Landgericht Münster, 115 O 131/21

Mai 25, 2022

Landgericht Münster, 115 O 131/21

Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

1
Tatbestand

2
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Ertragsausfall aufgrund einer geltend gemachten pandemiebedingten Schließung des Betriebs von November 2020 bis 30.04.2021 im Wege einer offenen Teilklage in Anspruch.

3
Die Klägerin unterhält bei dem Beklagten seit dem 01.07.2016 unter der Versicherungsscheinnummer 92.489.###.#- Sach42 eine Verbunde Sach-Gewerbeversicherung für Inhalt- und Ertragsausfall für den unter der Anschrift „Q-Straße # in Leipzig“ betriebenen Gaststättenbetrieb mit Lieferservice. Als versicherte Betriebsart wird in dem Versicherungsschein vom 02.07.2019 ausdrücklich „Gaststätte mit Lieferservice“ genannt (vgl. Anl. K 16, Anlagenband).

4
Der Versicherung liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Verbundene Sach-Gewerbeversicherung (VSG 2018) (Anl. B 1, Bl. 27 ff. d.A.) zugrunde. Vereinbart ist ferner die Geltung der Klausel VSG/B0201L1/8 Betriebsschließung (Anl. B 2, Bl. 81 ff. d.A.).

5
Nach § 1 Ziff. 1 a) der Klausel leistet der Versicherer in Erweiterung zu Teil B §§ 2 bis 4 VSG 2018 bzw. zu den § 1 und 2 FBUB 2018 auch Entschädigung, wenn die zuständige Behörde auf Grund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz IfSG) in der jeweils zum Schadenszeitpunkt gültigen Fassung beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger den versicherten Betrieb zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne der Bedingungen sind nach § 1 Ziff. 2 der Klausel die im Infektionsgesetz in der jeweils zum Schadenszeitpunkt gültigen Fassung die in den §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger.

6
Im Falle einer Schließung nach § 1 Ziff. 1 a) ersetzt der Beklagte den entstandenen Ertragsausfall gem. Teil B § 2 Ziff. 2 VSG 2018.

7
Die Versicherungssumme für Ertragsausfallschäden beträgt 100.000,00 EUR zum Neuwert.

8
Unstreitig musste die Klägerin die von ihr betriebene Gaststätte aufgrund der Corona-Pandemie aufgrund der sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 30.10.2020 (im Folgenden: SächsCoronaSchVO, Anl. B 3, Bl. 85 ff. d.A.), die am 02.11.2020 in Kraft trat, im November 2020 schließen.

9
Nach § 4 Abs. 1 Nr. 18 SächsCoronaSchVO war die Öffnung von Gastronomiebetrieben verboten. Ausgenommen von dem Verbot war die Lieferung und Abholung mitnahmefähiger Speisen und Getränke.

10
Unstreitig betrieb die Klägerin in diesem Zeitraum einen Lieferdienst bzw. Außer-Haus-Verkauf, den sie – aufgrund von ihr behaupteter fehlender Nachfrage und Rentabilität – schließlich im März 2021 einstellte.

11
Die Klägerin zeigte dem Beklagten die Schließung an.

12
Die Klägerin übersandte dem Beklagten die BWA und Summen- und Saldenlisten 2019 (Anl. K 8, Anlagenband) sowie die BWA und SuSa 2020 (Anl. K 9, Anlagenband).

13
Der Beklagte holte im Folgenden ein Gutachten der B vom 16.02.2021 (Anl. B 4, Anlagenband) ein, das sich zu einem Ertragsausfallschaden der Klägerin im Zeitraum vom 01.11.2020 bis 31.12.2020 verhält.

14
Mit Schreiben vom 16.03.2021 unterbreitete der Beklagte unter Bezugnahme auf das Gutachten der B ein Abgeltungsangebot über 6.395,81 € (vgl. Anl. K 17, Anlagenband). Der Berechnung des Betrages lag ein für den Zeitraum November – Dezember 2020 ermittelter Ertragsausfall von 20.946,57 € abzgl. angerechneter staatlicher Leistungen in Höhe von 14.550,76 € zugrunde.

15
Die Klägerin nahm das Angebot nicht an.

16
Gleichwohl zahlte der Beklagte den Betrag von 6.395,81 € für die Monate November und Dezember 2020 unter dem 05.05.2021 an die Klägerin (vgl. Anl. K 18, Bl. 110 d.A.). In dem Schreiben heißt es weiter:

17
„Eine Auszahlung der weiteren Monate in denen der Betrieb geschlossen war, erfolgt sobald uns das Gutachten des Sachverständigenbüro B vorliegt.“

18
Mit Schreiben vom 18.05.2021 (Anl. B 5, Anlagenband) wies der Beklagte die Klägerin auf die Aufrechterhaltung eines Lieferbetriebes i.S.e. Schadensminderungsobliegenheit hin.

