AG Kerpen, Urt. v. 21.11.2017 – 102 C 104/17 Beschlussfassung in der Erbengemeinschaft

Juli 30, 2018

AG Kerpen, Urt. v. 21.11.2017 – 102 C 104/17

Beschlussfassung in der Erbengemeinschaft

Die Kläger begehren gegenüber der Beklagten die Feststellung der Unwirksamkeit von Beschlüssen der Erbengemeinschaft nach dem Erblasser vom 23.08.2016, mit welchem der Erbgengemeinschaft gehörende Grundstücke an die […] zwecks Gewinnung von Kies bzw. der Verlegung eines Radweges verpachtet werden sollen.

Die Parteien sind Mitglieder der Erbengemeinschaft nach […]. Der Nachlass besteht aus dem im Grundbuch von […] eingetragenen Grundbesitz.

Die […] betreibt einen Tagebau für die Gewinnung von Quarzsand und Quarzkies in […]. Mit Planfeststellungsbeschluss vom 28.01.2014 ließ die Bezirksregierung als zuständige Bergbehörde einen Rahmenbetriebsplan zu, welcher eine Erweiterung des Tagebaues auch in den Bereich der oben genannten Grundstücke zulässt. Im Regionalplan für den Regierungsbezirk […] sachlicher Teilabschnitt Weißer Quarzkies im Raum […] wurde jener Bereich als „Bereich für Sicherung und Abbau oberflächlicher Bodenschätze“ gekennzeichnet.

[…]

Insbesondere die Flurstücke […] wurden bis in das Jahr 2016 – gemeinsam mit den umliegenden Flurstücken – landwirtschaftlich genutzt und hierzu von der Erbengemeinschaft verpachtet. Für alle Flächen der Erbengemeinschaft wurde in diesem Rahmen eine Pacht in Höhe von ca. 140,00 € an die Erbengemeinschaft geleistet.

Diese Flächen grenzen an eine Kiesgrube, die von der […] betrieben wird. Die […] beabsichtigte, die oben genannten Grundstücke käuflich zu erwerben, um sie auszukiesen. Entsprechende Kaufverhandlungen scheiterten an unterschiedlichen Preisvorstellungen. Für sämtliche oben genannten Flurstücke bot die […] der Erbengemeinschaft mit Schreiben vom 13.02.2015, einen Gesamtkaufpreis i.H.v. 101.091,00 € an.

Aktuell besteht die Erbengemeinschaft noch aus den Parteien, Herrn […], Frau […] sowie den unbekannten Erben nach […] vertreten durch einen vom AG bestellten Nachlasspfleger. Verhandlungen der Parteien über einen Verkauf der Erbanteile der Kläger an die Beklagte scheiterten ebenfalls an unterschiedlichen Kaufpreisvorstellungen.

Mit Schreiben vom 14.07.2016 lud die Beklagte die Kläger zu einer Versammlung der Erbengemeinschaft zunächst für den 04.08.2016 ein. Im Betreff des Schreibens war aufgeführt: „Gespräche der Erbengemeinschaft […] mit der […] zum Erwerb der Grundstücke […]“.

In jenem Schreiben wurde weiterhin ausgeführt, Gegenstand der Versammlung sei die Beschlussfassung über die weitere Verwaltung der Nachlassgrundstücke. Zugleich teilte die Beklagte mit, dass Verwaltungsmaßnahmen in der Erbengemeinschaft mit der Mehrheit der Erbanteile beschlossen werden könnten und dass ein Nichterscheinen als Enthaltung zu den Beschlüssen gewertet würde.

Beigefügt war die vorgesehene Tagesordnung, die folgende Beschlüsse vorsah:

Zu Ziffer 1 sollte zunächst über die Bestimmung der Beklagten zum Erbschaftsverwalter einschließlich der Eröffnung und Verwaltung eines Giro-Kontos, Einzug von Pachtforderungen, Anweisen von Abgaben- und Steuerzahlungen für die Erbengemeinschaft beschlossen werden.

Zu Ziffer 2 war ein gesonderter Beschluss über die Verpachtung der Flurstücke […] an die […] zum Zweck der Gewinnung von Quarzkies, Quarzsand und Grubenkies vorgesehen.

