BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 ZB 4/21

März 31, 2022

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 ZB 4/21
vom
8. Februar 2022
in der Freiheitsentziehungssache
betreffend
– Betroffener und Rechtsbeschwerdeführer –
beteiligte Behörde:
Polizeipräsidium Köln

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Februar 2022 beschlossen:
1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss
des Landgerichts Köln vom 31. Mai 2021 wird zurückgewiesen.
2. Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
3. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 7.500 €.
Gründe:
I.
1. Für den 20. Dezember 2020 war von Gegnern der staatlichen Maßnahmen zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus eine Versammlung
auf dem in K. angekündigt. An diesem Tag hielten sich dort um
12.30 Uhr zahlreiche Personen ohne ausreichenden Abstand zueinander auf.
Unter ihnen war der Betroffene. Er trug keinen Mund-Nase-Schutz, obwohl eine
Pflicht zum Tragen eines solchen in der gesamten K. Altstadt und damit auch
auf dem angeordnet war. Gegenüber Mitarbeitern des Ordnungsamts
gab der Betroffene auf Nachfrage an, dass er weder eine Maske bei sich habe
noch über ein ärztliches Attest verfüge, welches ihn von der Pflicht zur MundNase-Bedeckung entbinde. Er verweigerte es, sich gegenüber den hinzugerufenen Polizeibeamten auszuweisen, und folgte ihnen nicht zur nächsten Hauswand, wo sie ihn nach Ausweispapieren durchsuchen wollten. Schließlich übten
die Einsatzkräfte zur Feststellung seiner Personalien nach entsprechender Androhung unmittelbaren Zwang aus, gegen den er massiven körperlichen Widerstand leistete. Die Beamten fanden bei der anschließenden Durchsuchung seinen Personalausweis und ein verbotenes Einhandmesser. Danach befragt, wie
er sich im Hinblick auf die Infektionsvorschriften weiter verhalten werde, verweigerte er die Auskunft.
Um 12.40 Uhr wurde der Betroffene in Gewahrsam genommen und der
Bereitschaftsrichterin des Amtsgerichts K. zugeführt. Sie hörte ihn um
14.55 Uhr an, erklärte die polizeiliche Ingewahrsamnahme für zulässig und ordnete deren Fortdauer bis längstens um 17 Uhr desselben Tages an. Bis zu diesem Zeitpunkt sollte sich die Versammlung auf dem fortsetzen. Um
17 Uhr wurde der Betroffene aus dem Gewahrsam entlassen.
2. Mit Schreiben vom 18. Januar 2021 hat der Betroffene gegen den Beschluss des Amtsgerichts Beschwerde eingelegt. Er hat die Feststellung begehrt,
dass die polizeiliche Ingewahrsamnahme nicht zulässig und die gerichtliche Anordnung von deren Fortdauer rechtswidrig gewesen sei. Das Amtsgericht hat
dem Rechtsmittel nicht abgeholfen.
Mit Beschluss vom 31. Mai 2021 hat das Landgericht K. die Beschwerde
zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die
Voraussetzungen sowohl der polizeilichen als auch der richterlichen Freiheitsentziehung vorgelegen hätten und die angeordnete Dauer verhältnismäßig gewesen
sei; die Bedenken des Betroffenen hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Anordnung zum Tragen eines Mund-Nase-Schutzes an Orten mit hohem Publikumsverkehr teile es nicht.
3. Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet sich der Betroffene gegen den
Beschluss des Landgerichts. Er beantragt, diesen aufzuheben und festzustellen,
dass er durch die Entscheidungen von Amts- und Landgericht in seinen Rechten
verletzt worden sei.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 36 Abs. 2 Satz 2 des Polizeigesetzes
des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) i.V.m. § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3
FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom
11. August 2021 – 3 ZB 2/21, juris Rn. 8 mwN), soweit sie die Rechtmäßigkeit
des richterlich angeordneten Gewahrsams zum Gegenstand hat, mithin die Freiheitsentziehung des Betroffenen aufgrund der amtsgerichtlichen Entscheidung
bis zum darin festgelegten Endzeitpunkt.
