VG Hamburg 14 E 4615/21

September 1, 2022

VG Hamburg 14 E 4615/21

1. Der Gebührenrahmen wird nur dann ermessensgerecht berücksichtigt, wenn er vollständig zur Anwendung gelangt. Dies steht einer Ermessenspraxis entgegen, bei der faktisch lediglich ein verkleinerter Gebührenrahmen zur Anwendung gelangt, so dass die Festsetzung einer Gebühr am unteren Rand des Gebührenrahmens nicht mehr in Betracht kommt.
2. In der Regel entspricht eine Ermessenspraxis, bei der der vorgegebene Gebührenrahmen in nahezu jedem Fall bis zur Höchstgebühr ausgeschöpft wird, nicht dem Zweck des Ermessens. Denn regelmäßig bildet der Mittelwert des Gebührenrahmens den durchschnittlich „wertigen“ und „aufwändigen“ Fall ab. Eine Abweichung hiervon bedarf einer umso dichteren Begründung, je stärker sie sich nach oben oder unten von dem Mittelwert entfernt.
3. Bei der Festsetzung von Verwaltungsgebühren für die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle können sowohl der mit der Amtshandlung verbundene Verwaltungsaufwand als auch deren wirtschaftliche Bedeutung für den Gebührenschuldner berücksichtigt werden. Es ist dabei zulässig, die Gebühr (auch) von der Anzahl der aufgestellten Vermittlungsgeräte abhängig zu machen und entsprechend zu staffeln. Es ist jedoch nicht ermessensgerecht, wenn der wirtschaftliche Wert der Erlaubnis – ausgehend von der Höchstgebühr – ausschließlich anhand der Anzahl der Vermittlungsgeräte bestimmt wird.

Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche vom 26. August 2021 jeweils gegen die Gebührenbescheide vom 29. Juli 2021 in der Fassung vom 15. September 2021 wird angeordnet, soweit in diesen jeweils eine Gebühr von mehr als 500,00 EUR festgesetzt wurde.

Im Übrigen werden die Anträge abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Der Streitwert wird auf 90.625,00 EUR festgesetzt.

Gründe
I.

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer gegen insgesamt einundzwanzig Gebührenbescheide erhobenen Widersprüche.

Die Antragstellerin betreibt mehrere Wettvermittlungsstellen in Hamburg.

Jeweils mit Bescheid vom 3. Juni 2021 wurde ihr der Betrieb von insgesamt 21 Wettvermittlungsstellen an den Standorten (…) befristet bis zum 30. Juni 2021 erlaubt. Nach entsprechender Anwendung des § 29 Abs. 3 Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland vom 29. Oktober 2020 (Glücksspielstaatsvertrag 2021- GlüStV 2021) gelten diese Erlaubnisse für Wettvermittlungsstellen bis zum 31. Dezember 2022 fort.

Jeweils mit Gebührenbescheid vom 29. Juli 2021 setzte die Antragsgegnerin für die jeweils mit Bescheid vom 3. Juni 2021 erteilten Erlaubnisse zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle gemäß Ziffer 5.1 der Anlage zur Gebührenordnung für das Glücksspielwesen (GlüGebO) vom 13. August 2013 in der zuletzt geänderten Fassung eine Gebühr in Höhe von 20.000,00 EUR (für die 14 Standorte: […]) bzw. in Höhe von 17.500,00 EUR (für den Standort […]) bzw. in Höhe von 12.500,00 EUR (für die 3 Standorte […]) bzw. in Höhe von 10.000,00 EUR (für die 2 Standorte […]) bzw. in Höhe von 7.500,00 EUR (für den Standort […]) fest. Die Antragstellerin wurde aufgefordert, den jeweiligen Betrag bis zum 1. September 2021 auf ein im Nachfolgenden genanntes Konto zu bezahlen. Gemäß Ziffer 5.1 der Anlage der Hamburgischen Glücksspiel-Gebührenordnung (GlüGebO) belaufe sich die Gebühr für die Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb einer Wettvermittlungsstelle auf mindestens 500,00 EUR und höchstens 20.000,00 EUR. Die Gebühr sei gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Hamburgisches Gebührengesetz (GebG) kostendeckend zu erheben. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 GebG dürfe die Höhe der Gebühr dabei nicht in einem Missverhältnis zur Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen Nutzen der Amtshandlung oder Benutzung für den Gebührenpflichtigen stehen. Der wirtschaftliche Wert einer Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle bestimme sich ganz überwiegend nach der Anzahl der Wettvermittlungsgeräte, zu deren Aufstellung die Erlaubnis ermächtige. Ausgehend von der gemäß § 8 Abs. 10 Hamburgisches Glücksspielstaatsvertrags-Ausführungsgesetz vom 29. Juni 2012 (HambGlüStVAG) je Wettvermittlungsstelle erlaubten Gesamtzahl von höchstens acht Wettgeräten und der in Ziffer 5.1 der Anlage der Hamburgischen Glücksspiel-Gebührenordnung genannten Rahmengebühr belaufe sich die Gebühr auf 2.500,00 EUR je erlaubtem Wettvermittlungsgerät. Mit Bescheid vom 3. Juni 2021 sei der Antragstellerin an den jeweiligen Standorten der Betrieb von bis zu acht Wettvermittlungsstellen (Wett-Terminals) erlaubt worden. Die Gebühr belaufe sich auf 2.500,00 EUR multipliziert jeweils mit der Anzahl der im Bescheid vom 3. Juni 2021 erlaubten Wettvermittlungsgeräte.

