Amtsgericht Duisburg, 512 C 2976/20

August 7, 2021

Amtsgericht Duisburg, 512 C 2976/20

Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet

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512 C 2976/20 Amtsgericht Duisburg IM NAMEN DES VOLKES Urteil

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In dem Rechtsstreit

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des …

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Klägers,

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Prozessbevollmächtigte: …

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gegen

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die …,

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Beklagte,

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Prozessbevollmächtigte: …

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hat das Amtsgericht Duisburgauf die mündliche Verhandlung vom 18.05.2021durch die Richterin am Amtsgericht …für Recht erkannt:

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Die Klage wird abgewiesen.

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Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

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Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

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Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

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T a t b e s t a n d :

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Der Kläger buchte bei der Beklagten am 29.09.2019 für sich und drei Mitreisende für den Zeitraum vom 14.09.2020 bis zum 23.09.2020 eine Flugpauschalreise nach Málaga. Der Reisepreis betrug für vier Erwachsene insgesamt 3.542,00 EUR.

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Am 12.08.2020 trat der Kläger vom Reisevertrag zurück. Mit Schreiben vom 12.08.2020 (Bl. 28 der GA) bestätigte die Beklagte die Stornierung der Reise und erhob Stornierungskosten in Höhe von 25 % des Reisepreises entsprechend einem Betrag von 885,00 EUR.

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Mit Schreiben vom 25.08.2020 (Bl. 31 der GA) forderte der Kläger die Beklagte zur Erstattung der Stornierungskosten auf. Mit Schreiben vom 27.08.2020 lehnte die Beklagte die Erstattung ab.

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Der Kläger behauptet, die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie seien insbesondere in dem Zielgebiet zu spüren gewesen. Es habe eine Warnung des Robert-Koch-Instituts bestanden, dass in Spanien landesweit ein erhöhtes Infektionsrisiko und damit eine Gesundheitsgefährdung insbesondere für sogenannte Risikogruppen bestehe. Wegen der Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen sei mit erheblichen Einschränkung der Bewegungsfreiheit sowohl im Hotel als auch außerhalb zu rechnen gewesen. Landesweit habe eine umfassende Maskenpflicht bestanden.

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Der Kläger vertritt die Auffassung, er sei aufgrund der Ausbreitung der Covid-19- Pandemie und der damit einhergehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung zum Rücktritt berechtigt.

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Im Übrigen könne nicht beurteilt werden, ob die einbehaltene Entschädigungspauschale von 25 % des Reisepreises angemessen sei. Der Kläger verlangt von der Beklagten, die Höhe der Entschädigung zu begründen. Er bestreitet die von der Beklagten ersparten Aufwendungen mit Nichtwissen.

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Der Kläger beantragt,

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1.

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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Gesamtbetrag in Höhe von 885,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.09.2020 zu zahlen;

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2.

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festzustellen, dass der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Stornierungskosten in Höhe von 885,00 EUR nicht zusteht;

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3.

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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 143,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.09.2020 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie behauptet, zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung habe keine Reisewarnung für das Zielgebiet vorgelegen. Insbesondere die Region Andalusien sei kaum betroffen gewesen und habe nur sehr geringe Infektionszahlen aufgewiesen. Sowohl Besichtigungen als auch Strandaufenthalte seien möglich gewesen.

33
Die konkrete Entschädigung übersteige die pauschale Entschädigung und betrage 1.167,75 EUR. Die Beklagte habe durch die Stornierung Hotelkosten in Höhe von 1.983,60 EUR, Kosten für die Reiseleitung in Höhe von 20,00 EUR, Kosten für Rail & Fly in Höhe von 20,00 EUR und für die Provision in Höhe von 350,65 EUR erspart.

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Die Beklagte vertritt die Auffassung, der Kläger sei in Bezug auf die mitreisenden Schwiegereltern nicht aktivlegitimiert.

35
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

36
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin … Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 18.05.2021 (Bl. 124 ff der GA) Bezug genommen.

