AG Schmallenberg, Urteil vom 29.06.2022 – 3 C 32/22

Juni 30, 2022

AG Schmallenberg, Urteil vom 29.06.2022 – 3 C 32/22

Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.060,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn der Kläger nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand
Die Beklagte betreibt unter ihrem Namen als Einzelkauffrau das Familienhotel F in T. Der Kläger buchte am 3.12.2021 für sich und seine Familie ein Drei- Raum-Appartement zum Tarif „All-Inclusive-Premium“ zum Preis von 2.120,00 € für die Zeit vom 3.1.2022 bis 7.1.2022. Nach den Vertragsbedingungen sollte bei einer Stornierung der Buchung im Zeitraum von 30 bis 3 Tagen vor Reiseantritt ein Stornoentgelt von 50 % des Gesamtpreises zu zahlen sein.

Am 23.12.2021 erhielt der Kläger per E-Mail ein Rundschreiben des Hotels. Neben Bildern aus dem Hotel und guten Wünschen für Weihnachten und das neue Jahr enthielt das Rundschreiben unter der Überschrift „… ein persönliches Statement“ folgenden Text:

„Die Gesundheit unserer großen und kleinen Gäste und Mitarbeitenden liegt uns sehr am Herzen!

Gerade vorgestern wurde die Umsetzung unseres Hygienekonzeptes vor Ort erneut ohne Beanstandung bei einem spontanen Besuch der Behörde abgenommen.

Was mich jedoch sehr besorgt:

Wir werden seit Wochen per Verordnung dazu gedrängt, Menschen auszugrenzen; denn es gelte 2G für Privatreisende und 3G bei Geschäftsreisen. Das fällt uns schwer. Und wir haben gleichzeitig Verständnis für Menschen, die sich die Injektionen aus unterschiedlichen Gründen nicht verabreichen lassen wollen. Wir haben festgestellt, dass dieses Verständnis von vielen Menschen und Medien gerade als herzlos angesehen wird. Dabei geht es genau um Herzlichkeit, Menschlichkeit, Nächstenliebe (egal welchen Impfstatus der Nächste hat).

Verfallen wir nicht in den Fehler, bei jedem Andersmeinenden entweder an seinem Verstand oder an seinem guten Willen zu zweifeln. Otto von Bismarck

Ich wünsche mir zu Weihnachten, dass wir alle als Menschen wieder näher zusammenrücken und uns gegenseitig achten. Ich hoffe, das ist nicht zuviel verlangt für das Christkind.

E U“

Sofort nach Erhalt des Rundschreibens schickte der Kläger eine E-Mail an das Hotel und stornierte die Buchung. Er begründete dies damit, dass er nach dem Rundschreiben und einer Recherche im Internet befürchte, dass in dem Hotel die Corona-Regeln nicht eingehalten würden und er Angst um die Gesundheit seiner Kinder habe.

Der Kläger ist der Ansicht insbesondere aufgrund der weiteren Berichterstattung in den Medien und den Verlautbarungen der Beklagten ein außerordentliches Kündigungsrecht zu haben.

Der Beklagte trägt insoweit folgendes vor:

Auf der Website X habe der Westdeutsche Rundfunk am 22.12.2021 berichtet, dass die Eigentümerin des Hotels in einem Internetportal ausdrücklich ungeimpftes Personal suchte und dies damit begründete, dass sie Ungeimpften eine Chance geben und damit die Ausgrenzung von Ungeimpften „ein bisschen ausgleichen“ wolle. In dem Bericht werde auch eine Mutter zitiert, dass die Mitarbeiter keine Maske tragen würden.

Ferner zeige ein Bericht des Westdeutschen Rundfunks vom 16.4.2021 (X), dass die Eigentümerin des Hotels F die Corona-Regeln anscheinend bewusst missachte. Damals hätte sie touristische Gäste aufgenommen, obwohl nur die Aufnahme von Geschäftsreisenden zulässig war.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte Coronaschutzregeln missachte und in bester Querdenker-Manier dies verschleiere, indem sie zwar auf die Regeln hinweise, aber gleichzeitig deutlich mache, dass sie deren Einhaltung nicht kontrolliere. So weise sie auf der Website des Hotels ausdrücklich darauf hin, dass auch Nicht-Impffähige kommen dürfen und dass sie niemanden aufgrund seiner Gesundheitseinstellung diskriminieren wird. Auch die Ausführung zur Maskenpflicht „Wer keine Maske tragen kann, wird von uns nicht belästigt: Wir nehmen darauf Rücksicht und gehen davon aus, dass es einen guten Grund dafür gibt“ sei eine nur wenig versteckte Einladung für Impf- und Maskengegner.

Auch sei die Beklagte wegen Verstoßes gegen die CoronaSchVO zu einer Geldbuße von 15.000,00 Euro verurteilt worden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.060,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ansonsten hat die Beklagte trotz mehrfacher Aufforderung keine unterschriebenen Schriftsätze zur Klageerwiderung eingereicht. Lediglich ihr letzter Schriftsatz vom 19.05.2022, mit dem sie ihre Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt, ist unterzeichnet.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Klageschrift und die sich in der Akte befindlichen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Gründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat nach der fristlosen Kündigung des zwischen den Parteien geschlossenen Beherbergungsvertrages einen Anspruch auf komplette Rückzahlung der bereits geleisteten Anzahlung aus § 812 Abs. 1 BGB.

