AG Köln, Urteil vom 19.07.2021 – 215 C 6/21

Februar 12, 2022

AG Köln, Urteil vom 19.07.2021 – 215 C 6/21

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 22.12.2020 zu TOP 2 wird vollinhaltlich für unwirksam erklärt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 70 % und die Beklagte zu 30 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand
Der Kläger ist Mitglied der Beklagten und als solcher Miteigentümer zu einem Anteil von 3/100stel. Die Gemeinschaft besteht aus insgesamt 10 verschiedenen Eigentümern, wobei mehrere Eigentümer selbst WEG sind. Diese Eigentümergemeinschaften bestehen aus mehr als 20 Personen.

Unter dem 28.11.2020 lud die Verwaltung zur Eigentümerversammlung unter Beifügung der Tagesordnung, auf welche verwiesen wird (Bl. 43 ff. GA; Anl. K4). Mit der Einladung übersandt wurde dem Kläger seine Einzeljahresabrechnung sowie sein Einzelwirtschaftsplan.

In der Eigentümerversammlung vom 22.12.2020 wurde zu TOP 2 die Genehmigung der Jahresabrechnung für das Jahr 2019 sowie Legitimationen des Verwalters zur Erhebung von Zahlungsklagen und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen beschlossen.

Zu TOP 3 wurde der Wirtschaftsplan für das Jahr 2021 sowie Legitimationen des Verwalters zur Erhebung von Zahlungsklagen und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen beschlossen. Wegen des Wortlauts der Beschlussfassungen und des Verlaufs der Versammlung wird auf das Protokoll (Bl. 11 ff.; Anl. K2) verwiesen. Auf die Einzelabrechnung des Klägers (Bl. 49 ff. GA; Anl. K5) sowie den Einzelwirtschaftsplan (Bl. 52 ff. GA; Anl. K6) wird verwiesen.

Es waren in der Versammlung insgesamt vier Personen körperlich anwesend. Alle Abrechnungsunterlagen, auch die Gesamtabrechnungen lagen zur Einsichtnahme im Voraus der Versammlung aus.

Der Kläger meint zum Antrag zu I., die Versammlung habe gegen das behördliche Versammlungsverbot gem. § 13 CoronaSchVO NW verstoßen, alle Beschlüsse seien daher wegen Verstoßes gegen sein Teilnahmerecht nichtig. Er wendet ein, es seien mehr als zwanzig Personen teilnahmeberechtigt gewesen, da Eigentümer auch Eigentümergemeinschaften seien, von denen sämtliche Eigentümer teilnahmeberechtigt seien. Er meint, die Versammlung sei als Videokonferenz möglich gewesen, ein entsprechender Beschluss hätte als Umlaufbeschluss gefasst werden können. Dies habe zumindest versucht werden müssen. Er meint, die Beschlüsse seien nicht dringlich gewesen.

Zu TOP 2 und TOP 3 rügt der Kläger, die Beschlussfassungen seien nicht ordnungsgemäß in der Einladung angekündigt worden.

Er behauptet zu TOP 2, ihm sei lediglich die Einzelabrechnung mit der Einladung übersandt worden, daher – so meint er – sei der Beschluss nicht hinreichend bestimmt. Entsprechend behauptet er zu TOP 3, ihm sei nur der Einzelwirtschaftsplan mit der Einladung übersandt worden.

Der Kläger meint zum Antrag zu II., mangels Übergangsvorschriften gelte § 48 WEG auch für die Versammlung vom 22.12.2020.

Der Kläger beantragt mit der am 22.01.2021 erhobenen Klage,

I. Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 22.12.2020

1. zu TOP 2 vollinhaltlich für unwirksam, hilfsweise für nichtig zu erklären.

2. zu TOP 3 vollinhaltlich für unwirksam, hilfsweise für nichtig zu erklären.

II. Die Beklagte wird verurteilt, einen Vermögensbericht zur Jahresabrechnung 2019 zu erstellen und dem Kläger zu Verfügung zu stellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint zum Antrag zu I., die Vorschriften der CoronaSchVO stellen nicht auf die potentiell teilnahmeberechtigten Personen ab, sondern nur auf die tatsächlich anwesende Personenzahl. Sie verweisen darauf, dass ein Beschluss zur Abhaltung der Versammlungen als Videokonferenz (unstreitig) nicht gefasst wurde.