Zu Ziffer 3 war ein Beschluss über die Verpachtung des Flurstückes […] an die […] für die Verlegung eines Radwegs vorgesehen.

Mit Schreiben vom 23.07.2016 bat die Klägerin um Verlegung jenes Termins und teilte mit, dass der Abschluss eines Pachtvertrages mit den […] in der vorgesehenen Form keine ordnungsgemäße Verwaltung i.S.d. § 2038 BGB darstelle, sondern es sich vielmehr um eine außerordentliche Verwaltung handele, die nur mit Einstimmigkeit aller Erben beschlossen werden könne. Die Versammlung der Erbengemeinschaft wurde daraufhin auf den 23.08.2016 verlegt. Die vorgesehene Tagesordnung blieb gleich.

Im Rahmen jener Versammlung am 23.08.2016 wiederholte die Klägerin ihre oben genannte Einwendung insbesondere in schriftlicher Form.

Weiterhin wurden die vorgesehenen Beschlüsse zur Abstimmung gestellt. Zunächst wurde die Beklagte zur Erbschaftsverwalterin bestimmt. Ausgenommen war hiervon aber die Beschlussfassung über den Abschluss der Pachtverträge, die gesondert zu Ziffer 2 und Ziffer 3 zur Beschlussfassung vorgesehen waren.

Insoweit fasste die Erbengemeinschaft gegen die Stimmen der Kläger (Erbanteile von jeweils 1/36, insgesamt also 1/18), aber mit Zustimmung sämtlicher weiterer Mitglieder der Erbengemeinschaft, folgende Beschlüsse:

Beschluss zu Ziffer 2:

„Die Erbengemeinschaft schließt einen Pachtvertrag mit der […] über die Grundstücke der Erbengemeinschaft Gemarkung […] Flur […] Flurstücke […]. Der Pachtvertrag endet bei Verkauf der Grundstücke an die […] oder mit Abschluss der betrieblichen Tätigkeit auf dem Grundstück, spätestens aber nach Ablauf von 30 Jahren. Der Pachtzins wird als Förderzins bezahlt und beträgt 0,62 € je Tonne entnommenen Quarzkies/Quarzsand und 0,06 € je Tonne entnommenen Grubenkies. Nach Beendigung der Aussandung bis zum Vertragsende bezahlt die Pächterin an den Verpächter einen Pachtzins für die Benutzung des entstandenen Seegrundstücks in Höhe von jährlich 20 % der ortsüblichen Pacht je Hektar Ackerfläche zum Zeitpunkt der Beendigung der Aussandung.“

Beschluss zu Ziffer 3:

„Die Erbengemeinschaft schließt einen Pachtvertrag mit der […] über das Grundstück Gemarkung […] Flur […] Flurstück […] (Größe […] m2) der zur Anlage und zum Betrieb eines Radwegs sowie zur landwirtschaftlichen Nutzung dient. Der Pachtvertrag endet bei Verkauf des Grundstücks an die […] oder mit Abschluss der betrieblichen Tätigkeit auf dem Grundstück spätestens aber nach Ablauf von 30 Jahren. Der Pachtzins beträgt EUR 70,- jährlich.“

Unter dem 05./09.09.2016 schloss die Beklagte sodann als Vertreterin der Erbengemeinschaft die vorgesehenen Pachtverträge mit der […] ab.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 07.12.2016, forderten die Kläger die Beklagte insbesondere auf, bis spätestens zum 21.12.2016 zu bestätigen, dass kein wirksamer Pachtvertrag zustande gekommen sei. Mit Schreiben vom 21.12.2016 wies die Beklagte dies zurück.

Die Kläger sind der Auffassung, die am 23.08.2016 gefassten streitgegenständlichen Beschlüsse seien unwirksam. Die Pachtverträge seien daraufhin nicht wirksam abgeschlossen worden.

