AG München, Endurteil vom 11.07.2022 – 159 C 2718/22 – Pauschalreisevertrag, Infektionsgeschehen

Dezember 3, 2022
AG München, Endurteil vom 11.07.2022 – 159 C 2718/22

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 518,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.02.2022 sowie weitere 159,94 €nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.03.2022 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 85% und die Beklagte 15% zu tragen.

 

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 3.456,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien sind durch einen Pauschalreisevertrag miteinander verbunden.

Der Kläger buchte für sich, seine Ehefrau und seinen Sohn am 27.08.2021 bei der Beklagten eine Reise nach Gran Canaria vom 01.01.2022 bis 09.01.2022 zu einem Gesamtreisepreis von 3456 €. Die Reise beinhaltete den Hin- und Rückflug von Frankfurt nach Gran Canaria sowie die Hotelunterbringung und Halbpension. Der Gesamtreisepreis wurde von dem Kläger an die Beklagte geleistet.

Am 29.12.2021 stornierte der Kläger die Reise und verlangte von der Beklagten die Rückzahlung des Gesamtreisepreises. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten sehen bei Stornierung zu diesem Zeitpunkt Stornokosten in Höhe von 85% des Reisepreises vor.

Am 25.12.2021 haben die deutschen Behörden aufgrund der Corona Pandemie eine Reisewarnung für die kanarischen Inseln ausgesprochen und diese als Hochrisikogebiet eingeordnet. Dies hatte zur Folge, dass der Kläger und seine Familie bei Reiserückkehr in Quarantäne hätten gehen müssen.

Der Kläger meint, dass ihm aufgrund dieser Umstände ein kostenloses Rücktrittsrecht gemäß § 651 h Abs. 3 BGB zustehen würde. Dies gelte insbesondere, weil es für den siebenjährigen Sohn noch keine Impfmöglichkeit und daher zwingend eine Quarantäne gegeben hätte. Dies sei bei Reisebuchung nicht bekannt gewesen.

Mit der Klage macht der Kläger die Rückzahlung des Reisepreises sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert in Höhe von 3456 € geltend.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3456 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 05.02.2022 zu zahlen und

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche anwaltliche Kosten in Höhe von 453,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

Klageabweisung

Die Beklagte meint, dass ihr ein Anspruch auf 85% des Reisepreises als Stornokosten zustehen würde. § 651 h Abs. 3 BGB könne hier nicht zur Anwendung kommen, da keine außergewöhnlichen Umstände vorgelegen hätten. Die Corona Pandemie war bereits im Zeitpunkt der Reisebuchung bekannt. Darüber hinaus hätte die Möglichkeit der Impfung bestanden, um der Quarantäneverpflichtung zu entgehen.

Eine Beweisaufnahme war nach Auffassung des Gerichts nicht veranlasst.

Zur Ergänzung wird verwiesen auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen.

Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber nur teilweise begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch in Höhe von 518,40 € gem. § 651 h Abs. 1 Satz 1,2, § 346 Abs. 1 BGB zu. Hinsichtlich eines darüber hinausgehenden Betrages war die Klage als unbegründet abzuweisen.

I.

Der Kläger ist am 29.12.2021 von dem Reisevertrag zurückgetreten. Damit verliert die Beklagte ihren Anspruch auf den Reisepreis (§ 651 h Abs. 1 Satz 2 BGB).

1. Die Beklagte kann jedoch gem. § 651 h Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BGB eine Entschädigung in Höhe von 85% des Reisepreises verlangen, dies sind hier 2937,60 €, so dass sich lediglich ein Anspruch des Klägers in Höhe von 518,40 € ergibt.

Anhaltspunkte dafür, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, liegen bei Stornokosten in Höhe von 85% bei einem Rücktritt 3 Tage vor Reisebeginn nicht vor und wurden von den Parteien auch nicht vorgetragen.

2. Der Entschädigungsanspruch der Beklagten ist nicht durch § 651 h Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Es sind am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe keine unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände aufgetreten.

Umstände sind unvermeidbar und außergewöhnlich im Sinne dieses Untertitels, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären.

Zwar kann die Corona-Pandemie durchaus als unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand eingestuft werden, nach dem Sinn und Zweck der dem § 651 h Abs. 3 BGB zu Grunde liegenden Richtlinie (Art. 12 Pauschalreise-Richtlinie) ist jedoch davon auszugehen, dass die unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umstände nach der Reisebuchung aufgetreten sein müssen (Führich, NJW 2022, 1641, Rz. 18). Der Reisende ist dann nicht schutzwürdig, wenn er die Reise bereits in Kenntnis der Pandemie bucht. Er hat die damit verbundenen Risiken dann bewusst in Kauf genommen (Führich, NJW 2022, 1641, Rz. 20).

So ist es auch im vorliegenden Fall gewesen. Der Kläger hat die Reise am 27.08.2021 gebucht. Zu diesem Zeitpunkt dauerte die Pandemie bereits über ein Jahr an. Bereits in diesem Jahr war ein dynamisches Infektionsgeschehen mit stets auf die aktuelle Situation angepassten Einschränkungen und Auflagen zu beobachten. Der Kläger musste daher nach Auffassung des Gerichts bereits bei Reisebuchung damit rechnen, dass die Reise durch Corona bedingte Einschränkungen beeinträchtigt wird. Dies gilt auch für Entscheidungen der Behörden, bestimmte Gebiete als Risikogebiete, Hochrisikogebiete und Virusvariantengebiete auszuweisen.

2. Bei der Quarantäneverpflichtung nach Reiserückkehr ist schon fraglich, ob diese überhaupt unter § 651 h Abs. 3 BGB fällt, da diese ja nicht am Bestimmungsort der Reise sondern erst nach Reiserückkehr am Heimatort greift. Auch insoweit ist es jedoch nach Auffassung des Gerichts eine Schutzbedürftigkeit des Reisenden nach über einem Jahr Pandemie nicht mehr gegeben. Diese Schutzmaßnahmen zählen nicht alleine zum Verantwortungsbereich des Reiseveranstalters, sondern auch zum Privatrisiko des Reisenden. Führich ist daher zuzustimmen, wenn er in der NJW 2022, 1641, Rz. 21 schreibt, dass es mit zunehmender Dauer der Pandemie angemessen erscheint, die behördlichen Reisehindernisse zum privaten Lebensrisiko des Reisenden zu zählen. Es handelt sich dann bei der Quarantäneverpflichtung nicht um eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne von § 651 h Abs. 3 BGB.

Der Anspruch auf Entschädigung der Beklagten entfällt demnach im vorliegenden Fall nicht gem. § 651 h Abs. 3 BGB. Die Klage war daher insoweit als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 651 h Abs. 5, 286, 288 BGB.

Darüber hinaus hat der Kläger als Verzugsschaden einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,3 fachen Gebühr aus der begründeten Klageforderung nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer. Dies sind hier 159,94 €.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung ohne Einbeziehung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.