Ausschluß der Nutznießung des Sorgeberechtigten am Kindesvermögen durch letztwillige Verfügung

Mai 13, 2020

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 11. Februar 1982 – BReg 1 Z 117/81
Ausschluß der Nutznießung des Sorgeberechtigten am Kindesvermögen durch letztwillige Verfügung
1. Schließt der Erblasser die „Nutznießung“ eines allein sorgeberechtigten Elternteils an dem Vermögen, das er dem Kind zugewendet hat, aus, so bedeutet dies noch keinen Ausschluß der elterlichen Sorge für das dem Kind zugewendete Vermögen (BGB § 1638 Abs 1), sondern nur eine Beschränkung der Verwaltung nach BGB § 1639, die vom Vormundschaftsgericht durchgesetzt werden kann; eine Pflegerbestellung (BGB § 1909 Abs 1 S 1) ist in diesem Fall nicht erforderlich.
vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 3. August 1981, 13 T 4897/81

Tenor
I. Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 3.August 1981 wird als unbegründet zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte H hat die Kosten zu erstatten, die dem Beteiligten zu 1) im Verfahren der weiteren Beschwerde erwachsen sind. Er hat ferner, und zwar in gleichmäßiger Teilhaftung mit der Beteiligten L, auch die Kosten zu erstatten, die dem Beteiligten zu 1) im Beschwerdeverfahren erwachsen sind.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf DM 5 000,– festgesetzt.
Gründe
I.
1. J … ist das eheliche Kind des Beteiligten zu 1) und seiner am … durch Selbsttötung verstorbenen Ehefrau U …. Diese hinterließ folgende letztwillige Verfügungen:
a)
„Mein Testament …
Im Falle meines Todes möchte ich, daß alle mir gehörenden Uhren in die Hände von Herrn P … wohnhaft … gehen. Alles andere was noch mir gehört, soll J bekommen, aber nicht zur Nutznießung ihres Vaters.
U …“
b)
„Mein letzter Wille … Freitag, den …
Meine Tochter J soll alles erben. Mein Mann H soll keinerlei Nutznießung haben. An meinem Ableben ist keiner schuld – nur ich. Ich schaffe es nicht mehr.
U …“
Zum Nachlaß gehört insbesondere das Anwesen K straße 65 in Fürth, das die Erblasserin von ihren Eltern erhalten hatte.
Das Amtsgericht – Nachlaßgericht – Fürth ordnete zunächst Nachlaßsicherung an und erteilte dann am 22./27.7.1981 einen Erbschein, in dem bezeugt wird, daß U … von ihrer Tochter J allein beerbt worden ist.
2. Mit Schriftsatz vom 3.6.1981 beantragten die Beteiligten zu 2) die Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlaßgericht, hilfsweise die Bestellung eines Pflegers für das Kind J durch das Vormundschaftsgericht.
Der Beteiligte zu 1) trat diesen Anträgen entgegen.
Das Amtsgericht – Nachlaßgericht – Fürth wies mit Beschluß vom 4.6.1981 den Antrag auf Ernennung eines Testamentsvollstreckers zurück.
Das Amtsgericht – Vormundschaftsgericht – Fürth lehnte mit Verfügung vom 24.6./10.7.1981 die Bestellung eines Pflegers für das Kind ab, da dessen Mutter in den letztwilligen Verfügungen zwar die Nutznießung, nicht aber die Vermögensverwaltung des Vaters ausgeschlossen habe. Die dagegen eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 2), der das Amtsgericht nicht abgeholfen hatte, wies das Landgericht Nürnberg-Fürth mit Beschluß vom 3.8.1981 als unbegründet zurück.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die weitere Beschwerde, die von H … am 1.9.1981 zu Protokoll der Geschäftsstelle (Rechtspfleger) des Landgerichts Nürnberg-Fürth eingelegt und von seinen Verfahrensbevollmächtigten begründet worden ist.
Der Beteiligte zu 1) beantragt die Zurückweisung der weiteren Beschwerde.
II.
1. Die – an keine Frist gebundene – weitere Beschwerde ist statthaft (§ 27 FGG) und formgerecht eingelegt (§ 29 Abs.1 Satz 1, Abs.4 i.V.m.§ 21 Abs.2 FGG). Die Beschwerdeberechtigung des Großvaters des Kindes folgt schon aus der Zurückweisung seiner Erstbeschwerde (§ 29 Abs.4 i.V.m.§ 20 Abs.1 FGG; BGHZ 31, 92/95; BayObLGZ 1981, 30/32); sie ergibt sich außerdem gemäß § 63 FGG entsprechend – wie für das Erstbeschwerdeverfahren – aus § 57 Abs.1 Nr.3 FGG i.V.m.§ 1909 BGB.
Das sonach zulässige Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
2. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Eine Ergänzungspflegschaft sei nicht anzuordnen, da die Erblasserin in den letztwilligen Verfügungen nicht bestimmt habe, daß der Vater das Vermögen des Kindes nicht verwalten solle. Bestimme der Erblasser, daß der Inhaber der elterlichen Sorge von der Nutznießung des von dem Kinde von Todes wegen erworbenen Vermögens ausgeschlossen sei, so könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß dies gleichzeitig einen Ausschluß der elterlichen Vermögensverwaltung bedeute. Allein die Vorschrift des § 1649 Abs.2 BGB lasse nicht den Schluß zu, die Erblasserin habe ihren Ehemann auch von der Verwaltung des Kindesvermögens ausschließen wollen.