Insoweit folge die Rechtsstellung im Außenverhältnis der Rechtsstellung im Innenverhältnis. Im Innenverhältnis zu den Klägern seien die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft nicht berechtigt gewesen, über die Verpachtung zu den genannten Zwecken zu beschließen oder die Pachtverträge abzuschließen. Es lägen somit keine wirksamen Pachtverträge vor.

Die Verpachtung der Nachlassgrundstücke zu den in den Pachtverträgen genannten Zwecken entspreche nicht einer der Beschaffenheit entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung und Benutzung i.S.d. §§ 2038, 745 BGB. Im Rahmen eines Pachtvertrages werde nicht die tatsächliche von den Verpächtern kaum zu prüfende Auskiesung vergütet, sondern der komplette Aushub aus dem Grundstück, also Mutterboden und Sand. Letztlich übertrage die […] das wirtschaftliche Risiko, in welcher Menge tatsächlich Kies abgebaut werden könne, auf die Verpächter.

Zudem könnten nach der Auskiesung aufgrund der Verkehrssicherungspflicht für ein Seegrundstück erhebliche Kosten auf die Erbengemeinschaft zukommen, ohne dass dem ein Ertrag gegenüberstünde.

Außerdem stellten sowohl die Auskiesung der Flurstücke […] und die Anlage eines Fahrradweges auf dem Flurstück eine wesentliche Veränderung der Grundstücke i.S.d. § 745 Abs. 3 BGB dar. Insbesondere die dann ausgekiesten Seegrundstücke seien für die Erbengemeinschaft weitaus weniger werthaltig, da diese dann – falls überhaupt – nur noch zu einem Pachtzins von 20 % des für Ackerflächen üblichen Pachtzinses verpachtet werden könnten. Dies stelle auch eine wesentliche Veränderung des gesamten Nachlasses dar, da zu diesem insgesamt acht Flurstücke gehören, von denen nun vier betroffen seien. Darüber hinaus sei abzusehen, dass auch die weiteren Flurstücke auf die gleiche Art und Weise an die […] zur weiteren Auskiesung verpachtet werden sollen. Eine solche Umwandlung eines fast ausschließlich aus Immobilien bestehenden Nachlasses in Barvermögen stelle aber gerade regelmäßig eine wesentliche Veränderung dar.

Im Übrigen sei die Beschlussfassung über den Abschluss der Pachtverträge auch deswegen unwirksam, weil die Beklagte aufgrund einer bestehenden Interessenkollision – Beteiligung der Familie […] sowohl an der Beklagten, als auch der […] – nicht an der Abstimmung hätte teilnehmen dürfen.

Sie rügt die sachliche Zuständigkeit des AG Kerpen, da nach ihrer Ansicht der Streitwert mehr als 5.000,00 € betrage.

Die Beklagte behauptet, ab 2016 hätten die oben genannten Flurstücke […] aufgrund ihres Zuschnitts und der Inanspruchnahme der umliegenden Flächen durch die […] nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden können.

Sie ist der Ansicht, die Klage sei unzulässig, da sie nicht auch gegen sämtliche weiteren Mitglieder der Erbengemeinschaft gerichtet sei. Es liege eine notwendige Streitgenossenschaft i.S.d. § 62 Abs. 1, 2. Alt. ZPO vor. Die Kläger begehrten die Feststellung bezüglich eines Rechtsverhältnisses, das gegenüber allen Mitgliedern der Erbengemeinschaft bestehe, daher auch nur einheitlich nichtig oder wirksam sein könne.

Zudem seien die streitgegenständlichen Beschlüsse wirksam, da diese Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung i.S.d. §§ 2038 Abs. 1 Satz 1, Satz 2, 745 BGB darstellen würden.

Die aufgrund der streitgegenständlichen Beschlüsse abgeschlossenen Pachtverträge würden wegen der Lage vor Ort (Grundstücke von ungünstigem Zuschnitt, nicht zusammenhängend, alle umliegenden Grundstucke im Eigentum der) die einzig wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit darstellen.

