AG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 20.07.2021 – 3c C 4/21

September 18, 2021

AG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 20.07.2021 – 3c C 4/21

Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 24,22 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Mai 2021 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand
Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aus einem Sportstudiovertrag.

Am 4. April 2016 schlossen die Parteien einen „Mitgliedsvertrag“ über die Nutzung des von der Klägerin betriebenen Fitnessstudios ab dem 1. Mai 2016 im Tarif „Sunshine“ (Anl. K1), der der Beklagten die Inanspruchnahme der Leistungen des Studios an Werktagen von Montag bis Freitag zu den Arbeitszeiten für einen Zeitraum von sieben Monaten ermöglichte. Als Gegenleistung war eine nach § 4 Abs. 1 Satz 1 der Vertragsbedingungen im Voraus zu erbringende Zahlung von 518.- € vereinbart, wobei der Beklagten nach Satz 3 und 4 im Hinblick auf eine zu erteilende Einzugsermächtigung eine Zahlung von monatlich im Voraus zu leistenden Teilbeträgen in Höhe von je 74.- € gestattet wurde. Zudem vereinbarten die Parteien eine jährlich wiederkehrende „Betreuungspauschale“ in Höhe von 79.- €, fällig zum 4. April eines jeden Jahres. Nach § 3 Abs. 2 der Vertragsbedingungen verlängerte sich der Vertrag jeweils für die Dauer von 6 weiteren Monaten, falls er nicht von einer der Parteien unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 3 Monaten vor dem jeweiligen Beendigungszeitpunkt schriftlich gekündigt wird. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2019, welches der Klägerin am 4. Januar 2020 zuging, kündigte die Beklagte den Vertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt (Anl. B1, Bl. 20 d.A.). Im März 2020 erfolgte die letzte monatliche Zahlung von 74.- € aufgrund der von der Beklagten erteilten Einzugsermächtigung, die sie mit Schreiben vom 7. Juli 2020 widerrief (Anl. B5). Vom 17. März bis zum 26. Mai 2020 war das Fitnessstudio aufgrund der COVID19-Pandemie geschlossen. Mit Schreiben vom 27. Mai 2020 (Anl. B2) teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass der Vertrag wegen der zwischenzeitlichen Schließung erst zum 30.06.2020 beendet sei.

Die Klägerin ist der Ansicht,

die Beklagte sei zur Zahlung der Monatsbeiträge für Mai und Juni 2020 sowie einer anteiligen Betreuungspauschale für diese Monate (13,16 €) verpflichtet (vgl. S. 3 der Anspruchsbegründung, Bl. 11 d.A.), da der Vertrag nach § 313 BGB anzupassen sei und sich daher um die pandemiebedingte Schließungszeit verlängere. Demgegenüber liege weder ein Fall der Unmöglichkeit vor, noch sei die eigens im Zuge der COVID19-Pandemie geschaffene Regelung des Art. 240 § 5 EGBGB anzuwenden, weil es an der dafür notwendigen Vorausleistung der Beklagten fehle.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 167,09 € sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 92,94 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz daraus seit deren Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beantragt ferner widerklagend,

die Klägerin zu verurteilen an sie 31,51 € zu zahlen zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Widerklage.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor,

sie habe sich auf die Beendigung des Vertrages zum 31. Mai 2021 eingestellt und ab Juni 2021 anderweitig vertraglich gebunden. Eine Verlängerung des Vertrages über den sich aufgrund der Kündigung ergebenden Beendigungszeitpunkt hinaus könne die Klägerin nicht einseitig vornehmen. Zudem schulde sie für die Zeit, in der der Klägerin die Leistungserbringung unmöglich gewesen sei keine Zahlungen. Da sie für März 2020 bereits 74.- € gezahlt habe, der Klägerin aber nur eine Zahlung für 13 Tage im März und 4 Tage im Mai zustehe (einschließlich anteiliger Betreuungspauschale mithin 42,29 €; vgl. Berechnung S. 3 der Widerklage, Bl. 18 d.A.), liege eine Überzahlung in widerklagend geltend gemachter Höhe vor.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der von ihnen eingereichten Schriftsätze Bezug genommen. Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Gründe
I.

Die zulässige Klage führt in der Sache nicht zu dem mit ihr erstrebten Erfolg.

Der Klägerin steht ein Zahlungsanspruch aus dem mit der Beklagten geschlossenen Vertrag für den begehrten Zeitraum (Mai-Juni 2020) nicht zu.

a) Der Vertrag war vor Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland und vor der dadurch bedingten Schließung des klägerischen Studios durch die unstreitige ordentliche Kündigung der Beklagten vom Januar 2020 zum Ablauf des Monats Mai 2020 beendet worden. Dabei war der Klägerin die Erbringung ihrer vertraglich geschuldeten Leistung aufgrund der besagten Schließung des Studios in der Zeit vom 17. März bis zum 26. Mai 2021 unstreitig nicht möglich.