19
Unter dem 30.06.2021 (Anl. B 6, Anlagenband) erstellte die Fa. B ein weiteres Gutachten für den Ertragsausfallschaden der Klägerin für den Zeitraum Januar bis März 2021.

20
Die Klägerin ist der Ansicht, dass eine bedingungsgemäße Betriebsschließung vorliege. Dem stehe auch nicht das von ihr betriebene Außer-Haus-Geschäft entgegen, da jedenfalls eine „faktische“ Betriebsschließung vorgelegen habe. Ein Verweis auf ein Außer-Haus-Geschäft sei unzulässig und lasse die Einstandspflicht des Versicherers nicht entfallen. Werde ein Außer-Haus-Verkauf nur vorübergehend durchgeführt, weil der Unternehmer zur Abmilderung der sozialen Folgen für Mitarbeiter und im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht versuche, sein originär auf den Restaurantbetrieb ausgerichtetes Unternehmen durch das Angebot sowie die Ausweitung auf Außer-Haus-Verkauf zu stützen, bleibe die Leistungspflicht des Versicherers bestehen. Soweit das – fehlerhafte – Gutachten der Fa. B vom 16.02.2021 zudem auf einen Anteil des „Außer-Haus und To-Go“–Geschäfts von über 60 % des gesamten Jahresumsatzes abstelle, sei dies unzutreffend.

21
Der Lieferservice habe vielmehr nur einen Teil des Gesamtumsatzes ausgemacht, der vor der Pandemie ca. 30 % betragen habe. Sie ist der Ansicht, dass eine faktische Betriebsschließung vorliege und die Beweislast dafür, dass der Lieferservice in einem Umfang habe betrieben werden können, dass er eine echte unternehmerische Alternative darstelle, bei dem Beklagten liege, da die Fortführung des Lieferservices als (Schadensminderungs-) Obliegenheit zu werten sei. Zudem habe der Beklagte selbst mitgeteilt, dass kein Versicherungsschutz bestehen solle, wenn der überwiegende Teil des Gastronomiebetriebes Lieferservice sei, da weiter habe ausgeliefert werden können. Überwiegend bedeute aber – was auch der sachverständige Gutachter der B selbst angegeben habe – im normalen Sprachgebrauch 50 %. Da diese Größenordnung nicht erreicht worden sei und sich das Verhältnis von In-House-Gastronomie-Umsätzen und Lieferservice als logische Folge der Untersagung der In-House-Gastronomie verschoben habe, sei die Schließung des gesamten In-House-Gastronomiebetriebes als faktische Schließung und nicht lediglich als Betriebseinschränkung zu werten. Hierfür spreche auch, dass der Lieferservice für sich allein zu keinem Zeitpunkt darauf angelegt gewesen sei, den gesamten Geschäftsbetrieb kostendeckend refinanzieren zu können, was aber bei einem mit Gewinnerzielungsabsicht geführten Betrieb stets in allen Branchen inhärente Voraussetzung sei. Eine bedingungsgemäße Betriebsschließung liege zudem auch deshalb vor, weil mit der in der CoronaSchVO angeordneten Betriebsschließung faktisch auch ein Tätigkeitsverbot für die betreffenden Angestellten ausgesprochen worden sei.

22
Die Klägerin behauptet unter Bezugnahme auf die von ihr im Jahr 2019 erzielten Umsätze weiter, dass ihr ein Ertragsausfallschaden von jedenfalls 90.000,00 € für den Zeitraum November 2020 bis 30.04.2021 entstanden sei. Hierzu führt sie u.a. wie folgt aus:

23
Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.

24
Für November und Dezember 2020 errechne sich daher je nach Berechnungsansatz ein Ertragsausfall in Höhe von 57.141,00 EUR bis 60.235,17 €.

25
Die Klägerin behauptet im Jahre 2020 bis Oktober 2020 folgende Umsätze erzielt zu haben:

26
Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.

27
Eine von dem Beklagten vorgenommene Verrechnung mit öffentlichen Geldern (Kurzarbeitergeld und staatliche Soforthilfe) sei nicht statthaft, zumal es im Versicherungsrecht kein allgemeines Bereicherungsverbot gebe.

28
Zudem habe der Beklagte seine Leistungspflicht dem Grunde nach uneingeschränkt mit Abrechnungsschreiben vom 05.05.2021 bereits anerkannt und eine Teilregulierung geleistet. Die Zahlung nach Rechnungsprüfung stelle ein deklaratorisches Anerkenntnis i.S.v. § 781 BGB hinsichtlich der Eintrittspflicht dem Grunde nach für den gesamten Versicherungsfall dar.