Mit Schriftsatz vom 26. August 2021 legte die Antragstellerin gegen sämtliche hier verfahrensgegenständliche Gebührenbescheide Widerspruch ein.

Zudem beantragte sie mit Schreiben vom 1. September 2021 die Vollziehung u.a. der hier verfahrensgegenständlichen Gebührenbescheide gemäß § 80 Abs. 4 VwGO bis zum rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens und eines nachfolgenden Klageverfahrens auszusetzen. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Gebührenbescheide. Zudem sei der Fälligkeitszeitpunkt rechtswidrig und unter Missachtung der Monatsfrist des § 17 Abs. 1 Satz 2 GebG zwischen dem Zugang des Bescheids und dem Zahlungstermin bestimmt worden. Die Gebührenbescheide seien bei der Antragstellerin erst nach dem 11. August 2021 eingegangen. Sie bitte darum, über den Aussetzungsantrag bis zum 15. September 2021 zu entscheiden.

Jeweils mit Änderungsbescheid vom 15. September 2021 änderte die Antragsgegnerin die Fälligkeit der jeweiligen Gebühr auf den 1. November 2021 ab.

Mit E-Mail vom 15. September 2021 wies der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin die Antragsgegnerin auf die am selben Tag ablaufende Frist wegen der Entscheidung über die Aussetzungsanträge sowie – bei Ablehnung – auf sodann mögliche Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung.

Auch gegen die Änderungsbescheide vom 15. September 2021 erhob die Antragstellerin jeweils Widerspruch.

Die Antragstellerin hat jeweils am 5. November 2021 bzw. am 8. November 2021 bzw. am 9. November 2021 die vorliegenden Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gestellt. Die Gebührenbescheide in Gestalt der Änderungsbescheide seien offensichtlich rechtswidrig und verletzten die Antragstellerin in ihren Rechten. Die Antragsgegnerin verwandele die gesetzliche Rahmengebühr rechtswidrig in eine Pauschgebühr pro Vermittlungsgerät. Infolgedessen habe sie verkannt, dass ein Rahmenermessen bestehe. Diese Art der Festsetzung sei fehlerhaft, weil nach dieser Methode der Gebührenrahmen nach unten nie ausgeschöpft werden könne. Sei pro Vermittlungsgerät eine Gebühr von 2.500,00 EUR anzusetzen, läge die niedrigste Gebühr bei 2.500,00 EUR und nicht bei 500,00 EUR. Die Antragsgegnerin habe ferner eine Gebühr nach Maßgabe des wirtschaftlichen Werts der Standortnutzung erfunden. Der Gebührentatbestand sehe das aber nicht vor. Die von der Antragsgegnerin festgesetzte Pauschgebühr stehe in keinem Zusammenhang zu ihrem Verwaltungsaufwand. Die Bemessung der Gebühr stehe zudem völlig außer Verhältnis zu dem äußerst kurzen Geltungszeitraum der erteilten Erlaubnisse, sodass der Gebührenrahmen unverhältnismäßig ausgeschöpft werde. Die Erlaubnisse hätten eine Laufzeit von weniger als einem Monat gehabt. Auch die „besonderen Verhältnisse des Pandemieumfelds“ und die damit für die Antragstellerin einhergehenden Umsatzeinbußen habe die Antragsgegnerin völlig außer Betracht gelassen. Zudem sei die Ausübung des Rahmenermessens fehlerhaft, weil sie gegen die Grundsätze der Gebührenfestsetzung nach §§ 7 Abs. 3, 6 Abs. 1 GebG verstoße. Der Gesetzgeber verpflichte die Behörde bei der Gebührenfestsetzung zur Kostendeckung, von der sie nur in Ausnahmefällen abweichen dürfe. Die Ausnahmen der Kostendeckung seien in § 6 Abs. 1 Satz 3 GebG konkretisiert. Eine untere Grenze der Gebührenhöhe solle dort nicht gelten, wo der Aufwand auf Seiten der Verwaltung hoch, der Nutzen für den Empfänger jedoch gering sei. Eine gesetzgeberische Entscheidung für einen weiteren Zweck der Gebührenerhebung neben dem der Kostendeckung sei hier nicht erkennbar. §§ 7 Abs. 3, 6 Abs. 1 und 2 GebG enthielten nur das Prinzip der Kostendeckung. Auch aus der Gebührenziffer 5.1 GlüGebO ergebe sich kein weiterer Zweck. Diese Gebührenziffer beschränke sich darauf, dem Tatbestand der „Erlaubniserteilung“ den Rahmen von 500,00 EUR bis 20.000,00 EUR zuzuordnen. Der Antragsgegnerin habe es oblegen, im Rahmen ihrer Ermessensausübung zu begründen, warum sie die Anträge der Antragstellerin jeweils als einen Fall mit hohem Verwaltungsaufwand einordne. Die Gebührenberechnung habe ferner auf einen nur vermeintlichen wirtschaftlichen Wert der Erlaubnis abgestellt. Zu den bei ihr entstandenen Kosten habe sie sich in dem Gebührenbescheid hingegen nicht verhalten.