Soweit der Betroffene, der den gesamten Beschluss des Landgerichts angreift, zudem die Feststellung der Rechtswidrigkeit des davor vollzogenen behördlichen Gewahrsams begehrt, ist die Rechtsbeschwerde analog § 70 Abs. 4
FamFG nicht eröffnet (BGH, Beschluss vom 10. Juni 2020 – StB 23/18, juris
Rn. 11 ff.) und deshalb bereits unzulässig.
2. In der Sache hat die Rechtsbeschwerde den richterlich angeordneten
Gewahrsam betreffend keinen Erfolg (zum eingeschränkten Prüfungsmaßstab s.
§ 72 Abs. 1 Satz 2, § 74 Abs. 2, 3 Satz 3 FamFG). Die angegriffene Beschwerdeentscheidung weist insoweit keinen Rechtsfehler auf.
Alleiniger Prüfungsgegenstand ist der Beschluss des Landgerichts, weil
die Erledigung der Hauptsache vor dessen Erlass eingetreten ist. Ob die amtsgerichtliche Anordnung des Gewahrsams zu Recht ergangen ist, ist dabei – anders als im Fall der Erledigung nach Erlass der Beschwerdeentscheidung – lediglich inzident zu untersuchen (BGH, Beschlüsse vom 12. Februar 2020
– StB 36/18, NStZ-RR 2020, 230, 231; vom 17. Dezember 2020 – 3 ZB 7/19,
NStZ-RR 2021, 226, 227 mwN).
a) In jeder Lage des Verfahrens und damit auch in der Beschwerdeinstanz
unterliegt der (inzidenten) Prüfung, ob die formalen Voraussetzungen für den Erlass einer Haftanordnung vorgelegen haben, insbesondere, ob die zuständige
Behörde einen den Anforderungen des § 417 FamFG entsprechenden Haftantrag gestellt hat (BGH, Beschluss vom 11. August 2021 – 3 ZB 2/21, juris Rn. 14).
Denn nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG darf die in Art. 2 Abs. 2 Satz 2
GG gewährleistete Freiheit der Person nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes
und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden
(BGH, Beschluss vom 28. April 2011 – V ZB 140/10, juris Rn. 7 mwN).
Insoweit deckt die Beschwerdeschrift keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Aus den Akten geht zwar nicht ausdrücklich hervor, dass die Strafanzeige
vom 20. Dezember 2020, die bereits um 12.58 Uhr gefertigt wurde, in der detailliert das Erfordernis sowie die notwendige Dauer des Freiheitsentzugs begründet
sind und die den Anforderungen des § 417 Abs. 2 FamFG ohne Weiteres genügt,
dem Betroffenen vor der gerichtlichen Anhörung übergeben wurde (§ 23 Abs. 2
FamFG). In einfach gelagerten, überschaubaren Sachverhalten, zu denen der
Betroffene wie hier geradewegs auskunftsfähig ist, reicht jedoch die Eröffnung
des Haftantrags zu Beginn der Anhörung aus (vgl. BGH, Beschluss vom
4. März 2010 – V ZB 222/09, BGHZ 184, 323 Rn. 16). Die unterbliebene Aushändigung einer schriftlichen Abfassung hat in solchen Fällen allenfalls dann
die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung zur Folge, wenn das Verfahren ohne
diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2014 – V ZB 80/13, juris Rn. 9 ff.; Dutta/Jacoby/Schwab/Heinze/Roffael, FamFG, 4. Aufl., § 420 Rn. 2 mwN; zum nicht
zwingenden Schriftformerfordernis für den Haftantrag in besonders eilbedürftigen
Fällen s. auch BVerfG, Beschluss vom 13. Dezember 2005 – 2 BvR 447/05,
BVerfGK 7, 87, 99 f.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. September 2004
– 1 S 2206/03, DÖV 2005, 165, 168; LG Karlsruhe, Beschluss vom 24. April 2017
– 11 T 78/17, juris Rn. 16). Dies ist vorliegend auszuschließen. Die Entscheidung
ist nach dem Wortlaut des Beschlusses „antragsgemäß“ ergangen. Das Amtsgericht hat den Sachverhalt ausführlich dargelegt und dabei zum Teil die Formulierungen aus der Strafanzeige übernommen. Diese muss der Richterin also vorgelegen haben und damit zumindest inhaltlich Bestandteil der Anhörung gewesen
sein. Dass sich der Sachverhalt anders zugetragen habe, als darin niedergelegt
ist, macht der Beschwerdeführer im Übrigen nicht geltend.