29
Der Beklagte habe sie, die Klägerin, zudem selbst aufgefordert, wenn möglich einen Lieferdienst einzurichten, um ihrer Schadensminderungspflicht nachzukommen. Dieser Aufforderung sei sie zeitlich beschränkt noch bis ins erste Quartal 2021 nachgekommen. Zu diesem Zeitpunkt habe sich abgezeichnet, dass die hierdurch einhergehenden Mehraufwendungen für Transportlieferung, die Verdienste insbesondere, nicht durch die Einnahmen gedeckt worden seien. Insbesondere sei auch eine deutliche Abnahme im Bereich Bestellungen im ersten Quartal 2021 – anders als noch im November und Dezember 2020 – zu verzeichnen gewesen.

30
Da das Schadensereignis in seiner Dauer noch nicht abgeschlossen sei, macht die Klägerin im Wege einer offenen Teilklage mit dem Klageantrag zu Ziff. 1) etwa 70 % der auf Basis für November 2020 und Dezember 2020 projizierten Umsätze und Ausfälle für den Zeitraum November 2020 bis einschließlich April 2021 geltend.

31
Die Klägerin beantragt,

32
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie einen angemessenen Abschlag auf die Versicherungsleistung in Höhe 15.000,00 EUR pro Monat, d.h. für die Zeit seit dem 01. November 2020 bis zum 30. April 2021 einen Betrag in Höhe von 90.000,00 € zu zahlen;

33
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, an sie alle Schäden für den Zeitraum 1. November 2020 bis zum 31. Mai 2021 auf Basis des Versicherungsvertrags mit der Versicherungsnummer 92.489.###.#, Schadennummer 2207-159.012/0-### bis zur Versicherungshöchstgrenze von 100.000,00 €, abzüglich des gemäß Ziffer 1. geforderten und gezahlten Abschlags in Höhe von 90.000,00 € zu zahlen.

34
Der Beklagte beantragt,

35
die Klage abzuweisen.

36
Der Beklagte ist der Ansicht, dass die bereits erfolgte Zahlung von 6.395,81 € zu berücksichtigen sei.

37
Der Beklagte meint weiter, dass keine bedingungsgemäße Betriebsschließung vorliege.

38
Zum einen fehle es bereits an dem Vorliegen einer sog. intrinsischen Gefahr.

39
Zum anderen lasse sich den Versicherungsbedingungen entnehmen, dass der Betrieb insgesamt zum Stillstand kommen müsse und bloße Betriebseinschränkungen nicht versichert seien. Das Erfordernis der Schließung aufgrund behördlicher Anordnung lasse sich aufgrund des klaren Wortlautes der Klausel auch nicht mit dem kreierten Begriff der „faktischen Betriebsstilllegung“ umgehen.

40
Selbst wenn man entgegen Wortlaut und Sinn der Klausel auch eine faktische Betriebsschließung anerkennen wollte, habe in Bezug auf den Betrieb der Klägerin eine solche tatbestandlich aber gerade nicht vorgelegen. In den Entscheidungen, in denen eine faktische Betriebsstilllegung angenommen worden sei, sei es um reine Mitnahmegeschäfte gegangen, die in wirtschaftlicher Hinsicht von absolut untergeordneter Bedeutung gewesen seien. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin hätten die Umsätze aus dem Außer-Haus-Verkauf im Zeitraum Juni bis Oktober 2020 jedoch bei gemittelt etwa 35 % des Gesamtumsatzes gelegen.

41
Tatsächlich hätten die Umsätze aus dem Außer-Haus-Verkauf – so die Behauptung des Beklagten – ausweislich des Gutachtens der B vom 16.02.2021 höher gelegen und hätten ca. 60 % des Gesamtumsatzes ausgemacht. Dem Gutachten lasse sich ebenfalls entnehmen, dass die Klägerin bereits im Jahre 2019 – also in „Vor-Corona-Zeiten“ – zunehmende Einkünfte aus dem Außer-Haus-Verkauf bzw. Lieferservice generiert habe. Im Dezember 2019 habe der Anteil am Gesamtumsatz bei 42,89 % gelegen, im Januar und Februar 2020 gemittelt bei 45,43 %. Die Klägerin habe daher nicht coronabedingt ein Auffanggeschäft betrieben, das Generieren von Einkünften aus dem Außer-Haus-Verkauf habe vielmehr von vornherein zu ihrem Geschäftskonzept gehört. Den Betreibern von Gaststätten sei es durch die sächsische CoronaSchVO auch nicht untersagt gewesen, Mitarbeiter zur Herstellung bzw. zum Außer-Haus-Verkauf von Speisen und Getränken zu beschäftigen; hierzu seien lediglich die Hygienestandards nach § 5 der Verordnung einzuhalten gewesen.

42
Letztlich habe – so der Beklagte – lediglich eine Betriebseinschränkung vorgelegen, da die Klägerin lediglich die Innen- und teilweise die Außengastronomie habe einstellen müssen. Der schon vor dem Lockdown im Herbst 2020 bestehende Außer-Haus-Verkauf bzw. Lieferservice, der einen überwiegenden Teil des Betriebes ausgemacht habe, sei hiervon jedoch unberührt geblieben.

