AG Paderborn, Urteil vom 09.07.2021 – 57a C 245/20

August 7, 2021

AG Paderborn, Urteil vom 09.07.2021 – 57a C 245/20

Tenor
Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung der in den Monaten März 2020 bis einschließlich Mai 2020 geleisteten Mitgliedsbeiträge. Ein solcher Anspruch folgt nicht aus den §§ 346 Abs. 1, 326 Abs. 1 u. 4, 275 Abs. 1 BGB oder aus einer anderen Anspruchsgrundlage.

Die Vorschrift des § 275 BGB findet keine Anwendung. Ein Fall der Unmöglichkeit i.S.d. § 275 BGB liegt nicht vor, sofern die Leistung noch nachgeholt werden kann (vgl. BeckOK BGB/Lorenz, 58. Ed. 1.5.2021, BGB § 275 Rn. 37). Die Beklagte konnte hier das Fitnessstudio der Beklagten in den Monaten Juni und Juli 2020 nutzen und die Leistungen der Beklagten in Anspruch nehmen.

Dem steht auch nicht die Kündigung der Klägerin vom 02.01.2020 zum 24.05.2020 entgegen. Das zwischen den Parteien zu diesem Zeitpunkt bestehende Vertragsverhältnis hat sich für einen Zeitraum von 7 Wochen und 6 Tagen über den Zeitraum des 25.05.2020 hinaus verlängert. Die Beklagte hatte aus § 313 Abs. 1 BGB folgend die Berechtigung, den Vertrag anzupassen, indem sie ihn um die Dauer der behördlich angeordneten Schließung verlängerte. Haben sich Umstände, die zur Grundlage eines Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann nach dieser Vorschrift die Anpassung des Vertrages verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage führt damit grundsätzlich nicht zur Auflösung des Vertrages.

Diese Voraussetzungen des § 313 Abs. 1 BGB liegen vor. Durch die in der „Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2“ getroffene Reglung über die Schließung von Fitnessstudios hat sich die Geschäftsgrundlage des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages wesentlich verändert. Das Fitnessstudio der Beklagten konnte nicht innerhalb der angegebenen Öffnungszeiten von der Klägerin für ihr Training genutzt werden. Es ist davon auszugehen, dass die Parteien den streitgegenständlichen Vertrag mit anderem Inhalt geschlossen hatten, sofern die Parteien die Schließung des Fitnessstudios auf der Grundlage dieser Verordnung bei Vertragsschluss gekannt hätten.

Die Umstände, die zur Schließung der Räumlichkeiten der Beklagten geführt haben, liegen auch nicht in deren Verantwortungsbereich. Vielmehr stellt sich die Corona- Pandemie als ein Fall der höheren Gewalt dar, welche keinem Risikobereich der Parteien zugeordnet werden kann (vgl. AG Minden, Urteil vom 29.04.2021, 2 C 17/21).

Darüber hinaus ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die von der Beklagten vorgenommene Vertragsanpassung auch zumutbar. Zwar musste die Klägerin die Mitgliedsbeiträge weiterhin zahlen, konnte die Gegenleistung dann jedoch nach Ende der ursprünglichen Vertragslaufzeit in Anspruch nehmen. Die Klägerin hatte damit eine Trainingsmöglichkeit bei der Beklagten für einen Zeitraum von weit über zwei Jahren. Dies musste auch den Vorstellungen der Klägerin zum Zeitpunkt ihrer Kündigung vor Beginn der Corona-Pandemie entsprechen. Demgegenüber würde ein Verzicht der Beklagten auf das vereinbarte Entgelt für den Zeitraum der angeordneten Schließung des Fitnessstudios die Beklagte bei einer Vielzahl von Verträgen unangemessen benachteiligen und zu einem einseitigen Aufbürden der Lasten der Corona-Pandemie führen (vgl. auch AG Minden, Urteil vom 29.04.2021, 2 C 17/21).

Gründe, die für die Klägerin im Einzelfall zu einer Unzumutbarkeit führen würden sind nicht vorgetragen worden.

Entgegen der Ansicht der Klägerin folgt auch aus der Kündigungsbestätigung der Beklagten vom 03.01.2020 keine andere Bewertung der Rechtslage. Schon die Auslegung der „Kündigungsbestätigung“ als ein Angebot eines Aufhebungs- bzw. Erlassvertrag ist nicht schlüssig. Es ist nicht erkennbar, dass die Beklagte noch auf irgendeine rechtliche Reaktion der Klägerin in Bezug auf die Bestätigung wartete. Darüber hinaus liegt auch keine Annahme der Klägerin vor, §§ 147, 151 BGB. Nach § 151 BGB ist zwar unter bestimmten Voraussetzungen der Zugang einer Annahmeerklärung entbehrlich, nicht aber ein nach außen hervortretendes Verhalten des Angebotsempfängers, aus dem sich dessen Annahmewille unzweideutig ergibt. Ein solches Verhalten der Klägerin lag nicht vor. Hinreichende Anhaltspunkte für ein Erklärungsbewusstsein sind nicht ersichtlich.

Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass die Kündigungsbestätigung der Beklagten vor dem Bekanntwerden der pandemiebedingten Schließung des Fitnessstudios erfolgte und die Störung der Geschäftsgrundlage zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorlag. Die Klägerin konnte auf den Inhalt der Bestätigung daher nicht vertrauen.

II.

Mangels Anspruch in der Hauptsache besteht auch keine Zinsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten sowie kein Anspruch der Klägerin auf Ersatz der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, Var, 2, 711, 713 ZPO

Der Streitwert wird auf 89,56 EUR festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Paderborn, Am Bogen 2-4, 33098 Paderborn, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Paderborn zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Paderborn durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

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