Auskunftspflicht des Erben

Juni 6, 2020

OLG Köln, Urteil vom 02. August 1991 – 19 U 20/89
Auskunftspflicht des Erben: Wertermittlungsanspruch des Vermächtnisnehmers nach Verjährung eines gleichzeitig bestehenden Pflichtteilsanspruchs

Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 14.12.1988 verkündete Teilurteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln -28 O 497/87 teilweise wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, den Wert des im Nachlaßverzeichnis vom 10.Oktober 1985 unter II. aufgeführten Schmucks
a) 1 Halskette gold
b) 1 Armband gold
c) 1 Anstecknadel (Brillanten)
d) 1 Ring (Brillanten)
durch einen Sachverständigen zu Lasten des Nachlasses ermitteln zu lassen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufungen tragen der Kläger zu 85 % und der Beklagte zu 15 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg.
Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung zwei Ziele, nämlich

1. die Verurteilung des Beklagten dazu, die in den von ihm gefertigten Nachlaßverzeichnis vom 10.Oktober 1985 unter II. aufgeführten Schmuckstücke zu Lasten des Nachlasses durch einen Sachverständigen schätzen zu lassen und

2. die Verurteilung des Beklagten zur Auskunftserteilung über den Bestand des Nachlasses der Erblasserin G V durch Vorlage eines von einem Notar aufgenommenen Nachlaßverzeichnisses.
Das Verlangen einer Sachverständigen Wertschätzung des Schmucks ist begründet. Auf die Vorlage eines notariellen Nachlaßverzeichnisses hat der Kläger dagegen keinen Anspruch.
Der Wertermittlungsanspruch steht dem Kläger gemäß § 2314 Abs. 1 S.2 BGB zu. Die in § 2314 BGB normierten Rechte stehen grundsätzlich jedem pflichtteilsberechtigten Nichterben zu, also auch dem vom Erblasser mit einem Vermächtnis bedachten Pflichtteilsberechtigten, und zwar selbst dann, wenn das Vermächtnis den Pflichtteilswert deckt (BGHZ 28, 177, 180).
Der Kläger ist Vermächtnisnehmer hinsichtlich des hier in Rede stehenden Nachlasses, da ihn die Erblasserin unter § 3 des notariellen Erbvertrages vom 27.August 1970 als solchen bedacht hat.
Unter § 3 „vermacht“ die Erblasserin dem Kläger „eine Geldsumme in Höhe von 25 % des Wertes ihres reinen Nachlasses (im Sinne des § 2311 BGB)“. Hierauf bezogen wird im folgenden Text mehrfach ausdrücklich der Begriff „Vermächtnis“ verwendet. Schon diese sprachliche Fassung belegt hinreichend deutlich den Willen der Erblasserin zu einer Vermächtniseinsetzung. Über die rechtliche Bedeutung des verwendeten Begriffs mußte sie, soweit sie ihn nicht ohnehin aufgrund anderer Vermächtniseinsetzungen in den früheren Erbverträgen vom 29.März 1968 und 8. Mai 1969 bereits kannte, durch den beurkundenden Notar aufgeklärt werden.
Es fehlen Anhaltspunkte dafür, daß der Begriff des Vermächtnisses vom beurkundenden Notar im Erbvertrag fehlerhaft verwandt wurde, wenn der Kläger statt Vermächtnisnehmer bloßer Pflichtteilsberechtigter hätte sein sollen.
Ein Pflichtteilsanspruch hätte dem Kläger auch ohne die Verfügung zugestanden. Einer Bekräftigung dieses Anspruchs bedurfte es nicht. Daß die Höhe des Vermächtnisses letztlich nicht über den Pflichtteilsanspruch hinausgeht, ist bei dieser eindeutigen Sachlage kein ins Gewicht fallender Gesichtspunkt mehr, der ernsthafte Zweifel an dem Willen der Erblasserin zur Einsetzung des Klägers als Vermächtnisnehmer wecken könnte.