43
Der Beklagte bestreitet zudem, dass die Klägerin in der Zeit vom 01.11.2020 bis 30.04.2021 einen Ertragsausfallschaden von mindestens 90.000,00 € erlitten habe.

44
Die Berechnung der Klägerin sei nicht nachvollziehbar. Zudem sei das der Klägerin gezahlte Kurzarbeitergeld bei der Berechnung der Versicherungsentschädigung zu berücksichtigen. Zwar stehe das Kurzarbeitergeld den Arbeitnehmern zu. Entscheidend sei aber, dass bei der Kurzarbeit vorübergehend einerseits die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers, andererseits aber auch die Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers ruhe und sich dementsprechend die Personalkosten als fixe Kosten reduzieren würden.

45
Da er, der Beklagte, den Anspruch der Klägerin auch nicht anerkannt habe, sei er mit dem Einwand einer fehlenden vollständigen Betriebsschließung auch nicht ausgeschlossen. Die Bezahlung einer Verbindlichkeit als solche stelle nämlich kein rechtsgeschäftliches Anerkenntnis dar. Selbst wenn über längere Zeit Ansprüche fehlerhaft reguliert würden, könne der Begünstigte aus dieser Falschregulierung nicht ohne weiteres den Anspruch herleiten, auch weiterhin zu Unrecht diese Mehrleistung zu erhalten. Entscheidend sei daher nicht das rein tatsächliche Fehlverhalten, sondern der rechtlich verbindliche Erklärungswille, wie er sich bei objektiver Betrachtung vom Empfängerhorizont her erschließe. Insbesondere sei in dem Schreiben vom 05.05.2021 kein Angebot auf Abschluss eines bestätigenden Schuldanerkenntnisvertrages zu sehen. Ein Anerkenntnis habe ferner zur Voraussetzung, dass das Schuldverhältnis insgesamt oder zumindest teilweise dem Streit oder der Ungewissheit entzogen werden solle. Die zuständige Sachbearbeiterin sei bei Abfassung des Schreibens vom 05.05.2021 unzutreffenderweise davon ausgegangen, dass eine Betriebsschließung im Sinne von § 1 der Klausel vorgelegen. Ein Streit oder eine Ungewissheit, die durch ein Schuldanerkenntnis hätte beseitigt werden können, habe daher gar nicht vorgelegen.

46
Das Schreiben vom 05.05.2020 enthalte weiterhin nur eine Mitteilung über die Erfüllungsbereitschaft für Monate, in denen der Betrieb geschlossen gewesen sei. Es sei daher gerade nicht zugesagt worden, auch für bloße Betriebseinschränkungen aufgrund behördlicher Anordnungen Aufwandsentschädigung zu leisten. Der zur zum Zeitpunkt der Abfassung des vorgenannten Schreibens allein bestehende Streit zwischen den Parteien bezüglich der Berechnung der Versicherungsentschädigung (insbesondere bzgl. der Anrechnung staatlicher Soforthilfen und Kurzarbeitergeld) sei gerade nicht beigelegt worden.

47
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.

48
Entscheidungsgründe

49
Die zulässige Klage ist unbegründet.

50
I.

51
Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Entschädigungsleistungen wegen erlittener Ertragsausfallschäden aus § 1 VVG i.V.m. dem Versicherungsvertrag zu.

52
1.

53
Nach § 1 Ziff. 1 a) der vereinbarten Klausel VSG/B0201L1/8 Betriebsschließung leistet der Versicherer in Erweiterung zu Teil B §§ 2 bis 4 VSG 2018 bzw. zu den § 1 und 2 FBUB 2018 auch Entschädigung, wenn die zuständige Behörde auf Grund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz IfSG) in der jeweils zum Schadenszeitpunkt gültigen Fassung beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger den versicherten Betrieb zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt.

54
Der klägerische Betrieb war hier jedoch nicht geschlossen.

55
Im Einzelnen:

56
a)

57
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind grundsätzlich so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist dabei vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind.

58
Werden Versicherungsverträge – wie hier – typischerweise mit und für einen bestimmten Personenkreis geschlossen, sind die Verständnismöglichkeiten und Interessen der Mitglieder dieses Personenkreises zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. vom 25.05.2011, Az.: IV ZR 117/09, VersR 2011, 918). Da vorliegend eine Verbunde Sach-Gewerbeversicherung für Inhalt- und Ertragsausfall streitgegenständlich ist, die die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Unternehmerin (§ 14 Abs. 1 BGB) für die von ihr betriebene Gaststätte abgeschlossen hat, ist daher auf den Empfängerhorizont eines durchschnittlichen Unternehmers abzustellen, der geschäftserfahren und mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich vertraut ist.

59
Nach dem Wortlaut der hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen muss der durchschnittliche Versicherungsnehmer grundsätzlich davon ausgehen, dass die vollständige Schließung der Einrichtung angeordnet worden sein muss, damit ein Anspruch auf Versicherungsleistungen entsteht.