Der Kläger war berechtigt, den Vertrag entsprechend der Regeln für den Mietvertrag § 543 BGB aus wichtigem Grund zu kündigen, so dass die Beklagte die komplette Anzahlung rechtsgrundlos erhalten hat und um diese ungerechtfertigt bereichert ist.

Nach dem unstreitigen Vortrag des Klägers hat die Beklagte, bereits in der Reservierungsbestätigung deutlich gemacht, dass sie die Corona-Regeln als Ausgrenzungsregeln ansieht und sie der Impfstatus nicht interessiert. Dadurch, dass die Beklagte auch unstreitig in einem entsprechenden Internetportal ausdrücklich ungeimpftes Personal gesucht hat, hat sie den öffentlichen Eindruck, sie lehne die CoronaSchVO weitgehend ab, nochmal verstärkt. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil gegen die Beklagte rechtskräftig durch Bußgeldbescheide der Stadt T wegen Verstoßes gegen die CoronaSchVO NRW i.V.m. dem IfSG als Hotelbetreiberin Geldbußen von insgesamt 15.000,00 Euro verhängt wurden und zwei weitere Verfahren nach § 47 OWiG eingestellt wurden. Die Betroffene hat die Einsprüche gegen die Bußgeldbescheide in Höhe von insgesamt 15.000,00 Euro zurückgenommen. Von einem Freispruch kann keine Rede sein. Hinzu kommt, dass sich die Beklagte auch in den zahlreichen Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Verstößen gegen die CoronaSchVO in ihrem Hotel mit den Betroffenen solidarisiert hat und sich auch öffentlich durch Interviews auf YouTube auf dem Channel „Frontwolf“ deutlich im Sinne der „Coronaleugner“ bzw. „Coronagegner“ geäußert hat. Die vorgenannten Tatsachen sind dem Gericht offenkundig (vgl. dazu MüKoZPO, ZPO § 291 Rn. 10).

Damit hat die Beklagte in ganz erheblicher Weise nach außen den Rechtsschein gesetzt, dass sie die CoronaSchVO nicht nur ablehnt, sondern auch zu umgehen versucht. Hierdurch war es dem Kläger, der die Corona-Pandemie offenkundig ernst nimmt, schlicht nicht mehr zuzumuten, mit seiner Familie im Hotel der Beklagten zu übernachten und Urlaub zu machen. Denn der Kläger hätte aufgrund dieses durch die Beklagte selbst erzeugten Eindrucks keinen unbeschwerten Urlaub machen können, sondern hätte stets die latente Angst vor Hygienemängeln und damit der Gefahr vor einer Infektion von sich oder seiner Familie mit des SARS-Covid 2 Virus haben müssen. Dabei kann es völlig dahinstehen, ob die Beklagte zu dem fraglichen Zeitpunkt tatsächlich weiter gegen Bestimmungen der CoronaSchVO NRW verstoßen hat und ob zu diesem Zeitpunkt tatsächlich Hygieneverstöße vorlagen. Dem Kläger war es weder zumutbar, noch möglich dieses zu prüfen. Es ist daher aufgrund der Äußerungen der Beklagten nachvollziehbar, dass der Kläger ernsthafte Befürchtungen haben musste, dass im Beherbergungsbetrieb der Beklagten in allen Bereichen, insbesondere aber auch im nicht für die Gäste sichtbaren Bereich (Küche, Zimmerreinigung pp.) gegen die Hygienevorschriften und Empfehlungen der anerkannten medizinischen Wissenschaft und des RKI (Robert-Koch-Institut) verstoßen wird.

Sowohl die WHO (World Health Organization), als auch der RKI stufen bei entsprechenden Hygieneverstößen das Infektionsrisiko mit dem SarsCov2- Erreger als hoch ein. Beide vorgenannten Institutionen gehen auch davon aus, dass eine solche Infektion im Einzelfall zu schwerwiegenden Folgen, ggf. Dauerschäden und im Einzelfall auch zum Tod führen kann.

Aufgrund des von der Beklagten gesetzten äußeren Anscheins war mithin schlichtweg die weitere Geschäftsgrundlage entfallen, da der Kläger sich und seine Familie auch nicht ansatzweise einem solchen Risiko aufgrund fehlerhaften Verhaltens in einem Beherbergungsbetrieb aussetzen musste. In einem solchen Fall, der zur Kündigung aus wichtigem Grund führt, können die AGB der Beklagten einer fristlosen Kündigung und dem daraus entstehenden Erstattungsanspruch nicht entgegenstehen.

Auch war hier eine vorherige Abmahnung der Beklagten aufgrund ihres vorherigen Auftretens nicht erforderlich, da mit einer ernsthaften Änderung ihrer Einstellung nicht zu rechnen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Streitwert wird auf 1.060,00 EUR festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils bei dem Landgericht Arnsberg, Brückenplatz 7, 59821 Arnsberg, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils gegenüber dem Landgericht Arnsberg zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Arnsberg durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

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