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung der am 26. August 2021 eingelegten Widersprüche gegen die Gebührenbescheide der Antragsgegnerin vom 29. Juli 2021 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 15. September 2021 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Die Anträge seien unbegründet. Die Bescheide seien der Höhe und dem Grunde nach rechtmäßig. Die Gebührenpflichtigkeit der Erlaubniserteilung für Wettvermittlungsstellen ergebe sich aus § 1 Abs. 2 GlüGebO, da die Antragstellerin unstreitig Erlaubnisbescheide erhalten habe, für die jeweils eine Gebühr anzusetzen sei. Die erlassenen Gebührenbescheide seien jeweils der Höhe nach rechtmäßig. Aus Ziffer 5.1 der Anlage zur Gebührenordnung für das Glücksspielwesen ergebe sich ein Gebührenrahmen von mindestens 500,00 EUR bis höchstens 20.000,00 EUR für die Erteilung einer Erlaubnis. Diesen Gebührenrahmen habe die Antragsgegnerin zulässig angewandt und ausgeschöpft. In erster Linie gelte dabei der Grundsatz der Kostendeckung nach §§ 7 Abs. 3, 6 Abs. 1 GebG. Der Grundsatz der Kostendeckung gebe jedoch keine starre Obergrenze vor, sondern es sei vielmehr Ziel des Gebührengesetzes, die zuständige Behörde in den Zustand zu versetzen, ihre Kosten so festzusetzen, dass der später bei der Behörde angefallene tatsächliche Kostenaufwand nicht unterschritten werde. Mit Blick auf den ausgelösten Aufwand für die Erlaubniserteilung sei zunächst beachtlich, dass es sich um ein erstmals durchgeführtes Erlaubnisverfahren handele, sodass typischerweise höhere Verwaltungskosten anfielen, als bei einem regelmäßig und routinemäßig durchgeführten Erlaubnisverfahren.

Hinzu komme, dass eine große Vielzahl von Anträgen eingegangen, deren zeitgleiche Bearbeitung ebenfalls notwendig gewesen sei. Nur so habe die Antragstellerin ihre Erlaubnisse überhaupt erhalten können. Darüber hinaus seien der Antragstellerin zum Großteil die maximale Anzahl an Geräten genehmigt worden, sodass in der Erlaubnisphase ein entsprechend hoher nachträglicher Kontrollaufwand anfalle. Es könne bereits angekündigt werden, dass der hier angewandte Gebührenrahmen die in der Verwaltung anfallenden Kosten für eine Erlaubniserteilung voraussichtlich nicht mehr decke und deswegen künftig angehoben werde. Hinzu komme die zweite Maßgabe, dass die Gebührenhöhe nicht in einem Missverhältnis zum wirtschaftlichen Wert der erhaltenen Erlaubnis stehen dürfe. Der Betrag solle äquivalent sein. Bei Wahrung des Entgeltcharakters dürfe er den konkreten Aufwand auch überschreiten. Die Antragsgegnerin sei sich bei der Gebührenberechnung auch bewusst, dass die Höhe der Gebühr nicht in einem Missverhältnis zur Bedeutung des wirtschaftlichen Werts oder des sonstigen Nutzens der Amtshandlung stehen dürfe, was sie in ihren Hinweisen zur Berechnung der Gebühr ausdrücklich dargelegt habe. Um die Vermittlungsstellen bei der Gebührenermittlung vergleichbar behandeln zu können, knüpfe das Berechnungssystem an die Gerätezahl an. Damit werde auch zugleich das mit steigender Geräteanzahl steigende wirtschaftliche Interesse an der Erlaubnis äquivalent abgebildet. Das von der Antragsgegnerin angewandte Ermittlungsmodell gehe nach dem Ergebnis des oben dargelegten Grundsatzes der Kostendeckung zunächst vom genannten Gebührenrahmen aus und habe dann – die pro Wettvermittlungsstelle maximal zulässige Gerätezahl von acht Stück zugrunde legend – einen Einzelbetrag von 2.500,00 EUR pro Wettvermittlungsgerät angesetzt. Dies habe die Antragsgegnerin in ihren Hinweisen zur Berechnung der Gebühr auf Seite 2 des Bescheids offengelegt. Die Kopplung der Gebührenhöhe an die Anzahl der Geräte ermögliche der Erlaubnisbehörde auch das wirtschaftliche Interesse am Umfang der Erlaubnis (wegen der Geräteanzahl und des damit verbundenen Umsatzplus) zu berücksichtigen.