60
Die Bedingungen stellen nämlich auf den Betrieb in seiner Gesamtheit, nicht jedoch auf Teile hiervon ab. Ferner bezeichnet das Wort „geschlossen“ im Zusammenhang mit einer Einrichtung oder einem (Gastronomie-) Betrieb nach dem allgemeinen Sprachgebrauch einen Zustand, in dem der Betrieb bzw. die Einrichtung überhaupt nicht mehr für Publikumsverkehr zur Verfügung steht. Im Übrigen legt bereits die Bezeichnung der zwischen den Parteien vereinbarten Klausel „Betriebsschließung“ nahe, dass es sich nicht um eine Betriebseinschränkungsversicherung, eine Teilschließungsversicherung o.ä. handelt (vgl. hierzu auch LG München I, Urt. vom 17.09.2020, Az. 12 O 7208/20).

61
Vorliegend konnte die Klägerin den Betrieb in Form eines Außer-Haus-Verkaufs i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 18 SächsCoronaSchVO (Lieferung und Abholung mitnahmefähiger Speisen und Getränke) fortführen, was sie auch getan hat.

62
Der versicherte Betrieb – insoweit ist zudem zu berücksichtigen, dass das Geschäftskonzept der Klägerin nicht nur auf den reinen Restaurantbetrieb beschränkt war, sondern ausweislich des Versicherungsscheins vom 02.07.2019 (Anl. K 16, Anlagenband) ausdrücklich auch den Lieferdienst umfasste – stand dem Publikumsverkehr damit über Außer-Haus-Verkäufe und „To-Go“-Geschäfte weiterhin zur Verfügung. Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass mit der der Klägerin untersagten Innengastronomie eine erhebliche wirtschaftliche Einschränkung des klägerischen Betriebs einhergegangen ist. Nach den insoweit maßgeblichen Versicherungsbedingungen darf jedoch nicht nur eine Einschränkung, sondern es muss vielmehr eine vollständige Schließung vorgelegen haben, was hier jedoch gerade nicht der Fall war.

63
b)

64
Dahinstehen kann schließlich auch die Frage, ob ein Anspruch auf bedingungsgemäße Versicherungsleistungen unter dem Gesichtspunkt einer sog. „faktischen Betriebsschließung“ gegeben sein kann.

65
Denn jedenfalls liegt eine solche faktische Schließung des klägerischen Betriebes nach Auffassung der Kammer nicht vor.

66
Das OLG Karlsruhe führt zu dieser Frage in einem Urteil vom 30.06.2021 (Az.: 12 U 4/21 – juris) zwar aus, dass der Umstand, dass weiterhin in geringem Umfang eine geschäftliche Tätigkeit möglich gewesen sei, die Annahme eines Versicherungsfalles nicht grundsätzlich ausschließe. Entscheidend sei vielmehr, ob sich die behördliche Anordnung im konkreten Fall auch faktisch wie eine Betriebsschließung ausgewirkt habe, was auch bei einer begrenzten Beherbergung von Geschäftsleuten in einem Hotel oder dem Außer-Haus-Verkauf von Speisen durch ein Restaurant im Einzelfall noch angenommen werden könne.

67
In einem weiteren Urteil vom 05.10.2021 (Az.: 12 U 107/21 – juris) hat das OLG Karlsruhe die Voraussetzungen einer faktischen Betriebsschließung näher wie folgt konkretisiert:

68
„Nach diesen Maßstäben stellt sich die Schließung von Gaststätten durch die Corona-Verordnung in Baden-Württemberg im streitgegenständlichen Zeitraum für die Klagepartei wie eine zumindest faktische Betriebsschließung dar. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Corona-Verordnung im März 2020 und in den Jahren zuvor hatte der Außer-Haus-Verkauf für die streitgegenständliche Gaststätte der Klägerin wirtschaftlich nur eine ganz untergeordnete Bedeutung. In der mündlichen Verhandlung vom 05.10.2021 hat die Klagepartei unwidersprochen vorgetragen, dass sie in der Gaststätte eine Abholmöglichkeit erst mit dem zweiten „Lockdown“, d.h. im November 2020, eingeführt habe. Zuvor habe der Außer-Haus-Verkauf wirtschaftlich keine Bedeutung gehabt; so habe in den Jahren 2015 bis 2019 der Anteil des „Take-away“-Geschäfts am Gesamtumsatz einen Wert von maximal 1,3 % im Jahr 2015 erreicht. Angesichts eines derart geringfügigen Umsatzanteils des Außer-Haus-Verkaufs kann eine etwaige Fortführung nach Inkrafttreten der Corona-Verordnung nicht als teilweise Aufrechterhaltung des Betriebs gewertet werden.“

69
[Hervorhebungen durch die Kammer]

70
Gemessen an diesem Maßstab lag im Falle der Klägerin keine faktische Betriebsschließung vor, weil sie im 2. „Lockdown“ ab November 2020 den ihr noch möglichen Außer-Haus-Verkauf in einem nicht unerheblichen Umfang weitergeführt hat, was der Wertung als faktische Betriebsschließung entgegensteht.

