FG Kassel, Beschluss vom 18.08.2004 – 1 V 1133/04

Juni 9, 2022

FG Kassel, Beschluss vom 18.08.2004 – 1 V 1133/04

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob wegen der unterschiedlichen Bewertung von inländischem und ausländischem Grundvermögen die Vollziehung des geänderten Schenkungsteuerbescheides vom 30. Januar 2004 auszusetzen ist. Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Durch notariellen Vertrag vom Februar 1995 übertrug Herr X verschiedene Vermögenswerte auf seine Ehefrau mit der Auflage, die übertragenen Vermögensgegenstände auf die …Stiftung X (Antragstellerin – AS.) mit Sitz in Vaduz zu übertragen. Die AS. wurde 1995 als lichtensteinische Stiftung gegründet.

Nachdem die AS. zunächst keine Schenkungsteuererklärung abgegeben hatte, schätzte das Finanzamt (Antragsgegner – AG.) die Besteuerungsgrundlagen im Steuerbescheid vom 2. Oktober 2001 und setzte bei einem geschätzten Wert des Erwerbs von … DM gegen die AS. Schenkungsteuer in Höhe von … DM fest. Zur Begründung des Einspruches gegen diesen Bescheid wurde eine Schenkungsteuererklärung vorgelegt und auf dieser Grundlage vom Finanzamt der geänderte Schenkungsteuerbescheid vom 30. Januar 2004 erlassen.

Zum übertragenen Vermögen gehörten unter anderem auch das im Inland gelegene Haus … sowie eine Eigentumswohnung in Spanien . Während das inländische Grundvermögen bei einem Verkehrswert von … DM mit dem erhöhten Einheitswert von … DM für die Berechnung der Schenkungsteuer zu Grunde gelegt wurde, wurde das ausländische Grundvermögen mit seinem Verkehrswert von … DM bei der Steuerberechnung berücksichtigt.

Bei einem ermittelten Wert des Erwerbers von insgesamt … DM wurde die Schenkungsteuer auf … DM herabgesetzt.

Mit Schreiben vom 18. Februar 2004 legte der Prozessbevollmächtigte der AS. auch gegen diesen Bescheid Einspruch ein und machte geltend, dass die Steuerfestsetzung wegen der unterschiedlichen Bewertung des inländischen und des ausländischen Grundvermögens rechtswidrig sei. Dadurch, dass gem. § 31 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) für Grundvermögen im Ausland der gemeine Wert nach § 9 BewG ausschlaggebend sei, inländischer Grundbesitz dagegen bis Ende 1995 lediglich mit 140 % des Einheitswertes in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sei, würde ausländisches Grundvermögen willkürlich schlechter gestellt. Dies stelle einen Verstoß sowohl gegen Art. 43 als auch gegen Art. 56 des EG-Vertrages dar. Gleichzeitig wurde auch Aussetzung der Vollziehung in Höhe von … DM ( … €) beantragt.

Während über den Einspruch noch nicht entschieden wurde, lehnte das Finanzamt den Aussetzungsantrag durch Bescheid vom 25. Februar 2004 ab. Auch der hiergegen gerichtete Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung vom 23. März 2004 als unbegründet zurückgewiesen.

Der AG. vertrat die Ansicht, dass in den Bewertungsvorschriften des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) in Verbindung mit den Bestimmungen des BewG kein Verstoß gegen EU – Recht gesehen werden könne. Hierin könne insbesondere keine Verletzung der gemeinschaftlich garantierten Personenverkehrsfreiheiten oder der Kapitalverkehrsfreiheit gesehen werden. § 31 BewG könne auch nicht als Diskriminierung für Ausländer angesehen werden, da die Bewertung des Grundvermögens von der Staatsangehörigkeit des Zuwendungsempfängers unabhängig sei.

Die AS. hat daraufhin bei Gericht Aussetzung der Vollziehung beantragt.

Zur Begründung trägt die AS. weiterhin vor, die Bewertung des ausländischen Grundbesitzes gem. § 31 BewG verstoße gegen die Regelungen der Art. 43 und 56 des EG -Vertrages. Die Benachteiligung des ausländischen Grundvermögens gegenüber inländischem Grundbesitz sei willkürlich und daher nicht hinzunehmen. Unter Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 12. Dezember 2002, C- 324/00 vertritt die AS. die Ansicht, dass die Mitgliedstaaten ihre Befugnisse bei der Festsetzung direkter Steuern unter Wahrung des gemeinschaftlichen Interesses auszuüben und jede Diskriminierung zu unterlassen hätten. Der EuGH habe daher § 8a Körperschaftsteuergesetz als nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar gesehen, da dessen Rechtsfolgen von der Staatsangehörigkeit abhängig gewesen seien. Nichts anderes gelte, wenn die Regelungen der Bewertung im Schenkungsteuerrecht für inländisches und ausländisches Grundvermögen unterschiedliche Maßstäbe vorgäben.