Sie meinen, eine unterbliebene Übersendung der Gesamtabrechnung und des Gesamtwirtschaftsplans stelle keinen Anfechtungsgrund dar. Sowohl Jahresabrechnung, als auch Wirtschaftsplan haben – unstreitig – nur in einer Version vorgelegen, so dass diese unzweifelhaft identifizierbar seien. Sie meinen, im Hinblick auf die WEG-Novelle stelle ein Verstoß gegen die Vorbereitungspflichten keinen Anfechtungsgrund dar. Sie meint, das Bestreiten des Klägers bzgl. der Vollmachten sei wegen seines Einsichtsrecht wirkungslos, ferner nicht innerhalb der Ausschlussfrist vorgebracht worden.

Die Beklagte meint zum Antrag zu II., ein Vermögensbericht für das Jahr 2019 könne nicht verlangt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Hinweisbeschluss vom 18.05.20201 verwiesen.

Gründe
Die Klage ist teilweise begründet (TOP 2), teilweise unbegründet (TOP 3 und Antrag II).

Antrag zu I.

1.

Soweit der Kläger einen Verstoß gegen das Versammlungsverbot nach CoronaSchVO rügt, teilt das Gericht dies nicht. Das Gericht verweist auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerseite im Schriftsatz vom 14.06.2021 vollinhaltlich auf seinen Hinweisbeschluss vom 18.05.2021 Ziff. 1 (Bl. 77 GA).

Hierbei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die CoronaSchVO NW auf die potentiell teilnahmeberechtigten Personen abstellt oder auf die tatsächlich körperlich anwesende Personenzahl. Die Miteigentumsanteile teilen sich zwischen 10 verschiedenen Eigentümern auf. Für diejenigen Anteile, die in Händen einer WEG liegen, gilt für die Versammlung am 22.12.2020 gem. § 9b WEG die Vertretungsbefugnis des Verwalters. Nur dieser ist für die WEG-Eigentümer vertretungsbefugt, nicht die einzelnen Eigentümer.

2.

Soweit der Kläger rügt, die TOP 2 und TOP 3 seien nicht hinreichend angekündigt worden, teilt das Gericht dies nicht. Das Gericht nimmt Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 18.05.2021 Ziff. 2 (Bl. 77/78 GA).

3.

Die Beschlussfassungen sind entsprechend den Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 18.05.2021 Ziff. 3 (Bl. 78 GA) auch hinreichend bestimmt.

4.

Die Beschlussfassungen zu TOP 2 widersprechen den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung; auf den Hinweisbeschluss vom 18.05.2021 Ziff. 4 wird verwiesen (Bl. 78 f. GA).

Das Gericht bleibt auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beklagtenseite im Schriftsatz vom 14.06.2021 bei der Einschätzung, dass im vorliegenden Rechtsstreit die Genehmigung der Abrechnungen ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht.

Wird auf Basis unzureichender Tatsachengrundlagen eine Zahlungspflicht beschlossen, widerspricht dies den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Wegen des Prognose- und Ermessenscharakters der „Haushaltsplanung“ geht es immer um Fragen einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung, die generelle eine objektiv ausreichende Information im Vorfeld der Beschlussfassung erfordert, damit die Ermessensausübung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage erfolgen kann, sonst führt dies zur Anfechtbarkeit (Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG Recht 2021, Kapitel 10 Rn. 62 ff.). Die Eigentümer müssen auch nach geltendem Recht hinreichend Möglichkeit haben, das ihnen zur Beschlussfassung vorgelegte Zahlenwerk der Jahresabrechnungen auf (Ergebnis-) Richtigkeit zu prüfen. Nur dann können sie auf Grundlage der Erkenntnisse aus dieser Prüfungsmöglichkeit fundiert entscheiden, ob sie die sich ergebenden Zahlungspflichten beschließen oder die Beschlussfassung ablehnen wollen.

Mangels wirksam beschlossener Zahlungsverpflichtungen, sind auch die beschlossenen Ermächtigungen der Verwaltung für unwirksam zu erklären.