71
Aufgrund des bereits angesprochenen bedingungsgemäßen Wortlauts, der von Schließung spricht (s.o.), kann eine solche faktische Schließung allenfalls nur dann vorliegen, wenn der Betrieb in gänzlich unerheblichen Umfang fortgesetzt wird (vgl. LG München I, Urt. vom 17.09.2020, Az.: 12 O 7208/20). Wann ein solcher Umfang vorliegt, ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Belange der Beteiligten und des Grundsatzes von Treu und Glauben von Fall zu Fall entscheiden (vgl. LG Mannheim, Urt. vom 29.04.2020, Az.: 11 O 66/20- juris). In der Literatur sind hierzu Umsatzeinbrüche von 90 % bis 95 % vorgeschlagen worden (vgl. Fortmann, Anmerkung zu LG Mannheim, Urteil vom 29.04.2020 – 11 O 66/20, r+s 2020, 338 (342)); ähnlich wohl auch Armbrüster in: Prölss/Martin FBUB Anh. (BSV) Rn. 3).

72
In bisher bekannten Entscheidungen, in denen die Gerichte eine faktische Betriebsschließung bejaht haben, lagen die durch Außer-Haus-Verkäufe erzielten Umsätze bei maximal bei 5 % des regulären (Vorjahres-) Gesamtumsatzes, sodass jeweils ein wirtschaftlich erheblicher Umsatzeinbruch aufgrund der angeordneten Schließung angenommen wurde:

73
 OLG Karlsruhe, Urt. vom 30.06.2021 (Az.: 12 U 4/21): 2,8 % des beherbergungsbezogenen Umsatzes

74
 OLG Karlsruhe, Urt. vom 05.10.2021 (Az.: 12 U 107/12): 1,3 % des Umsatzes

75
 LG München I, Urt. vom 22.10.2020 (Az.: 12 O 5868/20): 1,96 Promille des Umsatzes

76
 LG München I, Urt. vom 20.04.2021 (Az.: 12 O 15984/20): 0,44 % des Umsatzes

77
 LG Hannover, Urt. vom 01.02.2021 (Az.: 19 O 163/20): 5 % des Umsatzes

78
Ein derartig deutlicher Einbruch war bei der Klägerin – die von ihr in diesem Zusammenhang selbst angeführten Umsatzzahlen zugrunde gelegt – gerade nicht festzustellen. Sie führte den Betrieb vielmehr in Form eines Außer-Haus-Verkaufs – wenn auch mit deutlichen Umsatzeinbußen – jedenfalls in einem nicht gänzlich unerheblichen Umfang weiter:

79
 Zu berücksichtigen ist hierbei zunächst, dass der Lieferservice sowie ein Außer-Haus-Verkauf bereits im Jahr 2019, d.h. noch in „Vor-Corona-Zeiten“, bestanden und von der Klägerin nicht erst anlässlich der Corona-Pandemie und im Zuge des Lockdowns ins Leben gerufen wurde. Anders als die Ausführungen in der Klageschrift suggerieren mögen, wonach die Klägerin einen „Notbetrieb für Lieferdienst“ offenbehalten habe, wurde der Außer-Haus-Verkauf hier gerade nicht nur vorübergehend durchgeführt und das Angebot eines originär und ausschließlich auf den Restaurantbetrieb ausgerichteten Unternehmens durch die Errichtung eines Außer-Haus-Verkaufs „aus der Not heraus“ erweitert; das Angebot gab es vielmehr schon vorher.

80
Nach dem Gutachten der B vom 16.02.2021 (Anl. B 5, Anlagenband) war der Außer-Haus-Verkauf für die Klägerin auch nicht von völlig untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung. Zwar habe der Außer-Haus-Verkauf noch am Anfang des Jahres 2019 eine untergeordnete Rolle an den Gesamtumsätzen gespielt. Dieser habe sich jedoch im Laufe des Jahres permanent erhöht, wenngleich – wie im weiteren Gutachten der B vom 30.06.2021 (Anl. B 6, Anlagenband) noch hervorgehoben wird – die Klägerin auch im Jahr 2019 unter normalen Umständen Verluste erwirtschaftet habe. So lag der Anteil des Umsatzes der Außer-Haus-Verkäufe im November 2019 (15.877,00 €) am Gesamtumsatz (47.263,00 €) bei 33,5 %, im Dezember 2019 lag der hierauf entfallende Anteil (16.397,00 €) am Gesamtumsatz (43.508,00 €) bei ca. 38 %.

81
Nach dem weiteren eigenen Vortrag der Klägerin wurden auch vor dem 2. Lockdown Ende 2020 zwischen 30,5 % und 42,2 % des Gesamtumsatzes durch den Außer-Haus-Verkauf erzielt.