Etwaige Ermessensfehler bei der Festsetzung der Gebühr seien nicht erkennbar. Die Rahmengebühr werde ausgeschöpft, sie werde nicht in eine Pauschgebühr umfunktioniert. Dass eine Pauschgebühr pro Gerät ganz offensichtlich schon rechnerisch mit dem Gebührenrahmen in Einklang gebracht werden könne, trage die Antragstellerin selbst vor. Dieser Effekt sei in den Wettvermittlungsstellen bei der Antragstellerin lediglich zufällig, weil ihr in allen Wettvermittlungsstellen die höchst zulässige Anzahl an Wettvermittlungsgeräten genehmigt worden seien und es sich zusätzlich um eine Erstvergabe der Erlaubnis gehandelt habe. In die Ermittlung der Gebühren pro Vermittlungsgerät sei zulässig mit eingepreist worden, welchen Aufwand der Antrag verursacht habe. Dieser Aufwand sei dann gleichmäßig auf die Gerätezahl verteilt worden. Die Höhe der Gebühr sei auch mit Blick auf die Laufzeit der zugrundeliegenden Erlaubnis verhältnismäßig. Bereits mit Erlaubnisbescheid vom 3. Juni 2021 sei angekündigt worden, dass mit Auslaufen des Glücksspielstaatsvertrags und dem Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags zum 1. Juli 2021 die erteilten Erlaubnisse bis zum 31. Dezember 2022 fortgälten. Mithin beziehe sich der Gebührenbescheid nicht auf eine Erlaubniszeit von einem knappen Monat, sondern auf 18 Monate.

Mit Beschluss vom 23. November 2021 hat das Gericht die Verfahren 14 E 4615/21; 14 E 4616/21; 14 E 4619/21; 14 E 4620/21; 14 E 4625/21; 14 E 4640/21; 14 E 4642/21; 14 E 4643/21; 14 E 4644/21; 14 E 4645/21; 14 E 4646/21;14 E 4647/21;14 E 4649/21; 14 E 4668/21; 14 E 4670/21; 14 E 4672/21; 14 E 4673/21; 14 E 4674/21;14 E 4675/21; 14 E 4678/21; 14 E 4679/21 zur gemeinsamen Entscheidung unter dem Aktenzeichen 14 E 4615/21 verbunden.

II.

Die zulässigen Anträge (hierzu unter 1.) sind überwiegend begründet (hierzu unter 2.).

1. Die Anträge nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin sind zulässig.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, nämlich wenn die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage kraft Gesetzes bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten entfällt, ganz oder teilweise anordnen.

Insbesondere die besondere Zugangsvoraussetzung des § 80 Abs. 6 VwGO ist vorliegend erfüllt. Nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO ist der Antrag in den hier gegebenen Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat.

Zwar hatte die Antragsgegnerin zum maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 30.11.2021, 9 ME 257/21, juris Rn. 8; Hopp, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 74 m.w.N.) die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung der Antragstellerin vom 1. September 2021 nicht abgelehnt.

Einer Ablehnung bedarf es nach § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO jedoch nicht, wenn die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hast.