Demnach liegt per Definition ein Fall (vorübergehender) Unmöglichkeit der von der Klägerin zu erbringenden Leistung mit der sich aus dem Gesetz (§ 275 Abs. 1 BGB) ergebenden Folge vor, dass der Anspruch der Beklagten auf Leistungserbringung für diesen Zeitraum ausgeschlossen und die Klägerin während der Dauer des Vorliegens des Leistungshindernisses von ihrer Leistungspflicht befreit war. Als Ausdruck der synallagmatischen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung verliert der von der Leistungspflicht befreite Schuldner gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 BGB damit auch seinen Anspruch auf die Gegenleistung. Mithin hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Zahlung von „Mitgliedsbeiträgen“ für den Zeitraum der Schließung. Vielmehr bestand für die Klägerin nur ein Anspruch auf anteilige Zahlung der Beiträge für die Monate März und Mai 2020.

b) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht aus der den Wegfall der Geschäftsgrundlage regelnden Bestimmung des § 313 BGB. Denn diese ist gegenüber den spezialgesetzlichen Regelungen zur Unmöglichkeit der Leistung grundsätzlich subsidiär (vgl. nur BeckOK BGB/Lorenz, 58. Ed. 1.5.2021 § 313 Rn. 20; speziell für Sportstudioverträge auch LG Freiburg – 9 S 41/20, Urt. v. 27.04.2021 Rn. 43, zit. n. juris, jew. mwN; aA – ohne auf die Abgrenzung zur Unmöglichkeit näher einzugehen – etwa LG Würzburg, GRUR-RR 2020, 540, 541/542). Eine die ausnahmsweise Anwendbarkeit der Norm anordnende oder zumindest ermöglichende Sonderregelung – wie sie etwa Art. 240 § 7 EGBGB für die Gewerberaummiete enthält – hat der Gesetzgeber auch angesichts der mit der Corona-Pandemie einhergehenden wirtschaftlichen Probleme zu Gunsten von Betreibern von Fitnessstudios (an die in Art. 240 § 5 EGBGB freilich gedacht wurde) nicht getroffen. Darüber hinaus zeigt aber auch gerade der dem vorliegenden Rechtsstreit zu Grunde liegende Sachverhalt die Grenzen der Angemessenheit und Zumutbarkeit einer etwaigen Vertragsanpassung auf. Während bei einem fortlaufenden, ungekündigten Dauerschuldverhältnis die von der Klägerin gewünschte und für angebracht gehaltene Lösung (Zahlung während des Lockdowns mit kostenfreier Vertragsverlängerung bzw. Kostenbefreiung für die Zeit des Lockdowns und anschließende kostenpflichtige Vertragsverlängerung) noch als den Interessen beider (fortsetzungswilliger) Parteien gerecht werdende Lösung erscheinen mag, kann dies jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen das Vertragsverhältnis schon vor Ausbruch der Pandemie bzw. behördlicher Anordnung eines Lockdowns gekündigt war und die Schließung die Zeit zwischen Kündigung und Vertragsende betrifft, nicht gelten. Denn in diesem Fall haben die Parteien sich schon auf ein Ende des Vertragsverhältnisses zu einem sich aus dem Vertrag ergebenden Zeitpunkt eingestellt und durften dies bei Ausspruch bzw. Zugang der Kündigung auch ohne weiteres. Eine einseitig von einer Partei zu erwirkende Vertragsverlängerung würde daher einen nicht zumutbaren Eingriff in die Dispositionsfreiheit der Parteien bedeuten, was auch dann gilt, wenn sich die Beklagte entgegen ihrer bestrittenen Behauptung – ab Juni 2020 nicht anderweitig vertraglich gebunden oder eingerichtet haben sollte.

c) Hinzu kommt, dass die Klägerin ihren mit der Klage verfolgten Anspruch der Höhe nach nicht schlüssig dargelegt hat. Ungeachtet des in der Anspruchsbegründung enthaltenen Additionsfehlers (148,00 € zzgl. 13,16 € ergeben 161,16 € und nicht 167,09 €) geht die Klägerin nach ihrer Darstellung offenbar nur für den Monat April 2020 von einer Kostenbefreiung der Beklagten und einer Verlängerung des Vertrages um einen Monat bis Ende Juni 2020 aus. Dies ergibt selbst vor dem Hintergrund der von ihr vertretenen Ansicht keinen Sinn. Denn danach müsste die Beklagte für die gesamte Zeit des Lockdowns von insgesamt 71 Tagen eine Beitragsfreiheit der Beklagte und eine entsprechende Vertragsverlängerung bis in den August 2020 annehmen. Wieso die Beklagte dagegen letztlich für den kompletten Zeitraum des Lockdowns zur Zahlung verpflichtet sein, sich die Leistungspflicht der Klägerin aber nur um 30 Tage (Juni 2020) verlängert haben soll, erschließt sich auch nach der Argumentation der Klägerin dagegen nicht.