b) Zutreffend hat das Landgericht die vom Amtsgericht angeordnete Freiheitsentziehung materiell am Maßstab des § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW gemessen. Ohne Rechtsfehler hat es angenommen, dass die Ingewahrsamnahme dem
Grunde und der Dauer nach der Sach- und Rechtslage entsprach. Auch sonst
begegnet die Beschwerdeentscheidung keinen rechtlichen Bedenken, die dem
Rechtsmittel zum Erfolg verhelfen könnten. Im Einzelnen:
aa) Das Landgericht hat die tatbestandlichen Voraussetzungen für die
Freiheitsentziehung als gegeben erachtet. Das ist von Rechts wegen nicht zu
beanstanden.
Nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW kann eine Person in Gewahrsam genommen werden, wenn dies unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende
Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern.
(1) Das Landgericht hat darin, dass der Betroffene bei seinem Aufenthalt
auf dem keine Mund-Nase-Bedeckung trug, zutreffend eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG erblickt. Nach der genannten Norm
begeht eine solche, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer vollziehbaren Anordnung nach § 28 IfSG, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 32
IfSG, zuwiderhandelt.
Eine derartige Rechtsverordnung nach § 32 IfSG war die Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (CoronaSchVO) vom
30. November 2020 in der ab dem 16. Dezember 2020 gültigen Fassung. Diese
bestimmte in § 3 Abs. 2, dass „unter freiem Himmel“ eine Maske zu tragen ist bei
Versammlungen von mehr als 25 Personen (Nr. 6) oder an weiteren Orten, „für
die die zuständige Behörde eine entsprechende Anordnung trifft oder getroffen
hat, wenn gemessen an der verfügbaren Fläche mit dem Zusammentreffen einer
so großen Anzahl von Menschen zu rechnen ist, dass Mindestabstände nicht sichergestellt werden können“ (Nr. 8). In § 18 Abs. 2 Nr. 2 CoronaSchVO war geregelt, dass der Verstoß gegen die Maskenpflicht nach § 3 Abs. 2 eine Ordnungswidrigkeit im Sinne der § 73a Abs. 1a Nr. 6, §§ 32, 28 Abs. 1 Satz 1, 2 IfSG darstellt.
Die Stadt K. hatte auf der Grundlage von § 2 Abs. 4, § 15a
CoronaSchVO in der Fassung vom 30. September 2020 am 9. Oktober 2020 eine
solche Anordnung erlassen. In § 1 Nr. 2 Buchst. c der Allgemeinverfügung
Nr. 289 hatte sie angeordnet, dass in der Altstadt eine Mund-Nase-Bedeckung
zu tragen ist. Gemäß dem als Anlage beigefügten Lageplan 1 gehörte der gesamte zum Gebiet der Altstadt. Die Verfügung war ausführlich begründet; sie wies ebenfalls darauf hin, dass der Verstoß gegen die Maskenpflicht eine
Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG darstellt. Mit der hier
maßgeblichen Allgemeinverfügung Nr. 358 vom 5. Dezember 2020, gültig bis
zum Ablauf des 21. Dezember 2020, hatte die Stadt K. die Anordnung dahin
modifiziert, dass sie auf die Zeit von 10 bis 22 Uhr beschränkt ist.
(2) Die genannten Rechtsvorschriften und die konkrete bußgeldbewehrte
Anordnung der Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nase-Schutzes in dem
hoch frequentierten Gebiet der K. Altstadt verletzen kein Verfassungsrecht.