Auch im übrigen liege keine Verhinderung des Vaters im Sinn des § 1909 Abs.1 Satz 1 BGB vor. Ein erheblicher Interessengegensatz zwischen Vater und Kind sei bisher nicht gegeben. Der Vater hänge sehr an dem Kind; er werde dessen Interessen auch unter Berücksichtigung seiner eigenen wahren. Das gelte auch hinsichtlich einer etwaigen Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs gegen das Kind. Die familienrechtlichen Streitigkeiten zwischen den Eltern des Kindes, die zuletzt getrennt gelebt hätten, ließen nicht die Vermutung zu, der Vater werde nunmehr seine eigenen Interessen über die seines Kindes stellen. Die Erblasserin habe seit etwa Mai 1979 intime Beziehungen zu einem jüngeren Mann unterhalten, was möglicherweise Anlaß für sie gewesen sei, aus ihrer Ehe herauszukommen. Dagegen habe ihr Ehemann versucht, den Bestand der Ehe zu erhalten, wobei es naturgemäß zu Auseinandersetzungen – sogar tätlichen – gekommen sei. Diese Tatsachen sprächen dafür, daß es zwischen Vater und Kind im Hinblick auf das diesem zugedachte Vermögen zu keinerlei Interessenkollisionen kommen werde.
3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der im Rechtsbeschwerdeverfahren allein möglichen rechtlichen Nachprüfung (§ 27 FGG, § 550 ZPO) stand.
a) Nach § 1909 Abs.1 Satz 1 BGB erhält ein unter elterlicher Sorge stehendes Kind einen Pfleger zur Verwaltung des Vermögens, das es von Todes wegen erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt hat, daß die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen (§ 1638 Abs.1 BGB). Eine solche Bestimmung muß zwar nicht in der Gesetzessprache oder ausdrücklich getroffen sein (MünchKomm § 1909 BGB RdNr.68). Es kann aber aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden, daß das Landgericht hier in der letztwilligen Anordnung der Erblasserin nur einen Ausschluß der „Nutznießung“, nicht aber einen Ausschluß der Verwaltung des Kindesvermögens durch den Vater (§ 1638 Abs.1 BGB) erblickt hat (vgl. BayObLGZ 1976, 67/70; LG Dortmund NJW 1959, 2264 f.; MünchKomm RdNr.73, Soergel BGB 11.Aufl.RdNr.8, je zu § 1909 BGB). Die letztwilligen Verfügungen der Erblasserin, mit denen sie ihr Kind als alleinigen Erben eingesetzt (§ 1937 BGB) und damit zugleich ihren Ehemann enterbt hat (§ 1938 BGB), hatten hier ersichtlich das Ziel, daß das Kind alles, der Ehemann aber nichts, auch keinerlei Nutzungen, erhalten sollte. Damit ist die Verwaltung des Kindesvermögens durch den sorgeberechtigten Vater zwar dahin eingeschränkt worden, daß er die Einkünfte des Vermögens, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung und für den Unterhalt des Kindes nicht benötigt werden, entgegen § 1649 Abs.2 BGB nicht für seinen eigenen Unterhalt u.a. verwenden (MünchKomm § 1639 BGB RdNr.3), das Anwesen also auch nicht für eigene Zwecke unentgeltlich nutzen darf, sondern daß er die Einkünfte (Nutzungen: § 100 BGB) ausschließlich dem Kinde zukommen lassen muß. Eine solche Beschränkung der Verwaltung erfordert keine Pflegerbestellung (Soergel RdNr.2, Palandt BGB 41.Aufl.Anm.1, Erman BGB 7.Aufl.RdNr.1, je zu § 1639 BGB). Erst dann, wenn der Vater dieser Anordnung nicht nachkäme, müßte das Vormundschaftsgericht die erforderlichen Maßregeln treffen (§ 1639 Abs.1 Satz 2 BGB; vgl. auch § 1640 Abs.3, 4 BGB), es sei denn, daß die Befolgung der Anordnung das Interesse des Kindes gefährden und deswegen ein Abweichen vom Vormundschaftsgericht genehmigt würde (§ 1639 Abs.2 i.V.m. § 1803 Abs.2 BGB). Eine Pflegerbestellung ist aber nicht zulässig zur dauernden Überwachung der Verwaltung des Vaters hinsichtlich der Einhaltung der angeordneten Beschränkung seiner Verwaltung (Palandt § 1638 BGB Anm.2; vgl. MünchKomm Ergänzungsband § 1640 BGB RdNrn.24, 25).