Dies ist hier der Fall. Die Antragsgegnerin hatte bei Eingang der Ersuchen um einstweiligen Rechtsschutz am 5. November 2021, mithin mehr als einen Monat nach Beantragung der jeweiligen Aussetzung, nicht darüber entschieden und auch keinen Grund hierfür mitgeteilt, obgleich die Antragstellerin sie mit E-Mail vom 15. September 2021 an ihre noch nicht beschiedenen Aussetzungsanträge erinnert hatte. Das erkennende Gericht geht auch davon aus, dass ein Abwarten von einer Frist von einem Monat ausreichend war. Ausschlaggebend für die Angemessenheit der Frist im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO sind die Umstände des Einzelfalls, namentlich die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit, wobei zuweilen eine Anlehnung an die Monatsfrist des § 74 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VwGO empfohlen wird (OVG Lüneburg, Beschl. v. 30.1.2018, 1 ME 270/07, juris Rn. 6ff.; Schoch, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 42. EL 2022, § 80 VwGO, Rn. 514). Im vorliegenden Einzelfall spricht schon die sehr kurze Zahlungsfrist von deutlich unter einem Monat ab Zugang des Gebührenbescheids, die die Antragsgegnerin der Antragstellerin gewährt hatte, dafür, dass die Antragstellerin eine Reaktion auf ihren Aussetzungsantrag innerhalb eines Monats erwarten durfte. Wie ihren Aussetzungsanträgen zu entnehmen war, rechnete die Antragstellerin infolgedessen mit alsbald drohender Vollstreckung, nämlich jedenfalls zum Monatsende September. Hinzu kommt, dass sie ihren Aussetzungsantrag nur mit einer knappen Begründung unter Verweis auf ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren versehen hatte. Auch vor diesem Hintergrund durfte sie mit einer raschen Entscheidung der Antragsgegnerin rechnen, deren Prüfung nicht die Auseinandersetzung mit neuen Umständen erforderte. Die Antragstellerin durfte zudem jedenfalls eine Art Zwischenmitteilung erwarten, ob bzw. wann die Antragsgegnerin über die Aussetzungsanträge entscheiden würde. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Antragstellerin sie mit E-Mail vom 15. September 2021 an ihren gestellten Antrag erinnert und damit deutlich gemacht hatte, dass sie eine zeitnahe Entscheidung erwarte.

2. Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin gegen die in den Bescheiden vom 29. Juli 2021 in der Fassung vom 15. September 2021 festgesetzte Gebühr ist anzuordnen, soweit die Antragsgegnerin jeweils eine Gebühr von mehr als 500,00 EUR festgesetzt hat [hierzu unter a)]. Soweit sie eine Gebühr von 500,00 EUR festgesetzt hat, sind die Anträge jedoch abzulehnen [hierzu unter b)].

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. In den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO ist insoweit nach der auf das gerichtliche Verfahren entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 18.12.2006, 3 Bs 218/05, juris Rn. 18) erforderlich, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestehen oder die Vollziehung für den Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung orientiert sich dabei regelmäßig an den voraussichtlichen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache.

a) Das Suspensivinteresse der Antragstellerin überwiegt das Vollzugsinteresse, soweit die in den streitgegenständlichen Bescheiden festgesetzte Gebühr 500,00 EUR übersteigt, da die Bescheide insoweit voraussichtlich ermessensfehlerhaft sein dürften [hierzu unter aa)], und die danach vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin ausfällt [hierzu unter bb)].

aa) Die streitgegenständlichen Bescheide sind voraussichtlich rechtswidrig, soweit die Antragsgegnerin darin eine Gebühr von mehr als 500,00 EUR festgesetzt hat. Denn die Gebührenfestsetzung dürfte ermessensfehlerhaft sein, weil die Antragsgegnerin von einem fehlerhaften Gebührenrahmen ausgegangen sein dürfte [hierzu unter (1)], das Rahmenermessen sodann fehlerhaft ausgeübt [hierzu unter (2)] und schließlich auch die wirtschaftliche Bedeutung der Erlaubnisse unzureichend – mithin ermessensfehlgebrauchend – berücksichtigt haben dürfte [hierzu unter (3)].

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Hamburgisches Gebührengesetz (HbgGebG) werden Verwaltungsgebühren für die Vornahme von Amtshandlungen erhoben, die auf eine willentliche Inanspruchnahme zurückgehen. Nach § 1 Abs. 2 Hamburgische Glücksspiel-Gebührenordnung (GlüGebO) werden die in der Anlage festgelegten Verwaltungsgebühren für Amtshandlungen auf Grundlage des Hamburgischen Glücksspielstaatsvertrag-Ausführungsgesetzes (HmbGlüStVAG) – d.h. auch für Amtshandlungen auf Grundlage von § 8 HmbGlüStVAG – erhoben. Nach Ziffer 5.1 der Anlage zur Hamburgischen Glücksspiel-Gebührenordnung (gültig vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2021) wiederum beträgt der Gebührensatz für eine Erlaubniserteilung nach § 8 HmbGlüStVAG 500,00 EUR bis 20.000,00 EUR.

Die Antragstellerin hat für ihre streitgegenständlichen 21 Wettvermittlungsstellen jeweils eine Erlaubnis nach § 8 HmbGlüStVAG erhalten, sodass zu ihren Lasten grundsätzlich eine Gebühr nach den soeben zitierten Vorschriften, die im Ergebnis eine Rahmengebühr zwischen 500,00 EUR und 20.000,00 EUR für entsprechende Erlaubnisse vorsehen, zu erheben war.

