1. Die Berufung der Generalstaatsanwaltschaft gegen das Urteil des Anwaltsgerichts E2 vom 17. März 2014 wird verworfen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Rechtsanwaltskammer E
3. Die Revision wird zugelassen.
1. Die Berufung der Generalstaatsanwaltschaft gegen das Urteil des Anwaltsgerichts E2 vom 17. März 2014 wird verworfen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Rechtsanwaltskammer E
3. Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e
I.
Der angeschuldigte Rechtsanwalt wurde am 29. August 1976 in C geboren und ist kanzleiansässig unter der B-Straße, ##### E, wo er mit den Rechtsanwältinnen D und E eine „L“ unterhält.
Der angeschuldigte Rechtsanwalt bestand am 22. September 2003 die Erste und am 4. Mai 2006 die Zweite Juristische Staatsprüfung. Mit Urkunde vom 9. Juni 2006 wurde er erstmalig zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt bei dem Amts- und Landgericht E2 zugelassen.
Der angeschuldigte Rechtsanwalt hat zu seinen Einkommensverhältnissen in der Hauptverhandlung keine Angaben gemacht. Auch aus der Akte ergeben sich Hinweise auf seine Einkommensverhältnisse nicht.
Der angeschuldigte Rechtsanwalt ist berufsrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.
II
. Sachverhalt
Das Anwaltsgericht hat folgenden Sachverhalt ermittelt, der in der Hauptverhandlung am 7. November 2014 nicht angegriffen worden ist:
Der angeschuldigte Rechtsanwalt G vertrat seine Partei als Verfügungsbeklagte in einem wettbewerbsrechtlichen Eilverfahren vor dem Landgericht Gießen. Das Landgericht Gießen (Urteil vom 5. Juni 2012 – 8 O 27/12) gab dem Verfügungsantrag statt. Die vollziehbare Ausfertigung des Urteils ging am 4. Juli 2012 beim Prozessbevollmächtigten des Antragstellers, Rechtsanwalt Dr. K, ein. Im Hinblick auf § 929 Abs. 2 ZPO war das Urteil nunmehr innerhalb von nur noch zwei Tagen, nämlich bis zum 5. Juli 2012 zuzustellen.
Rechtsanwalt Dr. K übermittelte dem angeschuldigten Rechtsanwalt G erst am 5. Juli 2012 die Entscheidung um 11.48 Uhr per Telefax und E-Mail sowie gegen 16.00 Uhr durch besonderen Boten, jeweils gegen Empfangsbekenntnis.
Der angeschuldigte Rechtsanwalt war sich im Unklaren, ob er verpflichtet ist, das Empfangsbekenntnis zurückzugeben und wandte sich daher am 5. Juli 2012 telefonisch an die Rechtsanwaltskammer E2, wo er über den Anrufbeantworter erfuhr, dass wegen einer Mitarbeiterbesprechung auf absehbare Zeit niemand zu erreichen sei. Literaturrecherchen durch den angeschuldigten Rechtsanwalt blieben ohne Erfolg.
Nach einem vergeblichen Versuch, einen Kollegen der Rechtsanwaltskammer Y erreichen, versuchte Rechtsanwalt G es noch einmal bei der Rechtsanwaltskammer E2 und erreichte dort Rechtsanwalt Dr. K2, der ihm erklärte, die Rechtslage sei durchaus komplex. Es sei der sicherste Weg, die Entscheidung über die Rückgabe des Empfangsbekenntnisses dem Mandanten zu überlassen, wobei dem betroffenen Mandanten aber die Bedeutung der Einhaltung berufsrechtlicher Pflichten vor Augen zu führen sei.
Rechtsanwalt G bemühte sich darüber hinaus noch zusätzlich um den Rat eines befreundeten Richters, der eher zur Bejahung der Anwendbarkeit von § 356 StGB neigte und dazu riet, das Empfangsbekenntnis nicht zu unterzeichnen.