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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

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Die Klage ist hinsichtlich des Feststellungsantrags unzulässig. Ist – wie hier – Klage auf Leistung möglich und zumutbar, fehlt im Interesse der endgültigen Klärung des Streitstoffs in einem Prozess das abstrakte Feststellungsinteresse regelmäßig (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 256 ZPO, Rn. 7a).

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Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet.

40
Dem Kläger steht gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung von 885,00 EUR zu. Der Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 346 Abs. 1, 651h Abs. 1 S. 2 BGB.

41
Zwar verliert der Reiseveranstalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis, wenn der Reisende vom Vertrag zurücktritt. Gemäß § 651h Abs.1 S. 3 BGB kann der Reiseveranstalter jedoch eine angemessene Entschädigung verlangen.

42
Abweichend von § 651 h Abs. 1 S. 3 BGB kann der Reiseveranstalter keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen, § 651h Abs.3 S.1 BGB. Umstände sind unvermeidbar und außergewöhnlich in diesem Sinne, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären.

43
In Bezug auf die Corona-Krise kommt es für die Beurteilung darauf an, wann der Reisende zurückgetreten ist und ob die Gegebenheiten zu dieser Zeit bereits als außergewöhnliche Umstände zu qualifizieren sind. Hier verbietet sich jede schematische Betrachtung, maßgeblich bleiben vielmehr die Geschehnisse des konkreten Einzelfalles. In diesem Zusammenhang ist für die Bewertung der Zeitpunkt der Ausübung des Gestaltungsrechts maßgeblich. Es handelt sich um eine Prognoseentscheidung, für die es auf eine ex-ante-Betrachtung aus der Perspektive des Kunden ankommt. Im Falle eines „übereilten“ Rücktritts fällt in aller Regel eine Entschädigung gemäß § 651h Abs. 1 S. 3 BGB an. Daran ändert sich nichts, wenn sich im Nachhinein eine Betroffenheit der späteren Reise von außergewöhnlichen Ereignissen ergibt und sich der Rücktritt ex-post darauf stützen ließe. Die entrichteten Stornogebühren kann der Kunde nicht zurückverlangen. Es vermag nämlich nicht zu überzeugen, dass der Kunde möglichst frühzeitig vom Vertrag zurücktritt und dann auf die Fortdauer der Krise bis zu einem späteren Zeitpunkt spekuliert. Die Prognose und die Tatsachenlage im Zeitpunkt der Gestaltungserklärung wird durch nachträgliche Veränderungen nicht erschüttert (vgl. Staudinger/Achilles-Puyol in: Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 3.Aufl. 2021 § 7 Reiserecht, Rn. 26).

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Besteht für das in Frage stehende Zielgebiet eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes, so ist diese als ein starkes Indiz – wenn auch nicht als zwingende Voraussetzung – für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstands zu beachten. Daneben können als weitere Indizien für die Risikobewertung Stellungnahmen des Robert-Koch-Instituts sowie der Weltgesundheitsorganisation einbezogen werden. Das Auswärtige Amt gibt seit dem 1. 10. 2020 keine pandemiebedingten pauschalierten oder sogar weltweiten Reisewarnungen mehr heraus, sondern unterscheidet nach einzelnen Ländern (vgl. Staudinger/Achilles-Puyol in: Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 3.Aufl. 2021 § 7 Reiserecht, Rn. 26).

45
Liegen zum Zeitpunkt des Rücktritts keine amtlichen Reisewarnungen vor und ist das Zielgebiet (noch) nicht von dem Ausbruch betroffen, schließt das die Annahme eines außergewöhnlichen Umstandes i.S.d § 651h Abs. 3 BGB nicht generell aus. Vielmehr genügt zur dahingehenden Einordnung bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung (vgl. Staudinger/Achilles-Puyol in: Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 3.Aufl. 2021 § 7 Reiserecht, Rn. 28).