Eine Rahmengebühr – wie in Ziffer 5.1 der Anlage zur Glücksspiel-Gebührenordnung Hamburg vorgesehen – bestimmt einen minimalen und einen maximalen Gebührenwert, innerhalb dessen die konkrete Gebührenhöhe durch Ermessensentscheidung festzusetzen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.10.2020, 10 C 23/19, juris Rn. 14). Nach § 114 Satz 1 VwGO ist die gerichtliche Überprüfung dieser Ermessensentscheidung jedoch darauf beschränkt, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist, soweit die Verwaltungsbehörde berechtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln.

(1) Die Antragsgegnerin dürfte die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens dadurch überschritten haben, dass sie den vorgegebenen Gebührenrahmen, innerhalb dessen das Festsetzungsermessen zu betätigen ist, fehlerhaft nicht zugrunde gelegt hat.

Eine ermessensfehlerfreie Gebührenfestsetzung ist von vornherein nicht möglich, wenn die Behörde den vorgegebenen Gebührenrahmen, innerhalb dessen das Festsetzungsermessen zu betätigten ist, fehlerhaft nicht zugrunde gelegt hat (OVG Magdeburg, Beschl. v. 15.1.2018, 3 L 15/17, juris Rn. 7). Der in diesem Zusammenhang entscheidende Ermessensspielraum ergibt sich dabei aus dem jeweils vorgegebenen Gebührenrahmen und wird maßgeblich durch diesen geprägt (OVG Magdeburg, Urt. v. 15.1.2018, a.a.O., juris Rn. 8).

Danach dürfte die Antragsgegnerin ihrer Ermessensentscheidung fehlerhaft nicht den richtigen Gebührenrahmen zugrunde gelegt haben. Denn sie hat in ihrer Ermessensentscheidung faktisch lediglich einen verkleinerten Gebührenrahmen zwischen 2.500,00 EUR und 20.000,00 EUR berücksichtigt (vgl. zu einem ähnlichen Fall OVG Münster, Beschl. v. 8.12.2017, 9 B 1216/17, juris Rn. 28). Ziffer 5.1 der Anlage zur Hamburgischen Glücksspiel-Gebührenordnung sieht jedoch einen Gebührenrahmen zwischen 500,00 EUR und 20.000,00 EUR vor. Zwar behauptete die Antragsgegnerin im Rahmen dieses einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, die Rahmengebühr ausgeschöpft zu haben. Diese Behauptung dürfte tatsächlich jedoch nicht zutreffen. Denn die Antragsgegnerin hat nicht dargetan, dass es irgendeinen erdenklichen Fall geben könnte, bei dem es überhaupt zu einer Festsetzung einer Gebühr am unteren Gebührenrand, d.h. von 500,00 EUR, kommen könnte. Auf Grundlage der von der Antragsgegnerin angewandten Gebührenberechnung von 2.500,00 EUR Gebühr pro Wett-Terminal drängt sich hingegen auf, dass eine Gebührenfestsetzung am unteren Rand des Gebührenrahmens, nämlich unterhalb von 2.500,00 EUR, praktisch ausscheidet. Zwar argumentiert die Antragsgegnerin insoweit, dass dies zufällig sei und unter anderem daran liege, dass zu berücksichtigen sei, dass es sich hier um die Erstvergabe einer Erlaubnis handele. Diese Argumentation überzeugt jedoch nicht, da Ziffer 5.2 der Anlage zur Hamburgischen Glücksspiel-Gebührenordnung einen eigenständigen Gebührentatbestand für die „Änderung, Erweiterung oder Verlängerung der Erlaubnis“ vorsieht, mithin unter den Tatbestand der Ziffer 5.1 ausschließlich Ersterteilungen fallen. Die Tatsache, dass es sich um eine Ersterteilung handelt, ist somit bei der Ermessenanwendung nicht mehr (erneut) zu berücksichtigen. Auch ihr weiterer Vortrag, dass eine Gleichbehandlung aller Anträge lediglich durch eine Relation der Gebührenhöhe mit der Gerätezahl möglich gewesen sei, rechtfertigt nicht, den vom Verordnungsgeber vorgesehenen Gebührenrahmen eigenmächtig nicht vollständig der tatsächlichen Ermessensentscheidung zugrunde zu legen. Es erschließt sich zudem auch nicht, warum eine Gleichbehandlung lediglich dann möglich sein sollte, wenn die Höchstgebühr durch die maximale Geräteanzahl von acht dividiert wird.