Rechtsanwalt G setzte sich sodann telefonisch mit seinem Mandanten in Verbindung und teilte mit, dass bei Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses die Zahlung eines Betrages in Höhe von rd. 6.000,00 EUR drohe. Er stellte dem Mandanten den Sachverhalt dar, erläuterte ihm ausführlich den berufsrechtlichen Aspekt und die Bedeutung berufsrechtlicher Pflichten. Rechtsanwalt G bat den Mandanten um eine klare Handlungsanweisung, worauf der Mandant ihn angewiesen hat, die Mitwirkung bei der Zustellung von Anwalt zu Anwalt zu unterlassen.
Rechtsanwalt G folgte dieser Weisung des Mandanten und verweigerte die Annahme des zuzustellenden Schriftstückes sowie die Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses.
Der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin konnte daher das Urteil nicht mehr fristgerecht vollziehen und sah sich daher gehalten, auf die Rechte aus dem Urteil zu verzichten. Er bot Rechtsanwalt G die Herausgabe des Titels an. Rechtsanwalt G forderte daraufhin mit Schreiben vom 19. Juli 2012 den gegnerischen Kollegen auf, die Kostenpflicht seiner Partei anzuerkennen. Er bat um Überweisung seiner Kosten in Höhe von 2.567,80 EUR.
Mit Schreiben vom 25. Juli 2012 erhob Rechtsanwalt Dr. K gegen Rechtsanwalt G den Vorwurf einer „schweren schuldhaften Verletzung von Berufspflichten“. Mit Schreiben vom 27. Juli 2012 gab der Vorstand der Rechtsanwaltskammer E2 Rechtsanwalt G Gelegenheit zur Stellungnahme, der daraufhin mit Schreiben vom 30. Juli 2012 im Einzelnen ausführte, warum er das Empfangsbekenntnis nicht unterzeichnet und zurückgegeben habe.
Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer E2 hat gegen Rechtsanwalt N nicht getroffen
2. Verfahren
Mit Schriftsatz vom 24. September 2012, der am gleichen Tage bei der Staatsanwaltschaft E2 eingegangen ist, hat Rechtsanwalt G, vertreten durch Rechtsanwälte T3, die Einleitung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens beantragt, um sich von dem Vorwurf einer Berufspflichtverletzung zu reinigen.
Mit Anschuldigungsschrift vom 26. April 2013 hat die Generalstaatsanwaltschaft E2 Rechtsanwalt G angeschuldigt, sich schuldhaft innerhalb des Berufes der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, nicht würdig erwiesen zu haben, indem er eine ordnungsgemäße Zustellung nicht entgegennahm und ein mit dem Datum versehenes Empfangsbekenntnis nicht unverzüglich erteilte.
Das Anwaltsgericht für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer E2 (Beschluss vom 6. Januar 2014 – 3 EV 546/12) hat die Anschuldigungsschrift zur Hauptverhandlung zugelassen.
Das Anwaltsgericht für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer E2 (Urteil vom 17. März 2014 – 3 EV 546/12) hat den angeschuldigten Rechtsanwalt vom Vorwurf, sich schuldhaft innerhalb des Berufes der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwaltes erfordern, nicht würdig erwiesen zu haben, indem er eine ordnungsgemäße Zustellung nicht entgegennahm und ein mit dem Datum versehenes Empfangsbekenntnis nicht unverzüglich erteilte, freigesprochen und der Rechtsanwaltskammer E2 gemäß §§ 139 Abs. 2, 198 Abs. 1 BRAO die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Die Generalstaatsanwaltschaft E2 hat mit Schreiben vom 21. März 2014, das am gleichen Tage mit Telefax beim Anwaltsgericht für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer E2 eingegangen ist, gegen das Urteil vom 17. März 2014 Berufung eingelegt. Die Berufung wurde mit Schriftsatz vom 30. April 2014 begründet
3. Rechtliche Würdigung des Anwaltsgerichts E2
Das Anwaltsgericht hält § 14 BORA auf Zustellungen von Anwalt zu Anwalt für nicht anwendbar. Die Regelung des § 59 b Abs. 2 Nr. 6 b) BRAO umfasse keine Ermächtigung im Bezug auf Zustellungen von Anwalt zu Anwalt. Im Übrigen hätte Rechtsanwalt G durch die Unterzeichnung und Rücksendung des Empfangsbekenntnisses gegen § 356 StGB verstoßen
4. Anträge
Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Aufhebung des Urteils des Anwaltsgerichts sowie die Erteilung einer Warnung beantragt.