Die vorliegende Bewertungsmethode verstoße auch direkt gegen die EU-Richtlinie 88/361 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L. 178/5), die die vollständige Liberalisierung des Kapitalverkehrs innerhalb der EU regele. Der liberale Kapitalverkehr zwischen Deutschland und Spanien werde durch § 31 BewG und die dadurch bedingte unterschiedliche Bewertung von Grundvermögen in seinen Grundsätzen tangiert. Obwohl sie, die AS., in Liechtenstein ihren Sitz habe, könne sie sich auf die Regelungen des EG-Vertrages berufen, da zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten der EU und den Mitgliedstaaten der EFTA, zu denen auch Liechtenstein gehöre, gem. Art. 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum der Kapitalverkehr für Berechtigte, die in den EU-Mitgliedstaaten oder den EFTA-Staaten ansässig seien, keinerlei Beschränkungen und keine Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit der Beteiligten oder des Anlageortes vorliegen dürfe.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze des Bevollmächtigten vom 29. März und 21. Juni 2004 verwiesen

Die AS. beantragt,

die Vollziehung des Schenkungsteuerbescheides vom 30. Januar 2004 ab Fälligkeit bis einen Monat nach Zustellung der Einspruchsentscheidung in Höhe von … Euro auszusetzen,

hilfsweise für den Fall der Abweisung des Antrages, die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Der AG. beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Nach Ansicht des AG. verletzen die bis zum 31. Dezember 1995 bestandenen Bewertungsunterschiede für inländisches und ausländisches Grundvermögen, die durch das Jahressteuergesetz 1997 weitestgehend aufgehoben worden seien, kein gemeinschaftliches Diskriminierungs- oder Beschränkungsverbot, da die Wertansätze des Grundvermögens unabhängig davon seien, ob das Vermögen einem Steuerinländer oder einem Steuerausländer durch Schenkung oder Erbfall zukomme.

Ergänzend wird auf den Schriftsatz des AG. vom 27. Mai 2004 Bezug genommen.

Dem Senat lag die die AS. betreffende Schenkungsteuerakte vor.

Gründe
II.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist unbegründet.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 und Satz 7 Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen beziehungsweise dessen Vollziehung aufheben, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides ist ernstlich zweifelhaft, wenn bei Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, der gerichtsbekannten Tatsachen und des unstreitigen Sachverhaltes erkennbar ist, dass aus gewichtigen Gründen Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Sachverhaltsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Bescheid als rechtswidrig erweisen könnte (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 12. November 1992, X B 69/92 in Bundessteuerblatt -BStBl- II 1993, 263 m. w. N.; Koch in Gräber, Kommentar zur FGO, 5. Aufl., § 69 Anm. 86 m.w.N.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich der angegriffene Schenkungsteuerbescheid im Rahmen der summarischen Überprüfung als rechtmäßig.

Dass die Übertragung des Vermögens auf die AS. im Rahmen der Erstausstattung mit Vermögen einen steuerpflichtigen Vorgang nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG darstellt, ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig. Auf das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. März 1998 4 K 2887/97, in Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG-, 1998, 1021, wird insoweit Bezug genommen.

Die Steuerfestsetzung erweist sich aber nicht nur dem Grunde nach, sondern auch in der Höhe als rechtmäßig.

Nach § 12 Abs. 6 ErbStG wird ausländischer Grundbesitz nach § 31 BewG bewertet. Nach diesen Vorschriften ist für die Bewertung des ausländischen Grundvermögens der gemeine Wert im Sinne von § 9 BewG anzusetzen. Entsprechend diesen gesetzlichen Vorgaben hat der AG. den Wert der Schenkung hinsichtlich der Eigentumswohnung in Spanien ermittelt.

§ 12 Abs. 6 ErbStG und § 31 BewG verstoßen nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz (GG), obwohl das im Inland belegene Haus nicht mit dem Verkehrswert, sondern nur mit 140% des Einheitswertes bei der Steuerberechnung berücksichtigt wird.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) hat der Gesetzgeber bei der Erschließung von Steuerquellen weitgehende Gestaltungsfreiheit. Will er bestimmte Steuerquellen erschließen, andere hingegen nicht, dann ist der allgemeine Gleichheitssatz grundsätzlich so lange nicht verletzt, als sich die unterschiedliche Behandlung mit finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder steuertechnischen Erwägungen rechtfertigen lässt (vgl. Beschluss des BVerfG vom 29. November 1989, 1 BvR 1402/87 u.a., BStBl II 1990, 479). Im vorliegenden Fall lässt sich die Ungleichbehandlung von inländischem und ausländischem Grundbesitz bei der Schenkungs- und Erbschaftsbesteuerung bereits mit der steuertechnischen Erwägung rechtfertigen, dass für den im Inland belegenen Grundbesitz steuerliche Einheitswerte festgesetzt wurden, für den im Ausland belegenen Grundbesitz aber nicht (im Ergebnis ebenso Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 2. September 1991 III 247/87, EFG 1992, 145; vgl. auch Meincke, Kommentar zum Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 13. Aufl., § 12 Anm. 149).

Auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des BVerfG vom 22. Juni 1995, 2 BvR 552/91, BStBl II 1995, 671, kommt eine Aussetzung der Vollziehung nicht in Betracht.

Nach dieser Entscheidung wurde § 12 Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG in der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Fassung, folglich auch die im vorliegenden Fall anzuwendende Fassung, mit Art. 3 Abs. 1 GG insofern für unvereinbar angesehen, als er auf die Regeln des BewG verweist, die Kapitalvermögen zu Gegenstandswerten ansetzten, den inländischen Grundbesitz dagegen in den Vergangenheitswerten des zum 1. Januar 1964 festgestellten Einheitswertes erfassen.

Gleichwohl hat das BVerfG auch entschieden, dass im Hinblick auf die Erfordernisse verlässlicher Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs es gerechtfertigt ist, die bisherige, mit dem GG nicht vereinbare Erbschaftsbesteuerung von einheitswertgebundenem und nicht einheitswertgebundenem Vermögen weiter anzuwenden und den Gesetzgeber zu verpflichten, bis zum 31. Dezember 1996 eine Neuregelung zu schaffen.

Entgegen der Ansicht der AS. ist für den erkennenden Senat in der gesetzlichen Regelung des § 12 Abs. 6 ErbStG i.V.m. §§ 31 und 9 BewG auch kein Verstoß gegen EU-rechtliche Bestimmungen, insbesondere gegen Art. 43 und 56 EG-Vertrag und die Richtlinie 88/361 des Rates (a.a.O.) erkennbar.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH fallen die direkten Steuern in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, denen insoweit auch europarechtlich ein Gestaltungsspielraum zukommt (vgl. Urteil des EuGH vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C-324/00; Sammlung der Rechtsprechung 2002, Seite I – 11779 m.w.H.). Dies ergibt sich unmittelbar auch aus Art. 58 Abs. 1 EG-Vertrag, der bestimmt, dass Art. 56 EG-Vertrag nicht das Recht der Mitgliedsstaaten berührt, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln.

Hierbei müssen die Mitgliedstaaten ihre Befugnisse jedoch unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben, so dass insbesondere jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit unterlassen bleibt (vgl. auch § 58 Abs. 3 EG-Vertrag).

Diesem Diskriminierungsverbot werden die Bewertungsvorschriften des § 12 ErbStG unter Einbeziehung der übrigen Regelungen des ErbStG gerecht. Der AG. weist zu Recht darauf hin, dass die vom deutschen Gesetzgeber geschaffenen unterschiedlichen Bewertungsmethoden für inländisches und ausländisches Grundvermögen sowohl für Steuerinländer als auch für Steuerausländer gelten. Eine Differenzierung der Steuerbelastung anhand der Staatsangehörigkeit, auf die der EuGH in seiner Entscheidung C-324/00 (a.a.O.) abgestellt hat, findet hier aber gerade nicht statt. Auch in der Entscheidung des EuGH vom 11. Dezember 2003 in der Rechtssache C-364/01, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH 2004, Beilage 2, 105, wird im wesentlichen darauf abgestellt, dass eine unterschiedliche Besteuerung aufgrund des Wohnortes des Steuerpflichtigen mit dem Gemeinschaftsrecht nicht im Einklang steht.

Die Bewertungsmethoden des ErbStG und die Steuererhebung, die nicht vom Wohnort des Empfängers der geerbten oder geschenkten Immobilie abhängt, stellen demnach aber keinen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht dar. Letztlich kann auch europarechtlich die steuertechnische Seite nicht unberücksichtigt bleiben, die bereits oben im Rahmen der Überprüfung des Art. § 3 GG angesprochen wurde.

Die Probleme, die sich daraus ergeben, dass im Inland Einheitswerte festgestellt werden, im Ausland dagegen nicht, zeigen sich schon bei der Ermittlung des auszusetzenden Betrags durch den Bevollmächtigten in seinem Schreiben vom 13. August 2004.

Über die Ermittlung eines Bedarfswertes für die ausländische Wohnung wird versucht, einen hypothetischen Einheitswert zu ermitteln, der 20% des Verkehrswertes ausmachen soll und mit … ,– DM angesetzt wird.

Bei einem unstreitigen Verkehrswert von … ,– DM wären 20% des Verkehrswertes aber … ,– DM ( somit höher als der vom Bevollm. angesetzte Wert ) .

Eine Aussetzung der Vollziehung kommt auch nicht wegen einer unbilligen Härte in Betracht.

Solche Gründe hat die AS. in keiner Weise vorgetragen, nach Aktenlage sind solche auch nicht erkennbar.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung war daher mit der Kostenfolge auf der Grundlage des § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.

Auf der Grundlage der §§ 128 Abs. 3 S. 2, 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wird die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

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