AG Hamburg 48 C 331/21

August 30, 2022

AG Hamburg
48 C 331/21

1. Annahmeverzug nach § 293 BGB schließt einen Rücknahmewillen und damit auch eine anspruchsbegründende Vorenthaltung der Mietsache im Sinne des § 546a Abs. 1 BGB für die Zeit seiner Dauer aus.

2. Jedenfalls dann, wenn ein wörtliches Angebot der Mieterpartei zur tatsächlichen Übergabe am Ort der Wohnung gemäß § 295 S. 1 BGB feststeht, hat die Vermieterpartei darzulegen und zu beweisen, dass sie dadurch nicht in Annahmeverzug geriet oder dass ein solcher später entfiel.

Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 175,84 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.08.2021 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu 15 %, die Klägerin zu 85 % zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung des Gegners durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand
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Die Klägerin begehrt Nutzungsentschädigung und Nachzahlung aus Betriebskostenabrechnung.

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Die Parteien verband ein Mietverhältnis über eine Wohnung … Hamburg mit einer geschuldeten monatlichen Gesamtmiete von € 786,00. Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs. Mit Versäumnisurteil vom 08.07.2021 wurde der Beklagte zur geräumten Herausgabe verurteilt. Noch im Juni 2021 wandte sich der Beklagte telefonisch an die Hausverwaltung der Klägerin und signalisierte gegenüber einem dortigen Mitarbeiter seine Bereitschaft zur Rückgabe der Schlüssel in der Wohnung vor Ort. Zu einem Übergabetermin in der Wohnung kam es in der Folgezeit indes nicht. Die Klägerin erhielt die Schlüssel für die Wohnung Anfang August durch Einwurf in den Briefkasten der Verwalterfirma zurück. Für die Monate Juni 2021 und anteilig August 2021 leistete der Beklagte keine Zahlungen für die Wohnung. Mit Schreiben vom 31.05.2021 rechnete die Klägerin über Nebenkosten für das Kalenderjahr 2020 ab, was mit einem Saldo in Höhe von € 197,02 endete. Wegen der einzelnen Abrechnungspositionen wird insoweit auf Anlage K2 Bezug genommen.

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Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe noch im Juni 2021 telefonisch sein Einverständnis zu einer Besitzübergabe durch Einwurf der Wohnungsschlüssel in den Briefkasten der Verwalterfirma gegeben. Dadurch sei es zu einer Absprache dahingehend gekommen.

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Sie beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 1.160,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf € 786,00 ab dem 05.07.2021, auf € 177,48 ab dem 05.08.2021 sowie auf € 197,02 ab dem 01.08.2021 zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nur in tenoriertem Umfang hinsichtlich des Nachzahlungssaldos begründet.

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Bis auf die von Amts wegen zu berücksichtigende formelle Unwirksamkeit der Abrechnungsposition Allgemeinstrom sind Einwendungen nicht vorgetragen.

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Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB für die Monate Juli und August 2021 steht der Klägerin nicht zu.

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Voraussetzung für das Bestehen eines solchen Anspruchs ist die Bereitschaft der Vermieterpartei zur Rücknahme. Sonst kann von einer Vorenthaltung nicht gesprochen werden (Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 546a Rn. 8). Darlegungs- und beweisbelastet für diese Anspruchsvoraussetzung ist die Klägerin.

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Die von der Klägerin erhobene Räumungsklage indiziert zwar ein anfängliches Vorliegen von Rücknahmebereitschaft. Jedoch schließt ein Annahmeverzug nach § 293 BGB einen Rücknahmewillen und damit auch eine anspruchsbegründende Vorenthaltung für die Zeit seiner Dauer aus (OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. 5. 2002 – 24 U 133/01).

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Jedenfalls dann, wenn feststeht, dass die Mieterpartei ein wörtliches Angebot zur Übergabe am Ort der Wohnung gemäß § 295 S. 1 BGB abgegeben hat, so hat die Vermieterpartei darzulegen und zu beweisen, dass sie dadurch nicht in Annahmeverzug geraten ist oder dass ein solcher später entfallen ist. Denn die Rückgabepflicht der Mieterpartei aus § 546 Abs. 1 BGB ist – in Ermangelung anderweitiger Abreden – eine Holschuld, bei der es der Vermieterpartei obliegt, durch physische Entgegennahme am Ort der Wohnung an der Erfüllung mitzuwirken (OLG Naumburg, Urteil vom 10. Dezember 2018 – 1 U 25/18 -, juris Rn. 15).

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Der Beklagte hat noch im Juni 2021 ein wörtliches Angebot zur Rückgabe abgegeben.

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Dies ergibt sich aus dem unstreitigen Vorbringen der Parteien dahingehend, dass der Beklagte sich jedenfalls im Juni 2021 bei einem Mitarbeiter der Hausverwaltung meldete, um einen Rückgabetermin vor Ort abzustimmen. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 31.03.2022 zugestanden, dass der Beklagte Ende Juni 2021 bei der Hausverwaltung anrief und erklärte, er könne die Schlüssel zurückgeben. Der Mitarbeiter der Verwaltung entgegnete indes am Telefon, kurzfristig könne keine Übergabe stattfinden.

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Umstände, aufgrund derer die Klägerin dennoch nicht in Annahmeverzug geraten wäre oder die zu einem späteren Wegfall des Annahmeverzugs geführt hätten, stehen nicht zur Überzeugung des Gerichts fest (§ 286 ZPO).

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Insbesondere steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte sich mit einem Einwurf des Schlüssels in den Briefkasten der Verwaltung einverstanden erklärte.

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Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus einer anderen Rechtsgrundlage.

Randnummer19
Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 288, 286 BGB wegen Verzugs.

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Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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