Der Verteidiger hat beantragt, die Berufung zu verwerfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft und der Verteidiger haben die Zulassung der Revision beantragt.
III.
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt (§§ 143 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 BRAO).
2. Das Anwaltsgericht hat allerdings zutreffend keine Berufspflichtverletzung angenommen, so dass die Berufung als unbegründet zurückzuweisen war.
Der angeschuldigte Rechtsanwalt hat sich nicht schuldhaft innerhalb des Berufes der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwaltes erfordern, nicht würdig erwiesen, indem er eine ordnungsgemäße Zustellung nicht entgegennahm und ein mit dem Datum versehenes Empfangsbekenntnis nicht unverzüglich erteilte.
Eine Berufspflichtverletzung kann nur angenommen werden, wenn (a) die Norm, gegen die verstoßen worden sein soll, aufgrund einer hinreichenden (b) Ermächtigungsgrundlage erlassen worden ist.
Die BORA kann nämlich nur solche Pflichten normieren, zu deren Konkretisierung die Satzungsversammlung über § 59 b BRAO (Vorbehalt des Gesetzes) ermächtigt worden ist (vgl. Hennsler in: Henssler/Prütting, BRAO – Kommentar, 4. Auflage, München, 2014, Einleitung BORA Rn. 35; Feuerich in: Feuerich/Weyland, BRAO – Kommentar, 8. Auflage, München, 2012, § 1 BORA Rn. 2; Hartung in: Hartung/Römermann, 4. Auflage, München, 2008, Einleitung BORA Rn. 62).
(a) Gemäß § 14 Satz 1 BORA hat der Rechtsanwalt ordnungsgemäße Zustellungen entgegenzunehmen und das Empfangsbekenntnis mit dem Datum versehen unverzüglich zu erteilen. Die Regelung des § 14 BORA soll nach Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft auf Zustellungen von Anwalt zu Anwalt anwendbar sein.
(b) Eine Ermächtigungsgrundlage, nach der die Berufsordnung Berufspflichten im Zusammenhang mit einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt regeln kann, besteht entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft nicht.
(aa) Eine Ermächtigungsgrundlage ist nicht in § 59 b Abs. 2 Nr. 5 a) BRAO zu sehen. Zwar darf die Berufsordnung nach § 59 b Abs. 2 Nr. 5 a) BRAO „die besonderen Berufspflichten im Zusammenhang mit der Annahme, Wahrnehmung und Beendigung eines Auftrags“ regeln, dies betrifft aber nicht die Zustellung von Anwalt zu Anwalt, denn der Anwendungsbereich des § 59 b Abs. 2 Nr. 5 a) BRAO ist auf das Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Auftraggeber beschränkt (so Böhnlein in: Feuerich/Weyland, BRAO – Kommentar, 8. Auflage, München, § 59b Rn. 16).
(bb) Entgegen einer weitverbreiteten Auffassung stellt auch die Bestimmung des
§ 59 b Abs. 2 Nr. 6 b) BRAO keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage dar, denn sie regelt „die besonderen Berufspflichten gegenüber Gerichten und Behörden […] bei Zustellungen“. Schon nach dem Wortlaut geht es ausschließlich um Pflichten gegenüber Gerichten und Behörden bei Zustellungen, nicht aber um Pflichten, die bei Zustellungen von Anwalt zu Anwalt bestehen.
Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass die Zustellung hier im Zusammenhang mit einem gerichtlichen Verfahren erfolgt ist. Selbst wenn die Zustellung von Anwalt zu Anwalt durchgeführt wird, um einem gerichtlichen Verfahren Fortgang zu geben oder Vollstreckungsvoraussetzungen zu schaffen, handelt es sich nicht um eine Pflicht gegenüber einem Gericht oder einer Behörde.