Insoweit wird Bezug genommen auf die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (u.a. Beschlüsse vom 30. April 2020
– 13 B 539/20.NE, juris; vom 28. Juli 2020 – 13 B 675/20.NE, juris; vom
29. Juli 2020 – 13 B 792/20.NE, juris; vom 18. August 2020 – 13 B 847/20.NE,
juris; s. auch vom 15. Dezember 2020 – 13 B 1731/20.NE, juris; vom 10. Februar 2021 – 13 B 1932/20.NE, juris; vom 12. Februar 2021 – 13 B 1750/20.NE,
juris, zur Rechtslage nach Einführung des § 28a IfSG) und des Oberlandesgerichts Hamm (Beschluss vom 16. Dezember 2021 – 4 RBs 387/21, juris Rn. 17
ff.) zur Verfassungsmäßigkeit der Maskenpflicht nach der Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen in ihren verschiedenen Fassungen sowie
des Bundesverfassungsgerichts zur Grundgesetzkonformität der Ausgangs- und
Kontaktbeschränkungen im Rahmen der sogenannten Bundesnotbremse
(BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u.a., NJW 2022,
139). Tragend für diese Beurteilung sind die folgenden Erwägungen:
Ziel der Coronaschutzverordnung und der Allgemeinverfügung war es, die
Verbreitung des Virus zu verlangsamen. Sowohl der damit angestrebte Lebensund Gesundheitsschutz als auch die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems
sind überragend wichtige Gemeinwohlbelange und daher verfassungsrechtlich
legitime Regelungszwecke. Die Annahme, es habe eine Gefahrenlage für Leben
und Gesundheit sowie für die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems bestanden, beruhte auf tragfähigen Erkenntnissen. Gleiches gilt für die Beurteilung,
dass eine Mund-Nase-Bedeckung geeignet ist, die Verbreitung des Virus zu verhindern oder zu verlangsamen. Insoweit genügt angesichts der gegebenen Gefährdung überragend wichtiger verfassungsrechtlicher Güter bereits die Möglichkeit, durch die Regelung ihren Schutz zu erreichen (vgl. im Einzelnen BVerfG,
Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u.a., NJW 2022, 139 Rn. 167
ff.).
Die der Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen zugrundeliegenden §§ 28, 32 IfSG stellen entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die hier in Rede stehende Anordnung der Maskenpflicht im öffentlichen Raum dar. Die Normen des
Infektionsschutzgesetzes waren bereits vor ihrer fortlaufenden Präzisierung und
Ergänzung durch den Gesetzgeber anlässlich der Pandemie hinreichend bestimmt und tragen die in der Coronaschutzverordnung vorgesehenen Eingriffe in
die Grundrechte der Bürger. Ein Verstoß gegen den Parlamentsvorbehalt liegt
ebenfalls nicht vor.
Bei der hier konkret maßgeblichen Verpflichtung zum Tragen eines MundNase-Schutzes in der K. Altstadt handelte es sich um ein im Vergleich zu
Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren milderes Mittel. Die Anordnung
bezog sich zudem nur auf wenige Straßenzüge mit hohem Publikumsverkehr
– den meisten Normadressaten stand es frei, die entsprechenden Gebiete zu meiden -, sie war zuletzt zeitlich beschränkt, und sie sah zahlreiche Ausnahmen vor.
So waren etwa Radfahrer, Jogger, Kinder sowie Personen, die aus medizinischen Gründen keine Mund-Nase-Bedeckung tragen können, von der Maskenpflicht befreit. Vor diesem Hintergrund besteht an der Verhältnismäßigkeit der
Anordnung kein Zweifel.
(3) Die Einschätzung des Landgerichts, dass sich aus dem Verhalten des
Betroffenen die hinreichende Erwartung der Begehung weiterer Ordnungswidrigkeiten durch ihn ergab, ist ebenfalls nicht zu beanstanden (zum Maßstab vgl.
BGH, Beschluss vom 11. August 2021 – 3 ZB 2/21, juris Rn. 21). Die Prognose,
er werde sich ohne die Ingewahrsamnahme erneut ohne Mund-Nase-Bedeckung
am Versammlungsort auf dem aufhalten, gründete sich auf seine gänzlich fehlende Bereitschaft zur Kooperation mit den staatlichen Ordnungskräften.