82
 Auch im November und Dezember 2020 erzielte die Klägerin ihrem eigenen Vortrag zufolge durch den Außer-Haus-Verkauf noch etwa die Hälfte des von ihr für diesen Zeitraum prognostizierten Umsatzes (48,46 %). Die Umsätze lagen im November 2020 bei 31.432,00 € und im Dezember 2020 bei 29.337,00 €.

83
 Ausweislich des von dem Beklagten eingeholten weiteren Gutachtens der Fa. B vom 30.06.2021 wird zwar ein Ertragsausfallschaden für den Zeitraum Januar – März 2021 in Höhe von 35.917,87 € bei einem nachvollziehbar entgangenen Erlös von 77.946,77 € festgestellt. Gleichwohl erzielte die Klägerin in diesem Zeitraum noch folgende Umsatzerlöse, die angesichts der Untersagung der Innengastronomie ausschließlich durch einen nach der SächsCoronaSchVO noch zulässigen Außer-Haus-Verkauf erzielt worden sein können:

84
 Januar 2021: 24.550,00 €

85
 Februar 2021: 26.963,15 €

86
 März 2021: 14.338,41 €

87
65.851,56 €

88
Gemessen an dem prognostizierten Gesamtumsatz ist der auf den Außer-Haus-Verkauf entfallende Umsatzanteil aber nicht als völlig untergeordnet zu beurteilen. Unter Berücksichtigung des im Gutachten ermittelten Erlösausfalls von 77.946,77 € wäre von einem Gesamtumsatz für diesen Zeitraum von 143.798,32 € auszugehen. Der auf den Außer-Haus-Verkauf entfallende Anteil ist bei einem erzielten Umsatz von 65.851,56 € mit 45,7 % zu beziffern.

89
Unter Berücksichtigung der vorstehend aufgeführten Zahlen handelt es sich bei den von der Klägerin auch nach Inkrafttreten der streitgegenständlichen SächsCoronaSchVO vom 30.10.2020 fortgeführten Außer-Haus-Verkäufen nicht um „reine Mitnahmegeschäfte“, die in wirtschaftlicher Hinsicht von absolut untergeordneter Bedeutung sind. Die Fortführung des Betriebs als reines „To-Go-“ oder Liefergeschäft ist angesichts des – gemessen am (prognostizierten) Gesamtumsatz – in nicht unerheblicher Höhe erzielten Umsatzes der Außer-Haus-Verkäufe sowohl vor Eintritt des hier streitgegenständlichen Versicherungsereignisses als auch nach Inkrafttreten der CoronaSchVO als teilweise Aufrechterhaltung des Betriebes zu qualifizieren, was der der Annahme einer bedingungsgemäßen Betriebsschließung entgegensteht.

90
Dabei stellt die Kammer nicht in Abrede, dass die Untersagung des Restaurant-Betriebes („In-House-Gastronomiebetrieb“) bei Fortführung lediglich des Lieferservices sowie des zulässigen Außer-Haus-Verkaufes für die Klägerin in wirtschaftlicher Hinsichtlich nachteilig war.

91
Dies rechtfertigt es aber nicht, hier eine – für einen bedingungsgemäßen Versicherungsschutz aber erforderliche – vollständige Betriebsschließung anzunehmen. Es liegt vielmehr eine nicht vom Versicherungsschutz umfasste – gleichwohl spürbare – Betriebsbeschränkung vor. Die Klägerin führte ihren Betrieb jedenfalls in einem nicht gänzlich unerheblichen Umfang weiter. Dass auch ein Anteil des Außer-Haus-Verkaufes am Gesamtumsatz von lediglich 30 % vor der Corona-Pandemie nicht den überwiegenden Teil des Gesamtumsatzes ausmacht und der Lieferbetrieb für sich alleine zu keinem Zeitpunkt darauf ausgerichtet und angelegt war, den gesamten Geschäftsbetrieb kostendeckend refinanzieren zu können, vermag an dieser rechtlichen Beurteilung zum Vorliegen eines bedingungsgemäßen Versicherungsfalls ebenfalls nichts zu ändern.

92
2.

93
Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt in der Regulierung eines Teilbetrages gem. Abrechnungsschreiben vom 05.05.2021 auch kein deklaratorisches Anerkenntnis des Beklagten, das ihm die Berufung auf eine fehlende vollständige Betriebsschließung i.S.d. Versicherungsbedingungen verwehren würde.