Weiterhin werde für diese Flurstücke im Rahmen der Auskiesung der Betrag an die Verpächter ausgezahlt, der auch als Kaufpreis angeboten worden sei. Die Verpachtung sei für die Erbengemeinschaft im Verhältnis zum Verkauf noch vorteilhafter, weil das Eigentum an den Grundstücken bei der Erbengemeinschaft verbleibe. Zudem würden die streitgegenständlichen Flurstücke wertmäßig nur etwa 45,5 % der Erbschaft ausmachen, die drei auszukiesenden Flurstücke sogar nur 38 %.

Eine Verkehrssicherungspflicht für die entstehende Seenlandschaft treffe nicht die Erbengemeinschaft, sondern die […].

Überdies liege aus diesen Gründen keine wesentliche Veränderung i.S.d. § 745 Abs. 3 BGB vor. Diese Rechtsnorm stehe einer bloßen Veränderung der Zusammensetzung des Nachlasses nicht entgegen. Das Eigentum der Erbengemeinschaft bleibe unberührt. Die Frage der wesentlichen Veränderung sei zudem ausgehend von der konkreten Beschaffenheit der Sache zu beurteilen, also nicht vorrangig gegenständlich, sondern wertmäßig.

Schließlich sei die Beklagte auch nicht an der Mitwirkung im Rahmen der Beschlussfassung gehindert gewesen. Eine gesellschaftsrechtliche Verbundenheit zwischen der Beklagten und der […] bestehe nicht. Zudem wären auch ohne Mitwirkung der Beklagten die streitgegenständlichen Beschlüsse mit Mehrheit zustande gekommen.

Die Kläger haben der […] mit der Klageschrift vom 30.03.2017, BI. 1 ff. d.A., den Streit verkündet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig.

Soweit die Beklagtenseite die sachliche Zuständigkeit des AG Kerpen gerügt hat, folgt diese aus 23 Nr. 1 GVG. Der Streitwert beträgt im vorliegenden Fall, entsprechend den Ausführungen der Kläger, 4.060,16 €.

Gem. § 3 ZPO wird der Streitwert von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt. Er wird durch den Streitgegenstand bestimmt, der gleich demjenigen ist, was die Partei begehrt und mit ihrem Angriff erreichen will. Diesen Streitgegenstand oder prozessualen Anspruch legen Klageantrag und Klagebegründung fest; die Begründung wird dabei aber, wie auch weiteres Parteivorbringen, nur zur Auslegung des Antrags herangezogen. Es entscheidet das Interesse des Klägers. Ohne Einfluss auf den Streitwert sind das Vorbringen des Gegners, sein Interesse an Klageabweisung oder Parteivereinbarungen über die Höhe des Streitwerts (Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl. 2017, § 3 ZPO, Rn. 2). Hiernach war das Interesse der Kläger anhand der Differenz zwischen den klägerseits geforderten und beklagtenseits gebotenen Kaufpreisen für ihre Erbanteile zu bestimmen. Diese Preise betragen für beide Erbanteile jeweils 4.838,16 € bzw. 2.808,08 €, die jeweilige Differenz beträgt 2.030,08 €.

  1. b) Es liegt auch kein Fall der notwendigen Streitgenossenschaft i.S.d. 62 ZPOvor.

Auch bei Beteiligung mehrerer an dem festzustellenden Rechtsverhältnis muss eine Feststellungsklage nicht notwendig gegen mehrere Beklagten und durch mehrere Kläger erhoben werden, sofern ein Rechtsschutzbedürfnis für die Einzelklage gegeben ist. Auch bei der Feststellungsklage ist notwendige Streitgenossenschaft in beiden Alternativen des § 62 Abs. 1 ZPO möglich, wenn sich das Feststellungsbegehren auf das gesamte Recht bezieht und das Prozessführungsrecht für die Leistungsklage den Mitberechtigten nur gemeinsam zusteht; die Einzelklage ist danach dann unzulässig, wenn ausschließlich die Feststellung interessiert, dass der Kläger mit allen Bestreitenden in einem gemeinschaftlichen Rechtsverhältnis steht (Zöller/Althammer, ZPO, 32. Aufl. 2017, § 62 ZPO, Rn. 20a).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Kläger haben jedenfalls ein Interesse daran, eine Klärung der Wirksamkeit der hier streitgegenständlichen, in der Versammlung vom 23.08.2016 getroffenen Beschlüsse herbeiführen zu können. Da allein die Beklagte hier als Vertreterin der Erbengemeinschaft die Verträge mit der […] (folgend: Streitverkündete) geschlossen hat, besteht dieses Interesse der Kläger auch unabhängig von dem Rechtsverhältnis der Kläger zu den übrigen Miterben. Zudem ist auch die Streitverkündete gemäß den §§ 74 Abs. 3, 68 ZPO an das Ergebnis des vorliegenden Rechtsstreits gebunden, während die weiteren Miterben aus den hier streitgegenständlichen Beschlüssen keine Rechte geltend machen können.