Der Betroffene stellte durch die Zuwiderhandlung gegen die Maskenpflicht von
vornherein deren Ablehnung zur Schau. Gegenüber den eingesetzten Polizisten
leistete er einen strafrechtlich relevanten körperlichen Widerstand. Überdies verweigerte er die Auskunft auf die Frage, wie er sich fortan zu verhalten gedenke.
Die ganze Situation spielte sich schließlich vor den Augen einer größeren Menschenmenge ab, was nahelegt, dass der Betroffene gerade die Versammlung
weiterhin nutzen wollte, um seinen politischen Protest gegen die staatlichen
„Corona-Maßnahmen“ zu demonstrieren. Damit gab es eine durch Tatsachen
belegte Gefahr vergleichbarer Handlungen.
(4) Das zu besorgende Verhalten des Betroffenen stellte eine Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit im Sinne des § 35
Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW dar. Auch diese Würdigung des Landgerichts weist keinen Rechtsfehler auf. Die Maskenpflicht diente, wie ausgeführt, dem Schutz von
Leben und Gesundheit der Bevölkerung.
bb) Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Landgericht angenommen, dass die
Freiheitsentziehung zur Gefahrenabwehr erforderlich war. Gegen seine nachvollziehbar begründete Beurteilung, der Betroffene werde sich im Fall seiner Freilassung wieder ohne Mund-Nase-Bedeckung zum Versammlungsort auf dem Heumarkt begeben, ist nichts zu erinnern. Weniger eingriffsintensive Maßnahmen,
durch die dies gleichermaßen hätte verhindert werden können, sind nicht ersichtlich gewesen. Es ist angesichts der Beharrlichkeit des Betroffenen nicht damit zu
rechnen gewesen, dass er freiwillig eine Maske angelegt oder einen Platzverweis
befolgt hätte.

cc) Der vom Amtsgericht für notwendig gehaltene Zeitraum der Freiheitsentziehung von etwa zwei (weiteren) Stunden begegnet ebenso wenig rechtlichen Bedenken. Nachvollziehbar hat das Beschwerdegericht den Gewahrsam
bis zum Ende der Versammlung für angemessen gehalten. Dass der Betroffene
– wie er nunmehr vortragen lässt – nicht gewusst haben will, dass diese bis um
17 Uhr andauern würde, ist kein Umstand, der geeignet ist, die bis zu diesem
Zeitpunkt fortwährende Gefahr in Frage zu stellen. Denn er hätte sich die entsprechende Information im Fall seiner Freilassung jederzeit beschaffen können.
Besondere Ermittlungen von Amts wegen im Sinne des § 26 FamFG, die über
die Anhörung des Betroffenen hinausgehen, waren entgegen dem Beschwerdevorbringen insoweit nicht veranlasst.
dd) Die angeordnete Freiheitsentziehung war überdies verhältnismäßig.
Dies gilt auch bei Heranziehung eines besonders strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstabs, was bei präventiven Freiheitsbeschränkungen, die nicht dem Schuldausgleich dienen, regelmäßig geboten ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011
– 2 BvR 2365/09 u.a., BVerfGE 128, 326, 372 f.; Beschluss vom 18. April 2016
– 2 BvR 1833/12 u.a., NVwZ 2016, 1079 Rn. 25).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts des Verfahrens folgt aus § 35
Abs. 1, § 36 Abs. 2 und 3, § 62 analog GNotKG. Die Rechtsbeschwerde betrifft
zwei Verfahrensgegenstände, deren Werte zu addieren sind: Soweit sie sich gegen die Rechtmäßigkeit der vorläufigen behördlichen Ingewahrsamnahme richtet, beträgt der Wert 2.500 €, soweit sie die Feststellung der Rechtswidrigkeit der
amtsgerichtlichen Entscheidung über den Gewahrsam begehrt, 5.000 €.
Berg Wimmer Paul
Anstötz Erbguth
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 20.12.2020 – 507a XIV(L) 287/20 –
LG Köln, Entscheidung vom 31.05.2021 – 34 T 27/21 –

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.