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Was den Grad der Gefahr angelangt, dass ein Reisender von der Katastrophe betroffen wird, genügt es, wenn hierfür eine erhebliche Wahrscheinlichkeit besteht; es muss nicht überwiegend wahrscheinlich sein, dass sich das Risiko verwirklicht. Gerade bei Ereignissen, von denen im Ernstfall die Gefahr des Todes oder erheblicher Gesundheitsschäden ausgehen, muss genügen, dass bei unvoreingenommener Betrachtung ein konkretes Risiko besteht. Bei Epidemien kann man hiervon schon dann ausgehen, wenn am Reiseort im Vergleich zum Wohnort des Reisenden und der Zeit der Reisebuchung ein deutlich erhöhtes Ansteckungsrisiko besteht (vgl. Harke in: BeckOGK, 1.5.2021, BGB § 651h Rn. 46).

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Reisehinweise des Auswärtigen Amtes können je nach Einschätzung der Sicherheitslage die Empfehlung enthalten, Reisen einzuschränken oder auf sie zu verzichten. Auch solche Reisehinweise können als Indizien für einen Rücktritt ohne Entschädigung angesehen werden, denn auch sie geben Hinweise darauf, ob mit erheblichen Einschränkungen oder einer höheren Ansteckungsgefahr im Urlaubsgebiet als im Inland zu rechnen ist. Behördliche Einreiseverbote und Quarantänemaßnahmen des Ziellandes oder Deutschlands bei der Rückkehr, Hotelschließungen, Ausgangssperren, massenweise behördlich angeordnete Flugausfälle, geschlossene Restaurants oder touristische Attraktionen, die Teil der Reiseleistung sind, und weitere Beschränkungen des öffentlichen Lebens sind als hoheitliche Eingriffe als solche schon unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände und daher auch ein weiteres Indiz für eine erhebliche Beeinträchtigung der geplanten Reiseleistungen durch die Covid-19-Pandemie. Entscheidend ist auch hier die Lagebeurteilung durch Reisehinweise des Auswärtigen Amtes beziehungsweise der Staaten des Zielgebiets (vgl. Führich, NJW 2020, 2137, 2138).

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Ist indes weder eine Reisewarnung ausgesprochen noch das Zielgebiet von der Epidemie betroffen und mangelt es auch an einer gewissen Wahrscheinlichkeit, so stellen rein subjektive Unwohl- oder Angstgefühle des Reisenden vor einer Krankheit keinen außergewöhnlichen Umstand nach § 651h Abs. 3 BGB dar. Gleiches gilt, wenn der Kunde selbst mit dem Corona-Virus infiziert ist und seinen Urlaub nicht antreten kann, das Reiseziel aber weiterhin nicht betroffen ist (vgl. Staudinger/Achilles-Puyol in: Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 3.Aufl. 2021 § 7 Reiserecht, Rn. 27).

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Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben kann nicht angenommen werden, dass bei Ausübung des Rücktrittsrechts am 12.08.2020 bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass am Reiseziel des Klägers unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten würden, die die Durchführung der Pauschalreise erheblich beeinträchtigen würden.

50
Eine Reisewarnung gab es zum Zeitpunkt der Ausübung des Rücktrittsrechts unstreitig für Spanien noch nicht. Es ist gerichtsbekannt, dass die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes nach der Einstufung von Spanien als Corona-Risikogebiet erst am 14.08.2020 erfolgt ist. Dieser nach der Erklärung des Rücktrittsrechts eingetretene Umstand kann daher nicht berücksichtigt werden.

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Auch gab es am 12.08.2020 weder Reisehinweise des Auswärtigen Amtes in Bezug auf Spanien noch behördliche Einreiseverbote und Quarantänemaßnahmen des Ziellandes oder Deutschlands bei der Rückkehr, Hotelschließungen, Ausgangssperren oder massenweise behördlich angeordnete Flugausfälle.