(2) Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Antragsgegnerin den Gebührenrahmen vollständig zugrunde gelegt hat – nämlich bevor sie gedanklich die Höchstgebühr von 20.000,00 EUR durch acht (aufgrund ihrer Verknüpfung mit der Gerätezahl) dividiert und so die Mindestgebühr von 500,00 EUR auf 2.500,00 EUR angehoben hat –, so dürfte sie ihr Rahmenermessen jedenfalls fehlerhaft im Einzelfall gebraucht haben, indem sie den Gebührenrahmen fehlerhaft angewandt hat.

Einerseits dürfte die Antragsgegnerin die Rahmengebühr – wie auch die Antragstellerin zu Recht ausführt – wie eine Pauschgebühr angewandt haben. Dies stellt einen Ermessensfehler dar (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 8.12.2017, 9 B 1216/17, juris Rn. 28). Die Antragsgegnerin hat ihre Ermessensentscheidung faktisch so getroffen, als läge dieser kein Gebührenrahmen, sondern eine Pauschgebühr, nämlich in Höhe von 2.500,00 EUR pro Wett-Terminal zugrunde. Dies dürfte jedoch dem Willen des Verordnungsgebers widersprechen, der mit Ziffer 5.1 der Anlage zur Hamburgischen Glücksspiel-Gebührenordnung gerade keine Pausch- sondern eine Rahmengebühr vorgesehen hat.

Andererseits hat die Antragsgegnerin den Gebührenrahmen auch im Übrigen fehlerhaft im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung angewandt. Für die Bestimmung eines Gebührenrahmens gilt, dass der Mittelwert des Gebührenrahmens den durchschnittlich „wertigen“ und „aufwändigen“ Fall kennzeichnet, sodass die Rechtsfolge einer umso dichteren Begründung bedarf, je stärker sie nach oben oder unten von dem Mittelwert abweicht (OVG Berlin, Urt. v. 29.3.2012, OVG 1 B 50.11, juris Rn. 20; vgl. auch LSG Halle (Saale), Beschl. v. 29.9.2011, L 2 SF 73/11 E, juris Rn. 18). Infolgedessen spricht für eine missbräuchliche Umgehung der Ermessenszwecke, die dem von der Verordnung vorgegebenen Rahmen widerspricht, wenn die Behörde ihre Ermessensparameter so ausgestaltet, dass in nahezu jedem Fall die Höchstgebühr zur Anwendung kommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.10.2020, a.a.O., juris Rn. 24).

Letzteres dürfte hier der Fall sein. Die Antragsgegnerin weicht hier regelmäßig und ohne weitere Begründung von dem Mittelwert des in Ziffer 5.1 der Anlage zur Hamburgischen Glücksspiel-Gebührenordnung vorgesehenen Gebührenrahmens ab, der bei einer Gebühr von ca. 10.000,00 EUR liegt. Allein im Falle der Antragstellerin setzte die Antragsgegnerin in 14 Fällen eine Gebühr für die Erlaubnis einer Wettervermittlungsstelle in Höhe von 20.000,00 EUR, einmal eine in Höhe von 17.500,00 EUR, dreimal in Höhe von 12.500,00 EUR und lediglich zweimal in Höhe von 10.000,00 EUR bzw. einmal in Höhe von 7.500,00 EUR fest.

Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Antragstellerin über überdurchschnittlich viele Wett-Terminals in ihren Wettvermittlungsstellen verfügt, so hätte es der Antragsgegnerin vor diesem Hintergrund jedenfalls im Einzelfall oblegen darzulegen, weshalb sie jeweils die Höchstgebühr festsetzt und damit deutlich vom durchschnittlichen Mittelwert abweicht (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 28.5.2022, 4 A 292/20, juris Rn. 31; OVG Lüneburg, Beschl. v. 16.6.2020, 11 LC 138/19, juris Rn. 54). Die Antragsgegnerin hat insbesondere nicht substantiiert ausgeführt, weshalb in der Erlaubnisphase ein signifikant erhöhter Prüfungs- sowie nachträglicher Kontrollaufwand anfalle, je mehr Wettvermittlungsgeräte erlaubt werden. Ihre knappe Erläuterung, dass nur auf diese Weise eine Gleichbehandlung aller Anträge möglich gewesen sei, begründet ihr erhebliches Abweichen von dem Mittelwert, der den in der Gebührenordnung zum Ausdruck gekommenen Willen des Verordnungsgebers repräsentiert, hingegen nicht.

(3) Ferner dürfte die Antragsgegnerin ihr Ermessen fehlgebraucht haben, indem sie den wirtschaftlichen Wert der streitgegenständlichen Erlaubnisse ausschließlich anhand der Anzahl der Vermittlungsgeräte bestimmt und so weitere Faktoren, die für den wirtschaftlichen Wert einer Erlaubnis für den Betrieb einer Wettvermittlungsstelle ebenfalls bestimmend waren, nicht berücksichtigt hat. Infolgedessen hat die Antragsgegnerin entscheidungserhebliche Umstände in ihre Ermessenerwägungen nicht einbezogen, wobei es keine Rolle spielt, ob sie diese kennen konnte oder nicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.7.1980, 1 WB 57/78, juris Rn. 16).

