AG Köln, Beschluss vom 24.11.2021 – 60 XVII 232/17

Februar 5, 2022

AG Köln, Beschluss vom 24.11.2021 – 60 XVII 232/17

Tenor
wird anstelle von Frau Dipl. SA C. v. K. nunmehr Frau S. R. , N.-straße 7-13, 00000 Köln als Mitarbeiterin des Vereins „R N L e. V.“ (Vereinsbetreuerin) zur Betreuerin des Betroffenen bestellt. Die Aufgabenkreise bleiben unverändert und umfassen: – Aufenthaltsbestimmung – Gesundheitsfürsorge – Heimplatzangelegenheiten – Regelung des Postverkehrs – Vermögensangelegenheiten – Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern

Zur Verfahrenspflegerin wird Frau Rechtsanwältin T. J. C., F.-Straße 8 b, 00000 Leverkusen bestellt. Die Verfahrenspflegschaft wird berufsmäßig geführt.

Die Vergütung der berufsmäßig bestellten Verfahrenspflegerin wird einschließlich Auslagen und Mehrwertsteuer auf 142,80 EUR festgesetzt.

Diese Entscheidung ist sofort wirksam.

Gründe
Die Entscheidung beruht auf § 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB. Hiernach hat das Betreuungsgericht die Betreuerin zu entlassen, wenn ihre Eignung, die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt.

Dies ist vorliegend der Fall.

1)

Hinsichtlich des Aufgabenbereiches der Gesundheitsfürsorge ist die Eignung der Betreuerin nicht mehr gewährleistet. Dies beruht darauf, dass die Betreuerin es ablehnt, für den Betroffenen in eine Impfung gegen Covid-19 einzuwilligen.

Die Betreuerin hat mitgeteilt, dass der Betroffene nach Einschätzung des Hausarztes krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, eine eigene Entscheidung zur Impfung zu treffen. Es besteht – auch vor dem Hintergrund der Feststellungen im ursprünglichen Betreuungsgutachten – kein Anhaltspunkt dafür, diese Einschätzung in Zweifel zu ziehen. Auch der Eindruck im Rahmen der persönlichen Anhörung, in der der Betroffene zu der Frage der Impfung im Übrigen tendenziell zustimmend reagiert hat, steht der Einschätzung nicht entgegen. Da der Betroffene als einwilligungsunfähig anzusehen ist, obliegt die Entscheidung über eine Einwilligung in die Impfung der Betreuerin.

Eine Patientenverfügung, die eine Festlegung für vorliegenden Fall enthält (vgl. § 1901a Abs. 1 BGB), ist nach Mitteilung der Betreuerin nicht vorhanden. Soweit hiernach auf Grundlage eines konkreten Behandlungswunsches oder des mutmaßlichen Willens des Betreuten zu entscheiden ist (§ 1901b Abs. 2 BGB), hat die Betreuerin mitgeteilt, dass sie einen mutmaßlichen Willen des Betroffenen nicht eindeutig ermitteln konnte. In diesem Fall, in dem eine Betreuerin den mutmaßlichen Willen ihres Betreuten nicht mit hinreichender Sicherheit ermitteln kann, gilt für das Betreuerhandeln die allgemeine Regel des § 1901 BGB, d.h. die Betreuerin muss alleine zum Wohle des Betreuten handeln (vgl. z.B. Jürgens, Betreuungsrecht, 6. Aufl., § 1901a BGB Rn. 18). Die Entscheidung ist dann zugunsten der medizinisch indizierten Maßnahme zu treffen (vgl. z.B. BeckOGK/Diener BGB § 1901a Rn. 105; Krämer, NJW 2021, 350, 352).

Es spricht vorliegend alles dafür, dass die Impfung gegen Covid-19 die medizinisch indizierte Maßnahme darstellt, da die Impfung den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) entspricht und im konkreten Fall von dem behandelnden Hausarzt befürwortet wird. Der bald 75-jährige Betroffene unterliegt hierbei bereits aufgrund seines Alters einer erhöhten Gefährdung im Fall einer Infektion. Eine Kontraindikation für eine Impfung ist vorliegend nicht bekannt.