Der Anspruch des Klägers auf Auszahlung des Vermächtnisses ist noch nicht verjährt und mithin noch durchsetzbar. Die Verjährung tritt gemäß §§ 194, 195 BGB erst nach 30 Jahren ein (Palandt-Edenhofer, BGB, 50.Aufl., § 2174, Rdz.8). Der Umstand, daß der Pflichtteilsanspruch des Klägers inzwischen verjährt ist, spielt für den Wertermittlungsanspruch aus § 2314 Abs. 1 S.2 BGB keine entscheidende Rolle. Bei Verjährung der Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Erben und der Erhebung der entsprechenden Einrede besteht zwar regelmäßig kein Bedürfnis mehr für die Geltendmachung der Rechte aus § 2314 BGB, so daß diese nur ausnahmsweise zuerkannt werden können, wenn aus bestimmten Gründen dennoch ein Informationsinteresse anzuerkennen ist (BGH in NJW 1985, 384, 385). An der Wertermittlung des zum Nachlaß gehörenden Schmucks hat der Kläger aber gerade wegen des noch bestehenden Vermächtnisanspruchs ein berechtigtes Interesse. Denn wegen der quotenmäßigen Abhängigkeit des Vermächtnisses vom Nachlaßwert wirkt sich der Wert des Schmucks unmittelbar auf die Höhe des Vermächtnisses aus.
Anders verhält sich dies allerdings bezüglich der vom Kläger des weiteren verlangten Auskunft über den Nachlaß in Form eines von einem Notar aufgenommenen Verzeichnisses. Dem Kläger liegt bereits ein Nachlaßverzeichnis vor. Der Kern seines Klagebegehrens liegt somit allein in der Mitwirkung eines Notars bei der Erstellung.
Hierfür ist ein berechtigtes Interesse nicht zu erkennen.
Ein solches besonderes Interesse ist hier erforderlich. Sämtliche in § 2314 I BGB normierten Rechte, so auch der Anspruch auf Erstellung des Nachlaßverzeichnisses durch einen Notar (§ 2314 Abs.1 S.3 BGB), sind Hilfsansprüche zur Realisierung bestehender Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche. Soweit diese wie hier wegen Verjährung nicht mehr bestehen, fallen grundsätzlich auch die Hilfsansprüche weg. Nur wenn ausnahmsweise für die Geltendmachung bestimmter Rechte ein Bedürfnis anzuerkennen ist, bleiben diese bestehen (BGB a.a.O.). Der Ausnahmecharakter gebietet eine strenge Prüfung, die für jedes einzelne der in § 2314 I BGB enthaltenen Rechte gesondert zu erfolgen hat. Für die beanspruchte Auskunftserteilung in notariell beurkundeter Form fällt diese Prüfung negativ aus.
Der Kläger begründet das Bedürfnis einer notariellen Beurkundung mit dem Hinweis, daß nach seinen Erkenntnissen das bislang vorliegende Nachlaßverzeichnis unrichtig sei. Konkret rügt er fehlende Angaben zu einer Perlenkette der Erblasserin (insoweit hat der Beklagte seine Auskunft inzwischen berichtigt), zu einem Wertpapierdepot, das beim Erbfall allerdings bereits „geplündert“ gewesen sein soll, sowie zu Einkünften der Erblasserin aus Vermietung und Verpachtung, die zu einem erheblichen Vermögen geführt haben sollen.
Diese zwischen den Parteien streitigen Punkte lassen sich auch bei der Aufnahme eines Nachlaßverzeichnisses durch einen Notar nicht klären. Der Notar wäre darauf angewiesen, den Angaben der Erben zu vertrauen und sie seinem Verzeichnis zugrunde zu legen. Die dem amtlichen Nachlaßverzeichnis grundsätzlich zukommende höhere Richtigkeitsvermutung (BGHZ 33, 373, 376) würde deshalb vorliegend nicht zum Zuge kommen können. Auch eine größere Klarheit und Übersichtlichkeit wäre nicht zu erreichen. Insoweit ist das bereits vorliegende Verzeichnis nicht zu beanstanden. Für die Neuerstellung eines Verzeichnisses unter Einschaltung eines Notars ist damit ein berechtigtes Interesse des Klägers nicht feststellbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Wert des Berufungsverfahrens des Klägers: 15.000,00 DM
Beschwer des Klägers: 5.000,00 DM
Beschwer des Beklagten: 10.000,00 DM
(Wertermittlungsantrag: 10.000,00 DM
Auskunftsantrag: 5.000,00 DM).

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