Die Gegenauffassung meint, dass die Pflicht aus § 14 BORA im Bezug auf die Zustellung von Anwalt zu Anwalt durch die Kompetenz des § 59 b Abs. 2 Nr. 6 b) BRAO gedeckt sei (so Dahns in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Auflage, Y, 2014, § 59 b BRAO Rn. 29; Zuck in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 14 BORA Rn. 1; Böhnlein in: Feuerich/Weyland, BRAO – Kommentar,
8. Aufl., München, 2012, § 14 BORA Rn. 1; Prütting in: Henssler/Prütting, BRAO – Kommentar, 4. Aufl., München, 2014, § 14 BORA Rn. 3).
Das Anwaltsgericht E2 hat zu recht die Auffassung vertreten, dass die Satzungskompetenz gemäß § 59 b Abs. 2 Nr. 6 BRAO die „besonderen Berufspflichten gegenüber Gerichten und Behörden“ umfasse. Da Rechtsanwälte weder Gerichte noch Behörden seien, könne keine Berufspflicht zur Erteilung eines Empfangsbekenntnisses bei der Zustellung von Anwalt zu Anwalt bestehen.
Auch eine historische Betrachtung führt nicht zu einer anderen Wertung. Die Regelung des § 14 BORA stellt eine vereinfachende Zusammenfassung der früheren
§§ 12, 27 RichtlRA dar. Im Hinblick darauf, dass diese RichtlRA durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1987 – 1 BvR 537/81, BVerfGE 76, 171 ff. = AnwBl. 1987, 598 ff.; BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1987 – 1 BvR 362/79, BVerfGE 76, 196 ff. = ZIP 1987, 1606 ff.) mangels Regelungskompentenz beanstandet worden sind, kann die Neuregelung nur dann wirksam sein, wenn eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage vorliegt. Daran fehlt es hier allerdings.
Die Generalstaatsanwaltschaft vertritt in der Berufungsbegründung vom 30. April 2014 die Auffassung, der Wortlaut des § 14 BORA umfasse sogar die Zustellung mit Postzustellurkunde. Jedenfalls solle die Vorschrift die Zustellung von Rechtsanwalt zu Rechtsanwalt und mit Empfangsbekenntnis regeln. Die Generalstaatsanwaltschaft verweist dabei auf eine Entscheidung des AGH Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 4. Juli 2003 – (2) 6 EVY 4/02). Darüber hinaus vertritt sie die Auffassung, dass im Hinblick auf den Schutzzweck der Norm auch die Zustellung von Anwalt zu Anwalt umfasst sei. Die Regelung aus § 59 b Abs. 2 Nr. 6 b) BRAO stehe dem nicht entgegen. Eine inhaltliche Änderung der überkommenen „Grundsätze des anwaltlichen Standesrechts“ sei mit § 59 b BRAO nicht beabsichtigt gewesen.
Der AGH Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 4. Juli 2003 – (2) 6 EVY 4/02, BRAK-Mitt. 2005, 199 [Ls.]) hat ausgeführt:
„Der Wortlaut des § 14 BORA umfasst auch die Zustellung mit Postzustellungsurkunde. Es mag sein, dass § 14 BORA die Zustellung von Rechtsanwalt zu Rechtsanwalt und mit Empfangsbekenntnis regeln sollte (vgl. Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, § 14 Rn. ff.). Der Wortlaut beschränkt sich indes nicht auf diese Zustellarten. Wenn § 14 BORA schon die Mitwirkung an den genannten Zustellarten als Berufspflicht vorschreibt, so muss erst recht gelten, dass ein Rechtsanwalt sich so organisieren muss, dass Zustellungen mit Postzustellungsurkunde entgegengenommen werden können…“
Der Senat hat seinerzeit nicht entschieden, ob § 14 BORA auf Zustellungen von Anwalt zu Anwalt anwendbar ist. Er hat diese Frage ausdrücklich offengelassen, so dass die Entscheidung nicht für die Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft spricht.
Das Anwaltsgericht Y (Beschluss vom 21. Januar 2014 – 10 EV 32/12, BRAK-Mitt. 2014, 82 f.) geht davon aus, dass der Rechtsanwalt verpflichtet ist, ein Empfangsbekenntnis, das ihm von einem anderen Rechtsanwalt im Wege der Zustellung von Anwalt zu Anwalt zulässigerweise per Telefax übermittelt worden ist, unverzüglich zurückzusenden. Eine Begründung erfolgt durch das AnwG Y indes nicht.