52
Bei anderen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie am Urlaubsort angeordneten Maßnahmen wie dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ist nur eine hinzunehmende Unannehmlichkeit anzunehmen bzw. von einer Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos auszugehen (vgl. AG Düsseldorf, Urteil vom 25. Januar 2021 – 54 C 483/20, AG München, Urteil vom 27.Oktober 2020 – 159 C 13380/20).

53
Der Kläger hat den Vortrag der Beklagten nicht ausreichend bestritten, dass die Zielregion Andalusien im Zeitpunkt des Rücktritts kaum betroffen gewesen sei und nur sehr geringe Infektionszahlen aufgewiesen habe. Er hat auch auf einen entsprechenden gerichtlichen Hinweis hin nicht näher dargelegt, dass in Málaga eine Zunahme von Neuinfektionen festgestellt wurde oder dort besondere Einschränkungen galten.

54
Dass am Reiseort im Vergleich zum Wohnort des Klägers und der Zeit der Reisebuchung bei der Rücktrittserklärung am 12.08.2020 ein deutlich erhöhtes Ansteckungsrisiko bestand, kann damit gerade nicht festgestellt werden.

55
Die Beklagte war daher berechtigt, gemäß § 651h Abs.1 S. 3 BGB eine angemessene Entschädigung zu verlangen.

56
Gemäß § 651 h Abs. 2 S. 3 BGB ist der Reiseveranstalter auf Verlangen des Reisenden verpflichtet, die Höhe der Entschädigung zu begründen. § 651h Abs. 2 S. 3 BGB umfasst beide Entschädigungsvarianten, unabhängig davon, ob der Unternehmer die Gebühr pauschal festgelegt oder konkret berechnet hat (vgl. Staudinger in: Führich/Staudinger, Reiserecht, 8. Aufl. 2019, § 16 Rn. 23).

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Der Kläger hat die Beklagte ausdrücklich ersucht, die Höhe der Entschädigung zu begründen, so dass es der Beklagten grundsätzlich oblag, die normalerweise ersparten Aufwendungen und den gewöhnlich möglichen anderweitigen Erwerb darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (vgl. Staudinger in: Führich/Staudinger, Reiserecht, 8. Aufl. 2019, § 16 Rn. 23).

58
Vorliegend kann dahinstehen, ob die allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten wirksam in den Reisevertrag einbezogen worden sind.

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Denn die Beklagte hat die Entschädigung konkret berechnet und vorgetragen und bewiesen, welche Aufwendungen sie durch den Rücktritt des Klägers erspart hat.

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Bei der konkreten Berechnung muss der Veranstalter die ersparten Aufwendungen sowie den Abzug dessen, was er durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen erwirbt, vortragen (vgl. Staudinger in: Führich/Staudinger, Reiserecht, 8. Aufl. 2019, § 16 Rn. 23).

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Eine anderweitige Verwendung liegt nur dann vor, wenn der Veranstalter bei einer ausgebuchten Reise einen Ersatzkunden für die in Rede stehende Pauschalreise gefunden hat. Der Reiseveranstalter kann sich allerdings darauf berufen, dass der „neu Buchende“ ansonsten einen noch freien Platz in Anspruch genommen hätte, sodass die Möglichkeit zum anderweitigen Erwerb nur bei völliger Ausbuchung der Reise in Betracht kommt. Die Berufung darauf, dass der „neu Buchende“ ansonsten eine andere Reise ausgewählt hätte, die ihm nun entgangen ist, bleibt dem Veranstalter jedoch versagt (Steinrötter in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 651h BGB, Rn. 65).

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Die Beklagte war nicht verpflichtet, die Höhe der Entschädigungspauschale darzulegen und zu beweisen, sondern konnte auf die konkrete Berechnungsmethode des § 651h Abs. 2 S. 2 BGB zurückzugreifen.

