, weil der Besteller aufgrund des verlorenen Anspruchs auf Nacherfüllung dem Unternehmer nicht mehr die gemäß § 281 Abs. 1 BGB gebotene Frist zur Mangelbeseitigung setzen könne, verkennt es, dass eine Fristsetzung weiterhin möglich ist. Denn der Unternehmer verliert seine Mängelbeseitigungsbefugnis nicht zwingend dadurch, dass der Besteller seinen Mängelbeseitigungsanspruch verliert (vgl. Pause/Vogel in Kniffka, a.a.O.).

2. Die dem Kläger weiter zugesprochenen Zinsen sowie vorprozessualen Rechtsanwaltskosten sind aus den vom Landgericht genannten Gründen, auf die Bezug genommen wird, berechtigt. Konkrete Berufungsrügen werden insoweit nicht vorgetragen.

II.

Auch die weiteren Voraussetzungen, unter denen die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen ist, liegen vor. Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu; es handelt sich um einen Streit, dessen Tragweite sich im konkreten Einzelfall erschöpft. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren ist nicht geboten.

III.

Auf die gemäß Nr. 1222 GKG-VV gerichtskostenreduzierende Wirkung einer Berufungsrücknahme wird ergänzend hingewiesen.

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