Zwar begegnet es keinen grundsätzlichen Bedenken, dass die Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der Gebührenfestsetzung nicht nur die entstandenen Verwaltungskosten, sondern auch den wirtschaftlichen Wert ihrer Amtshandlung berücksichtigt hat (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 17.1.2014, 1 Bf 27/09, n.v.). Das Gericht geht jedoch davon aus, dass die Bestimmung des wirtschaftlichen Wertes ausschließlich anhand der Anzahl der Wett-Terminals nicht mit den gesetzlichen Anforderungen übereinstimmen dürfte. Die Antragsgegnerin dürfte verkannt haben, dass der wirtschaftliche Wert einer Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle auch durch andere Faktoren als die Anzahl der erlaubten Wett-Terminals wesentlich bestimmt wird. Um den wirtschaftlichen Wert der erteilten Erlaubnis realistischer und differenzierter zu bestimmen, hätte die Antragsgegnerin weitere Kriterien berücksichtigen müssen, wie z.B. die Laufzeit der jeweiligen Erlaubnis und die Attraktivität des Standortes (vgl. VG Oldenburg, Urt. v. 20.3.2018, 7 A 23/17, juris Rn. 46; a.A. zu Spielgeräten in Spielhallen: VG Bremen, Urt. v. 17.3.2020, 5 K 2875/18, juris Rn. 100; VG Bremen, Urt. v. 17.3.2022, 5 K 287/20, juris Rn. 27).

bb) Die erforderliche umfassende Interessenabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem öffentlichen Vollzugsinteresse geht zu Gunsten der Antragstellerin. Im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotenen Abwägung sind die gesetzgeberische Grundentscheidung in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, aber auch das Gebot der Gewährung umfassenden und effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG zu beachten. Dabei ist der Rechtsschutzanspruch umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die dem Einzelnen auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken.

Für ein maßgebliches Aussetzungsinteresse der Antragstellerin dürfte hier sprechen, dass die Erfolgsaussichten der Antragstellerin in der Hauptsache sehr hoch sein dürften, weil die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin – wie zuvor ausgeführt – allein drei voneinander unabhängige Fehler aufweist und bereits jeder Fehler für sich genommen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Gebührenfestsetzung begründen dürfte. Diese aufgezeigten Ermessensfehler dürfte die Antragsgegnerin auch nicht durch die bloße Ergänzung weiterer Ermessenserwägungen im Rahmen des laufenden Widerspruchsverfahrens beseitigen können, da sie die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin in ihrem Ausgangspunkt betreffen. Vor dem Hintergrund, dass die Widersprüche der Antragstellerin somit höchstwahrscheinlich erfolgreich sein werden, war ihrem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung insoweit stattzugeben.

b) Soweit die Antragsgegnerin in ihren Bescheiden vom 29. Juli 2021 und vom 15. September 2021 einen Betrag von 500,00 EUR festgesetzt hat, dürfte diese Festsetzung offensichtlich rechtmäßig sein, sodass das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin insoweit überwiegt.

Das Gericht geht davon aus, dass die Antragsgegnerin jedenfalls die Mindestgebühr von 500,00 EUR für die erteilten Erlaubnisse zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle hat festsetzen dürfen (a.A. sowie zum Streitstand: OVG Lüneburg, Beschl. v. 16.6.2020, 11 LC 138/19, juris Rn. 57 m.w.N.). An der Rechtmäßigkeit, insbesondere der Verfassungsmäßigkeit, der Ermächtigungsgrundlage hat das Gericht keine durchgreifenden Zweifel, solche wurden auch von der Antragstellerin nicht geltend gemacht. Vor diesem Hintergrund geht die Kammer jedenfalls davon aus, dass die Antragsgegnerin ihr Ermessen im Rahmen des noch laufenden Widerspruchsverfahrens gegen die streitgegenständlichen Gebührenbescheide insoweit fehlerfrei ausüben wird und dies auch (noch) kann.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Danach können einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere Teil nur zu einem ganz geringen Teil unterlegen ist. Dies ist hier der Fall. Die Anträge der Antragstellerin haben überwiegend im Rahmen dieses Eilverfahrens Erfolg und die Antragstellerin unterliegt infolgedessen lediglich bei gerundet 3 % der zu ihren Lasten festgesetzten Gebühren, hinsichtlich derer die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche nicht anzuordnen war.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 3 Satz 1 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des – für das Gericht nicht bindenden – Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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