Soweit die Beklagte in diesem Rahmen auf eine Entscheidung des OLG Celle (OLG Celle, Urt. v. 12.01.1994 – 2 U 14/93, Rn. 13, juris) verweist, ist diese Auffassung in der Rechtsprechung nicht unumstritten. So wird auch vertreten, dass die Mitglieder einer Erbengemeinschaft gem. § 62 ZPO keine notwendige, sondern eine einfache Streitgenossenschaft bilden (Thüringer OLG, Urt. v. 17.09.1998 – Lw U 648/97, Rn. 34, juris). Zudem unterscheiden sich die der Entscheidung des OLG Celle und dem vorliegenden Rechtsstreit zugrundeliegenden Sachverhalte maßgeblich voneinander. Das OLG Celle hat nämlich im Rahmen der Begründung der Annahme einer notwendigen Streitgenossenschaft nicht auf das Vorliegen einer Bruchteilsgemeinschaft auf Klägerseite, sondern auf die Tatsache abgestellt, dass Streitgegenstand die Feststellung des Bestehens eines Mietverhältnisses war. Insoweit ergibt sich tatsächlich schon aus der Natur der Sache, dass diese Frage nur im Verhältnis sämtlicher Vermieter auf Aktivseite zu dem Mieter auf der Passivseite festgestellt werden kann.

Alle Rechte, die Bestehen und Bestand eines Mietvertrags betreffen, stehen den Vermietern nur gemeinschaftlich zu. Das folgt aus der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses (OLG Celle, Urt. v. 12.01.1994 – 2 U 14/93, Rn. 17, juris). Im vorliegenden Fall dagegen würde – sofern die Klage erfolgreich wäre – jedenfalls feststehen, dass die Beklagte die Erbengemeinschaft im Rahmen des Vertragsschlusses mit der Streitverkündeten nicht wirksam vertreten konnte.

2) Die Klage ist aber unbegründet.

Die hier streitgegenständlichen Beschlüsse der Erbengemeinschaft vom 23.08.2016 sind wirksam.

Die Verwaltung des Nachlasses steht gem. § 2038 Abs. 1 BGB den Erben gemeinschaftlich zu. Jeder Miterbe ist den anderen gegenüber verpflichtet, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich sind; die zur Erhaltung notwendigen Maßregeln kann jeder Miterbe ohne Mitwirkung der anderen treffen. Gemäß den §§ 2038 Abs. 2 Satz 1, 745 Abs. 1 Satz 1 BGB kann durch Stimmenmehrheit eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung beschlossen werden.

a) Die erforderliche Stimmenmehrheit lag hier vor. Gem. 745 Abs. 1 Satz 2 BGB ist die Stimmenmehrheit nach der Größe der Anteile zu berechnen. Unstreitig entfallen auf die Kläger gemeinsam nur 1/18 der Anteile. Sämtliche anderen Miterben haben für die streitgegenständlichen Beschlüsse gestimmt.

Die Beklagte war hier auch nicht von der Ausübung ihres Stimmrechts gehindert. Zwar kann sich auf Grund von Interessenkollisionen ein Stimmrechtsausschluss ergeben (jurisPK-BGB/Gregor, 8. Aufl. 2017, § 745 BGB, Rn. 3). Eine solche Interessenkollision lag hier jedoch nicht vor. Soweit sowohl an der Beklagten, als auch der Streitverkündeten, bzw. deren Muttergesellschaft, der […] Mitglieder der Familie […] beteiligt sind, reicht dies nicht aus.