d) Es bleibt daher für die Monate März bis Mai 2020 bei dem Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines anteiligen Betrags für den Zeitraum der Leistungserbringung (1.-16.03. und 27.-31.05.2020). Da der Zeitraum erkennbar keinen ganzen Monat umfasst, die Beklagte aber für einen ganzen Monat Zahlungen geleistet hat, kann der Klage kein Erfolg beschieden sein. Dies gilt auch für die mit ihr verfolgten Nebenforderungen, ohne dass es auf deren Berechtigung im Übrigen ankommt.

II.

1. Die Widerklage ist zulässig, insbesondere liegt der nach § 33 ZPO erforderliche Zusammenhang mit dem mit der Klage verfolgten Anspruch vor.

2. Die Widerklage ist darüber hinaus auch überwiegend begründet.

a) Der Beklagten steht ein Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Beträge nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB zu.

Aus den Ausführungen zur Klage unter I. folgt, dass der Klägerin für die Monate März bis Mai 2020 lediglich ein Anspruch auf Zahlung eines anteiligen Betrages zustand. Berücksichtigt man die Besonderheiten des vorliegend vereinbarten „Sunshine“-Tarifs (Nutzungsmöglichkeit der Beklagten nur werktags von Montag bis Freitag) ergibt sich für die vom Lockdown betroffenen Monate ein Anspruch von 37.- € für März 2020 (Öffnung des Studios nur an 11 statt 22 Werktagen [Montag-Freitag]), 0.- € für April 2020 (Studio durchgehend geschlossen) sowie von 11,68 € für Mai 2020 (Öffnung nur an 3 statt 19 Werktagen [Montag-Freitag]). Hinzu kommt ein Anteil der für die Zeit ab 4. April bis zum Vertragsende am 31. Mai 2020 geschuldeten jährlichen Betreuungspauschale in Höhe von 1,10 € (Nutzungs-/Betreuungsmöglichkeit an 5 von 360 Tagen). Insgesamt gelangt man so zu einem Betrag von 49,78 €. Da die Beklagte für den fraglichen Zeitraum unstreitig bereits im März 2020 eine Zahlung in Höhe von 74.- € geleistet hat, errechnet sich eine zu erstattende Überzahlung in Höhe von 24,22 €.

Der Zinsanspruch folgt insoweit aus § 291, § 288 Abs. 1 BGB.

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 240 § 5 EGBGB. Zwar hat der Gesetzgeber diese Vorschrift eigens für Fälle geschaffen, in denen wie hier – der Betreiber einer Freizeiteinrichtung aufgrund der ihm pandemiebedingt unmöglich werdenden Leistungserbringung seinen Gegenleistungsanspruch verliert und damit grundsätzlich zur Rückzahlung bereits empfangener Leistungen verpflichtet wird (vgl. nur MüKoBGB/Busche, 8. Aufl. Art. 240 § 5 EGBGB Rn. 1). Auch fällt das von der Klägerin betriebene Sportstudio nach Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB als Freizeiteinrichtung ohne weiteres in den sachlichen Anwendungsbereich der Norm. Ferner erfüllt die aufgrund des Vertrages bestehende Berechtigung der Beklagten zur Nutzung des klägerischen Studios als vor dem 8. März 2020 erworbene Nutzungsberechtigung auch zwanglos die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB (vgl. MüKoBGB/Busche aaO Rn. 18). Schließlich handelt es sich jedenfalls bei der von der Beklagten grundsätzlich vertraglich geschuldeten und aufgrund der Teilzahlungsvereinbarung in § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 der Vertragsbedingungen auch geleisteten Zahlung für März 2020 – entgegen der Ansicht der Klägerin – um eine dem Zweck der Vorschrift nach erforderliche Vorauszahlung. Allerdings hat die Klägerin von der von Seiten des Gesetzgebers in Art. 240 § 5 Abs. 1 Satz 1 EGBGB zu ihren Gunsten eingeräumten Berechtigung gerade keinen Gebrauch gemacht und der Beklagten keinen Gutschein für einen bestimmten Zeitraum der Schließung übergeben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Zulassung der Berufung erfolgt gemäß § 511 Abs. 4 ZPO, da eine solche nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht statthaft wäre, der Frage, ob der Anwendungsbereich des § 313 BGB in Fällen wie dem vorliegenden überhaupt bzw. auch dann eröffnet ist, wenn das Vertragsverhältnis bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie zu einem feststehenden Zeitpunkt gekündigt wurde, jedoch grundsätzliche Bedeutung zukommt.

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