Soweit die Betreuerin trotz dieser Sachlage die Impfung ihres Betreuten ablehnt, beruht dies nicht auf tragfähigen Erwägungen. Schriftlich hatte die Betreuerin mitgeteilt, dass die Impfstoffe nur eine Notfallzulassung hätten und ein „unüberschaubares Risiko in Bezug auf Nebenwirkungen und Spätfolgen“ hätten. Damit setzt die Betroffene ihre persönliche Risikoabwägung zu Lasten des Betreuten über die eindeutige Empfehlung der STIKO und die Meinung des behandelnden Hausarztes. Dies gilt auch, soweit die Betreuerin darauf hinweist, dass der Betreute nicht mehr voll im gesellschaftlichen Leben stehe, sondern sich die überwiegende Zeit des Tages in seinem Bett aufhalte und an Veranstaltungen nicht mehr teilnehme. Denn der Betroffene ist als demenzkranker Bewohner eines Pflegeheims gerade besonders gefährdet, weil ihm die Einhaltung der Schutzmaßnahmen bereits selber schwerer fällt (bei der Anhörung trug der Betroffene z.B. keinen Mund-Nasen-Schutz) und er Kontakt zu verschiedenen Personen (Heimpersonal, Fußpflege, Friseur etc.) hat, selbst wenn er sein Zimmer nicht oft verlässt. Im Übrigen ergibt sich aus dem Bericht der Betreuerin vom 15.10.2021, dass der Betroffene jedenfalls gelegentlich in den Gemeinschaftsraum gefahren wird und an hausinternen Veranstaltungen, wenn auch „selten“, teilnimmt. Der Betroffene kommt hiernach mit einer Vielzahl von Personen in Kontakt, denen die Einhaltung notwendiger Schutzmaßnahmen in vielen Fällen ebenso schwer fallen wird wie ihm selber.

Die Betreuerin hat in der persönlichen Anhörung zum Ausdruck gebracht, eine Einwilligung in die Impfung auch dann nicht verantworten zu wollen, wenn das Betreuungsgericht in einem Verfahren gemäß § 1904 BGB die Nicht-Einwilligung nicht genehmigen würde.

Die Betreuerin lehnt hiernach die Impfung ihres besonders gefährdeten Betreuten gegen Covid-19 grundsätzlich, dauerhaft und ungeachtet der sich derzeit zuspitzenden Situation ab, ohne dass hierfür tragfähige Erwägungen vorliegen. Dies führt nach Auffassung des Gerichts dazu, dass die Betreuerin für den Aufgabenbereich der Gesundheitssorge nicht mehr als geeignet anzusehen ist (vgl. auch AG Frankfurt a.M BeckRS 2021, 12578; BeckOK BGB/Müller-Engels BGB § 1908b Rn. 2).

2)

Hinsichtlich der übrigen Aufgabenbereiche liegt für die Entlassung der Betreuerin ein wichtiger Grund vor. Zwar bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Betreuerin ihre Betreuung insoweit nicht ordnungsgemäß führt. Allerdings ist es vorliegend nicht möglich, lediglich die Gesundheitsfürsorge auf eine neue Betreuerin zu übertragen. Angesichts der Regelung in § 1899 Abs. 1 Satz 2 BGB dürfte die Gesundheitssorge nämlich nur auf einen ehrenamtlichen Betreuer übertragen werden. Eine Person, die vorliegend ehrenamtlich zur teilweisen Übernahme der Betreuung bereit ist, hat sich jedoch nicht gefunden. Um die erforderliche Übertragung der Gesundheitssorge vornehmen zu können, ist daher die Übertragung der Betreuung insgesamt erforderlich.

Die Bestellung der Verfahrenspflegerin beruht auf § 276 FamFG.

Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit beruht auf § 287 Abs. 2 FamFG.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben.

Beschwerdeberechtigt ist diejenige/derjenige, deren/dessen Rechte durch diesen Beschluss beeinträchtigt sind. Dies ist vor allem die/der Betroffene selbst.

Ferner sind im eigenen Namen beschwerdeberechtigt der Verfahrenspfleger sowie die zuständige Betreuungsbehörde in den Fällen des § 303 Abs. 1 FamFG.

Schließlich sind im Interesse des Betroffenen beschwerdeberechtigt gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung diejenigen Vertrauenspersonen und Angehörigen des Betroffenen, welche am Verfahren beteiligt worden sind.

Die Beschwerde ist beim Amtsgericht – Betreuungsgericht – Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Ist die/der Betroffene untergebracht, kann sie/er die Beschwerde auch bei dem Amtsgericht einlegen, in dessen Bezirk sie/er untergebracht ist. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle abgegeben werden.

Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass die Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.

Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht – Betreuungsgericht – Köln eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Köln, 24.11.2021Amtsgericht

Richter am Amtsgericht

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