KG, Beschluss vom 18.01.2018 – 1 W 563/16

Mai 18, 2022

KG, Beschluss vom 18.01.2018 – 1 W 563/16

Art. 10 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 EGBGB ermöglicht es, den Vatersnamen (hier bulgarischen Rechts) in die Rechtswahl einzubeziehen, wenn der Sorgeberechtigte das Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union wählt, dem auch das Kind angehört, und er zum Ausdruck bringt, das Kind solle neben dem Familiennamen auch den Vatersnamen nach dem gewählten Recht führen.

Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert. Der Beteiligte zu 4) wird angewiesen, dem Beteiligten zu 1) eine Bescheinigung über die Erklärung zur Namensführung zu erteilen, aus der sich ergibt, dass dieser neben dem Vornamen I… den Vatersnamen S… und den Geburtsnamen M… führt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe
I.

Die Beteiligte zu 2), deutsche und bulgarische Staatsangehörige, und der Beteiligte zu 3), bulgarischer und kanadischer Staatsangehöriger, schlossen 2012 die Ehe und führen keinen gemeinsamen Familiennamen. Sie leben in der Schweiz. Dort gebar die Beteiligte zu 2) am … 2014 den Beteiligten zu 1).

Die Schweizerische Eidgenossenschaft erstellte am 3. März 2015 einen CIEC-Auszug aus dem Geburtsregister …, in dem als Name M…, als Vorname I… und in dem Feld „anderer Name des Kindes” S… vermerkt ist. Die Republik Bulgarien erteilte am 5. März 2015 einen CIEC-Auszug aus dem Geburtsregister Sofia, in dem unter „Name” M… und unter „Vornamen” I… S… eingetragen ist.

Mit konsularisch beglaubigter Erklärung vom 30. März 2015 bestimmten die Beteiligten zu 2) und 3) für die Namensführung des Beteiligten zu 1) bulgarisches Recht. Weiter heißt es, das Kind führe auf Grund dieses Rechts den Familiennamen M… . Im Urkundeneingang ist für das Kind u.a. angegeben: I…, Vatersname: S… .

Der Beteiligte zu 4) – das Standesamt I in Berlin – hat über die ihm zugegangene Erklärung eine Bescheinigung erteilt, in der nur der Vorname I… und der Geburtsname M… genannt sind. Auf die Beanstandung der Beteiligten zu 2) hat es der Beteiligte zu 4) abgelehnt, eine Bescheinigung zu erteilen, die auch den Namensbestandteil S… aufführt. Den hierauf gerichteten Anweisungsantrag hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der Rechtsansichten der Beteiligten wird auf die Akten nebst standesamtlicher Sammelakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 58 ff. FamFG i.V.m. § 51 Abs. 1 S. 1 PStG) und begründet. Der Beteiligte zu 4) hat dem Beteiligten zu 1) gemäß § 46 Nr. 1 PStV eine Bescheinigung zu erteilen, aus der sich ergibt, dass er auch den Vatersnamen S… führt. Das folgt aus der Erklärung der gemeinsam sorgeberechtigten Beteiligten zu 2) und 3) vom 30. März 2015, die dem Beteiligten zu 4) als zuständigem Standesamt (§ 45 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 3 PStG) zugegangen ist.

Der Name des Beteiligten zu 1) unterliegt gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB grundsätzlich deutschem Recht. Der Beteiligte zu 1) hat die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 S. 1 StAG durch Geburt erworben. Für das Personalstatut ist es unerheblich, dass er zumindest auch Angehöriger der Republik Bulgarien ist (Artt. 3 und 8 des Gesetzes über die bulgarische Staatsangehörigkeit, wiedergegeben bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Stand Nov. 2017, Bulgarien, S. 11 ff.). Die deutsche Staatsangehörigkeit geht gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB vor.

Die Beteiligten zu 2) und 3) haben gemäß Art. 10 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 2 EGBGB bulgarisches Sachrecht für die Namensführung des Beteiligten zu 1) gewählt. Die Anwendung dieses Sachrechts ergäbe sich im Übrigen auch aus dem Internationalen Privatrecht der Republik Bulgarien (Artt. 48 Abs. 2, 53 Abs. 1 des bulgarischen Gesetzbuchs über das Internationale Privatrecht, wiedergegeben bei Bergmann/Ferid, a.a.O., S. 40 ff.) .