So ist selbst die Tatsache, dass Herr […] der Bruder des Herrn […] seinerseits geschäftsführender Gesellschafter der […] sowohl Prokurist der Beklagten, als auch Anteilseigner (weniger als 5 %) an der […] ist, insoweit unbeachtlich. In diesem Rahmen kann auf die Regelung des § 34 BGB Bezug zurückgegriffen werden, welche, ebenso wie § 181 BGB, grundsätzliche Wertungen zur Behandlung von Interessenkollisionen zum Ausdruck bringt (vgl. zur Anwendbarkeit des § 34 BGB auch auf die Erbengemeinschaft BGHZ 56, 47–56, Rn. 27). Hiernach muss die handelnde Person selbst unmittelbar an dem Rechtsgeschäft oder Rechtsstreit beteiligt sein. Die Beteiligung nahe stehender Personen ist nicht gleichgestellt, im Einzelfall kann die Stimmrechtsausübung zugunsten eines nahen Angehörigen aber treuwidrig sein. Beteiligung des Mitglieds auf der anderen Seite als Gesellschafter (oder Miterbe) einer Personenmehrheit führt nach der Rechtsprechung dann zur Anwendung des § 34 BGB, wenn das Mitglied dort eine (wirtschaftlich) beherrschende Stellung innehat oder für ihre Verbindlichkeiten persönlich haftet (jurisPK-BGB/Otto, 8. Aufl. 2017, § 34 BGB, Rn. 3).

Ist Partner des Geschäfts, über das beschlossen wird, eine juristische Person, dann ist das Stimmrecht grds. auch für ein Vereinsmitglied, einen Gesellschafter oder einen Genossen selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn er Mitglied dieser juristischen Person ist. Eine Ausnahme wird nur dann gemacht, wenn er mit der juristischen Person, die Vertragspartner werden soll, wirtschaftlich identisch ist, wie im Falle der Einmann-GmbH, oder sie beherrscht (BGH, a.a.O., Rn. 28). Diese Voraussetzungen liegen hier in Bezug auf die Beklagte nicht vor. Schließlich ist allein die Tatsache, dass sowohl auf Beklagtenseite, als auch auf Seiten der Streitverkündeten, verschiedene Mitglieder der Familie […] involviert sind, ohne weitere Umstände, welche hier weder vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich sind, nicht als treuwidrig anzusehen.

b) Die streitgegenständlichen Beschlüsse der Erbengemeinschaft vom 23.08.2016 entsprechend auch den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung i.S.d. 745 Abs. 1 BGB.

Ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne jener Rechtsnorm entsprechen nicht nur notwendige Maßregeln nach § 744 Abs. 2 BGB, sondern alle Maßnahmen, die nach den individuellen Gegebenheiten im Zeitpunkt der Beschlussfassung vernünftig erscheinen. Eine allgemeine Zweckmäßigkeits- oder Inhaltskontrolle, bei der die Minderheit oder das Gericht die Auffassung der Mehrheit ersetzen könnte, findet nicht statt. Jedoch dürfen die berechtigten Interessen der Minderheit nicht übergangen werden (BGH, Beschl. v. 26.04.2010 – II ZR 159/09, Rn. 14, juris).

Hier wurden keine berechtigten Interessen der Kläger in jenem Sinne übergangen. Derartige Interessen stellen nach Auffassung des Gerichts lediglich diejenigen Interessen dar, welche der Erhaltung und Sicherung des streitgegenständlichen Nachlasses zum Ziel haben. Zweck der §§ 2038 ff., 743 ff. BGB ist es, Wertverluste des Nachlasses bis zu dessen Teilung zu vermeiden (BGHZ 164, 181–190, Rn. 23). Ein etwaiges Interesse einzelner Miterben, zu einem vorherigen Zeitpunkt ihre Erbanteile zu einem möglichst hohen Kaufpreis veräußern zu können, muss dagegen außer Betracht bleiben.