Es ist nicht ersichtlich, dass diese Ermächtigungen unabhängig von einer konkreten Zahlungspflicht beschlossen werden sollten. Sie wurden vielmehr für jede Zahlungspflicht gesondert beschlossen, so dass sie in ihrer Wirksamkeit von einer wirksamen Zahlungsverpflichtung abhängen.

5.

Die Beschlussfassung zu TOP 3 entspricht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.

Die von der Klägerseite vorgelegte Version des Wirtschaftsplans 2021 vom 27.11.2020 (Bl. 52 ff. GA; Anl. K6), die ihm nach eigenem Vortrag mit der Einladung übersandt wurde, enthält alle für eine fundierte Ermessensentscheidung erforderlichen Informationen. Die Beschlussfassung erfolgte auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage.

Dies wurde von der Beklagtenseite bereits im Schriftsatz vom 17.03.2021 eingewandt, so dass der Klägerseite zum Schriftsatz der Beklagtenseite vom 14.06.2021 kein erneutes rechtliches Gehör gewährt werden musste.

Der Wirtschaftsplan dient der Ermittlung und Festsetzung der Beitragsverpflichtung der Wohnungseigentümer und damit der Aufbringung der für eine ordnungsgemäße Verwaltung der Wohnungseigentümer erforderlichen finanziellen Mittel. Seine eigentliche Bedeutung liegt darin, dass er die Belastung der Wohnungseigentümer mit Vorschüssen verbindlich regelt und deren Zahlungsverpflichtung erst entstehen lässt. Für den einzelnen Wohnungseigentümer können – auch wenn dieser nur die Höhe des auf ihn entfallenden Hausgeldes erfährt – keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass nicht nur er, sondern auch die anderen Wohnungseigentümer nach den im Wirtschaftsplan erläuterten Verteilungsschlüsseln belastet werden und das Kostendeckungsprinzip gewahrt ist (BGH, Urt. v. 07.06.2013 – V ZR 211/12, zitiert nach juris).

Schon nach eigenem Vortrag der Klägerseite hat dieser mit ausreichend zeitlichem Vorlauf eine zusammengefasste Darstellung des Gesamt- und Einzelwirtschaftsplans erhalten.

Auch die weiteren zu TOP 3 gefassten Beschlüsse zur Ermächtigung der Verwaltung entsprechen den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.

Weitergehende inhaltliche Einwendungen sind nicht erhoben worden.

Die als Hilfsanträge formulierte Nichtigkeitsüberprüfung erfolgt von Amts wegen (§ 46 Abs. 2 WEG a.F.). Anfechtbarkeit und Nichtigkeit stellen den gleichen Streitgegenstand dar.

Nichtigkeitsgründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Antrag zu II.

Der Anspruch des Klägers auf Erstellung eines Vermögensberichts gem. § 28 Abs. 4 WEG ist unbegründet.

§ 28 Abs. 4 WEG ist gem. Art. 18 WEMoG am 01.12.2020 in Kraft getreten. Der erste Vermögensbericht wird zum 31.12.2020 (für das Jahr 2020) zu erstellen sein (vgl. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG Recht 2021, Kapitel 10, Rn. 152). Für frühere Kalenderjahre ist kein Vermögensbericht zu erstellen (Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 952b).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 S. 2 ZPO.

Streitwert: EUR 8.052,06

Bei der vorläufigen Streitwertfestsetzung wurde zu TOP 3 aufgrund eines Rechenfehlers zunächst verfehlt EUR 6.500,00 berücksichtigt.

Antrag zu I.:

TOP 2: EUR 2.426,62 (EUR 426,62 Abrechnungsspitze, EUR 1.000,00 Zahlungsklagenbefugnis des Verwalters, EUR 1.000,00 Zwangsvollstreckungsbefugnis des Verwalters)

TOP 3: EUR 2.625,44 (EUR 625,44 Gesamtinteresse; EUR 1.000,00 Zahlungsklagenbefugnis des Verwalters, EUR 1.000,00 Zwangsvollstreckungsbefugnis des Verwalters)

Antrag zu II.:

EUR 3.000,00

Rechtsbehelfsbelehrung:

A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Köln statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

C) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Köln statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

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