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Dem Reiseveranstalter bleibt sogar bei Unwirksamkeit einer in den AGB festgelegten Entschädigungspauschale der Rückgriff auf die Methode der konkreten Berechnung eröffnet (vgl. Staudinger in: Führich/Staudinger, Reiserecht, 8. Aufl. 2019, § 16 Rn. 16; Steinrötter in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 651h BGB (Stand: 11.05.2020), Rn. 57). Ist die Vereinbarung einer Entschädigungspauschale, sei es nach § 651h Abs. 2 S. 1 BGB, sei es gemäß § 309 Nr. 5 lit. b BGB unwirksam, hat der Reiseveranstalter gleichwohl einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung, weil sich der Vorschrift nicht entnehmen lässt, dass sie zur Sanktion einer unwirksamen Pauschalenbestimmung ausgeschlossen sein soll. Der Reiseveranstalter muss die Entschädigung aber nach § 651h Abs. 2 S. 2 BGB individuell berechnen (vgl. Harke in: BeckOGK, 1.5.2021, BGB § 651h Rn. 39).

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Die Möglichkeit einer individuellen Berechnung der Entschädigung gemäß § 651a Abs. 2 S. 2 BGB bestand für die Beklagte daher unabhängig davon, ob die in den Allgemeinen Reisebedingungen vorgesehene Entschädigungspauschale wirksam in den Reisevertrag einbezogen worden ist.

65
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die von der Beklagten geltend gemachte Entschädigung in Höhe von 885,00 EUR nicht zu beanstanden.

66
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte durch den Rücktritt des Klägers Aufwendungen in einer Gesamthöhe von 2.374,25 EUR erspart und durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen nichts erlöst hat.

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Die Zeugin … hat ausgesagt, es seien durch den Rücktritt des Klägers die Hotelkosten in Höhe von 1.983,60 EUR erspart worden, weil die Stornierung durch die Beklagte gegenüber dem Hotel rechtzeitig erfolgt sei mit der Folge, dass Hotelkosten nicht entstanden seien. Außerdem seien Kosten für die Reiseleitung und für Rail&Fly in Höhe von jeweils 20,00 EUR erspart worden sowie Provisionskosten in Höhe von 350,65 EUR. Wenn die Reise durchgeführt worden wäre, hätte eine Provision von 463,50 EUR gezahlt werden müssen, wegen der Stornierung sei jedoch nur eine Provision von 113,00 EUR gezahlt worden.

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Die Aussage der Zeugin ist glaubhaft. Sie hat die Zusammenstellung der ersparten Aufwendungen anschaulich und in sich stimmig geschildert und nachvollziehbar erläutert, dass ihre Angaben eine Zusammenfassung der Mitteilungen der verschiedenen Abteilungen bei der Beklagten darstellen. Auf Nachfrage hat sie spontan auch Angaben dazu machen können, ob durch die freigewordenen Reiseleistungen Anderweitiges erlöst worden ist und insofern erläutert, dass die Beklagte 100 % der Flugkosten an die Fluggesellschaft bezahlt hat.

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Unter Zugrundelegung der Angaben der Zeugin sind von dem Reisepreis in Höhe von 3.542,00 EUR lediglich die ersparten Aufwendungen in Höhe von 1.983,60 EUR für die Hotelkosten, in Höhe von jeweils 20,00 EUR für die Reiseleitung und für Rail&Fly sowie in Höhe von 350,65 EUR für die ersparte Provision in Abzug zu bringen. Bei konkreter Berechnung ergibt sich daher eine Entschädigung von 1.167,75 EUR, die hinter dem von der Beklagten einbehaltenen Betrag in Höhe von 885,00 EUR zurückbleibt.

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Mangels Hauptforderung steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Nebenforderungen, d.h. auf Zinsen und Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, zu.

71
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr.11, 711 ZPO.

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Streitwert: 885,00 EUR.

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Rechtsbehelfsbelehrung:

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A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

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1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

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2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

77
Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Duisburg, König-Heinrich-Platz 1, 47051 Duisburg, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

78
Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Duisburg zu begründen.

79
Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Duisburg durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

80
Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

81
B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Duisburg statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Duisburg, König-Heinrich-Platz 1, 47051 Duisburg, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.

82
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

83
Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:

84
Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.

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