Hier dient die Verpachtung der streitgegenständlichen Flurstücke gerade dem Werterhalt des Nachlasses. Unstreitig liegen diese Flurstücke in einem Bereich, welcher nach dem öffentlichen Recht zur Auskiesung bestimmt ist. Ebenso unstreitig befindet sich ein Großteil der umliegenden Grundstücke bereits im Eigentum der Streitverkündeten, welche diese Grundstücke – ohne Möglichkeit einer effektiven Gegenwehr durch die Erbengemeinschaft – auskiesen wird. Wie sich insbesondere anhand der durch die Parteien vorgelegten Lagepläne erkennen lässt, handelt es sich bei den Flurstücken […] um schmale, langgezogene und streifenförmige Grundstücke. Aufgrund dieses Zuschnittes wäre nach Überzeugung des Gerichts eine landwirtschaftliche Nutzung jener Flurstücke jedenfalls nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll möglich. Dass eine Verpachtung jener Grundstücke zu landwirtschaftlichen Zwecken zum derzeitigen Zeitpunkt noch möglich ist, haben die Kläger zudem schon nicht konkret, etwa durch Vortrag eines entsprechenden Angebotes eines Dritten, dargelegt. Dass eine Nutzung der Flurstücke als Bauland nicht möglich ist, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Hinsichtlich des weiteren streitgegenständlichen Flurstückes […] ist die Verpachtung an die Streitverkündete erst recht als wirtschaftlich sinnvoll anzusehen. Dort will die Streitverkündete einen Radweg anlegen. Dies führt – im Gegensatz zu einer Auskiesung – nicht zu einer Substanzänderung des Grundstücks. Zudem wird in dem entsprechenden Beschluss explizit ausgeführt, dass die Verpachtung auch zur landwirtschaftlichen Nutzung erfolgt ist. Eine solche Nutzung, und gegebenenfalls eine erneute Verpachtung des Flurstücks an einen Dritten, wäre jedenfalls bezüglich des hier in Rede stehenden Grundstücks auch nach Ablauf der Pachtzeit der Streitverkündeten möglich.

Weiterhin bewirken die streitgegenständlichen Beschlüsse und die hiermit verbundene Verpachtung der Flurstücke an die Streithelferin keine wesentliche Veränderung des streitgegenständlichen Nachlasses i.S.d. §§ 2038 Abs. 2 Satz 1, 745 Abs. 3 Satz 1 BGB. Eine solche Veränderung setzt voraus, dass die Zweckbestimmung oder Gestalt des Nachlasses als Ganzes (BGHZ 140, 63 [66 f.]) in einschneidender Weise geändert würde (BGHZ 101, 24 [28]). Dafür spielt nur eine untergeordnete Rolle, ob die Zusammensetzung des Nachlasses umgestaltet werden soll. Bedeutsam ist vielmehr, ob der Substanzwert gemindert würde (OLG Koblenz, Versäumnisurt. v. 22.07.2010 – 5 U 505/10, Rn. 11, juris).

Dies ist hier nicht der Fall. Im Rahmen der Verpachtung der streitgegenständlichen Flurstücke erhält die Erbengemeinschaft Pachtzinsen von der Streitverkündeten. Dies führt zu einer bloß teilweisen Verlagerung der Nachlasszusammensetzung von Grundstücken hin zu Barvermögen. Ein Wertverlust ist hiermit nicht verbunden. Da selbst eine Veräußerung von Grundstücken (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.) unter diesen Umständen eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung darstellen kann, ist dies hier hinsichtlich der Verpachtung ebenfalls anzunehmen. Zudem sind selbst nach dem Vortrag der Kläger ca. 50 % des Grundeigentums der Erbengemeinschaft von den streitgegenständlichen Beschlüssen nicht betroffen; das Flurstück […] wird, wie bereits ausgeführt, durch die Beschlüsse in seiner Substanz nicht beeinträchtigt.

Wie insbesondere aus dem Lageplan ersichtlich ist, verbleibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Großteil des Grundeigentums der Erbengemeinschaft „ungeschmälert“ in deren Eigentum. Daher kann es hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Beschlüsse auch keine Rolle spielen, dass die Streitverkündete eine Auskiesung der übrigen Grundstücke zu einem künftigen Zeitpunkt planen mag.

 

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