Nach dem bulgarischen Gesetz über die Personenstandsregistrierung (bulgPStG, wiedergegeben bei Bergmann/Ferid, a.a.O., S. 92 ff.) führt der Beteiligte zu 1) neben dem von seinen Eltern gewählten Vornamen (Eigennamen) I… und dem Familiennamen M… zwingend einen Vatersnamen, der aus dem Eigennamen des Vaters gebildet wird (Art. 13 bulgPStG), hier S…. Das (zwischengestellte) Patronym wird von der Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB erfasst. Unter dem kollisionsrechtlichen Begriff des Familiennamens ist zumindest im vorliegenden Zusammenhang auch der Vatersname zu verstehen.

Der Vatersname bulgarischen Rechts ist ein selbständiger Bestandteil des Namens, der – anders als z.B. ein Mittelname nach dänischem oder US-amerikanischem Recht (vgl. dazu Senat, FamRZ 2000, 53) – nicht frei wähl- oder verzichtbar ist. Er ist kein dem Kind beigelegter Individualname, wird von allen Geschwistern getragen und kann unter den Voraussetzungen von Art. 14 Abs. 1 bulgPStG auch an die nächste Generation weitergegeben werden; Familienname des Kindes kann statt des Familiennamens des Vaters der Vatersname des Vaters sein. Das bulgarische Recht sieht aber einen gesonderten Familiennamen vor, der auch allein zum Ehenamen (gemeinsamen Familiennamen) bestimmt werden kann (Art. 14 Abs. 2 bulgPStG i.V.m. Art. 12 des bulgarischen Familiengesetzbuchs, widergegeben bei Bergmann/Ferid, a.a.O., S. 50 ff.). Der Vatersname wird in bulgarischen Reisepässen und sonstigen Urkunden, die kein Feld mit der Bezeichnung „Vatersname” enthalten, jeweils unter der Rubrik „Vorname” eingetragen.

Vatersnamen werden nicht einheitlich qualifiziert (vgl. Staudinger/Hepting/Hausmann, BGB, 2013, Art. 10 EGBGB Rn. 27 ff. m.w.N.). Der Vatersname wird nach seiner Funktion eher dem Familiennamen (vgl. BGH, NJW 1971, 1521; NK-BGB/Mankowski, 3. Aufl., Art. 10 Rn. 158; Fachausschuss Nr. 3566, StAZ 2000, 220, 221) oder eher dem Vornamen zugeordnet (BGH, NJW 2014, 1383, 1385; Staudinger/Hepting/Hausmann, a.a.O., Art. 47 Rn. 47). Dass die Rechtswahl vom 30. März 2015 auch für den Vatersnamen S… gilt, folgt unter Berücksichtigung der konkreten Umstände jedenfalls aus einer europarechtskonformen Auslegung des Art. 10 Abs. 3 EGBGB.

Art. 21 AEUV gebietet es, den Namen eines Unionsbürgers anzuerkennen, wenn er ihn zwar nicht während eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat, aber eine sonstige Verbindung – wie hier die Staatsangehörigkeit – zu diesem aufweist (EuGH, NJW 2017, 3581, 3583). Das Recht auf Anerkennung betrifft sämtliche Namensbestandteile, auch Zwischennamen (vgl. BGH, NJW-RR 2017, 833, 834). Der Gesetzgeber hat Art. 48 EGBGB für ausreichend erachtet, da weitergehenden Anforderungen u.a. durch die Wahlmöglichkeit nach Art. 10 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 EGBGB Rechnung getragen sei (vgl. BT-Drucks. 17/11049 S. 12, 17). Dementsprechend muss die Vorschrift auch die Einbeziehung des Vatersnamens in die Rechtswahl zumindest dann ermöglichen, wenn der Sorgeberechtigte das Recht eines Mitgliedstaats wählt, dem auch das Kind angehört, und – wie hier die Beteiligten zu 2) und 3) durch die Angaben im Urkundeneingang – zum Ausdruck bringt, das Kinde solle auch den Vatersnamen nach dem gewählten Recht führen.

Es erscheint bei gleichzeitiger Wahl des Familiennamens nach Art. 10 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 EGBGB nicht praktikabel, den durch seine Eltern vertretenen Unionsbürger hinsichtlich des Vatersnamens auf eine gesonderte Erklärung in entsprechender Anwendung von Art. 48 EGBGB zu verweisen. Die Vorschrift ermöglicht keine Rechts-, sondern nur eine Namenswahl und stellt für die Wirkung auf einen anderen Zeitpunkt ab.

Der Antrag des Beteiligten zu 1), seinen Geburtseintrag gemäß § 48 PStG berichtigend um den Vatersnamen S… zu ergänzen, geht ins Leere. Eine Beurkundung der Geburt gemäß § 36 PStG ist bislang weder erfolgt noch – soweit ersichtlich – bei dem Beteiligten zu 4) beantragt worden.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen gemäß § 70 Abs. 2 S. 1 FamFG vor.

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