2. Das Landgericht hat auch im übrigen eine rechtliche Verhinderung des Vaters bei der Verwaltung des Kindesvermögens (§ 1909 Abs.1 Satz 1 BGB) ohne Rechtsfehler verneint.
a) Rechtlich verhindert sind die Eltern, wenn sie kraft Gesetzes von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen sind. Das ist insbesondere bei den gesetzlichen Vertretungsverboten (§§ 181, 1629 Abs.2 Satz 1 i.V.m. § 1795 Abs.1 Nrn.1 bis 3 BGB) sowie dann der Fall, wenn die Vertretung für einzelne Angelegenheiten (wegen erheblicher Interessenkollisionen zwischen Eltern und Kind, § 1629 Abs.2 Satz 3 i.V.m. § 1796 BGB) durch Beschluß des Vormundschaftsgerichts entzogen worden ist (vgl. OLG Hamm Rpfleger 1973, 395/396; MünchKomm § 1909 BGB RdNrn.30, 40). Die Vertretungsmacht darf jedoch – von den hier nicht vorliegenden Fällen des § 1666 Abs.3 und des § 1667 BGB abgesehen – nur dann entzogen werden, wenn das Interesse des Kindes zu dem Interesse der Eltern in erheblichem Gegensatz steht (§ 1629 Abs.2 Satz 3 i.V.m. § 1796 Abs.2 BGB). Die Verschiedenheit der Interessen muß so groß sein, daß die Förderung des einen Interesses nur auf Kosten des anderen geschehen kann (BayObLGZ 1963, 132/134; 1976, 114/117; MünchKomm § 1909 BGB RdNr.30 m.weit.Nachw. bei Fn.33); es genügt nicht, wenn trotz möglicher Interessengegensätze zu erwarten ist, daß die Eltern im Sinne des Kindes handeln werden (OLG München DFG 1942, 58; Palandt § 1796 BGB Anm.2).
b) Der Umstand, daß der von der Ehefrau enterbte Vater möglicherweise seinen Pflichtteilsanspruch (§ 2303 Abs.2, § 1371 Abs.2 BGB) gegen das Kind geltend machen wird, erfordert noch nicht ohne weiteres die Bestellung eines Vermögenspflegers für das Kind. Der Vater ist von der Vertretung des Kindes gesetzlich nicht ausgeschlossen, wenn die Vornahme eines Rechtsgeschäfts ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit des Kindes gegenüber dem Vater besteht (§ 1629 Abs.2 Satz 1, § 1795 Abs.2, § 181 BGB). Freilich können bei der Erfüllung der Pflichtteilsforderung erhebliche Interessengegensätze zwischen Vater und Kind auftreten mit der Folge, daß dem Vater die Vertretung für diese Angelegenheit zu entziehen (§ 1629 Abs.2 Satz 3, § 1796 BGB) und insoweit ein Pfleger zu bestellen wäre (§ 1909 Abs.1 Satz 1 BGB; vgl. BayObLGZ 1963, 132/134; MünchKomm § 1909 BGB RdNr.41 m.weit.Nachw. bei Fn.40). Dies erfordert aber noch nicht die beantragte Bestellung eines Pflegers zur dauernden Verwaltung des Vermögens, welches das Kind von der Mutter geerbt hat.
Sollte der Vater, was derzeit nicht ersichtlich ist, mit dem Kind etwa einen Mietvertrag über eine Wohnung in dessen Anwesen abschließen wollen, so wird zwar in diesen oder ähnlichen Fällen der Verhinderung des Vaters von der gesetzlichen Vertretung (§ 181 BGB) zu gegebener Zeit für die bestimmte Angelegenheit ein Pfleger zu bestellen sein. Im übrigen hat aber das Landgericht ohne Rechtsfehler ausgeführt, es sei trotz künftig möglicher Interessengegensätze zu erwarten, daß der Vater im Sinn des Kindes handeln werde. Unter diesen Umständen besteht zur Zeit kein Grund, dem Vater gemäß § 1629 Abs.1 Satz 3, § 1796 BGB wegen erheblicher Interessengegensätze die Verwaltung des vom Kind geerbten Vermögens insgesamt zu entziehen und sie nach § 1909 Abs.1 Satz 1 BGB einem Pfleger zu übertragen.
4. Die weitere Beschwerde ist sonach unbegründet und daher zurückzuweisen.
5. Gemäß § 13a Abs.1 Satz 2 FGG sind dem Rechtsbeschwerdeführer die Kosten aufzuerlegen, die er dem Beteiligten zu 1) durch sein unbegründetes Rechtsmittel veranlaßt hat. Diese in § 13a Abs.1 Satz 2 FGG zwingend vorgeschriebene Kostenentscheidung ist auch für das Beschwerdeverfahren nachzuholen (Keidel/Kuntze/Winkler FGG 11.Aufl.RdNr.51, Jansen FGG 2.Aufl.RdNr.27 a.E., je zu § 13a FGG); die Beteiligten zu 2)haften hierbei als Beschwerdeführer für die Kosten nicht gesamtschuldnerisch, sondern in gleichmäßiger Teilhaftung (Keidel/Kuntze/Winkler RdNr.13, Jansen RdNr.25, je zu § 13a FGG und je m. Nachw.).
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs.2, § 30 Abs.2, § 31 Abs.1 Satz 1 KostO.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.