94
Zwar kann die Bezahlung einer Verbindlichkeit im Einzelfall grundsätzlich ein konkludent erklärtes bestätigendes Schuldanerkenntnis der beglichenen Forderung darstellen. Dieser Erklärungswert kommt einer Tilgungsleistung als solcher aber nicht allgemein, sondern nur dann zu, wenn der Schuldner aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall bei seiner Leistung aus der Sicht des Empfängers den Eindruck erweckt, er handle mit einem auf den Abschluss einer solchen Vereinbarung gerichteten Rechtsfolgewillen. Dies setzt aber voraus, dass die Beteiligten einen nachvollziehbaren Anlass für die Abgabe eines Schuldanerkenntnisses haben, insbesondere Streit oder zumindest Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder über einzelne Einwendungen herrscht und damit der Wille erkennbar wird, diese Unsicherheit durch vertragliche Vereinbarung zu beseitigen (vgl. BGH, Urt. vom 16. März 2021 – VI ZR 140/20 –, juris). Es besteht hingegen weder ein rechtlicher noch ein wirtschaftlicher Anlass, allgemein Erfüllungshandlungen des Schuldners als Erklärung eines Verzichts auf Einwendungen gegen den Anspruch aufzufassen.

95
Besondere Umstände, die es im konkreten Fall rechtfertigen würden, den Leistungshandlungen des Beklagten den beschriebenen Erklärungswert zukommen zu lassen, sind nicht ersichtlich. Ein deklaratorisches Anerkenntnis liegt nicht vor, zumal der Beklagte bei Abfassung des Abrechnungsschreibens vom 05.05.2021 – wie der Beklagte unbestritten vorgetragen hat – irrtümlicherweise noch davon ausgegangen sei, dass eine bedingungsgemäße Betriebsschließung auch bei einem Außer-Haus-Verkauf in dem von der Klägerin betriebenen Umfang gegeben sei. Ein dahingehender Streit, dessen Beseitigung die Abgabe eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses dienen sollte, hat zwischen den Parteien zuvor gerade nicht bestanden.

96
3.

97
Eine andere rechtliche Beurteilung, insbesondere ein von einem Rechtsbindungswillen getragenes übereinstimmendes Vertragsverständnis der Parteien sowohl bei Vertragsabschluss als auch bei Prüfung des Versicherungsfalls dahingehend, dass (auch) von einer bedingungsgemäßen, „faktischen“ Betriebsschließung auszugehen sei, wenn der auf den Außer-Haus-Verkauf entfallende Anteil am Gesamtumsatz – wie hier – weniger als 50 % betrage, ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht aus den von der Beklagten gegenüber dem Sachverständigen der B im Rahmen der Beauftragung gemachten Vorgaben. Der Klägerin ist zwar zuzustimmen, dass im Gutachten der Fa. B vom 16.02.2021 auf S. 2 und S. 4 ausgeführt wird, der Beklagte habe vor Beauftragung mitgeteilt, dass für Gastronomiebetriebe mit überwiegendem Lieferanteil kein Versicherungsschutz bestehen solle, da keine Schließung vorliege, wenn weiterhin habe ausgeliefert werden können.

98
Hieraus lässt sich jedoch nicht ein Rückschluss i.S.d. von der Klägerin dargelegten Vertragsverständnisses und der von ihr befürworteten Auslegung herleiten.

99
Zum einen ist schon nicht ersichtlich, dass sich die Parteien des hiesigen Rechtsstreits auf ein dahingehendes Verständnis der tatbestandlichen Voraussetzung der bedingungsgemäßen Betriebsschließung geeinigt, hierüber überhaupt kommuniziert oder ein solches Verständnis dem Versicherungsvertrag übereinstimmend zugrunde gelegt haben. Bei den von der Klägerin angeführten Angaben des Beklagten handelt es lediglich um Vorgaben gegenüber dem Sachverständigen, mit denen der diesem erteilte Begutachtungsauftrag näher konkretisiert und umrissen werden sollte. Aus ihnen vermag die Klägerin aber keine verbindlichen und für ihr Vertragsverhältnis zum Beklagten relevanten Zusagen herleiten.

100
Zum anderen ist der Inhalt dieser Vorgaben gem. §§ 133, 157 BGB allenfalls dahingehend zu verstehen, dass der Beklagte Versicherungsschutz in jedem Fall bei Gastronomiebetrieben mit überwiegendem Lieferanteil mangels (vollständiger) Schließung als nicht gegeben angesehen und insoweit nicht in die Regulierung eintreten wollte. Dass er damit zugleich die Voraussetzungen einer bedingungsgemäßen Betriebsschließung bei Gastronomiebetrieben mit einem geringeren Lieferanteil stets als gegeben ansieht, lässt sich diesen Ausführungen nach Auffassung der Kammer indes nicht zwingend entnehmen.

101
4.

102
Die Kammer sah sich auch nicht veranlasst, dem Kläger eine Frist zur ergänzenden Stellungnahme einzuräumen, da die streitgegenständlichen Rechtsfragen in der mündlichen Verhandlung umfassend erörtert worden sind.

103
II.

104
Nach den vorstehenden Erwägungen ist auch der Feststellungsantrag zu Ziff. 2) unbegründet.

105
III.

106
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

107
Der Streitwert wird auf bis zu 100.000,00 € festgesetzt.

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