Die Auswertungen der Gesetzesmaterialien führt auch nicht dazu, dass eine Satzungskompetenz angenommen werden kann. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 19. Mai 1993, BT-Drs. 12/4993, S. 1, 22, heißt es lediglich:
„Die Vorschrift soll durch eine Berufsordnung den notwendigen Ersatz schaffen für die zur Konkretisierung der beruflichen Pflichten eines Rechtsanwalts in Richtlinien festgestellter allgemeiner Auffassung über Fragen der Ausübung des Anwaltsberufs (§ 177 Abs. 2 Nr. 2 a. F.). Der Begriff der „Berufsordnung“ ist in der Rechtsanwaltschaft bereits verbreitet, wobei Übereinstimmung besteht, dass dieser Begriff auf die von den demokratisch legitimierten Vertretern der Anwaltschaft zu beschließenden Berufssatzung abzielt. […] Das Verhalten gegenüber Gerichten und Behörden, insbesondere auch der Umgang mit Erkenntnissen aus der Akteneinsicht auch unter datenschutzrechtlichen Aspekten, soll in der Berufsordnung näher ausgestaltet werden (Abs. 2 Nr. 6). […]“
Die Formulierung gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber eine Ermächtigungsgrundlage für eine Regelung der Zustellung von Anwalt zu Anwalt
schaffen wollte. Wenn der Gesetzgeber der Auffassung ist, dass ein Rechtsanwalt an einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt mitzuwirken verpflichtet sein soll, dann obliegt es ihm, eine gesetzliche und eindeutige Ermächtigungsgrundlage dafür zu schaffen. Es kann nicht Aufgabe der Rechtsprechung sein, den sehr differenziert gestalteten Katalog des § 59 b Abs. 2 BRAO durch Auslegung zu erweitern. Dafür spricht auch, dass es im Einleitungssatz von § 59 b Abs. 2 BRAO nicht „insbesondere“ oder „zum Beispiel“ heißt (vgl. Dahns in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Auflage, Y, 2014, § 59b BRAO Rn. 3). Das Fehlen einer solchen Einleitung intendiert, dass der Gesetzgeber eine abschließende Regelung treffen wollte, um Rechtssicherheit zu schaffen. Die damit erreichte Rechtssicherheit darf nicht durch die Rechtsprechung der Berufsgerichte in Frage gestellt werden.
Es kann offenbleiben, ob die Auffassung des Anwaltsgerichts E2, dass Rechtsanwalt G mit der Mitwirkung bei der Zustellung durch Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses und Rücksendung an den Absender pflichtwidrig im Sinne des § 356 StGB gehandelt hätte, zutrifft. Darauf kommt es im Hinblick auf das Fehlen der Ermächtigungsgrundlage nicht mehr an.
3. Weitere berufsrechtliche Normen, gegen die der angeschuldigte Rechtsanwalt durch sein Verhalten hätte verstoßen können, sind nicht ersichtlich.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 116 Abs. 1 S. 2 BRAO i.V. mit § 467 Abs. 1 StPO. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeschuldigten fallen der Rechtsanwaltskammer E2 zur Last.
V.
Die Revision war gemäß § 145 Abs. 2 BRAO zuzulassen, weil der Senat über Rechtsfragen oder Fragen der anwaltlichen Berufspflichten entschieden hat, die von grundsätzlicher Bedeutung sind. Die Frage, ob es eine Berufspflichtverletzung darstellt, eine Zustellung von Anwalt zu Anwalt zu verweigern, ist – wie oben dargelegt – streitig und von grundsätzlicher Bedeutung.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil kann binnen einer Woche bei dem Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Heßlerstraße 53, 59065 Hamm, schriftlich Revision eingelegt werden. Die Frist beginnt mit der Verkündung des Urteils. Ist das Urteil nicht in Anwesenheit des Rechtsanwalts verkündet worden, so beginnt für diesen die Frist mit der Zustellung.
Seitens des Rechtsanwalts können die Revisionsanträge und deren Begründung nur schriftlich angebracht werden.
Wetzlarer Straße 8a
35644 Hohenahr
Telefon: +49 6446 921 332
Telefax: +49 6446 921 331
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